Erfahrungsberichte
Statement zum PJ
PJ in der Gemeinschaftspraxis Bayerwald: „Fachlich bin ich beeindruckt, was hier geleistet wird“
Medizinstudentin Caroline Swoboda entschied sich für ein PJ-Tertial Allgemeinmedizin in der Gemeinschaftspraxis Bayerwald, weil sie die Famulatur dort schon in so guter Erinnerung hatte. Unterstützt wurde sie dabei von der Stiftung Bayerischer Hausärzteverband. Und wieder war sie fachlich „beeindruckt, was in der Gemeinschaftspraxis geleistet wird. Hier ihr Bericht:
Motivation
Die Antwort auf die Frage nach meiner Motivation für mein PJ-Tertial in der Gemeinschaftspraxis Bayerwald teilt sich in zwei Aspekte. Zum einen, warum ich mich für ein Allgemeinmedizin-Terital entschieden hab und zum anderen, warum ich das gerade auf dem Land machen wollte.
Für die Allgemeinmedizin habe ich mich entschieden, da ich in meiner Famulatur in dem Exzellent-Programm von Dr. Wolfgang Blank bereits positive Erfahrungen in einer Hausarztpraxis gemacht hatte. Ich schätze vor allem den langfristigen Kontakt mit den Patienten und die abwechslungsreichen Beratungsanlässe. Das Tertial speziell auf dem Land machen wollte ich, um hier die Arbeit in der Allgemeinmedizin zu erleben, bei der nicht direkt um die Ecke jeder andere Facharzt oder ein Krankenhaus zur Verfügung steht.
Tätigkeit und fachliche Eindrücke
In der Gemeinschaftspraxis wurde ich in jeder Zweigstelle als ärztliche Kollegin angesehen. Als PJ-Student darf man sich als „angehende(r) Arzt/Ärztin“ vorstellen und so wurde ich langsam an die Haltung eines Arztes herangeführt. Während der Sprechstunde habe ich mit einer der MFA oder dem ärztlichen Kollegen abgesprochen, welchen Patienten ich aufrufen darf. Dann hatte ich so viel Zeit, wie ich für Anamnese und körperliche Untersuchung benötigte. Daraufhin informierte ich den Patienten, dass ich nun einen Arzt dazu hole und stellte den Patienten mit seinen Symptomen vor. Je nach Beratungsanlass konnte ich einen Therapievorschlag äußern und das Prozedere wurde mit Patient und Arzt besprochen. Abschließend machte ich die Dokumentation zu dem Fall. Bei den Gesundheitsuntersuchungen durfte ich ebenso alleine beginnen und auch sonografieren. Danach wurde die Untersuchung wiederholt und ich konnte meinen Eindruck abgleichen.
Fachlich bin ich beeindruckt, was in der Gemeinschaftspraxis geleistet wird. Durch die regelmäßigen Fallbesprechungen, Journal Clubs und das leitliniengerechte Arbeiten habe ich das Gefühl, das evidenzbasierte Medizin hier wirklich groß geschrieben wird.
Betreuung vor Ort
Die Betreuung der Studierenden ist sehr gut organisiert. Die Koordination der Studierenden läuft über einen Arzt, der uns vor der Anreise über alles Wichtige informiert hat und auch während des PJ-Tertials begleitete. Außerdem gibt es in der Gemeinschaftspraxis viele junge Assistenzärzte, die einen gerne jederzeit unterstützen oder Fragen beantworten.
Fachlich wurden wir u. a. über die Fall- und Themenbesprechungen gut betreut, bei denen wir immer Fragen stellen durften und sollten.
Unterkunft
Die Unterkunft war wirklich hervorragend. Als PJ-ler hat man entweder eine eigene Wohnung oder eine Wohnung, in der zwei Schlafzimmer sind, von denen man eines alleine bewohnt und in dem anderen wechselnd ein/zwei Famulanten oder Blockpraktikanten wohnen. Beides sind große, saubere Wohnungen, in denen man sich wohl fühlen kann.
Land und Leute
Die Menschen im Bayerischen Wald wachsen einem wirklich schnell ans Herz und man ist immer auch als „Zugezogener“ willkommen. Ich habe recht bald ein paar Wörter übernommen und kann beim Abhören „jetzt bitte tief ein- und ausschnaufen“ sagen, das hört sich so oder so viel sympathischer an.
Die Region an sich finde ich auf jeden Fall lebenswert, ich habe es genossen, inmitten der Natur zu wohnen und an den Wochenenden den Bayerischen Wald zu erkunden. Nur, dass man für fast jeden Weg das Auto braucht, ist für mich weiterhin gewöhnungsbedürftig geblieben.
Fazit
Zusammenfassend würde ich sagen, dass man durch die verschiedene Aufgaben, die man in der Gemeinschaftspraxis rund um die Besprechungen, Seminare und Journal Clubs hat, auf jeden Fall gefordert ist. Wer ein entspanntes Terital haben möchte, bei dem man um 12 Uhr geht, der ist hier falsch. Ich wusst, dass ich hier gefördert und gefordert werde und würde mich wieder für ein Tertial im der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald entscheiden.
Förderprogramme Stiftung Bayerischer Hausärzteverband
Salome Wahl
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- Woche 8
- Woche 9
Woche 1: 01.07. – 07.07.2024
Mit einem wehmütigen Herz und einer Tasche voller Käse habe ich die Schweiz verlassen und mich nach einem kleinen Zwischenstopp in der oberbayerischen Heimat freudig auf den Weg in den Bayerischen Wald gemacht. 4 Monate voller lehrreicher Tage in der Hausarztpraxis liegen nun vor mir!
Mein in die Jahre gekommener Audi kämpfte sich die Berge hoch, bis mich Kirchberg schließlich mit wechselhaftem Wetter begrüßte. In einer Regenpause konnte ich meinen kleinen Hausrat, den ich unverändert aus der Schweiz umgezogen habe, in das ehemalige Mesnerhaus räumen. Danach zog ich hungrig los, um die kulinarischen Angebote von Kirchberg zu ergründen. Bei der Pizzeria angekommen, kam der erste kleine Kulturschock: Eine Pizza unter 10€ und lediglich Barzahlung war möglich. Ein krasser Kontrast zu den Bedingungen im vorigen Tertial. Ich hatte doch angenommen, dass die Unterschiede zwischen den beiden Tertialen nicht so groß sein dürften – schließlich war ich dort auch in einem kleinen Städtchen, es gab Berge und eine eigene Mundart. Das selbstverständliche „Grüezi“ und „Ade“, das ich mir in den vergangenen 4 Monaten antrainiert habe, schwirrte mir die gesamte erste Woche noch im Kopf.
Freudig begab ich mich am Montagmorgen in die Praxis und durfte gleich einmal die Bandbreite der Allgemeinmedizin erleben. Von Grippe und Erkältung über Rückenschmerz bis hin zu komplexen Fällen. Am eindrücklichsten empfand ich ein Gespräch mit einem Patienten, der vor wenigen Tagen eine Krebsdiagnose erhalten hatte und nun um Rat bat, wie er weiter vorgehen solle. In so einer schweren Lebenssituation besteht die Herausforderung des Hausarztes darin, mit Rat und Hilfsangeboten die Patienten zu begleiten, gleichzeitig jedoch keine unrealistischen Hoffnungen zu schüren und auch die Grenzen der Allgemeinmedizin aufzuzeigen. Weiter ging es mit Krankenhausentlassungen, Routine Check-ups, unspezifischer Müdigkeit und Abgeschlagenheit und Harnwegsinfektionen.
Nach einem 5-minütigen Waldspaziergang am Abend konnte ich auch nachvollziehen, warum aktuell sehr viele Patienten nach einem Zeckenstich die Praxis zur FSME-Impfung oder mit dem Verdacht auf Borreliose aufsuchen: Ich durfte mich erstmal von circa 25 Zecken entledigen.
Diese Woche habe ich vor allem zwei wichtige Punkte der Allgemeinmedizin gelernt. Einerseits spielt das Bauchgefühl des Patienten und des erfahrenen Hausarztes eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung. Dies führt auch dazu, dass den Patienten wieder mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit übertragen wird und damit die Gesundheitskompetenz gestärkt wird.
Andererseits muss ich mich auch erst daran gewöhnen, dass das Vorgehen in der Hausarztpraxis schon auch sehr von dem in der Klinik abweicht. Im Studium wurde viel Wert darauf gelegt, die diagnostischen Möglichkeiten auszureizen und damit jedwede Differentialdiagnose auszuschließen. Auch wenn ich es die letzten Jahre so gelernt habe, ist eben doch ein Aspekt der Allgemeinmedizin, dass Überdiagnostik vermieden werden soll. Nach Ausschluss von Red Flags kann ein symptomatischer Therapieversuch begonnen und der Verlauf erstmal weiter beobachtet werden – natürlich stets mit dem Hinweis auf rasche Wiedervorstellung bei Symptomverschlechterung. Der meist gehörteste Satz diese Woche: „Da verpassen wir nichts“.
Ich freue mich schon sehr darauf, in den kommenden Monaten mein Gespür für Patienten zu trainieren und zu verfeinern, viel zu sonografieren und ebenso grundlegende Skills zu üben. Und natürlich auch darauf, die Umgebung und den Bayerischen Wald zu erkunden!
Woche2: 08.07. - 14.07.2024 Woche 3: 15.07. – 21.07.2024
Nach einer Woche Segelurlaub an der französischen Atlantikküste begab ich mich erneut in den Bayerischen Wald, um nun weitere der insgesamt 6 Praxen kennenzulernen.
Diese Woche konnte ich bereits viele PatientInnen eigenständig anamnestizieren und untersuchen und im Anschluss mit den jeweiligen KollegInnen besprechen. Bei Unsicherheiten wurde immer noch einmal Herz und Lunge auskultiert oder Knie und Schulter untersucht. Sehr stolz war ich, als ich aus den Befunden der Anamnese und der Auskultation die Verdachtsdiagnose einer Pneumonie gestellt habe. Nach kurzer Recherche hatte ich mir schon einen Therapieplan zurechtgelegt und mich für eine antibiotische Therapie entschieden. Die mich betreuende Ärztin pflichtete mir bei und verschrieb das entsprechende Antibiotikum.
Im Arbeitsalltag merke ich jedoch auch, welche Themen ich noch einmal nachlesen und welche Untersuchungstechniken ich noch einmal vertiefend anschauen muss. Aufgrund des breiten Spektrums der Allgemeinmedizin kann es jeden Tag dazu kommen, dass eine neurologische oder orthopädische Untersuchung durchgeführt werden muss.
Jeden Morgen stand für mich außerdem ein Gesundheits-Check-Up an, bei dem ich mir immer die Zeit nehmen konnte, eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung sowie eine ausgiebige Ultraschalluntersuchung durchzuführen. Auch wenn in jeder Praxis der Untersuchungsablauf mit den Voreinstellungen am Ultraschallgerät etwas anders ist, kam ich doch ganz gut damit zurecht. Da jede und jeder bei den Check-ups einen etwas anderen Fokus legt und die Untersuchungen mal mehr und mal weniger ausführlich gemacht werden, habe ich mir nun so langsam auch meine eigene Art und Weise erarbeitet. Künftig liegt mein Fokus darauf, noch strukturierter zu arbeiten und meine einzelnen Untersuchungstechniken zu verbessern.
Nachdem ich in der ersten Woche vor allem die Arbeitsweisen der männlichen Ärzte kennenlernen durfte, war ich diese Woche ausschließlich mit Ärztinnen unterwegs. Ich fand es sehr spannend, die einzelnen Methoden und Prioritäten kennenzulernen. Es macht sehr viel Spaß, eigenständig die Anamnese und körperliche Untersuchung durchzuführen, das Gespräch zu leiten und im Verlauf dessen auch Differentialdiagnosen im Hinterkopf zu behalten und sich Gedanken zu einer Verdachtsdiagnose und Therapiemöglichkeiten zu machen.
Nach einer sehr vollen Sprechstunde konnte ich am Freitagabend die Woche bei einem Chorkonzert in meiner Unistadt Regensburg ausklingen lassen. Nach unzähligen Konzerten, bei denen ich auf der Bühne mitgesungen habe, konnte ich die Jazznuts das erste Mal aus dem Publikum heraus erleben. Eine wunderbare Erfahrung – auch wenn ich das nächste Mal lieber wieder selbst auf der Bühne stehe.
Woche 4: 22.07. – 28.07.2024
Die vierte Woche verging wie im Flug. Vor allem eingeprägt haben sich diese Woche Patienten und Krankheiten, die rein mithilfe der klinischen Untersuchung und einer guten Anamnese diagnostiziert werden konnten. Da gab es einen Patienten mit einer Bursitis präpatellaris, die sich klinisch sehr eindeutig mit einer Schwellung über der Kniescheibe präsentierte. Außerdem erneut ein Erythema migrans, das bereits antibiotisch anbehandelt wurde und nun die genaue Dauer der Therapie besprochen werden sollte. Die Patientin präsentierte sich gleichzeitig mit einer peripheren Fazialisparese – da schlugen meine Alarmglocken und ich dachte in Richtung einer möglichen Neuroborreliose. Als ich bereits begonnen hatte, eine neurologische Untersuchung durchzuführen, klärte mich die Patientin über die seit längerem bestehende Fazialisparese auf. Diese habe sie aufgrund eines bereits operierten Akustikusneurinoms. Pflichtbewusst vervollständigte ich meine Untersuchung und erklärte der Patientin meine Erleichterung darüber, dass kein Anhalt für eine Neuroborreliose bestand.
Etwas in die Irre habe ich mich auch von den Symptomen einer 18-jährigen Patientin führen lassen. Seit 2 Tagen habe sie schmerzhafte Schwellungen in beiden Achseln festgestellt. Felsenfest war ich davon überzeugt, dass es sich dabei um eine beidseitige schmerzhafte Lymphknotenschwellung handeln müsse. Verzweifelt suchte ich mithilfe einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung nach einer guten Begründung für die Lymphadenopathie. Bis mich schließlich die ärztliche Kollegin erlöste und die Diagnose einer Follikulitis – also einer Entzündung der Haarbälge -stellte. Nun gut, da hatte ich auch gelernt, was klinisch den Unterschied zwischen schmerzhaften Lymphknoten und einer Hautinfektion ausmacht – der Schmerz und die Toleranz der Patienten, sich untersuchen zu lassen.
Die Woche endete mit 3 Check-Ups, wobei mir bei einem Patienten in der Auskultation der Lunge ein einseitig aufgehobenes Atemgeräusch auffiel. Bei einer anschließend durchgeführten Ultraschalluntersuchung zeigte sich ein großer einseitiger Pleuraerguss. Auf Nachfrage gab der Patient an, seit wenigen Monaten zunehmend schlechter Luft zu bekommen. Da dieser Befund dringend weiter abgeklärt werden muss, haben wir den Patienten zur weitergehenden Diagnostik ins Krankenhaus eingewiesen. Ein weiterer Check-up resultierte in einem kleinen privaten Ultraschallteaching für mich, da der Patient selbst jahrelang als Urologe tätig war, und mir so noch einige hilfreiche Tipps mit auf den Weg gab.
Diese Woche wurde mir noch einmal deutlich, was doch alles rein klinisch bewertet und diagnostiziert werden kann!
Woche 5: 29.07. – 04.08.2024
Diese Woche startete mit einer Patientin mit starken Bauchschmerzen. Innerhalb von wenigen Minuten demonstrierte mir Dr. Machac seine sonografischen Künste und stellte mittels Ultraschalls den Verdacht auf einen Darmverschluss. Die Patientin wurde mit dem Rettungsdienst ins Krankenhaus eingewiesen.
Die Hälfte der Woche verbrachte ich in Kirchberg und lernte die Arbeitsweise der dortigen Ärzte kennen. Nach anfänglichem Eingewöhnen übernahm ich dann schnell wieder die infektiösen Patienten und warf einen Blick auf Trommelfelle, Rachen und Tonsillen und entschied mich gemeinsam mit den Kollegen und Patienten für oder gegen eine antibiotische Therapie. Neben einigen Impfungen stellte sich ein Patient mit einem ausgeprägten Erysipel mit flammenförmigen Ausläufern vor, der am Vortag in der Notaufnahme vorstellig wurde und mit Schmerztherapie nach Hause geschickt wurde.
Den Donnerstag verbrachte ich gemeinsam mit einer Hospitantin für das PJ in Grafenau. Da dort das Patientenaufkommen eher gering war, war etwas Zeit für ein gemeinsames Üben am Ultraschallgerät. Abschließend habe ich den Freitag in Auerbach verbracht, wo ich bereits mit den Routinen vertraut war und so direkt durchstarten konnte.
Woche 6: 05.08. – 11.08.2024
Nach der letzten Woche, in der ich in 3 verschiedenen Praxen war, freute ich mich wieder auf mehr Kontinuität in der Praxis in Schöfweg. Hier habe ich die Abläufe bereits gut kennengelernt, weiß worauf die ärztliche Kollegin Wert legt und welche Tätigkeiten ich bereits selbstständig durchführen kann und darf und wo ich lieber noch einmal Rücksprache halte.
Es gab auch wieder spannende Patientenfälle, die uns diese Woche in der Praxis begegnet sind. Direkt zu Beginn der Woche diagnostizierten wir einer Patientin eine beidseitige Speicheldrüsenentzündung, die wir erfolgreich antibiotisch behandelten. Außerdem waren auch ein paar Patienten bei uns vorstellig, die wir zur weiteren Abklärung in die Klinik eingewiesen haben. Bei einem Patienten, der vom Rettungsdienst abgeholt wurde, war ich anfangs überfordert, als ich dazu aufgefordert wurde, die Übergabe zu machen. Holprig erklärte ich den Notfallsanitätern die Anamnese und den bisher erhobenen Befunden. Auch wenn ich täglich routiniert Patienten vorstelle, so hat mein Kopf in diesem Moment blockiert. Gewöhnlich stand man doch bisher bei solchen Situationen eher im Hintergrund und nahm eine passive Rolle ein. Den kühlen Kopf in solchen Lagen zu behalten, steht also noch auf der Lernliste.
Sonografisch hatte ich diese Woche einige Erfolge zu verbuchen. So diagnostizierte ich eine Cholezystolithiasis und eine Nierenzyste (die sich beim Blick in die Akten als bekanntes Angiomyolipom herausstellte). Langsam aber sicher auch pathologische Befunde erkennen und einordnen zu können, ist schon ein Fortschritt und motiviert, sich stetig weiter zu entwickeln.
Am Donnerstag machte ich mich das erste Mal mit dem Fahrrad auf den Weg nach Schöfweg. Auch wenn ich mich mit meiner zeitlichen Kalkulation etwas verschätzt hatte und mit knallrotem Kopf ankam, werde ich das auf jeden Fall die nächsten Wochen noch öfter tun.
Woche 7: 12.08. – 18.08.2024
Die vielen Betroffenen der Sommergrippe hielten mich diese Woche auf Trab. Zwischenzeitlich kam ich etwas durcheinander, ob der aktuelle Patient nun unter Fieber litt oder es doch derjenige der vorherigen Konsultation war. Da ich jedoch schon während des Patientengesprächs versuche, zumindest die Anamnese mitzudokumentieren, half ein kurzer Blick in das System.
Highlight dieser Woche war das Praxisfest, zu dem wir Studierende wie selbstverständlich auch eingeladen wurden. Hier bot sich die Gelegenheit, die ärztlichen Kollegen und die MFAs einmal privater kennenzulernen und sich nicht ausschließlich über die Inhalte des Praxisalltags auszutauschen. Bei einem anschließenden Spaziergang konnten wir uns noch mit der dortigen Umgebung vertraut machen. Irritiert hatte uns nur ein Wegweiser, der einen Rundweg von 2 km angezeigt hatte. Motiviert machten wir uns auf den Weg und nach einem etwas 2 km langen Marsch begegnete uns ein Schild, das den Ort, von dem aus wir aufgebrochen sind, mit einer Entfernung von 2 km ankündigte. Nach einem doch etwas längeren Spaziergang fanden wir aber zurück und konnten den Sonnenuntergang noch genießen.
Da am Donnerstag Feiertag war, machte ich mich gemeinsam mit dem Famulanten Tamo auf den Weg zum Großen Arber. Nach anfänglichem Nebel zeigte sich die Sonne und somit das Wetter von der besten Seite und so hatten wir eine wunderschöne Wanderung mit einer Pause auf dem Mittagsplatzl vor uns.
Und schon ist auch die siebte Woche im Bayerischen Wald für mich vorbei und damit auch schon die Hälfte meines letzten Tertials.
Woche 8: 19.08. – 25.08.2024
In dieser Woche habe ich das erste Mal bewusst auch Patienten mit psychischen Beratungsanlässen übernommen. Wie es der Zufall so will, gab es direkt zwei Patienten mit Schlafstörungen an einem Tag. Zuerst bestand meine Aufgabe darin, die Dauer und Symptomatik der Insomnie zu erfragen. Außerdem sollte die Anamnese in Richtung bisher angewendeter schlaffördernder Maßnahmen geleitet werden. Bei beiden Patienten bestanden die Beschwerden seit mehreren Jahren und sie hatten bisher verschiedene diagnostische und therapeutische Maßnahmen ergriffen.
Eine der beiden Patientinnen hatte bereits vor 4 Wochen ein schlafförderndes Medikament verschrieben bekommen. Beim Blick in den Beipackzettel wurde sie jedoch bei den Indikationen stutzig – eine Depression habe sie doch nicht. Also nahm sie die Medikamente nicht ein. Nach einer ausführlichen Aufklärung über den Prozess der Medikamentenentwicklung und der Erweiterung der Indikationen im Verlauf der Markteinführung, erklärte ich ihr, dass diese Substanz aufgrund der schlaffördernden Wirkung auch gerne bei Insomnie ohne begleitende Depression eingesetzt wird. Dadurch fühlte sich die Patientin ermutigt, dem Ganzen eine Chance zu geben. Auch bei der anderen Patientin merkte ich, wie groß und weit verbreitet die Angst vor einer Stigmatisierung aufgrund einer psychiatrischen Diagnose ist.
Auch wenn ich die meisten somatischen Beratungsanlässe inzwischen routiniert und strukturiert abarbeiten kann, so fehlt mir bei den psychischen Anlässen häufig das nötige Handwerkszeug. Das Studium ist leider vor allem auf die körperlichen Beschwerden ausgelegt, und der kurze Exkurs in die Psychiatrie nicht ausreichend, um in diesem Gebiet ausreichend Erfahrung zu sammeln.
Highlight dieser Woche war, dass ich Dr. Kalmancai für eine Nacht bei seiner Arbeit als Notarzt begleiten durfte. Vor dem Studium war ich als Sanitäterin in der Schule und in der Bereitschaft des Roten Kreuzes tätig, habe es damals aber leider nie geschafft, bei einem Einsatz im Rettungswagen mitzufahren. Umso spannender jetzt für mich, das einmal live mitzuerleben. Die Nacht war sehr ruhig, wir wurden nur einmal gerufen. Dabei handelte es sich um eine Patientin, die eine hypertensive Krise erlitt. Als wir eintrafen, war der Blutdruck bereits etwas gesenkt und nach 2 Hüben Nitrolingual war der Einsatz für uns schon wieder beendet.
Das war auf jeden Fall ein spannender Einblick in mögliche Nebentätigkeiten, denen man als Hausarzt nachgehen kann.
Woche 9: 26.08. – 01.09.2024
Eine turbulente Woche geht vorbei. Auch wenn das Patientenaufkommen diese Woche nicht außergewöhnlich hoch war, so waren wir in Schöfweg doch gut beschäftigt. Und das vor allem mit Patienten, die etwas mehr Aufmerksamkeit benötigten.
Uns begegneten diese Woche mehrere kardial-vorerkrankte Menschen, deren Erkrankung aufgrund des warmen Wetters akut dekompensierten. So kam es auch, dass ich meine zweite rettungsdienstliche Klinikeinweisung erlebte und die Übergabe an die Kollegen selbstständig durchführte. Es gelang mir dieses Mal, wesentlich ruhiger Anamnese und körperliche Untersuchung durchzuführen, sodass ich den Kollegen vom Rettungsdienst die wichtigen Informationen strukturiert übergeben konnte.
Am Mittwoch begleitete ich Frau Dr. Kleudgen bei ihren wöchentlichen Hausbesuchen. Beeindruckt von der Landschaft und dem Vertrauen der Menschen in ihre Mitmenschen (wir standen selten vor verschlossenen Türen), freute ich mich, einmal diesen Teil der Allgemeinmedizin zu erleben. Auch wenn die medizinischen Möglichkeiten bei den Hausbesuchen begrenzt sind, so bietet sich doch eine unvergleichliche Möglichkeit, die Arzt-Patienten-Beziehung zu stärken und viel über die Lebensumstände zu erfahren.
Am Donnerstag ging es für mich dann direkt zu meinem ersten alleinigen Hausbesuch. Die Kinder der Patientin hatten sich gemeldet, dass diese über die letzten Tage an Gewicht zugenommen habe. Ich machte mich mit der Arzttasche auf den Weg, um mögliche Dekompensationszeichen zu finden. Die Patientin zeigte sich dann in erfreulich gutem Zustand und mit nur leichten Beschwerden. Also erhöhten wir zurückhaltend die diuretische Therapie und waren voller Zuversicht, rechtzeitig eingegriffen zu haben.
Für mich war es die bisher lehrreichste und erfüllendste Woche des Tertials. Ich konnte viel mitnehmen und gleichzeitig fühlte ich mich durch das Vertrauen, das Frau Dr. Kleudgen mir entgegen brachte, in meiner Funktion und Kompetenz bestärkt.
Philipp Kluwe
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Woche 1: 11.03. – 17.03.2024
Auf in den Bayerischen Wald! In meinem Fall von Frankreich aus, wo ich mein erstes Tertial in der Inneren Medizin verbrachte. Die vierzehnstündige, gemächliche Zugfahrt erhöhte sogleich meine Empathie und mein Mitgefühl für alle PatientInnen, die mit Rückenschmerzen und Verspannungen in der Hausarztpraxis Rat suchen werden. Denn für die nächsten drei Monate darf ich mein Wahltertial der Allgemeinmedizin auf dem niederbayerischen Land verbringen.
Ein guter Freund, der bereits exzellente Erfahrungen im Programm des „exzellenten Winters“ der Landarztmacher gemachte hatte, empfahl mir beziehungsweise befahl mir mich im selben Rahmen für mein Praktisches Jahr zu bewerben. „Philipp du musst unbedingt dorthin! Das wird dir gefallen. Vertrau mir.“ Und so finde ich mich an einem Sonntagabend nach einer Autofahrt durch die bewaldeten Hügel vorbei an den charmanten Dörfern des Bayerwaldes vor der Tür der gestellten Unterkunft für Studenten wieder. Mich erwartet ein eiskaltes Haus jedoch mit einem warmen Charakter, der von vielen Jahren der Bewohnung zeugt. Ich nehme die erste von wahrscheinlich vielen Brotzeiten in der bäuerlichen Küche ein und beziehe mein Zimmer für die Nacht.
Denn am darauffolgenden Tage fahre ich in die internistische Hausarztpraxis weiter, die mich für die folgenden drei Monate aufnimmt. Eine ansehnliche Schlange an Menschen verspricht einen typischen Morgen einer jeden Hausarztpraxis. Dank der guten Organisation werde ich jedoch trotzdem herzlich von allen Arzthelferinnen und der hier praktizierenden Ärztin und dem Arzt begrüßt. Mich beeindruckt das moderne Gebäude, die fließenden Arbeitsabläufe sowie der professionelle Umgang mit den Patienten. Über die Woche verteilt profitiere ich vormittags von der vielseitigen Sprechstunde in der sowohl Platz für Autonomie als auch für Rückfragen meinerseits besteht und nachmittags von den Angeboten und Fortbildungen der Teilnehmer des „exzellenten Winters“ an denen die PJler teilhaben dürfen. So staune ich beispielsweise über Krankheitsbilder wie die Thyreoiditis de Quervain, Nachkontrollen einer Plasmapherese bei Post-Covid oder das Vollbild einer Psoriasis-Arthritis, welche ich sonst nur im Lehrbuch oder in der Klinik sehe. Weiter geht es mit Online-Vorträgen innerhalb der Praxisgemeinschaften über allgemeinmedizinische Themen oder einer Expertenpräsentation, zufälligerweise, über die Pathophysiologie von postinfektiösen Syndromen. So wird die Praxis des Vormittags mit der Theorie am Nachmittag verknüpft. Zusätzlich finden über drei Tage der Woche verteilt eine Wiederholung der orthopädischen Untersuchungstechniken, eine Gesprächsrunde zur unipolaren Depression sowie ein Pädiatrie-Refresher seines Zeichens im Kindergarten in Begleitung der Kleinen statt. Als Belohnung gibt es ein Eis für die engagierten Kids und ein heimlich gefundenes Bonbon für den nur biologisch älteren PJler.
So fällt man abends gerne und wissensgesättigt in sein Bett. Die erste Woche auf dem Land strotzte förmlich von Eindrücken und Angeboten. Die kurze Zeit verging wie im Flug und verursacht, trotz des vollen Zeitplans, Lust auf mehr. Ich nehme mir vor neben meinem Französisch nun auch etwas Bayerisch aufzupolieren…
Bis zur nächsten Woche
- Philipp
Woche 2: 18.03. – 24.03.2024
Nach einem Wochenendbesuch in der Heimat beginnt eine neue Woche im Bayerwald. Gut gelaunt mit einem Podcast im Ohr kurve ich montags mit objektiv idealer und, den Einheimischen nach, subjektiv suboptimaler Geschwindigkeit auf der Landstraße gen Praxis. Etwas später stehe ich, mitsamt Patient, im Patientenzimmer. Der übliche Alltag der hausärztlichen Tätigkeit zwischen Befundbesprechungen, Betrachtung der über das Wochenende aufgetretenen Beschwerden, Atemwegsinfekten und Vorsorgeuntersuchungen setzt ein. Im Nu ist es 13:00 und die erste Hälfte der Sprechstunde neigt sich dem Ende zu. Ich nutze das studentische Privileg, keine ökonomischen, bürokratischen Aufgaben der Hausarztpraxis übernehmen zu müssen, indem ich erst einmal gemütlich zu Mittag esse. Danach schlüpfe ich in die Laufschuhe und nehme mir vor, die nähere Umgebung zu erkunden. Locker, leichten Laufschrittes geht es vom Asphalt auf den Schotter, vom Schotter auf den Feldweg, vom Feldweg in den Wald und vom Wald in den Sumpf. Infaust verlaufen. Nach 20 Minuten querfeld- und waldein bahne ich mir den Weg durch Unterholz zurück in die Zivilisation und gehe während dem Erklimmen der niederbayerischen Hügel, die gar nicht so nieder sind, die Differentialdiagnosen der Belastungsdyspnoe in vivo durch. Meine innere Stimme sagt mir, ich soll mich zusammenreißen und dass ich zu jung sei für Aortenklappenstenosen und Zynismus. Meine Äußere sagt mit NYHA 3 gar nichts mehr.
Nach einer Dusche im praxiseigenen Untergeschoss und einem Kapitel in meinem Buch hat sich mein Körper wieder beruhigt und genießt die Möglichkeit, die Zeit zwischen den Sprechstunden so frei nutzen zu können. Zwar sind die Tage lang, aber sehr erfüllend. So wiederhole ich das Schema am darauffolgenden Tag und treibe etwas Sport. Meine offensichtlich faul gewordenen, verwöhnten und friedlichen Z-Scheiben werden vehement aus ihrer Ruhe sowie aus ihrer Verankerung gerissen und erinnern mich den Rest der Woche mit nimmer müde werdendem Muskelkater an meine kardiovaskuläre Prävention. Am Wochenende wollte ich an und für sich Passau besuchen, jedoch vergeht bei windigem, grauem und verschneiten Aprilwetter die Lust, sodass ich daheim meine Zeit kulinarisch investiere. Passau rennt nicht weg. Hoffentlich kann ich das morgen noch…
Bis nächste Woche
- Philipp
Woche 3: 25.03. – 31.03.2023
Das Ende der Fastenzeit steht in dieser Woche an. Nicht, dass ich, oder die heiße Theke im Edeka des lokalen 2000 Seelendorfes meiner Praxis, sich sonderlich daran halten würden. Nichtsdestotrotz steht Ostern vor der Tür und damit eine kurze Woche. Die absolute Patientenzahl vor solchen Feiertagen ist jedoch vergleichbar mit einer jeden anderen. Disziplinierte Schulkinder und ihre leidgeprüften Eltern nehmen sich die Ferienwochen Zeit, um ihre Immunabwehr gegen Wald- und Wiesenviren wieder aufzufrischen, Großeltern nehmen beharrlich ihre Rückenschmerzen in Kauf, um Ostereier im hohen Gras zu verstecken und der ein oder andere aspirierende Profifußballer braucht ein Attest für sein Trainingslager. So verfällt man in den wöchentlichen Trott, der sich nach einiger Zeit eingespielt hat. Die Zeit im Patientenzimmer verfliegt schnell. Die Routine zwischen Anamnese, Dokumentation und Therapiefindung setzt ein und der Beginn des Osterwochenendes naht. Obwohl diese Woche weder Phäochromozytome noch Budd-Chiari Syndrome blickdiagnostiziert wurden, ist ein Normalbetrieb in der Hausarztpraxis nicht uninteressant. Kleine Rädchen von Basisdiagnostik, die sich jeden Tag drehen, Organisation von Terminen und dem Praxisbetrieb sowie das Quantum Fortschritt in der Therapie eines Patienten machen den Kontext für die langfristige Versorgung im hausärztlichen Bereich aus. Meine Chefin imponiert wie die Regisseurin eines Puppenspiels, die die Fäden, Protagonisten und Verkleidungen ähnlich im Blick hat wie das Überleben des gesamten Theaters. Ein anderes Schauspiel, auf das ich mich im Auto auf der Hinreise in meine Heimat ähnlich freue, ist das der Kinder meines Bruders, die ohne Zweifel auf der Recherche nach Hasen die Toleranz meines Vaters in puncto Landschaftsarchitektur in Frage stellen.
Bis dahin frohe Ostern
Philipp
Woche 4: 01.04. – 07.04.2024
Ein formidables Osterwochenende mit der Familie liegt hinter mir. Meine liebende Mutter quartierte mich aufgrund des Platzmangels im Hause kurzerhand in unserem alten VW-Bus ein. Eine Entscheidung, die ich sehr begrüßte, da ich sowohl geborgen vom innerhäuslichen Trubel als auch vor meinen Neffen meinen Schönheitsschlaf einfordern kann. Obwohl ich die kleinen Familienanhängsel sehr schätze, begrenzt sich diese Affinität in Anlehnung an einen Sketch von Loriot auf einen Zeitraum von ungefähr acht bis acht. Zusätzlich schläft es sich mit der Sicherheit im Kopf zu jederzeit wegfahren zu können einfach seliger ein. Mag mein frivoler Schreibstil eventuell andeuten, dass ich kein Freund von Familienfesten bin, so nur weil mir diese Zusammenkünfte sehr nah sind. Genauso wie die Patienten natürlich, die munter am Dienstag wieder in die Praxis strömen. Die hohe Kunst der Anamnese wird von Habilitierten wie Büchern gleich als wichtiges Instrument eines jeden Arztes zitiert. So sollen die ersten 30 Sekunden der ununterbrochenen Rede die gewichtigsten Informationen bergen. Ich sinniere über diese Philosophie als mir eine freundliche Dame von „seit 4 Wochen akuten Rückenschmerzen auf Höhe L7/L8“ berichtet. Die Stimme Carl Rogers kämpft innerlich gegen die von Dr. Cox und siegt letztlich, wahrscheinlich zum Wohle der Patientin, sodass wir uns gemeinsam auf einen Lösungsansatz verständigen. Auch wenn nur eine Unterbrechung von 4 Tagen zwischen der letzten Sprechstunde lag, wird mir klar, dass ich die Hausarztpraxis doch vermisst hatte. Wenn man jetzt nur noch die diversen studentischen Privilegien in seine eigene Praxis mitnehmen dürfte ohne sich um den betriebswirtschaftlichen Aspekt den Kopf zerbrechen zu müssen wäre das Land in dem Propofol und Honig fließt erreicht. Ein zünftiges „Servus!“ reißt mich aus meiner Tagträumerei zurück in die Realität. Und das ist auch besser so.
Bis dahin
- Philipp
Woche 5: 08.04. – 14.04.2024
Blut abnehmen ist wie Fahrradfahren. Das sage ich mir zumindest, während der Butterfly über der Vene der netten Diabetikerin aus der Nachbarschaft schwebt. Nach dem Abschlusssemester, drei Monaten Lernplan, einem Monat Urlaub und einem Auslandstertial in Frankreich, wo das kompetente Pflegepersonal so gut wie alle nadelassoziierten Standards durchführt, könnte man sagen ich habe schon länger kein Gefäß mehr punktiert. Günstigerweise war ich schon immer ein solider Fahrradfahrer. So setzt sich der Butterfly vielleicht nicht so grazil wie sein literarischer Zwilling auf mein anvisiertes Ziel, jedoch immerhin ohne zu zögern. Erfolg? Natürlich nicht. Zum Glück haben fünfeinhalb Jahre Studium dann doch den Effekt, dass man seine Furcht vor spitzen Dingen, vor Allem in anderen Leuten, verliert, sodass ich kurzerhand und beherzt die Nadel anschiebe bis die gewünschte Körperflüssigkeit in das Serumröhrchen fließt. Warum nimmt der PJler überhaupt Blut ab und nicht die zehnfach kompetentere MFA? Ich hospitiere heute im Labor, um mich in vivo mit dem DMP Programm zu familiarisieren. Obwohl die praktischen Grundlagen nicht kompliziert sind, steckt der Teufel mal wieder im Detail. Welches Profil wird bei welcher Krankenkasse gewählt? Wie soll man den Bestellschein für das Labor ankreuzen und an welches Labor geht er überhaupt? Welche Ziffer rechne ich ab und wo dokumentiere ich den vom Programm abweichenden Fragebogen? Und warum muss für Privatpatienten der ganze Ablauf komplett anders laufen? Die Hälfte der Arbeit, der Kontrolle chronischer Erkrankungen, verläuft im Hintergrund am Schreibtisch. Zusätzlich sieht der Arzt nach Beendigung des Teils der MFA abends die Befunde durch. Als beherzt medizininteressiert habe ich die Motivation in der Bürokratie wohl eingebüßt. Eine Schwäche, die in einem halben Jahr, sprich im Arbeitsalltag, hoffentlich schnell ausbaufähig ist. Im Herzen werde ich wohl immer lieber Blut abnehmen…
Bis dahin
Philipp
Woche 6: 15.04. – 21.04.2024
Ich war selbst schon immer ein schlechter Patient. Zusätzlich bin ich auch noch männlich. Eine verheerende Kombination, wenn man sich einmal eine Krankheit zuzieht. Denn das subjektive Leiden potenziert sich natürlich hundertfach bei meinem Geschlecht während sich die Genesung schleichend gestaltet, wenn man zwar beim Arzt auf Arbeit geht jedoch selten seine Hilfe in Anspruch nimmt. So folgt ein kurzer Auszug meiner selbstverständlich hyperbolischen Anamnese. Ein 24 jähriger Student präsentiert seit Tagen Temperaturen, die den Vesuv die Röte ins Gesicht treiben würden, Schüttelfrost und das Gefühl als würde alsbald die Welt untergehen. Die bellenden Hustenattacken verursachen laut Chaostheorie regelmäßig Taifune in Südostasien und der grünlich, gelblich, muköse Auswurf sollte laut Biowaffengesetz in einem Labor mit der Sicherheitsstufe 3 untersucht werden. Am fatalsten imponiert natürlich die parainfektiöse depressive Verstimmung, weil einfache körperliche Funktionen wie Atmen oder Gehen auf einmal Erschöpfungszustände verursachen. Kurz und präzise zusammengefasst spricht man vom selbstmitleidigen Syndrom bei Männerschnupfen. Ein Zustand ohne klinische Konsequenz aber mit hohem Leidensdruck bei den oft sehr fragilen Betroffenen. Dass so kleine Organismen wie Mycoplasmen oder ein Haemophilus solch einen Kampf liefern, habe ich dann auch am eigenen Leib erfahren. Als geborener Optimist danke ich natürlich für die Chance meine Empathie für die Patienten direkt steigern zu können. Ironischerweise, denn der "Patient Null" war sicher auch einer unseren... Da es mir zur Bewahrung meiner Nerven unmöglich ist, länger als zwei Tage herumzuliegen, fahre ich nach eben jenen Pausentagen wieder in die Praxis und widme mich akademischen Aufgaben. In meinem Fall dem Osteoporoserisiko nach neuer NVL der in meiner Praxis behandelten Patienten. Bei über 500 in frage kommenden Akten bleibt genug zum Durchforsten übrig.
Bis dahin
Philipp
Woche 7: 22.04. – 28.04.2024
Es geht bergauf. Mühsam kämpfe ich mit den Überbleibseln meiner verschleppten Bronchitis, aber immerhin kommt der Humor langsam zurück. Lediglich der Sport fehlt mir, der als Ausgleich die Funktion der essentiellen Feinabstimmung der sonst ausgeglichenen inneren Waage darstellt. C'est la vie. Immerhin werde ich wieder auf Patienten losgelassen, sodass die Zeit deutlich schneller vorbeifließt. Dass man als Student stetig gegen das Bild des jungen Alters ankämpft, ist verständlich. Aktuell kommt hinzu, dass meine Stimme sich anhört wie ein billiger Blasebalg aus dem dunklen Mittelalter oder wie nach einer wilden Nacht mit 8 Halben. Hätte ich 8 Halbe getrunken, hätten sich die Konsequenzen eventuell gelohnt. So lächle ich müde über die Ironie, wenn der Patient die scharfsinnige Beobachtung äußert, dass ich mich nicht so gut anhöre. Hier ist auch der Punkt gekommen, wo das verschriftlichte, leidende, parainfektiöse Gedudel sein Ende findet. Diese Woche wird, Kraft eigener Arroganz, der Gesundheitszustand erneut festgelegt. Dementsprechend bin ich dankbar über die routinierten Fortbildungen, die Fallbesprechungen und den thematisch immanent wichtigen Vortrag über Pluralismus dieser Woche. Der Arbeitsalltag spult sich ohne größere Entwicklungen ab und am Donnerstag wird unter PJlern die Leitlinie des Diabetes Typ 2 wiederholt. Der Freitag ist überraschenderweise hoch frequentiert, sodass verspätet, aber mit dem guten Gefühl, etwas geleistet zu haben, das Wochenende begonnen wird. Nächste Woche beginnt der Praxisurlaub. Ein Ziel steht in Aussicht. In meinem Fall eine erneute Reise in das Land der Pâtisserie. Wenn das kein Anreiz ist, sich auf die vorangehenden Tage zu freuen.
Bis dahin
Philipp
Woche 8: 29.04. – 05.05.2024
Ich sitze in der Abenddämmerung an der Atlantikküste Frankreichs, lausche den Wellen die an den Sandstrand branden, dem Wind der durch die Sträucher streicht und den vereinzelten Klängen eines Vogels, der sein Schlaflied anstimmt. Nein, dies ist weder ein Tagtraum à la J.D noch eine Entspannungsübung, um zurück zur Selbstwahrnehmung zu finden. Dieses Mal haben ich, und auch meine Praxis, Urlaub. Nach zwei Tagen vorfreudiger Arbeit geht es mit dem alten VW Bus gen Westen. Beeindruckende Klippen, salzige Seeluft und die Fülle an kulinarischen Köstlichkeiten bieten eine willkommene Abwechslung zur sonstigen Routine. Mein Procam Score steigt eventuell um wenige Prozent, dafür fällt der PHQ-9. Irgendwo muss man Abstriche machen. Ich werde dem sporadischen Leser jedoch eine detaillierte Ausführung meiner Reiseerlebnisse ausgeschmückt mit subjektiven Höhepunkten, alternativlosen Empfehlungen und punktuellen Bewertungen ersparen. Ich beschränke mich darauf zum Beispiel vor einem Schloss an der Loire, an einem moderatem Glas Weißwein nippend, nicht nur das savoir-vivre unser Nachbarn sondern auch die Möglichkeit wertzuschätzen, dass auch in einem Tertial mit einem hohen Anspruch an eigenes Engagement ein privater Ausflug möglich ist. In diesem Sinne: A votre santé! und bis zum nächsten Mal.
Philipp
Woche 9: 06.05. - 12.05.2024 / Woche 10: 13.05. – 20.05.2024
Ich freue mich wie ein dreijähriges Kind. Denn ebenso wie jenes lerne ich fast täglich neue Worte, die mir die Welt in neuem Glanze präsentieren. So versuche ich mir schnell das Lächeln aus dem Gesicht zu zaubern als sich die erste Patientin des Morgens, ihres Zeichens selbst burschikose Krankenschwester, mit den Worten vorstellt: „i woiß schon. Mein Gurgerlzapferl ist wahnsinnig angeschwollen“. Oft haben Patienten auch Recht denke ich mir, als ich das tatsächlich ordentlich vergrößertes „Gurgerzapferl“ beschaue, das glücklich, aber rot wie ein Feuerwehrhydrant zwischen seinen prätonsillitischen Nachbarn hin- und herbaumelt. Ein anderes mir bis dato unbekanntes Wort kommt mir in den Sinn. So erklärte mir auf dem Arbeitsweg eine junge, passionierte Linguistin via Podcast, dass „Glottophobie“ die Diskriminierung lokaler Dialekte und Akzente sei. Als ostdeutscher Integrationsfall, der im Schwabenländle seine Lehrzeit verbrachte und den es nun nach Niederbayern verschlug ist mir diese Idee ein ebenso großes Rätsel wie so manche Konversation zwischen Ortsansässigen in 10er Generation. Wird man nicht automatisch glottophil, wenn die 82jährige Dame einem anamnestisch von ihrem „Schnakkelfinger“ erzählt? Nie wieder werde ich für eine Überweisung zur Ringbandspaltung eine andere Diagnose gebrauchen. Vielleicht sollte man einige ICD-Codes dem lokalen Sprachgebrauch anpassen. Viel undurchsichtiger als jetzt würde die Bürokratie schon nicht werden. Dafür aber viel amüsanter. Interessant wird es, wenn ich nachfragen muss. So dachte ich ein Patient teilte mir mit: „Mein Problem ist das Starkbier“. Ein triftiger Grund. Also fragte ich aus persönlicher Neugierde, eventuell versteckt nach einer Empfehlung, um welche Marke es sich handle. Die ungläubigen Augen meines Gegenübers deuteten bereits ein Missverständnis an, sodass ich kurzerhand um eine Erklärung bat. Es stellt sich heraus, dass der gute Mann mir vermitteln wolle er sei zu stark. Auf näheren Blick zeigt der fast 80jährige ein für sein Alter imposant wirkendes, breites Kreuz und Arme, die sicher so manchen Maßkrug über eine Minute ausgestreckt hielten. Als mein Patient dann mit unschuldiger Miene auf sein Gourmetgewölbe deutet fällt auch bei mir der Groschen. Es gilt, wie immer, dann doch dazuzulernen.
Bis dahin
- Philipp
Woche 12: 27.05. – 02.06.2024
Es ist Montagmorgen. Kurz vor 8 betrete ich beschwingten Schrittes die Praxis. Meine Chefin empfängt mich mit den Worten: „Philipp, gut, dass du da bist. Du kannst gleich wieder gehen“. Ich bejahe dies automatisch. Wenn einem als langjähriger Student am morgens an einem Montag gesagt wird man soll sofortig kehrt machen ist die Antwort alternativlos festgelegt und die Reaktion des algorithmusgeprägten Medizinergehirns wird ohne Filter preisgegeben. Mein Frontalhirn hängt wie immer hinterher. Einige Sekunden später frage ich dann doch nach dem Grund und erfahre, dass eine junge, außerordentlich aufgelöste Patientin soeben telefonisch am Empfang um ärztliche Hilfe bat. Meine Chefin brieft mich kurz über die ausgedehnte Vorgeschichte einer Angststörung mit wiederholten Panikattacken, die bekannte Vulnerabilität sowie die nicht unlängst erfolgte psychosomatische Therapie. Mein Auftrag: Einmal nach dem Rechten sehen, akute Pathologien ausschließen und in beruhigendem Bariton eine Anamnese erheben. So sitze ich keine zehn Minuten nach Dienstbeginn wieder entspannt im Auto, rolle entspannt in den nächsten Ort und treffe die auf ihrem Balkon sitzende, nicht ganz so entspannte, Dame in Gegenwart ihres Freundes an. Diese ist wahrlich aufgelöst, rennt episodisch durch ihre Wohnung, krampft mit den Händen, fällt in sich zusammen, äußert Unbehagen, bittet um Hilfe, erbricht sich trocken und ist verständlicherweise wenig geneigt sich bei einer ruhigen Konversation auf der Couch von mir befragen oder gar untersuchen zu lassen. Der Freund sei der Ex-Freund und expressiert leider auch keine gute Fremdanamnese. Mein Stethoskop schaut mich enttäuscht an als ich einfach gestrickt eine Beutelrückatmung probiere. Leider ist CO2 nur narkotisch, wenn es auch wirklich ankommt, sodass ich als Ass im Ärmel 1mg Tavor aus der Tasche ziehe. Die Tablette wird akzeptiert und ich warte auf den sofortigen Eintritt der Wundermedizin à la Grey’s Anatomy. Vielleicht verzögert sich der Wirkeintritt um 15 Minuten, wenn ich melodramatisch „STAT!“ in das Wohnzimmer rufe. Ich werde wieder Herr meiner intrusiven Gedanken und schwanke aktuell, und nach ausreichend vergangener Zeit, mehreren Untersuchungversuchen und meinem anscheinend doch nicht so beruhigenden Bariton zwischen dem Rettungsdienst und einem Ausflug in die Praxis. In Anbetracht des sich tendenziell verbessernden Status gewinnt die Praxis, sodass wir uns 10 Minuten später zu dritt in einem Untersuchungszimmer wiederfinden. Hier klärt sich auf, dass die Übelkeit den höchsten Leidensdruck verursache. Leider hilft auch unser Vomex im Verlauf wenig und ich werde beauftragt den Bauch zu schallen. Tatsächlich zeigt sich in der Sonographie ein Fußballgroßer Magen, der an der Milz anklopft und reichlich Flüssigkeiten in seinem Inneren mitbringt. An ihrer Stelle wäre mir auch übel. Jetzt gewinnt doch das SanCar und unsere Patientin wird zur Ursachenabklärung in eine Notaufnahme verwiesen. Persönlich reflektierend schelte ich mich, dass ich bis zum Bildbefund meiner confirmation bias und der Psychosomatik-Falle gründlich auf den Leim gegangen bin. Während ich Besserung gelobe, wartet bereits der nächste Patient. Warum der Magen so groß war, fand allerdings niemand heraus. Vielleicht war es ja psychosomatisch…
Bis dahin
Philipp
Woche 13: 03.06. – 09.06.2024
Der Besuch von Fortbildungen für Ärzte als Student ist chronisch unterschätzt. Verständlich, denn das Studium mutet mit unzähligen Seminaren, Vorlesungen und Pflichtveranstaltungen sinnvollerweise einer stetigen Weiterbildung an. Es bleibt nachvollziehbar, dass neben den laufenden Lektüren und Vorträgen weniger Motivation für weitere, freiwillige Bestreben dieser Art überlebt. Meiner Meinung nach ist dies jedoch ein persönlicher Verlust. Zum einen sind für Studenten ärztliche Fortbildungen ubiquitär und kostengünstig verfügbar zum anderen gewähren sie einen differenzierten Einblick in das zukünftige Arbeitsfeld und Umfeld. Jener Eindruck ist je nach Event vielseitig und erleuchtend, wenn auch nicht immer so begeisternd, wie man es sich vorstellt. So stelle ich mir selbst die Frage, an wie vielen Vorlesungen ich geschlafen haben muss, um von den ersten beiden Vorträgen zweier Referenten der Regensburger Pulmologie zur arteriellen Hypertonie, genauso viel verstand, als hätte mir jemand Mickey Mouse in Sanskrit vorgelesen. Ich frage mich nachdenklich, wann es ein geschätzter Charakterzug geworden ist, sein Wissen zu profilieren, indem man die breite Masse von eben diesem ausschließt. Circa ein Dutzend unverständliche Abkürzungen und Messparameter später folgt eine Lobrede auf ein brandneues pathway-inhibiting Medikament, dass die Laufstrecke einer Untergruppe der leidenden Patienten verbessern soll. Als neuester Schrei der Therapie bleibt mir, ähnlich wie dem Patienten, die Luft weg, als ich erfahre, dass es sich in diesem Beispiel um lediglich 40m handelt. Zu entscheiden, ob 40m für die seltene Untergruppe dieser Erkrankung unter Risiko der nicht unwesentlichen Nebenwirkungen wegbereitend ist, liegt nicht an mir. Ein kurzer Blick zwischen dem Industriestand des Unternehmens und dem Interessenkonflikt des Referenten liefert jedoch einen wertvollen Kontext. Wenige Tage darauf sitze ich mitten im Bayerischen Wald im hölzernen Saal eines Schlosses, das ursprünglich von Zwieseler Glasbläsern errichtet und heute liebevoll von einem freiwilligen Verein gepflegt wird, um mich in der Rheumatologie fortzubilden. Im Gegensatz zur 300 Personen Veranstaltung in Regensburg finden sich hier lediglich 20 Ärzte wieder, die im Schnitt alle 30 Jahre älter sind als ich. Trotzdem beeindruckt mich der 70 jährige Referent kurz vor dem Ruhestand mit leitliniengetreuer Aktualität,gespickt mit wertvollen Berufserfahrungen. In kollegialem Diskurs wird nicht nur die Diversität der verschiedenen Fachdisziplinen und Persönlichkeiten deutlich, sondern auch, dass Medizin nicht so schwarz-weiß ist wie Kaplan-Meyer Kurven. Gesponsert ist das Event trotzdem, nur hier laufen die Mittel indirekt in die Erhaltung eines Kulturguts ein. Bei einem Glas Wein tauschen sich die Anwesenden über lokalpolitische Veränderungen und deren Bedeutung für ihre Arbeit und besonders für ihre Patienten aus. Ich werde das Gefühl nicht los, dass trotz der kleineren Anzahl Größeres bewegt wird. Letztlich habe ich bei beiden Veranstaltungen Wissenszuwachs gewonnen, jedoch nur bei einer etwas gelernt.
Bis dahin
- Philipp
Woche 14: 10.06. – 16.06.2024
Diese Woche steht etwas Praxishopping an. Ein großer Vorteil, denn man kommt nicht nur etwas in der Region umher, sondern lernt auch die Einrichtung und Abläufe verschiedener Standorte sowie neue Patienten kennen. Auf der dieswöchigen Liste stehen eine junge COPDlerin mit fataler Familienanamnese, die im Angesicht ihrer erschwerten Symptomatik weiterhin rauchen möchte, eine virtuos kompensierte Depression, die wohl zu spät diagnostiziert worden wäre, hätte die Patientin nicht selbst den Mut gehabt ärztliche Hilfe aufzusuchen sowie ein Niagarafalllautes Systolikum, dessen Wasser in die Knöchel brandet, bei einem 50jährigen, der seit einem halben Jahr alle 4 Sekunden Druck auf der Brust beklagt. Wieder einmal begeistert mich nicht nur die Vielfalt des Berufes, sondern auch der Umgang der Patienten mit ihren Bedenken. So antipathisch man auch die stoffgebundene Sucht aufnimmt stellt sie für viele einen undurchdringbaren fast personalisierten Käfig dar, aus dem man ohne Hilfe schier nicht entfliehen kann. So tapfer manche auch ihre Dysthymie verstecken um ihrem Umfeld keine Vorwürfe zu machen, so unweigerlich und mitleidlos quält sie die Betroffenen. Auch die niederbayerische Zähigkeit eine grenzende Herzinsuffizienz zu ignorieren, weil man seine Rolle auf der Arbeit oder in der Gemeinschaft erfüllen muss lässt mich in kurzer Ehrfurcht vor dem individuellen Krankheitsumgang innehalten. Mein erster hausärztlicher Lehrmeister teilte mir einmal mit, dass er jeden PatientIn als Bild für sein eigenes zukünftiges Handeln betrachtet. Obwohl er dabei wahrscheinlich seine eigene Gesundheit meinte, liegt Richtiges in dieser Aussage, denn wie wir Menschen sehen, so behandeln wir sie auch. Die Neigung, Betroffene und Krankheit in direkte Kausalität zu setzen, scheint natürlich ist ethisch jedoch wenig hilfreich, denn die wenigsten tragen Schuld an ihrer Erkrankung. Vielmehr sollte die Übernahme der Verantwortung im Vordergrund stehen.
Bis dahin
- Philipp
Woche 15: 17.06. - 23.06.2024
Luft strömt in meine Lungen. Meine Augen sind geschlossen. Rücklings liege ich auf der Yogamatte und konzentriere mich auf eine regelmäßige Atmung. Nach einer Abfolge verschiedener Dehnungsübungen tut es gut nur zu sein. Nein, dies ist weder meine disziplinierte Morgenroutine noch ein trendiges Achtsamkeitsseminar für meine work-life balance. Diese Sitzung ist theoretisch Arbeit, denn diese Woche hospitiere ich in einer Rehabilitationsklinik. Auf einem Berg gelegen bietet die ehemalige Lungenklinik nicht nur erfrischende Luft, sondern auch einen atemberaubenden Ausblick über die bayerischen Lande bis zu den Alpen. Zu lange darf ich das Panorama nicht bewundern, da der nächste Therapiepunkt auf meinem Programm wartet. So hangele ich mich vormittags über motorisierte Lymphdrainage, Rückenschule, Wasserdruckmassage, Koordinationstraining, Gehgruppen und elektrische Detonisierung durch die einzelnen Stationen der Rehabilitanden. Interessiert probiere ich die verschiedenen Techniken aus, die sowohl der Lehrplan meiner Universität als auch ich eher stiefmütterlich behandelt haben. Nachmittags werden 1-2 neue Patienten aufgenommen bei denen man sich gerne eine Stunde für eine ausführliche Anamnese, körperliche Untersuchung und das Festlegen von Zielen Zeit nimmt. Bei einem Espresso und Jazz vervollständigen der Oberarzt und ich die Briefe der Aufgenommenen. Dabei kann ich mich mit der Rehabilitationsmedizin immer mehr anfreunden. Zum einen imponiert mir der Gedanke Gesundheit wiederzuerlangen und zu erhalten so gut es dem Einzelnen möglich ist. Zum anderen bleibt in Abwesenheit von Akutpathologien mehr Raum für die Wünsche der Rehabilitanden, ihrem Progress, einen länger anhaltenden Effekt der Therapie sowie für eine multimodale Betrachtungsweise. Sowie hier das Paradies herausklingt ist es wichtig zu betonen, dass die Möglichkeiten abhängig von der intrinsischen Motivation eines Teilnehmenden stark variieren. Eine durch 30 Jahre Übergewicht und Bewegungsmangel kultivierte Gonarthrose wird nicht durch 3 Wochen noch so bemühter Fürsorge eines Therapeutenteams wieder glatt gezaubert. Trotzdem spielt die Rehabilitation nicht nur bei steigenden Operationszahlen, sondern auch aus sozioökonomischer Sicht eine vitale Rolle zur Erhaltung der Gesellschaft. Wer weiß, vielleicht bekomme ich nach 20 Jahren Hörner abstoßen in der Akutmedizin einmal Lust auf einen Szenenwechsel und denke an meinen morgendlichen Sonnengruß zurück.
Bis dahin
- Philipp
Annalena Pfäffl
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Woche 1: 11.03. – 17.03.2024
Nach meinem ersten Tertial in der Inneren Medizin geht es nun weiter mit der Allgemeinmedizin im Bayerischen Wald. Bereits bei der Autofahrt nach Kirchberg verstärkte sich die Vorfreude auf die nächsten Monate, wenn auch ein bisschen Wehmut bezüglich des Endes meines letzten Tertials mitschwang. Bei Ankunft in unserer großen Wohnung auf dem Kirchberg fühlten sich meine beste Freundin aus dem Studium und nun auch Mitbewohnerin, Lisa, und ich jedoch schnell wie zuhause. Beide waren wir am Sonntagabend ein bisschen nervös und aufgeregt, vor allem aber gespannt auf unsere erste Woche.
Meine ersten drei Tage verbrachte ich direkt in Kirchberg. Nach einem zehnminütigen Fußweg war ich auch schon vor der Praxis angelangt und die erste Vorstellungsrunde begann. Bereits am ersten Tag wurde ich von allen freundlich empfangen und in das Team aufgenommen. Und so starteten wir auch sofort mit der Sprechstunde und damit meinem neuen Arbeitsalltag der nächsten Wochen. Von Beginn an erhielt ich die Möglichkeit, Patienten vorab alleine zu anamnestizieren und zu untersuchen, um sie dann mit dem zuständigen Arzt bzw. der zuständigen Ärztin zu besprechen. Nachdem die anfängliche Hemmschwelle überwunden war, konnte ich mir zu einigen Patienten selbstständig ein Bild und meine eigenen Überlegungen machen. Die Patienten haben es mir zusätzlich sehr erleichtert, indem sie sich jederzeit bereit für ein „Vorgespräch“ mit der Studentin zeigten.
Den zweiten Teil der Woche wechselten Lisa und ich unsere Praxisstandorte und ich wurde der Praxis in Auerbach zugeteilt. Auch hier wurde ich wieder sehr herzlich empfangen und fühlte mich von Anfang an sehr wohl. In kleinen Pausen zwischen den Patienten war immer Zeit für Fragen und wir besprachen nochmals einige Krankheitsbilder und Therapieoptionen nach.
Abends in der Wohnung angekommen, tauschten wir uns in der WG gegenseitig über einprägsame Fälle aus und erzählten oft bis kurz vor dem Schlafen gehen nochmals von Patienten, die uns im Kopf geblieben sind.
Zusätzlich fand gleichzeitig auch noch der Exzellente Winter für Famulanten der Allgemeinmedizin statt. Wir als PJler durften dabei diese Woche ebenfalls an verschiedenen Teachings teilnehmen. Eine willkommene Abwechslung zum Praxis-Alltag und auch eine gute Gelegenheit, das eigene Wissen nochmal aufzufrischen bzw. praktische Fähigkeiten zu verbessern. Vor allem der orthopädische Untersuchungskurs weckte bei mir den Tatendrang, mit ein wenig mehr Wissen und Fertigkeiten, Patienten in der Sprechstunde mit entsprechenden Beschwerden zu untersuchen.
Nach einer intensiven Woche und mit einem vollen Kopf freue ich mich nun auf das Wochenende in meiner Heimat, jedoch bin ich auch schon gespannt auf die nächste Woche und die neuen Erfahrungen, die im Bayerischen Wald noch auf mich zukommen.
Woche 2: 18.03. – 24.03.2024
Nach einem kurzen Wochenende zuhause, ging es für mich am Montag nochmal in die Praxis in Kirchberg. Nachdem ich mich hier schon auskannte, begann der Tag schon etwas routinierter. Der typische Montag war auch in der zweiten Woche wieder geprägt von einer großen Anzahl an Patienten, die mit den unterschiedlichsten Anlässen in der Praxis vorstellig wurden. Nach einer kurzen Aufwärmphase wurde ich jedoch schnell selbständiger in der „Voranamnese und Voruntersuchung“ und es zeigte sich bereits zur Woche zuvor eine gewisse Sicherheit im Umgang mit häufigen Krankheitsbildern. So ein kleiner Energieschub durch den Gewinn an Selbstvertrauen am Anfang der Woche fühlte sich sehr gut an. Sowohl am Montag als auch am Dienstag konnte ich zudem sehr viel zwischen den Patienten lernen. Mir wurden unterschiedlichste Krankheitsbilder, Therapien und auch Studienergebnisse erklärt, wodurch sich mein kleines Notizbuch sehr schnell füllte. Ich persönlich fand diese kleinen Lerneinheiten super lehrreich und motivierend.
Ab Mittwoch war ich der Praxis in Schöfweg zugeteilt. Nach einer 15-minütigen Fahrt mit dem Auto wurde ich auch dort wieder äußerst freundlich empfangen. Nach einem kleinen Rundgang durch die Praxis, lernte ich dann eine weitere Ärztin innerhalb der Gemeinschaftspraxis kennen. Mich begeisterte dort vor allem die sorgfältige Anamnese- und Gesprächsführung. Teilweise wurde mir sogar von den Patienten mitgeteilt, wie gut sie sich in der Praxis fachlich betreut und auch aufgehoben fühlen. Für mich sehr positiv war, dass ich mich sehr wertgeschätzt gefühlt habe und ich so natürlich gerne in die Praxis komme und mich auch ein klein wenig hilfreich fühle.
Ein Highlight der Woche war für mich der Mittwochnachmittag. Nach Ende der Praxis-Sprechstunde nutzten Lisa und ich das gute Wetter für unsere erste kleine Wanderung auf den Teufelstisch. Die Tour dauerte ca. drei Stunden und war wirklich schön – von der Aussicht, den Steinformationen und auch einfach als Pause an der frischen Luft.
Am Donnerstagnachmittag trafen wir drei PJler uns das erste Mal zu einer eigenen Besprechung und Lerneinheit zum Thema „Brennen beim Wasserlassen“. Wir konnten anhand der Leitlinien ein Schema erarbeiten, welches wir für uns im Praxisalltag als sinnvoll einschätzen. Obwohl es sich im weiteren Sinne um „lernen“ handelte, empfand ich es als schöne Abwechslung vom Praxisalltag. Was natürlich auch daran gelegen haben mag, dass wir uns untereinander gut verstehen und es auch mal die eine oder andere Abschweifung vom Thema gab. Trotzdem war es ein sehr effizienter Nachmittag.
Freitagabend fuhren Lisa und ich noch für kurze Zeit ins Krankenhaus nach Zwiesel, denn dort hatte einer der Praxis-Ärzte Bereitschaftsdienst. Trotz weniger Patienten hat es sich meiner Meinung nach gelohnt, einmal zu sehen, wie solche Dienste aussehen können. Außerdem haben wir zu dritt wirklich viel besprochen und das Wissen über einige internistische Krankheitsbilder aufgefrischt.
Alles in allem verging auch die zweite Woche für mich rasend schnell und ich sitze nun am Freitag hier, um die Zeit Revue passieren zu lassen und jetzt mit einem gefüllten Kopf in ein hoffentlich entspanntes Wochenende zu starten.
Woche 3: 25.03. – 31.03.2023
Unsere dritte Woche in Kirchberg war kurz – nur vier Tage verbrachten wir in den Praxen, da das Osterwochenende anstand. Für mich waren vor allem die Vormittage gefüllt mit Check-Up Untersuchungen, bei denen ich nun immer routinierter geworden bin. Jedes Mal ging der Ultraschall ein bisschen leichter von der Hand und die Gespräche mit den Patienten bezüglich Vorsorge, Lifestyle und ggf. aktuellen Beschwerden waren für mich, als Studentin mit viel Zeit, sehr lehrreich. Die in den Wochen zuvor noch sehr häufigen Infekt-Patienten nahmen etwas ab, jedoch wurde der Praxisalltag natürlich nie langweilig. In ruhigeren Phasen durfte ich diese Woche das erste Mal mit auf mehrere Hausbesuche. Ein völlig anderer Arzt-Patienten-Kontakt: man lernt sowohl die Wohnbedingungen des Patienten kennen als auch familiäre Strukturen. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass die Menschen in ihrem eigenen Zuhause manchmal etwas weniger nervös waren als in der Praxis.
Ein Fall war mir diese Woche ein wenig mehr im Gedächtnis geblieben, welchen wir in unserer Fallbesprechung mit den verschiedenen Ärzten der Gemeinschaftspraxis kurz diskutierten. Es handelte sich um die Differentialdiagnose eines Restless-Legs-Syndroms, welches sich nicht zu hundert Prozent feststellen oder ausschließen ließ. Ich bin also schon gespannt, wenn sich zeigen wird, ob unser Vorgehen schon eine Lösung gebracht hat oder sich weitere Diagnostik und/oder Therapie im Verlauf als nötig erweisen werden.
Die Mittagsbesprechung am Montag beinhaltete dieses Mal das Thema Schilddrüsen-Knoten. Uns wurde von der Gefahr der Überdiagnostik bis hin zu Malignitäts-Kriterien bei der Sonografie einiges an Wissen mitgegeben. Anhand von Bildern übten wir am Ende des Vortrags das theoretische Wissen zur Beurteilung von derartigen Knoten und bemerkten auch gleich, dass dies manchmal gar nicht so eindeutig ist.
Zusätzlich erhielten wir mit zwei Blockpraktikanten am Mittwochnachmittag ein Teaching bezüglich des Check-Ups und allgemein über Screening-Methoden und ihre Vor- und Nachteile, die individuell betrachtet werden müssen. In einem Untersuchungszimmer in der Praxis Kirchberg erzählte uns Dr. Blank in Begleitung seines Hundes über verschiedene Statistiken und die G-BA Richtlinien bezüglich der Gesundheitsuntersuchung. Für mich bedeutend war vor allem, dass im Vordergrund eines solchen Screenings immer der Patientenwille stehen muss und wir als (zukünftige) Ärzte für die neutrale Beratung zuständig sind.
Am Donnerstagabend war diese Woche medizinisch gesehen schon vorbei und wir hatten vier freie Tage vor uns. Da für Ostern sonniges und warmes Wetter vorhergesagt wurde, habe ich mich entschieden, in Kirchberg zu bleiben und die Zeit für kleinere Wanderungen zu nutzen. Sowohl am Freitag als auch am Sonntag zog ich also meine Wanderschuhe an und machte mich auf den Weg. Beide Routen hatten mich nicht enttäuscht und meine freie Zeit war gefüllt von schönen Ausblicken im Bayerischen Wald.
Woche 4: 01.04. – 07.04.2024
In der vierten Woche nach dem langen Osterwochenende begann der Dienstag mit einem vollen Vormittag. Da einige Praxen noch geschlossen hatten, kamen auch Patienten aus Lalling in die Praxis nach Auerbach. Der Tag war gut durchgetaktet, und ich hatte die Gelegenheit, sehr unterschiedliche Krankheitsbilder zu sehen.
Die Check-Ups, die diese Woche wieder auf dem Plan standen, bereiten mir mittlerweile wirklich Freude, insbesondere die praktische Übung im Ultraschall, die jedes Mal eine willkommene Abwechslung darstellt.
Einige Patienten dieser Woche haben sich mir besonders eingeprägt, da es sich um komplexere Fälle handelte, bei denen ich gespannt bin, wie sich die weitere Diagnostik entwickeln wird.
In den kleinen Pausen konnten wir einige Notfall-Szenarien durchspielen, was dazu beitrug, mein Wissen aufzufrischen und zu erweitern. Dabei wurde mir erneut bewusst, wie viel theoretisches Wissen ich im Studium erlangt habe, jedoch die praktische Umsetzung oft noch herausfordernd ist. Das Praktische Jahr erweist sich hierbei als äußerst lehrreich und hilfreich.
Am Donnerstag trafen wir uns als PJler erneut zum Selbststudium, dieses Mal mit dem Schwerpunkt auf der neuen Leitlinie zu gastrointestinalen Infektionen. Nach einer ausführlichen Diskussion fühlten wir uns gut gerüstet, um die relevanten Aspekte für den Praxisalltag, wie die Red Flags und die Grundlagen für Diagnostik und Therapie, zu verinnerlichen.
Eine weitere prägende Erfahrung war, dass wir ein paar Patienten ins Krankenhaus einweisen mussten. Nach einer ersten Einschätzung in der Praxis stellten wir fest, dass eine ambulante Behandlung nicht ausreicht. Diese komplexeren bzw. komplizierteren Fälle fand ich medizinisch sehr spannend.
Am Freitagnachmittag nutzte ich mit Lisa noch das gute Wetter und wir spazierten eine kleine Runde um die Burg Weißenstein und den angrenzenden gläsernen Wald. Die Natur im Bayerischen Wald ist wirklich entspannend und so konnten wir mit frischer Luft in das Wochenende starten. Am Sonntag erkundeten wir erneut den Dreitannenriegel, den ich bereits am Ostersonntag besucht hatte. Diesmal begleitete mich Lisa, und das Wetter war deutlich besser. Die knapp zweistündige Wanderung führte uns zu einer weiten Aussicht, die wirklich schön war!
Woche 5: 08.04. – 14.04.2024
Die Zeit vergeht weiterhin wie im Flug und nun ist schon wieder eine Woche in der Allgemeinmedizin vorbei. Für mich gab es diese Woche viel Abwechslung, da ich nicht nur in Auerbach sondern auch in Rinchnach und Lalling, an den zwei Standorten, welche ich bisher noch nicht besucht hatte, eingeteilt wurde.
Ein besonders interessantes Ereignis war die Präsentation eines spannenden EKGs während unserer Fallbesprechung. Nachdem wir uns gemeinsam beraten hatten und immer noch unsicher waren, haben wir das EKG an einen Kollegen der Kardiologie weitergeleitet. Nach einem Telefonat, inklusive einer Erklärung der Besonderheiten des EKGs, hatte der Patient dort einen schnellen Termin bekommen und ich hatte mein Wissen bezüglich P-Wellen-Veränderungen im EKG erweitert. Dieses Vorgehen zeigte mir, wie kollegial und gemeinschaftlich die Ärzte hier im Bayerwald zusammenarbeiten, um die bestmögliche Versorgung ihrer Patienten zu gewährleisten.
Manchmal bleiben jedoch medizinische Krankheitsbilder bzw. Verläufe auch ungeklärt. Ein Patient, der noch vor einem Jahr eine unauffällige Herzkatheteruntersuchung bekommen hatte, entwickelte relativ akut eine Herzinsuffizienz mit anhaltenden Kammertachykardien und somit die Indikation für eine ICD-Implantation. Solche Fälle beschäftigen mich ein wenig mehr, vor allem wenn keine eindeutigen Ursachen zu finden sind.
Am Mittwochnachmittag fand wieder ein Teaching für uns PJler und zwei aktuell in Grafenau untergebrachte Blockpraktikantinnen statt. Diesmal auf Wunsch unsererseits über das Thema „Rheuma“ in der Hausarztpraxis. Wir besprachen von der Häufigkeit der Krankheitsbilder über Symptome, Diagnostik und einleitende Therapie die wichtigsten Informationen. So sind wir nun hoffentlich gut ausgestattet, um solche Erkrankungen besser zu erkennen bzw. auszuschließen.
Am Donnerstag traf ich mich in meiner Mittagspause mit Lisa im Feng Shui Park in Lalling. Dort besprachen wir zusammen die Leitlinie zu Arterieller Hypertonie. Da dies doch ein sehr häufiger Beratungsanlass in der Praxis ist, entschieden wir uns für dieses Thema. So konnten wir nochmals unser Wissen von der Uni auffrischen und vor allem das praktische Vorgehen intensiver lernen. Besonders lehrreich fand ich die Diskussion über die bevorzugten Medikamente bei bestimmten Begleiterkrankungen. Am Abend sahen wir uns noch einen teilweise interaktiven Vortrag zu venösen Thromboembolien an, bei dem man sich selbst mittels Fragen ein wenig testen konnte.
Am Freitagmorgen begann der Tag mit einem kleinen Notfall: eine kardiale Dekompensation mit Entwicklung von starken Beinödemen und Aszites. Nach Anruf des Rettungsdienstes wurde noch Blut abgenommen und Furosemid gegeben, bevor der Patient ins Krankenhaus gebracht wurde. Erst danach kümmerten wir uns wieder um die in der Zwischenzeit eingetroffenen Patienten im Wartezimmer, die jedoch alle sehr verständnisvoll auf die kleine Verzögerung reagierten.
Das Wochenende haben wir am Freitagnachmittag mit einer Wanderung auf den Büchelstein eingeleitet. Bei sonnigem und warmem Wetter konnten wir die Aussicht am Gipfel ganz für uns allein genießen. Am Sonntag ging es dann das erste Mal auf den großen Rachel. Mit vollgepacktem Rucksack sind wir die Tour in Spiegelau bei warmer Temperatur gestartet, um nach kurzer Zeit oben am Gipfel bei noch liegendem Schnee anzukommen. Die Runde war auf jeden Fall die Anstrengung wert.
Woche 6: 15.04. – 21.04.2024
In der sechsten Woche unseres Arbeitsalltags zeigte sich der April von seiner launischen Seite und überraschte uns mit einem kleinen Wintereinbruch. Trotz des grauen und kalten Wetters waren unsere Wartezimmer gefüllt und die Sprechstunde hielt uns gut auf Trab. Abgesehen von einem Vormittag in Kirchberg, verbrachte ich die meiste Zeit wie geplant in Auerbach und die Anzahl der vertrauten Patienten nahm stetig zu. Besonders bemerkenswert war für mich in dieser Woche die Entdeckung einer Raumforderung an der Leber eines jungen Patienten mittels Ultraschall, die zuvor unbekannt war. Dieser Fall wurde natürlich in unserer gemeinsamen Fallbesprechung ausführlich diskutiert, um verschiedene Perspektiven für das weitere Vorgehen zu erhalten.
Ein besonderer Check-Up blieb mir diese Woche besonders im Gedächtnis. Ein Patient hatte ein starkes Bedürfnis, seine medizinische Vorgeschichte ausführlich zu erzählen. Ich konnte mir die Zeit nehmen, ihm zuzuhören, und erkannte, wie wichtig ein einfühlsamer und respektvoller Umgang mit Patienten ist, insbesondere bei schwierigen Erfahrungen im Arzt-Patienten-Verhältnis. Ich hoffe, dass ich solche Fälle stets im Gedächtnis behalte, um auch in Zukunft empathisch mit meinen Patienten umzugehen und nicht den täglichen Stress übermäßig an mich heranzulassen.
In unserer täglichen Sprechstunde, die diese Woche von Routine-Check-Ups über Krankenhausentlassungen bis hin zu verschiedenen Behandlungen wie Nävus-Entfernungen und Ulcera-Therapien reichte, erhielten wir am Montag einen informativen Vortrag über Hypothyreose und erhöhte TSH-Werte. Ein häufiges Thema, das immer wieder neu betrachtet werden sollte.
Am Mittwochnachmittag setzten Lisa und ich uns zusammen, um verschiedene EKGs zu analysieren. Dabei wurde uns bewusst, wie weit wir seit unserem zweiten Examen gekommen sind und wie sicher wir mittlerweile im Umgang mit den häufigsten EKG-Auffälligkeiten sind.
Am Abend fand erstmals für uns der „Journal Club“ statt, bei dem wir in einem Zoom-Meeting mit anderen Ärzten verschiedene Studien diskutierten. Besonders relevant für den Praxisalltag empfand ich die Themen der Verwendung von topischen NSAR im Vergleich zu oralen NSAR und Opioiden sowie die Resistenzraten von Antibiotika bei Harnwegsinfekten. Beide Themen sind häufige Beratungsanlässe in der Praxis, und so konnte ich direkte praktische Bezüge herstellen.
Insgesamt war es eine sehr schöne und medizinisch interessante Woche, in der ich wieder einige wertvolle Erfahrungen sammeln konnte, auch wenn das Wetter uns etwas im Freizeitvergnügen in der Natur einschränkte.
Woche 7: 22.04. – 28.04.2024
Nach einem erholsamen Wochenende im Kreise meiner Familie begann die siebte Woche im Bayerischen Wald mit einer unerwarteten Schneefront und kalten Temperaturen. Diese Woche war geprägt von Patienten, die wir erneut einbestellten, um ihren Verlauf zu überwachen und weitere Untersuchungsergebnisse sowie das daraus resultierende Vorgehen zu besprechen. Es ist spannend zu beobachten, wie individuell die Reaktionen der Patienten sind und wie offen sie für zusätzliche Diagnostik oder Therapie sind. Dabei habe ich gelernt, respektvoll und neutral mit Patienten umzugehen, die trotz klarer Indikationen keine medizinischen Maßnahmen wünschen. Zudem stießen wir auf mehrere Themen, die ich weiter recherchierte, sei es aufgrund von ungewöhnlichen Fällen in der Praxis oder der Herausforderung, die Ursache für unspezifische Symptome zu finden. Ein häufig diskutiertes Symptom in dieser Woche war Müdigkeit, das teils ohne weitere Beschwerden auftrat und nach der ersten Anamnese und Blutuntersuchungen nicht eindeutig zuzuordnen war.
Am Montag erhielten wir einen informativen Vortrag über die Kompressionssonographie der Beinvenen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose. Wir vertieften uns in die theoretischen Grundlagen der sonographischen Morphologie sowie die daraus resultierenden Vorgehensweisen und Therapiemöglichkeiten. Außerdem planen wir, unser Wissen demnächst durch praktische Übungen zu festigen, um bestmöglich auf den Praxisalltag vorbereitet zu sein.
Am Mittwochnachmittag nahmen Lisa und ich uns die Zeit, einige internistische und allgemeinmedizinische Fälle zu besprechen. Mit Hilfe eines Fallbuches, das netterweise bereits in unserer Wohnung vorhanden war, stellten wir uns gegenseitig Fragen. Unsere Fälle umfassten kardiologische Themen wie Vorhofflimmern und Angina pectoris sowie das Vorgehen bei Sepsis und der selteneren Erkrankung der AML. Dabei freuten wir uns festzustellen, dass vor allem die kardiologischen Themen, die auch in der Hausarztpraxis eine große Rolle spielen, bereits gut verinnerlicht waren.
Am Donnerstagnachmittag fand erneut unser gemeinsames Selbststudium im PJ statt. Dieses Mal widmeten wir uns der Leitlinie zu Diabetes mellitus Typ 2. Trotz des umfangreichen Studiums zu diesem Krankheitsbild lernten wir neue diagnostische Verfahren und deren Bedeutung im Praxisalltag kennen. Es ist immer wieder spannend zu entdecken, welche wertvollen Informationen in Leitlinien enthalten sind und wie gut sie sich in der täglichen Arbeit in einer Hausarztpraxis umsetzen lassen.
Am Samstag machten Lisa und ich uns auf den Weg nach Linz. Nach einer zweistündigen Autofahrt erreichten wir bei sonnigem Wetter die Stadt in Österreich und konnten dort einen schönen abwechslungsreichen Tag verbringen.
Woche 8: 29.04. – 05.05.2024
Die achte Woche ist geschafft und somit auch bereits die Hälfte unseres Allgemeinmedizin-Tertials im Bayerischen Wald. In dieser Woche hatten wir ungewöhnlich viele Kinder in unserer Praxis. Einige Fälle waren jedoch herausfordernder, wie zum Beispiel ein seit fünf Tagen anhaltendes Fieber, das nicht sank, oder unklare Unterbauchschmerzen mit möglichen Appendizitis-Zeichen. Diese "Red Flags" führten zu ausführlichen Gesprächen mit den Eltern und den kleinen Patienten über das weitere Vorgehen.
Ein weiteres häufiges Symptom in dieser Woche war Müdigkeit. Bereits letzte Woche stellten sich vermehrt Patienten mit diesem Beratungsanlass vor. Inzwischen hat sich meine Anamnese bereits stark ausgeweitet und ich fühlte mich geübter und vor allem auch strukturierter im Kopf. Da es sich dabei jedoch nicht immer um leichte Diagnosen handelt, stellten wir einen Patienten in unserer Fallbesprechung am Dienstagmittag vor. Nachdem wir die detaillierten Symptome und bereits durchgeführte Diagnostik vorgestellt hatten, erhielt ich noch mehrere Vorschläge zur weiteren Behandlung bzw. Diagnostik. Ich bin gespannt, wie sich dieser Fall im Verlauf noch entwickelt.
Am Mittwoch war der 1. Mai und somit ein freier Tag. Da sich das Wetter von seiner besten Seite mit sonnigem Wetter und warmen Temperaturen zeigte, nutzte ich den Tag für eine Wanderung zum Geißkopf und dem Teufelstisch. Oben angekommen, wurde ich überrascht von einer Schar an Mountainbikern, da es dort einen angelegten Trail gibt. Für Wanderer ist dieser natürlich gesperrt gewesen, so musste ich einen kleinen Umweg suchen, um Heil den Berg auch wieder hinunterzukommen. Es hat aber alles gut geklappt und die Wanderung war, wie bereits alle hier, eine schöne Abwechslung zum Arbeitsalltag.
Am Donnerstagnachmittag besprachen Lisa und ich nach der Praxissprechstunde die Leitlinie zu Herpes zoster. Es gab dazu schon mehrfach Fallvorstellungen, vor allem bezüglich des Umgangs mit grenzwertigen Befunden. Z.B. Beginn vor mehr als drei Tagen, schlechte Nierenfunktion, unklare Dissemination etc. Dementsprechend fanden wir es sehr interessant, was genau in der Leitlinie im Hinblick auf solche Fälle empfohlen wird. So können wir uns nun ein eigenes Bild machen zwischen Theorie und Praxis.
Freitags stellten sich nochmal vermehrt Patienten mit einem „grippalem Infekt“ vor. So kurz vor dem Wochenende erhöhte sich die Verschreibung von Antibiosen auf „Stand-by“, da keine Kontrolle in ein bis zwei Tagen stattfinden kann, um den Verlauf zu beurteilen. Außerdem machte ich noch einen kleinen Abstecher in die Praxis in Lalling. Hier hatte ich noch einen für mich sehr spannenden Fall: ein Patient, welcher beruflich sehr oft verreist, mit positiver Familienanamnese bezüglich Thrombosen und Embolien präsentierte sich mit einer nach dem letzten Flug entwickelten Wadenschwellung. Eine aktuelle Thrombose wurde bereits ausgeschlossen, jedoch ist inzwischen die Angst vorm Fliegen stark gestiegen und es bestand der Wunsch für eine Thromboseprophylaxe. Nach einer Besprechung mit der Ärztin konnten wir eine gemeinsame Entscheidung für das weitere Vorgehen treffen. Für mich ein neuer Fall, bei dem ich erstmal Informationen zu Thromboseprophylaxe bei Flugreisen und der Einteilung in unterschiedliche Risikogruppen nachlesen musste.
Nach einer weiteren gefüllten Woche bekamen wir am Wochenende Besuch und machten am Samstag eine Wanderung zum Brotjacklriegel. Wir hatten wieder einmal Glück mit dem Wetter und konnten so den Bayerischen Wald von seiner besten Seite sehen. Zum Abschluss kehrten wir abends noch in Schöfweg im Gasthof zum Sonnenwald zum Abendessen ein.
Woche 9: 06.05. – 12.05.2024
Eine weitere volle Woche im Bayerischen Wald ist schon wieder zu Ende. Diese Woche zeigte sich die Sprechstunde in Auerbach gut gefüllt und es gab einiges zu tun. Viele der Patienten kannte ich erfreulicherweise schon und es standen einige Kontrollen – Wunden, Infekte, orthopädische Beschwerden – auf dem Plan.
Montags gingen wir in unserer Mittagsbesprechung noch einmal auf die Kompressionssonographie der Beinvenen ein. Diesmal mit dem Augenmerk auf dem Ultraschall der Oberschenkelgefäße.
Am Mittwoch war ich zur Abwechslung wieder einmal in der Praxis in Kirchberg. Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Praxisabläufe sind und wie reibungslos die verschiedenen Praxen ihren Alltag meistern. Vor allem aber habe ich bemerkt, welchen überaus wichtigen Vorteil Hausärzte bei der Behandlung ihrer Patienten haben: Sie kennen ihre Patienten. In Auerbach habe ich mich mittlerweile gut eingelebt und schätze es sehr, dass ich bereits einen Teil der Patienten kennenlernen durfte, was die Beratung und Behandlung noch effektiver gestaltet. Wenn Vorerkrankungen, Informationen zum häuslichen Umfeld oder andere wichtige Details schon bekannt sind, kann eine Anamnese strukturierter und auch persönlicher gestaltet werden. Das gefällt mir sehr im Praxisalltag des Allgemeinmediziners.
Der Donnerstag war diese Woche wieder ein Feiertag. Ich nutzte die Zeit für einen Ausflug in Richtung Zwiesel und nahm mir vor, eine Wanderung zum Falkenstein zu unternehmen. Nach einer recht unerwarteten kleinen Klettereinheit über ein ganzes Waldviertel voller gefällter und auch umgestürzter Bäume war ich am Ende doch erfolgreich am Gipfelkreuz angekommen und konnte den Ausblick bei sonnigem Wetter genießen.
Am Freitag war die Sprechstunde nochmals erstaunlich voll, sodass es sich nach dem Feiertag aufgrund des Patientenaufkommens eher wie ein Montag anfühlte. Von Krankenhausentlassungen, Infekte sowie Gelenkbeschwerden war alles dabei. Außerdem stellten sich mehrere Patienten mit erhöhten Blutdruckwerten vor, zum Teil bei vorbekannter arterieller Hypertonie und mit medikamentöser Behandlung, zum Teil aber auch als neues „Symptom“. So unterschiedlich sich eine Erkrankung in der Praxis zeigen kann, so unterschiedlich waren die Vorgehensweisen für die Patienten. Nach einiger Zeit hier in der Praxis und dem zusätzlichen Wissen gemäß der Leitlinie fühlte ich mich im Umgang mit diesem Krankheitsbild jedoch schon sehr vertraut.
Am Samstag machte ich nochmal eine kleinere Wanderung. Diesmal auf den kleinen und großen Aschenstein. Nach einer längeren Suche nach dem „Wanderparkplatz" in einem sehr abgelegenen kleinen Dorf, hatte ich auch an diesem Tag wieder Glück mit dem Wetter und der Aussicht.
Woche 10: 13.05. – 20.05.2024
Kaum zu glauben, dass ich inzwischen meinen 10. Wochenbericht schreibe. Diese Woche verging wie die letzten in rasender Geschwindigkeit. Weiterhin stellten sich viele Patienten mit Infekt in der Praxis vor, jedoch hatten wir auch wieder einige spannende und komplexe Beratungsanlässe. Mit manchen Patienten habe ich deshalb auch abends nochmals telefoniert, um erneut nach dem Befinden zu fragen und das weitere Vorgehen abhängig vom Allgemeinzustand und den Laborwerten zu besprechen. Zudem konnte ich meine Fähigkeiten in der Sonographie weiter vertiefen, indem ich Untersuchungen an Pleura, Schilddrüse und Abdomen durchführte. Von Normalbefunden bis hin zu spezifischen Befunden wie Kolloidzysten der Schilddrüse und kleinen Gallensteinen war alles dabei.
In der Praxis erhielten wir eine gemischte Nachricht: ein Patient, welchen wir mit einem Verdacht auf eine Blutkrebserkrankung zum Hämatoonkologen überwiesen haben, kam zur Besprechung des Befundes. Unsere Verdachtsdiagnose hatte sich leider bestätigt. Eine positive Rückmeldung für unseren Gedankengang, aber auch ein weniger schönes Ergebnis für den Patienten.
Am Montag erhielten wir in unserer Mittagspause einen Vortrag zur Diuretika-Therapie. Ein sehr spannendes und auch alltagsrelevantes Thema, welches teilweise kein striktes Prozedere vorgibt, sondern eine sehr individuelle Anpassung benötigt. Bei jedem Patienten muss gesondert überprüft werden, welche Therapiemöglichkeit sinnvoll ist. Für uns Studenten ist das natürlich zu Beginn unseres Arbeitens nicht leicht, jedoch war es ermutigend zu erfahren, dass selbst erfahrene Ärzte über das Vorgehen diskutieren können.
Am Mittwochnachmittag nutzten wir die Zeit unser theoretisches Wissen in der Kompressionssonographie der Beinvenen anzuwenden. Wir drei PJler trafen uns in der Praxis in Kirchberg und durften ein Ultraschallzimmer belegen, um an uns selbst zu üben. Unter Anleitung konnten wir erfolgreich alle Venen darstellen und unsere Fähigkeiten in der Venensonographie verbessern.
Am Donnerstag nahmen wir uns Zeit, gemeinsam die Leitlinie zu Borreliose zu erörtern. Da es sich hierbei um ein sehr komplexes Thema handelt, entschieden wir uns für die Leitlinie zur kutanen Lyme-Borreliose, welche auch in der Hausarztpraxis relevant ist. Wir besprachen die verschiedenen Arten des Erythema migrans sowie Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten.
Zum Abschluss der Woche freute ich mich auf ein verlängertes Pfingstwochenende, das den Beginn meiner ersten Urlaubswoche markierte.
Woche 11: 20.05. - 26.05.2024 / Woche 12: 27.05. – 02.06.2024
Nach einer erholsamen Urlaubswoche startete ich mit neuer Motivation in die zwölfte Woche. In der Praxis wurde es wieder abwechslungsreich: Fäden ziehen, Check-Ups, EKGs, Ohrspülungen und vieles mehr. Inzwischen habe ich bei den meisten Untersuchungen und Beratungsanlässen ein Schema im Kopf, welches mir die Anamnese erleichtert und ich im Gespräch mit den Patienten wie einen kleinen Leitfaden abarbeiten kann. Somit habe ich das Gefühl, weniger zu vergessen und auch besser zuhören zu können. Ich finde es sehr schön zu bemerken, wie ich mit jeder Woche etwas mehr Sicherheit in meinem Handeln bekomme.
Am Montag erhielten wir in unserer Mittagsbesprechung einen Vortrag zur sekundären Hypertonie und deren Diagnostik. Die Ärzte besprachen zusätzlich zusammen, welche Untersuchungen sie routinemäßig bei der Erstdiagnose einer arteriellen Hypertonie machen und wann sie vermehrt an die Möglichkeit einer sekundären Hypertonie denken. Nachmittags hatten wir ein Zoom-Meeting mit unserer PJ-Vorgängerin Katharina. Sie ist sehr interessiert im Bereich der Ernährungsmedizin und hat sich netterweise bereit erklärt, einiges von ihrem Wissen mit uns zu teilen. Einprägsam war für mich vor allem, wie oft den Menschen das Grundverständnis von Lebensmitteln und gesunder Ernährung fehlt, und, dass man die Patienten an ihrem Wissensstand abholen muss. Auch wenn das Thema Ernährung in der Praxis nicht so häufig Anlass für eine Vorstellung ist, ist es dennoch wichtig, als Arzt ein Verständnis dafür zu haben.
Am Mittwochnachmittag trafen wir uns mit Philipp, Nora und Bea, einer MFA und Wundexpertin aus Schöfweg, in unserer WG in Kirchberg. Dort bekamen wir von Bea einen sehr hilf- und aufschlussreichen Vortrag zur Versorgung von Wunden. Anhand von vielen Bildbeispielen und auch mitgebrachten Material konnten wir einiges zu diesem wichtigen Thema lernen. Bisher war mein Wissen lediglich auf die Ursache und Diagnostik von Wunden beschränkt und der praktische bzw. lösungsorientierte Teil fehlte. Deshalb fand ich es sehr interessant zu erfahren, wie solche Wunden im Verlauf mit der richtigen Versorgung heilen können.
Am Freitag startete unser Vormittag mit drei EKGs: die Patienten stellten sich aus verschiedenen Gründen und mit unterschiedlichen Symptomen in der Praxis vor. Da jedoch eine kardiale Ursache anhand der Anamnese nicht auszuschließen war, führten wir eine entsprechende Diagnostik durch. Für mich ergab sich dadurch die Möglichkeit, meine Kenntnisse in der Interpretation von EKGs aufs Neue zu überprüfen.
Zusätzlich stand diese Woche einiges Organisatorisches an, da die Anmeldung für das M3 erledigt werden musste. Da uns am Ende der Woche eine starke Regenfront erreichte, konnten wir leider keine Wandertour unternehmen. Stattdessen entschieden wir uns, das Cafe Fledermaus in Rinchnach zu besuchen und ein eher ruhiges Wochenende zu genießen.
Woche 13: 03.06. – 09.06.2024
Unsere Woche begann mit einer dreitägigen Hospitation in der Asklepios-Klinik in Schaufling, die uns einen faszinierenden Einblick in den orthopädischen Bereich des Rehabilitationszentrums gewährte. Jeden Vormittag erwartete uns ein vielfältiges Programm mit verschiedenen Anwendungen und Kursen, von Elektrotherapie über Hydrojet und Lymphomat bis hin zu Gehtraining und Aqua-Fitness. Die individuelle Anpassung dieser Angebote an die Bedürfnisse der Patienten war beeindruckend, und die Vielfalt der Möglichkeiten in der Klinik war groß. Zusätzlich erhielten wir spannende Untersuchungskurse zu Schulter und Knie sowie eine Einführung in die Sonografie dieser Gelenke, was die ersten drei Tage mit neuen Eindrücken und Erkenntnissen füllte.
Am Mittwochabend stand für uns der zweite Journal-Club während unseres Praktischen Jahres an. In einem Zoom-Meeting wurden wieder interessante Studien präsentiert und diskutiert, darunter Themen wie die Zink-Einnahme bei grippalen Infekten und Antikörper-Therapien bei Alzheimer-Demenz. Diese Diskussionen trugen dazu bei, unser Wissen zu erweitern und neue Perspektiven zu gewinnen.
Obwohl ich die Zeit in der Klinik genossen hatte, freute ich mich auch darauf, am Donnerstag und Freitag wieder in die Praxis zurückzukehren. Neben den üblichen Beratungsanlässen konnten wir in kleinen Pausen Patienten aus den vorherigen Wochen besprechen, Befunde von Überweisungen analysieren und Laborwerte überprüfen. Dies ermöglichte mir, den Verlauf von Diagnostik und Therapie mitzuverfolgen und mein Verständnis zu vertiefen. Spannend war für mich ein Gespräch bei einer routinemäßigen Check-Up Untersuchung mit einem Patienten, dessen Einstellung seiner Schilddrüsen-Parameter sich als äußerst schwierig herausstellte. Es zeigten sich Schwankungen des TSH-Wertes von Normbereich bis >40 mU/l. Trotz einer regelmäßigen Einnahme von L-Thyroxin, schienen die Veränderungen der Laborwerte keinen erkennbaren Zusammenhang zu haben. Der Patient berichtete einen Termin beim Endokrinologen sei jedoch auch nach Schilderung der Problematik erst Anfang des nächsten Jahres zu bekommen. Hier versuchten wir einen schnelleren Zeitpunkt über einen Hausarzt-Vermittlungsfall zu organisieren, sodass eine baldige Abklärung und passende Einstellung erfolgen können.
Das gute Wetter am Donnerstag nutzte ich, um eine kleine Wanderung zu unternehmen. Nach den regnerischen Tagen und der begrenzten Zeit im Freien tat es gut, wieder in der Natur zu sein und frische Luft zu schnappen. Es war eine willkommene Abwechslung und eine Gelegenheit, neue Energie zu tanken.
Woche 14: 10.06. – 16.06.2024
Nachdem ich letzte Woche aufgrund der Hospitation in Schaufling nur zwei Tage in der Praxis in Auerbach verbracht hatte, freute ich mich wieder auf eine „normale“ Woche. Bekannte Gesichter stellten sich vor, genauso jedoch vollständig neue Patienten. Auch die Beratungsanlässe zeigten wieder eine große Vielfalt. Ich merke immer wieder, wie mir genau diese Abwechslung in der Hausarztpraxis so Spaß macht. Einen komplexen Fall stellten wir in unserer Fallbesprechung vor: ein Patient hatte Apixaban und Clopidogrel in seinem Medikamentenplan, welche beide eine Indikation hatten. Der Patient zeigte jedoch Hauteinblutungen und Blutblasen, weshalb sich die Frage nach dem weiteren Prozedere stellte. Auch nach einer Diskussion zwischen den Ärzten war klar, dass es sich um keine einfache Entscheidung handelte. Je nach Verlauf wird sich der vorläufige Plan vielleicht auch nochmal ändern müssen.
Am Montag erhielten wir in unserer Mittagsbesprechung eine aktuelle Beurteilung des Mikraltests und seiner Bedeutung vor allem im Rahmen des DMP Diabetes mellitus. Bisher wurde im vierteljährlichen Takt zusätzlich zu einer Blutuntersuchung auch eine U-Stix-Untersuchung durchgeführt. Nachdem die Ärzte deren Nutzen kritisch hinterfragten, musste festgestellt werden, dass jedoch nicht nur der medizinische und damit fachliche Nutzen einer diagnostischen Maßnahme entscheidend sein kann, sondern auch die Routine und die Bedürfnisse der Patienten.
Am Mittwoch organisierte Dr. Blank einen Vortrag zu Schilddrüsen-Knoten. Wir bekamen einen Einblick in die Prävalenzen, Red-Flags und die sonographische Einteilung mittels TIRADS (Thyroid Imaging Reporting and Data System). Es war super spannend zu erfahren, wie häufig Schilddrüsenknoten tatsächlich sind und wie oft eine Kontrolle dieser wirklich notwendig ist. Ich konnte einiges aus diesem Vortrag für den Praxis-Alltag mitnehmen. Außerdem regte es mich zum Nachdenken an, Nutzen und Kosten einer scheinbar harmlosen Untersuchung immer zu hinterfragen.
Zusätzlich meldeten sich Lisa und ich diese Woche für ein Seminar der Allgemeinmedizin der FAU Erlangen an. Es handelte sich um das Thema Depression in der Hausarztpraxis. In einer kleinen Gruppe besprachen wir online gemeinsam das Vorgehen bei einem ersten Verdacht einer depressiven Episode sowie die Möglichkeit des Einsatzes von Antidepressiva. Es wurden einige interessante Studien zum Thema dieser Medikamente vorgestellt, die uns alle für deren Einsatz sensibilisiert haben. Zusammen mit dem Vortrag zum Absetzen von Psychopharmaka, den wir vor kurzer Zeit erhielten, haben mir die Informationen nochmals die Vor- und Nachteile ins Gedächtnis gerufen und mir gezeigt, wie wichtig ein detailliertes Wissen über die verschriebenen Medikamente ist – und zwar nicht nur Nebenwirkungen bei der Einnahme, sondern auch mögliche Folgen beim Absetzen.
Unseren PJler-Donnerstag nutzten wir diese Woche für das Durchsprechen einiger „Notfall-Szenarien" mit dem Fallbuch für Allgemeinmedizin. Darunter das Vorgehen bei allergischem Schock, Schlaganfall und Verbrühungen. Zumindest in der Theorie konnten wir diese inzwischen gut meistern.
Am Wochenende machte ich mich trotz des wechselhaften Wetters auf den Weg zum Lusen. Glücklicherweise war ich mit entsprechender Kleidung vorbereitet, denn als ich die letzten Meter zum Gipfel stieg, fing es auch prompt an zu regnen. Der Vorteil: kaum jemand war am Gipfel anzutreffen und ich konnte den Ausblick in Ruhe genießen. Beim Abstieg kam dann auch die Sonne hinter den Wolken hervor und so wurde ich auf dem Rückweg zum Auto schnell wieder trocken.
Woche 15: 17.06. - 23.06.2024
Es ist immer erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht, und es ist nun an der Zeit, meinen letzten Wochenbericht zu verfassen. Diese Woche war geprägt von Abschieden – den letzten Check-Ups, den letzten Hausbesuchen, den letzten Impfungen. Es war eine Woche voller Erinnerungen an das nun vergangene zweite PJ-Tertial.
Am Montag konnte ich mein Wissen über fokale Leberläsionen auffrischen und durch einen Vortrag wichtige Details zur Sonografie erhalten. Wir erhielten einen umfassenden Überblick über benigne und maligne Läsionen mit wichtigen Informationen zur Häufigkeit, Entartungsverhalten und sonografischen Merkmalen.
Die Fallbesprechungen dieser Woche erstreckten sich über verschiedene Fachrichtungen – von einem Mamillenekzem bis hin zu einem fraglichen, neu aufgetretenen Linksschenkelblock wurden Patientenfälle gemeinsam diskutiert.
Am Donnerstag trafen sich die PJler ein letztes Mal zu dritt und unternahmen eine kleine Wanderung zum Königsstein in der Nähe der Asklepios Klinik Schaufling, trotz der Mückenplage ein schöner letzter Ausflug. An dieser Stelle bin ich sehr dankbar für Lisa und Philipp, die die gemeinsamen Besprechungen von Leitlinien stets zu einer lehrreichen und auch angenehmen Zeit gemacht haben.
Am Freitag hieß es dann Abschied nehmen, vom Praxisteam in Auerbach, von Dr. Kalmancai und auch von den Patienten, die ich inzwischen eine Weile begleiten durfte. Zusammenfassend kann ich nur Positives über meine Zeit in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald berichten. Ich fühlte mich von Anfang an gut aufgehoben und wurde herzlich aufgenommen. Sowohl fachlich als auch persönlich konnte ich mich weiterentwickeln. Die Mischung aus eigenständiger Arbeit, Besprechungen mit dem zuständigen Arzt, gemeinsamen Fallbesprechungen und organisierten Teachings empfand ich als genau richtig.
Die Erfahrungen, die ich in verschiedenen Praxen sammeln konnte, werde ich definitiv in meine weitere Ausbildung mitnehmen. Besonders bewundernswert fand ich das Verhalten der Patienten: Sie begegneten mir stets mit Offenheit und Freundlichkeit, und ich habe wirklich nur positive Erfahrungen gemacht. Ein herzliches Dankeschön an alle, die zu meiner großartigen PJ-Erfahrung beigetragen haben.
Lisa Saffert
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Woche 1: 11.03. – 17.03.2024
Hallo an alle, die gerade diesen Bericht lesen.
Mein Name ist Lisa, ich bin 25 Jahre alt und vor einer Woche hat mein zweites Tertial in meinem Wahlfach Allgemeinmedizin begonnen.
Schon nach meinem ersten Probetag, vor zwei Jahren, stand für mich fest, dass ich in dieses besondere Praxis- und Lehrkonzept reinschnuppern möchte. Gesagt, getan, ging es für mich Sonntagnachmittag, voller Vorfreude, mit dem Auto aus der Oberpfalz in den schönen Bayerischen Wald. Gemeinsam mit meiner besten Freundin Annalena, die schon das erste Tertial mit mir zusammen bestritten hat, bezogen wir die Zweier-Wohngemeinschaft in Kirchberg. Dank der guten Koordination und Kommunikation durch Frau Zissler, Herr Dr. Blank und Herr Dr. Kalmancai haben wir uns sofort gut aufgehoben gefühlt.
Meine erste Woche startete in Auerbach als Unterstützung von Herrn Dr. Kalmancai. Nach einer kurzen Autofahrt durch den schönen Bayerischen Wald empfing mich Herr Dr. Kalmancai sehr nett und erklärte mir als erstes die für die Arbeit in der Praxis notwendige Software. Dadurch sollte ich mich in den nächsten Tagen im Praxisalltag viel leichter tun. Allgemein habe ich mich sofort sehr gut aufgehoben und wohl gefühlt. Fragen waren bei Herrn Dr. Kalmancai jederzeit willkommen und auch Rückfragen stellte er häufig, was mir sehr gefallen hat, da man sich so sehr eingebunden gefühlt hat.
Die Abwechslung ist in der kurzen Zeit, die ich bisher in der Praxis war, schon sehr groß gewesen. Von Grippe über Gesundheitsuntersuchungen bis zu Einweisungen ins Krankenhaus war alles dabei. Bei Herrn Dr. Kalmancai wurde mir sehr schnell bewusst, wie dynamisch die medizinische Versorgung in der Hausarztpraxis abläuft. Er führt keine Terminsprechstunde und bietet Patienten mit sicherer Diagnosestellung eine konkrete Therapie an. Anderen Patienten, deren Symptomatik noch unklar erscheint, kann eine angepasste Therapie mit erneuter Vorstellung angeraten werden. Diese Arbeitsweise wirkte als starker Kontrast zu meinem 1. Tertial innere Medizin im Klinikum. Hier merkte ich schnell, dass das „hausärztliche Bauchgefühl“ eines erfahrenen Hausarztes, unterstützt durch fundiertes Wissen, eine sehr gute Kombination für individuelle, auf den Patienten abgestimmte Medizin ist. Begeistert hat mich außerdem das Vertrauen, welches mir entgegengebracht wurde, da ich von Anfang an selbstständig Patienten anamnestizieren, körperlich untersuchen und schallen durfte. Am Ende der Sprechstunde nahm sich Dr. Kalmancai immer Zeit, Fragen zu beantworten und interessante Fälle nochmals mit mir durchzusprechen.
All diese Erfahrungen bildeten für mich eine tolle Basis und stellten einen schönen Auftakt der Woche dar, wodurch ich mich sehr auf zwei weitere Tage freuen konnte.
Den zweiten Teil der Woche durfte ich in Kirchberg bei Herrn Dr. Blank und Frau Dr. Sporkert verbringen. Ein großer Vorteil an der Praxis in Kirchberg war für mich, dass ich nicht mit dem Auto fahren musste, sondern zu Fuß gehen konnte. Bergab ging das noch recht zügig, jedoch dauerte der Heimweg dafür umso länger. Von der kleinen Arztpraxis in Auerbach zu der sehr viel größeren in Kirchberg musste ich mich erstmal daran gewöhnen, häufig die Zimmer zu wechseln.
Schon in der ersten Woche zeigte sich für mich der grundsätzliche Vorteil eines PJ in genau dieser Gemeinschaftspraxis. Man bekommt sehr viele Eindrücke von unterschiedlichen Ärzten an unterschiedlichen Standorten. Erstaunt war ich außerdem darüber, wie offen die Patienten und Patientinnen gegenüber Studierenden sind. Bisher habe ich es ausschließlich so erlebt, dass es kein Problem war, dass ich, als Studentin, selbstständig die Anamnese und körperliche Untersuchung durchführen durfte. Nach meiner selbstständigen Vorarbeit konnte ich dann im weiteren Verlauf, in Anwesenheit des Arztes, meine bisherigen Befunde schildern und in manchen Fällen auch meine eigenen Therapievorschläge anbringen. Diese Vorgehensweise bestärkte mich sehr in meinem Arzt-Patienten Kontakt.
Zusätzlich zum normalen Praxisalltag hatten wir die Möglichkeit, an Seminaren des Famulatur-Programms „exzellenter Winter“ teilzunehmen. In diesem Rahmen fuhren wir am Dienstag für das Orthopädie-Seminar zur Asklepios Klinik in Schaufling. Am Mittwoch für das Depressionsseminar nach Regen und am Donnerstag für das Kinderheilkunde-Seminar nach Freyung.
Durch die Seminare motiviert haben wir abends das gelernte Wissen des Orthopädie-Seminars zur Untersuchung der Wirbelsäule in Form einer Checkliste aufgeschrieben.
Neben dem straffen Programm mit Praxisalltag und Seminaren gab es über die Mittagspause Fallbesprechungen, in denen komplexe Fälle überregional mit den anderen Kollegen und Kolleginnen besprochen wurden. Am Montag hatte Herr Dr. Blank noch zusätzlich Zeit uns das Tool Arriba etwas näherzubringen, mit dem Hausärzte den Patienten sehr gut anhand von Smileys verbildlichen können, wie hoch beispielsweise das kardiovaskuläre Risiko des betreffenden Patienten ist. Mich hat das System so begeistert, dass ich mir vorgenommen habe, das Programm in den nächsten Wochen selbst einmal mit einem Patienten auszuprobieren.
Alles in allem ein wirklich gelungener Auftakt meines Wahltertials Allgemeinmedizin im Bayerischen Wald!
Woche 2: 18.03. – 24.03.2024
Vom Wochenende in der Heimat gut gestärkt, startete Woche 2 für mich in Schöfweg.
Wieder eine neue Praxis, die ich noch nicht kannte, in der ich jedoch sehr herzlich empfangen wurde. Ich war von Anfang an begeistert davon, wie evidenzbasiert und leitliniengerecht die Therapie der Patienten abläuft. Auch die Art der Anamneseführung überzeugte mich sehr. Durch die wertschätzende Art von Frau Dr. Kleudgen fühlte ich mich sehr wohl in Schöfweg.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir dort eine Patientin mit Bluthochdruck. Da die Patientin noch nicht sehr alt war, zogen wir eine sekundäre Genese in Betracht. Bei der Frage nach der Bestimmung des Aldosteron-Renin-Quotienten zum Ausschluss eines Hyperaldosteronismus war Recherchearbeit gefragt. Die Patientin nahm nämlich bereits seit ein paar Tagen einen Ca-Antagonisten ein und wir stellten uns die Frage, ob dieses Medikament die Blutwerte beeinflusst. Also machte ich mich im Buch für Labormedizin und mit Hilfe des Internets auf die Suche, welches Medikament den ARQ beeinflusst und war sehr überrascht von der Fülle der Medikamente, die ich fand. Das zeigte mir wieder einmal, wie wichtig es ist, vor einer Blutentnahme zu überlegen, welche Werte es zu bestimmen gilt, und andererseits auch darüber nachzudenken, woher etwaige Normwert-Veränderungen kommen könnten. Denn nicht jeder pathologische Wert bedeutet, dass der Patient krank ist, ganz nach dem Motto „Behandle den Patienten, nicht den Laborwert“.
In der 2. Hälfte der Woche tauschte ich mit Annalena und lernte in Kirchberg Herrn Dr. Machac kennen, der in einer Geschwindigkeit die Sprechstunde abarbeitete, die für mich völlig neu war. Durch die sehr zielgerichtete Anamnese und den klinischen Blick kamen wir schnell zur passenden Diagnose und konnten die Patienten zufrieden wieder nach Hause schicken. Zwischen den Patienten gab es immer wieder Zeit, kleine Themen nachzubesprechen und Fragen zu stellen. Das gefiel mir sehr gut, denn so konnte ich direkt die Theorie mit der Praxis verknüpfen und mir das Gelernte schnell merken.
Das schöne Wetter am freien Mittwochnachmittag nutzten Annalena und ich für unsere 1. Wanderung. Es ging über Bischofsmais zum Teufelstisch und wieder zurück. Für ein paar Stunden an der frischen Luft zu sein und die Natur im Bayerischen Wald zu genießen, tat sehr gut.
Am Donnerstagnachmittag trafen wir uns mit Philipp, der als PJler in Grafenau untergebracht war, zum Selbststudium. Wir hatten uns im Vorfeld auf das Thema „Brennen beim Wasserlassen“ geeinigt, da Harnwegsinfekte in jeder Praxis auftauchen und es doch recht viele Unterschiede in der Therapie gibt. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, erstellten wir nach 2,5h Leitlinien schmökern für jede Patientengruppe ein Flussdiagramm, welches uns später beim diagnostischen Vorgehen und der Therapie helfen soll. Zum Abschluss des Themas sprachen wir noch einen Fall aus dem Fällebuch Allgemeinmedizin durch, welcher uns nach dieser Lerneinheit nun nicht mehr schwer fiel. Es machte sehr viel Spaß, sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen und die Zeit verging so schnell, dass ich mich schon auf die kommenden Donnerstage freue.
Zum Abschluss der Woche hatten Annalena und ich noch die Möglichkeit, Herrn Dr. Machac bei einem Teil seines KVB-Dienstes in der Bereitschaftspraxis in Zwiesel zu begleiten. Von 19 bis 21:00 Uhr hatten wir neben vier Patienten viel Zeit für eine Lerneinheit über TBVT, LAE, Asthma cardiale, Lungenentzündung, Pleuritis und welche diagnostischen Mittel man in der Hausarztpraxis nutzen kann, um zwischen den unterschiedlichen Lungenerkrankungen differenzieren und diese therapieren zu können.
Woche 3: 25.03. – 31.03.2023
In der dritten Woche meines Aufenthalts im Bayerischen Wald verbrachte ich die gesamte Zeit in Schöfweg. Dort habe ich mich bereits gut eingelebt und genieße das selbstständige Arbeiten. Mein Ziel für diese Woche war es, selbstsicherer aufzutreten, und ich hatte das Glück, dass eine Blockpraktikantin mich am Montag nach Schöfweg begleitete. Ihre Anwesenheit ermöglichte es mir, mein Auftreten zu reflektieren und zu verbessern. Wir wechselten uns rasch bei den Patienten ab, und jeder von uns konnte positive Erfahrungen aus dem Tag ziehen.
Passend zu meinem Vorhaben erhielten wir Input von Herrn Dr. Blank zum Thema Körpersprache, Körperhaltung und deren Auswirkung auf die Arzt-Patienten-Kommunikation. Die Kombination von Theorie, praktischer Anwendung und Reflexion der Praxis empfand ich als sehr lehrreich.
Zudem fand am Montag ein sehr informativer Vortrag von Herrn Dr. Machac über Schilddrüsenknoten statt, begleitet von praktischen Übungsbeispielen. Es war eine sehr gute Gelegenheit, unser Wissen zu vertiefen und die praktische Anwendung zu üben.
Ein besonderes Erlebnis dieser Woche war meine Begegnung mit einer Patientin. Bei ihr stellte ich den Verdacht auf eine Depression fest, was sich später anhand des PHQ-9-Fragebogens bestätigte. Es war das erste Mal, dass ich eine solche Diagnose stellte, und es verdeutlichte mir die immense Bedeutung der psychischen Gesundheit in der ärztlichen Praxis. Trotz des starken Verdachts entschieden wir uns auch dafür, mögliche somatische Gründe mittels einer Blutentnahme auszuschließen. Mir war es wichtig, sowohl psychische als auch körperliche Aspekte bei der Diagnosestellung zu berücksichtigen, um mögliche Differentialdiagnosen nicht zu übersehen und der Patientin die Sicherheit zu geben, alle möglichen Ursachen überprüft zu haben.
Häufig kommen Patienten in die Praxis, die einen Gesundheits-Check-up wünschen. Um diese Untersuchung näher zu beleuchten, hatten wir am Mittwoch ein Teaching bei Herrn Dr. Blank. Vorab informierten wir uns darüber, welche Komponenten der Check-up gemäß den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) enthalten muss. Es zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen Theorie und Praxis, denn überraschenderweise war die Liste des G-BA recht kurz gehalten, und wir kamen schnell zu der Erkenntnis, dass der Gesundheits-Check-up eine sehr individuell anzupassende Untersuchung ist. Beispielsweise ist die Frage nach dem Sturzrisiko bei einem 80-Jährigen relevanter als bei einem 50-Jährigen, und diesem 50-Jährigen würde man hingegen deutlich eher dazu Raten den Tabakkonsum zu reduzieren als dem 80-Jährigen, der schon „sein ganzes Leben lang geraucht hat“.
Außerdem ist es wichtig zu bedenken, dass ein Screening nicht nur helfen, sondern in Einzelfällen auch schaden kann. Unterschiedliche Untersuchungen sind unterschiedlich gut darin, Krankheiten zu erkennen. So kann es beispielsweise vorkommen, dass der PSA-Wert beim Screening auf Prostatakrebs falsch positiv ist und weitere Diagnostik nach sich zieht.
Aus diesem Teaching habe ich mitgenommen, dass der Arzt eine beratende Funktion hat, der Patient jedoch zu jeder Zeit selbst entscheiden kann, ob er eine Untersuchung wünscht oder nicht. Diese Tatsache habe ich in Schöfweg vor allem bei Impfberatungen festgestellt, denn hierbei kann ich in eben dieser beratenden Funktion tätig sein, und der Patient kann immer selbst entscheiden, ob er sich impfen lassen möchte oder nicht, ganz nach dem Prinzip des shared-desicion-making.
Woche 4: 01.04. – 07.04.2024
Genau wie in der letzten Woche handelte es sich auch diese Woche um eine 4-Tage-Woche. Dies wurde unter anderem deutlich, als die Sprechstunde am Dienstag nach dem Osterwochenende gut besucht war. Zusätzlich befanden sich drei der Gemeinschaftspraxen im Bayerwald im Urlaub. In dieser Zeit lernte ich Frau Dr. Stadler kennen, eine Assistenzärztin, die normalerweise in Lalling arbeitet, diese Woche jedoch die Praxis in Schöfweg unterstützte. Wir besprachen mehrmals Patienten und tauschten uns über das Thema "Unsicherheiten in der Hausarztpraxis" aus. Dabei erinnerte mich unser Gespräch an meine Zeit als Tutorin beim Anamnesetraining während meines Studiums. Dort hatten wir ebenfalls das Thema Unsicherheit behandelt und den Umgang damit anhand einer Studie (für alle Interessierten: von Margot O'Riordan aus dem Jahr 2011) erarbeitet. Besonders wichtig waren dabei der Aufbau einer guten Arzt-Patienten-Beziehung, das shared decision-making, die evidenzbasierte Medizin und der kollegiale Austausch, um Ärzten Unsicherheiten zu nehmen. Es begeisterte mich zu sehen, dass genau diese Ansätze auch in den Gemeinschaftspraxen des Bayerwaldes praktiziert werden. Dennoch bestätigte uns Frau Dr. Kleudgen, dass Unsicherheit immer ein Teil der ärztlichen Arbeit sein wird.
Am Mittwoch begleitete ich Frau Dr. Kleudgen erstmals auf Hausbesuche. Die ländlichen Wege führten uns zu unterschiedlichsten Menschen. Der besondere Reiz von Hausbesuchen liegt für mich darin, dass man die Patienten in ihrem vertrauten Umfeld kennenlernt. Hier werden nicht nur medizinische Aspekte sichtbar, sondern auch die Herausforderungen der häuslichen Versorgung. Bemerkenswert fand ich außerdem, wie häufig Familienmitglieder sich um ihre erkrankten Verwandten kümmerten.
Am Donnerstag trafen wir uns wieder mit Philipp, um eine weitere Leitlinie gemeinsam zu besprechen. Wir entschieden uns für die erst letztes Jahr überarbeitete Leitlinie zu gastrointestinalen Infektionen. Als Fazit nahm ich mit, dass bei Patienten mit akutem Durchfall keine routinemäßige Stuhluntersuchung durchgeführt wird, es sei denn, es gibt Hinweise auf schwere Verläufe, Risikofaktoren oder Begleiterkrankungen. Da ich im Praxisalltag häufiger mit Menschen zu tun habe, bei denen ich den Verdacht auf eine akute Gastroenteritis äußerte, und ich diesen immer empfohlen habe, ausreichend zu trinken, um den Flüssigkeits- und Elektrolytmangel auszugleichen, begeisterte mich vor allem das Rezept für die WHO-Trinklösung zur Rehydratation. Ich habe mir vorgenommen, diese bei dem nächsten Patienten zu erwähnen, und bin schon sehr gespannt auf die Rückmeldungen.
Am Freitagnachmittag nutzten Annalena und ich das schöne Wetter und besuchten die Burgruine in Weißenstein. Nach einem kurzen, idyllischen Spaziergang erkundeten wir außerdem den gläsernen Wald. Auch das Wochenende war geprägt von schönem Wetter, entspannten Lese-Nachmittagen auf Bänken mit Aussicht und einer kleinen Wanderung auf den Dreitannenriegel mit weitem Blick.
Woche 5: 08.04. – 14.04.2024
Nun ist schon wieder eine Woche vorbei und ich habe das Gefühl, dass die Zeit im Bayerischen Wald schneller vergeht als mir lieb ist.
Zu Beginn der Woche hatte ich die Gelegenheit, die Praxis in Lalling und das dortige Team kennenzulernen. Da ich nachmittags nur drei Patienten gesehen habe, konnte ich mir für diese entsprechend viel Zeit nehmen und habe mit deren Einverständnis eine umfassende Untersuchung gemacht, um meine praktischen Fähigkeiten weiter auszubauen. Nebenbei bemerkte ich auch, wie schnell man eine „Studenten“-Patienten-Beziehung aufbauen kann, wenn man Zeit investiert. Der Aufbau einer Arzt-Patienten-Beziehung war wie ein Leitfaden für mich diese Woche, denn ich habe in Schöfweg viele Patienten erneut gesehen, die ich bereits kennenlernen durfte. Es hat mir sehr viel Freude bereitet, sie weiterhin mitzubetreuen und den Verlauf der Erkrankung zu verfolgen.
Vom sonnigen Wetter beflügelt entschloss ich mich dazu, zusätzlich zum Teaching am Mittwoch und zum PJ-Selbststudium am Donnerstag an beiden Nachmittagen in der Sprechstunde mitzuwirken.
So hatte ich das Glück am Mittwochnachmittag Frau Dr. Kleudgen bei ihren ausführlichen Gesprächen mit Patienten zu beobachten, deren Erkrankungen oft keine somatische Ursache haben. Ihr Einfühlungsvermögen und das Verständnis für die Patienten haben mich sehr beeindruckt.
Nach dieser Nachmittagssprechstunde gab Herr Dr. Blank ein aufschlussreiches Teaching über Rheuma. Anfangs war das Thema für mich schwer greifbar, da es in der Hausarztpraxis nicht allzu häufig vorkommt und ein Überbegriff für viele Erkrankungen mit unterschiedlichsten Symptomen ist. Wir konzentrierten uns auf die häufigsten Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Polymyalgia rheumatica. Dieses Teaching hat mir definitiv mehr Sicherheit im Umgang mit rheumatischen Erkrankungen, deren Diagnose und Therapie gegeben und mir die Angst genommen, in der Hausarztpraxis mit einer Therapie zu beginnen.
Zum Abendessen schauten wir uns dann noch einen Vortrag zu venösen Thromboembolien an, um unser Wissen aus dem Studium aufzufrischen.
Am Abend kam Regine in Kirchberg an, eine Hospitantin aus Bayreuth, die überlegt, ihr Wahltertial im Bayerischen Wald zu absolvieren. Wir verbrachten den restlichen Abend damit uns mit ihr auszutauschen.
Am Donnerstag nutzten Annalena und ich das herrliche Wetter, um uns mittags im Feng-Shui-Park in Lalling zum Essen zu treffen und die Leitlinie zur arteriellen Hypertonie zu besprechen. Wir entschieden uns für diese Leitlinie, da die arterielle Hypertonie ein sehr häufiges Krankheitsbild in der Hausarztpraxis darstellt. Zu meiner Freude bestand diese Leitlinie auch aus vielen Flowcharts, die sich meiner Meinung nach als sehr praktikabel erweisen.
Und dann war es auch schon wieder Freitag. Zum Ausklang der Arbeitswoche machten wir uns nach der Sprechstunde auf den Weg nach Grattersdorf, um mit einer Wanderung zum kleinen und großen Büchelstein das Wochenende einzuläuten.
Das Wochenende verbrachten wir mit viel Lesen, Entspannen und einer Wanderung auf den Rachel. Ich war ganz begeistert von den vielfältigen Eindrücken auf diesem Berg, da die Vegetation dort sehr unterschiedlich ist und die Aussicht nie langweilig wird. Den Sonntagabend nutzte ich dazu, meine doch etwas müden Beine hochzulegen und mit Annalena und der Famulantin Jocelyn, die nebenan wohnt, Spiele zu spielen.
Woche 6: 15.04. – 21.04.2024
Wie jeden Montag, begann auch diese Woche mit einem Vortrag, diesmal zum Thema Hypothyreose. Das dabei aufgefrischte Wissen war nicht nur theoretisch interessant, sondern erwies sich auch in der Praxis als äußerst nützlich, da ich es gleich zweimal diese Woche erfolgreich anwenden konnte. Am Mittwochnachmittag vertiefte ich gemeinsam mit Annalena unsere EKG-Kenntnisse. Wir suchten im Internet nach frei zugänglichen EKGs verschiedener Krankheitsbilder und testeten unser Wissen gegenseitig. Der gemeinsame Lernprozess fühlte sich dabei nicht wie eine Lernaufgabe an, sondern eher wie ein Gespräch unter Freundinnen. Den Tag rundete der Journal Club ab, bei dem verschiedene Studienergebnisse diskutiert und ein Fazit gezogen wurde. Diese Diskussionen waren sehr praxisorientiert, sodass wir in kurzer Zeit die relevanten Inhalte erfassen konnten.
Die letzte Woche hatte uns bereits auf den Sommerbeginn hoffen lassen, doch diese Woche überraschte uns mit einer Rückkehr des Winters und sogar etwas Schneefall. Am Freitag war die Praxis in Schöfweg nicht ärztlich besetzt, sodass ich die Möglichkeit nutzte, um bei Herrn Dr. Kalmancai in Auerbach reinzuschauen. Der Tag war super interessant, und ich habe mir einige Patienten gemerkt, deren Fälle ich weiterverfolgen möchte.
Am Wochenende besuchte mich mein Partner. Trotz des Nebels und der kühlen 5°C mit leichtem Schneefall haben wir uns am Samstag aufgemacht, um den großen und kleinen Büchelstein zu erkunden. Am Sonntag ging’s dann bei trockenem Wetter nach Spiegelau, um den Marienkäferweg entlang der Steinklamm zu wandern. Zum krönenden Abschluss des Wochenendes haben wir es uns im Gasthof zum Sonnenwald gemütlich gemacht und die regionalen Speisen genossen.
Woche 7: 22.04. – 28.04.2024
Die Woche begann am Montag wieder mit einem breiten Spektrum an Patienten, von Infekten über orthopädische Beschwerden bis hin zur Herzinsuffizienz-Therapie; alles war dabei. Auch wenn ich mir morgens hin und wieder wünsche, noch eine weitere Stunde im Bett verbringen zu können, steigt die Motivation auf die Sprechstunde mit jedem Meter, den ich von Kirchberg in Richtung Schöfweg zurücklege.
Mittags gab es, wie jeden Montag, einen Vortrag, diesmal über „Kompressionssonographie bei tiefer Beinvenenthrombose“. Wie nicht anders zu erwarten, war er sehr lehrreich, und ich hoffe, dass ich die Gelegenheit haben werde, diese Technik des Ultraschalls auszuprobieren und zu üben. Mein Vorhaben für diese Woche war es, die Medikamente, die in der Praxis des Öfteren verschrieben werden, genauer unter die Lupe zu nehmen und im Arzneimittel-Telegramm Indikation und Dosierung nachzulesen.
Am Mittwoch stand ein Vortrag von Frau Prof. Dr. Münch, einer Politikwissenschaftlerin aus Tutzingen, über die „Hausarztpraxis im Wandel der gesellschaftspolitischen Veränderungen“, an. Dieser bereicherte mein Verständnis für die zukünftige Rolle des Hausarztes abseits der medizinischen Kompetenz.
Den Abend nutzten Annalena und ich, um uns gegenseitig auf das langsam immer näher rückende Staatsexamen vorzubereiten, indem wir internistische Fälle durchgingen.
Am Donnerstag besuchte uns Philipp wieder und unsere Diskussion über die Leitlinie zu Diabetes mellitus offenbarte, dass die hausärztliche Erstversorgung bei Diabetes einfacher ist als gedacht. Die Leitlinie betonte, wie die anderen zuvor auch schon, vor allem die partizipative Entscheidungsfindung gemeinsam mit dem Patienten, denn ein noch so gutes Medikament hat keine Wirkung, wenn der Patient es nicht einnimmt.
Mein Fazit der Woche ist, dass es mir sehr gut gefällt, dass man in einer Hausarztpraxis die Patienten über lange Zeit betreuen kann. Dadurch hat man die Möglichkeit immer wieder zu hinterfragen, zu reflektieren und zu kontrollieren, ob die Diagnostik oder Therapie, die man angewendet hat, für den Patienten richtig war.
Außerdem stelle ich fest, dass der mir entgegengebrachte Vertrauensvorschuss und die Möglichkeit, selbstständig zu arbeiten, mich so sehr motiviert, dass ich mich auch außerhalb der Sprechzeiten fortbilde, um eine qualitativ hochwertige Beratung der Patienten leisten zu können.
Zum Abschluss der Woche erkundete ich Freitagnachmittag den Brotjacklriegel. Die Wanderung war sehr erholsam und entspannend, da ich auf der ganzen Tour keinem Menschen begegnet bin und so in völliger Ruhe, die noch mit etwas Schnee bedeckte Natur genießen konnte.
Am Samstag machten Anna und ich uns in das 2 Stunden entfernte Linz auf, um einen kleinen Städtetrip zu machen. Bei schönem Wetter und 20 Grad hat sich das auf jeden Fall gelohnt.
Woche 8: 29.04. – 05.05.2024
In dieser Woche hatte ich den Auftrag, mich intensiver mit hormonellen Verhütungsmitteln auseinanderzusetzen. Besonders interessant fand ich die unterschiedliche Empfindlichkeit dieser Methoden gegenüber externen Faktoren wie Durchfällen und der Einnahme von Antibiotika. Die Hormonspirale beeindruckte mich dabei am meisten, da sie aufgrund ihrer lokalen Wirkungsweise am wenigsten von solchen Störungen betroffen zu sein scheint. Im Gegensatz dazu könnte das Hormonstäbchen, ähnlich wie die Pille, durch Antibiotika in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt werden, was auf die systemische Hormonabgabe zurückzuführen ist.
Die Dreimonatsspritze ist ein Verhütungsmittel, zu dem laut Fachinformation überraschenderweise keine Studien hinsichtlich der Arzneimittelinteraktion geführt wurden, obwohl sie laut „Amboss“ zu den Verhütungsmitteln gehört, die nicht von Antibiotika beeinflusst werden. Diese Lücke in der Forschung hat mich daran erinnert, wie wichtig es ist, wissenschaftliche Quellen nicht nur zu konsumieren, sondern auch kritisch zu hinterfragen.
Ein besonderer Fokus lag diese Woche auf der Auseinandersetzung mit der Leitlinie zu Herpes Zoster. Annalena und ich hatten uns vorgenommen, den Donnerstagnachmittag zu nutzen, um unser Wissen über diese häufige Erkrankung zu vertiefen. Herpes Zoster, auch bekannt als Gürtelrose, ist eine Erkrankung, die für viele Patienten in der Hausarztpraxis eine große Rolle spielt. Die Leitlinie bietet eine umfassende Übersicht über Diagnose, Behandlungsoptionen und Präventionsmaßnahmen, die für die Patientenversorgung entscheidend sind.
Wir diskutierten die neuesten Empfehlungen zur antiviralen Therapie und die Bedeutung der frühzeitigen Behandlung, um Komplikationen wie postherpetische Neuralgien zu vermeiden. Besonders interessant fanden wir die Abschnitte über die Impfempfehlungen, die darauf abzielen, das Risiko eines Herpes Zoster bei älteren und immungeschwächten Personen zu reduzieren.
Ein prägendes Erlebnis dieser Woche war die Frage einer Patientin nach der Bedeutung des Ausdrucks „diastolische Funktionsstörung“, der sich in ihrem Arztbrief befand. Es war eine Herausforderung für mich, ihr die Komplexität dieses Begriffs verständlich zu machen.
Diese Begegnung motivierte mich zur Anmeldung bei „washabich.de“, einer Website, die medizinische Befunde in Laiensprache übersetzt. Nach der Teilnahme an einem Kommunikationsseminar und der Erstellung eines Probebefundes bin ich schon sehr gespannt auf die Übersetzung der kommenden echten Befunde.
Das Wochenende war ein Highlight, als ich meine Familie empfangen durfte. Wir genossen gemeinsam die Schönheit des Bayerischen Waldes, was einen schönen Abschluss einer lehrreichen Woche darstellte.
Woche 9:06.05. - 12.05.2024 & Woche 10: 13.05. – 19.05.2024
Frisch und voller Energie kehrte ich aus meinem Urlaub zurück, bereit für eine neue Woche voller Herausforderungen. Da die Praxis in Schöfweg geschlossen war, verbrachte ich die gesamte Woche in Kirchberg. Es war faszinierend zu beobachten, wie unterschiedlich die Arbeitsweisen der Ärzte sind. Als Medizinstudent profitiere ich enorm von der Vielfalt ihrer Spezialgebiete und individuellen Stile.
Diese Woche war geprägt von einer Welle von Erkältungen, die durch meine zunehmende Erfahrung mit Infektionskrankheiten schnell und effizient behandelt werden konnten. Dr. Machac nutzte jede freie Minute, um mit mir über verschiedene medizinische Themen zu sprechen. Ohne dass ich Fragen stellen musste, tauchten wir tief in die Materie ein – von Hämochromatose über EBV bis hin zur Gicht. Selbst wenn man vorher dachte, bereits ein gutes Grundwissen über diese Erkrankungen zu haben, konnte Dr. Machac immer noch wertvolle Informationen hinzufügen. Diese Art des Wissensaustauschs war unglaublich bereichernd, und meine Lernkurve stieg exponentiell an.
Am Mittwoch besuchten wir online einen externen Vortrag über das Absetzen von Psychopharmaka. Besonders aufschlussreich war die Erkenntnis, dass das Absetzen von Antidepressiva Symptome hervorrufen kann, die einer Depression ähneln. Um eine depressive Episode von Absetzsymptomen zu unterscheiden, ist das unterschiedliche Zeitfenster ihres Auftretens entscheidend: Absetzsymptome treten typischerweise nach 1-2 Wochen auf, während eine erneute depressive Episode später einsetzt.
Nachdem wir vor einigen Wochen einen Vortrag über tiefe Beinvenenthrombose gehört hatten, war es nun an der Zeit, das theoretische Wissen in die Praxis umzusetzen. Zusammen mit Philipp nutzten wir einen Nachmittag, um unter Dr. Machacs Anleitung unsere Beine mittels Ultraschall zu untersuchen.
Am Donnerstag, während unseres Selbststudiums, widmeten wir uns der Leitlinie für Borreliose nach Zeckenstichen. Wir kamen zu dem Schluss, dass eine Serologie im akuten Stadium nicht aussagekräftig ist und daher nicht durchgeführt wird. Da alle Ärzte unserer Gemeinschaftspraxis stets auf dem neuesten Stand der medizinischen Forschung sind, war uns dies bereits vor dem Studium der Leitlinie bekannt.
Woche 11: 20.05. – 26.05.2024
Nach einer zweiwöchigen Pause in Schöfweg und einem anschließenden Feiertag begann meine Arbeitswoche erst am Dienstag. Doch gleich zu Beginn wurde ich mit einem überfüllten Wartezimmer konfrontiert, das eine bunte Mischung aus Patienten bot. Drei Fälle sind mir besonders in Erinnerung geblieben, da sie sofortiges Handeln erforderten.
Am Montag trat der erste Fall auf: Ein Hobbyimker hatte mehrere Bienenstiche erlitten, auch im Gesicht, was zu einer starken Schwellung seiner rechten Gesichtshälfte führte. Glücklicherweise konnten wir weitere Symptome einer allergischen Reaktion ausschließen. Er erhielt von uns eine Kurzinfusion mit Cortison und Fenistil intravenös. Bei der Nachkontrolle am nächsten Tag war die Schwellung bereits deutlich zurückgegangen.
Der zweite Patient kam mit Symptomen eines akuten Koronarsyndroms zu uns. Im EKG waren leichte ST-Senkungen zu erkennen, weshalb wir beschlossen, ihn umgehend ins Krankenhaus einzuweisen.
Der dritte Fall war ein Patient aus Rumänien, der zusammen mit einem Kollegen kam, um Sprachbarrieren zu überwinden. Es war das erste Mal, dass ich eine tiefe Beinvenenthrombose sah, wie sie im Lehrbuch beschrieben wird. Wir bestellten den Patienten zur Kontrolle der Thrombose unter Antikoagulation für Dienstag wieder ein. Ich freue mich darauf, die Ultraschalluntersuchung der Beinvenen durchzuführen, die wir erst kürzlich als PJler geübt hatten.
Diese drei Fälle hatten gemeinsam, dass ich solche Krankheitsbilder bisher noch nicht in der Hausarztpraxis erlebt und mitbehandelt hatte. Der Lerneffekt war dementsprechend groß. Es hat mir viel Freude bereitet, mein im Studium erworbenes Wissen anzuwenden und zu wissen, dass ich mich auf das Gelernte verlassen, Leitsymptome erkennen und die weitere Diagnostik einleiten kann. Es gefällt mir sehr, so viel Selbstvertrauen aufbauen zu können, indem ich den Erstkontakt mit den Patienten herstelle und einen Behandlungsplan entwickle, den ich anschließend mit Frau Dr. Kleudgen besprechen kann.
Zusätzlich zum normalen Praxisbetrieb war diese Woche an zwei Tagen die Blockpraktikantin Teresa in Schöfweg. Dadurch konnten wir gemeinsam Patienten betreuen und uns gegenseitig Feedback geben. Es hat mir viel Freude bereitet, mein erworbenes praktisches Wissen weiterzugeben und gleichzeitig zu überprüfen, wie gut ich etwas verstanden habe, indem ich es erklärte.
Insgesamt war es eine sehr lehrreiche, wenn auch kurze Woche.
Woche 12: 27.05. – 02.06.2024
Meine Woche war eine Mischung aus beruflicher Fortbildung und persönlicher Entfaltung. Sie begann mit einem Vortrag über sekundäre Hypertonie. Da ich bereits dem Amboss-Podcast zu diesem spannenden Thema gelauscht hatte, waren die Informationen, die Dr. Machac uns gab, eine gute Wiederholung. Zudem war es sehr hilfreich, die Meinungen der anderen Ärzte zum tatsächlichen diagnostischen Vorgehen in der Praxis zu hören.
In meinem letzten Bericht hatte ich von einem Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose berichtet. Dieser stellte sich am Dienstag erneut vor, und ich hatte die Gelegenheit, eine Venensonographie durchzuführen. Da Thrombosen sich glücklicherweise nicht so schnell auflösen, konnte ich tatsächlich mittels Kompression die Thrombose darstellen. Ich freute mich sehr darüber, diese Möglichkeit bekommen zu haben.
Diese Woche lernte ich einen Patienten kennen, dessen Enkelin gegen HPV geimpft wurde. Er offenbarte mir, dass er davon nicht begeistert war und monierte, dass man Kinder in so jungem Alter so häufig impfen muss. Ich nahm mir die Zeit, um die Desinformation zu korrigieren und stellte meine Fähigkeit, komplexe medizinische Informationen verständlich zu vermitteln, auf die Probe. Die anfängliche Skepsis des Beratenen konnte ich durch eine klare Darlegung der Vor- und Nachteile der Impfung ausräumen. Der Patient sah die Impfung zum Ende des Gesprächs als gute Möglichkeit, den Gebärmutterhalskrebs, der durch HPV verursacht werden kann, vorzubeugen, und bedankte sich, dass ich mir die Zeit zur Aufklärung genommen habe. Die erfolgreiche Aufklärung hat nicht nur die Einstellung des Patienten verbessert, sondern mir auch die Bedeutung von Patientengesprächen als Teil der präventiven Medizin bestätigt.
Mittwochs war wieder Teaching-Tag: Diesmal von Bea, einer medizinischen Fachangestellten und Wundexpertin aus Schöfweg. Wir trafen uns zusammen mit Philipp und Nora, der Assistenzärztin, in unserer WG in Kirchberg und konnten praxisnah Materialien tasten, Cremes testen und Verknüpfungen herstellen, welche Salbe auf welche Wunde aufgetragen werden soll, wann man desinfizieren muss und vieles mehr. Durch die Expertise und die detaillierten und praxisnahen Informationen von Bea fühle ich mich nun nicht mehr hilflos bei der Frage, wie ich welche Wunde versorgen würde. Annalena, Bea und ich ließen den Abend mit einer Pizza und Gesprächen gemütlich ausklingen.
An den meisten Freitagen ist Petra in der Praxis in Schöfweg. Hier sieht sie die Patienten zum DMP Diabetes. Ich hatte das Glück, dass an diesem Freitag eine Einzel-Ernährungsschulung für eine Patientin stattfand, bei der im Check-up ein DM Typ II festgestellt wurde. Petras Fähigkeit, den Patienten zu vermitteln, dass sie trotz ihrer Erkrankung weiterhin Freude am Essen haben können, war beeindruckend. Es war eine wichtige Erinnerung daran, dass eine Diagnose nicht das Ende des Genusses bedeuten muss.
Das Wochenende nutzte ich, um dem regnerischen Wetter zu entfliehen und kreative Energie zu tanken. In Frauenau hatte ich die Gelegenheit, in der Glasmanufaktur Eisch meinen eigenen Handschmeichler zu gestalten, was eine willkommene Abwechslung war. Im Anschluss besuchte ich noch die kleine Ausstellung des Werks und lauschte gespannt der Führung des Seniorchefs. Nach einem kleinen Spaziergang durch den Gläsernen Garten genoss ich noch ein paar entspannte Stunden im Café des Glasmuseums bei Tee, Kuchen und einem Buch.
Am Sonntag setzte ich das entspannte Wochenende fort, und Annalena und ich besuchten das Café Fledermaus in Rinchnach. Den Tipp hatten wir im Erfahrungsbericht von Hannah gelesen (die wir beide in Amberg bei unserem Innere-Tertial kennengelernt hatten). Der köstliche Streuselkuchen und die ruhige Lesezeit waren ein wunderbarer Abschluss einer ereignisreichen Woche. Wir können das Café auf jeden Fall weiterempfehlen!
Woche 13: 03.06. – 09.06.2024
Die vergangene Woche war voller neuer Eindrücke und Erfahrungen für mich. Im Gegensatz zu den routinemäßigen Wochen zuvor begann diese mit einer dreitägigen Hospitation in der Reha-Klinik Schaufling.
Unter der Anleitung von Dr. Tamas Buvar, den wir bereits aus einem früheren Wirbelsäulen-Teaching kennen, wurde ein umfangreiches Programm organisiert. Ziel war es, uns einen Einblick in verschiedene Therapieformen zu ermöglichen.
Wir bekamen die Chance, Behandlungsmethoden wie Elektrotherapie, Wärmetherapie, Hydrojet, Lymphomat, Rückenschule und einiges mehr nicht nur kennenzulernen, sondern auch aktiv teilzunehmen und sie selbst auszuprobieren.
Ein Highlight war der Nachmittag, an dem wir Dr. Buvar bei einer Patientenaufnahme begleiten durften. Diese unterschied sich deutlich von den üblichen Aufnahmen im Krankenhaus, da wir etwa 1,5 Stunden für Anamnese und körperliche Untersuchung im Patientenzimmer verbrachten.
An den anderen Nachmittagen erlernten wir detaillierte und strukturierte Untersuchungstechniken für die Schulter und das Knie sowie die Sonographie dieser Gelenke. Besonders aufschlussreich war auch ein Gespräch mit einem Orthopädietechniker, das mir zeigte, wie wichtig das Verständnis für Einlagen und Orthesen in der allgemeinmedizinischen Praxis ist.
Ein wesentlicher Aspekt, der mir in Erinnerung bleiben wird, ist die Arbeitsweise der Reha-Klinik. Statt nach dem ICD arbeitet die Klinik nach dem ICF (International Classification of Functioning), was einen ganzheitlichen Blick auf die Patienten ermöglicht.
Woche 14: 10.06. – 16.06.2024
Diese Woche ist mir ein Gespräch besonders in Erinnerung geblieben. Es fand während eines Routine-Check-ups statt. Eine Patientin erwähnte, dass ihre Frauenärztin ihr einen Urin-Test angeboten hatte, der auf Blasenkrebs hinweisen kann. Diese Information überraschte mich, da ich bislang von einem solchen Test nichts wusste. Meine Neugier war geweckt, und nach der Sprechstunde machte ich mich an die Recherche. Zu meiner Verwunderung stellte ich fest, dass es diesen Test wirklich gibt und er zwischen 31 und 41 Euro kostet. Er gehört zu den sogenannten IGeL-Leistungen. Jedoch musste ich auch erkennen, dass die wissenschaftliche Evidenz für die Effektivität dieses Tests sehr eingeschränkt ist. Es gibt keine deutlichen Belege, die eine Senkung der Morbidität oder Mortalität durch den Test bestätigen, und auch über die diagnostische Qualität lässt sich keine sichere Aussage treffen. Es ist faszinierend und manchmal beunruhigend, welche unterschiedlichen medizinischen Empfehlungen Patienten erhalten können.
Am Mittwoch hatten wir das Privileg, von Herrn Prof. Dr. med. Kühlein, dem Leiter des Allgemeinmedizinischen Instituts in Erlangen, zu lernen. Sein Vortrag über den Umgang mit Depressionen in der Hausarztpraxis und die begrenzte Wirksamkeit von Antidepressiva war ein Augenöffner. Die von ihm vorgestellten Studien hinterfragten kritisch den Einsatz von Antidepressiva und regten zum Nachdenken an.
Donnerstags konzentrierten sich Annalena und ich auf die Bearbeitung von hausärztlichen Notfällen, wie sie in unserem Fällebuch beschrieben sind. Wir besprachen Szenarien wie den anaphylaktischen Schock, Verbrühungen, Schlaganfall und Hyperglykämie. Obwohl uns das grundsätzliche Vorgehen bei den meisten Notfällen bereits vertraut war, wurde uns bewusst, dass wir unser Wissen über die Dosierung und Verabreichung der Medikamente noch weiter ausbauen müssen. So recherchierten wir kurzerhand, wie man beispielsweise einen EpiPen richtig anwendet.
Ein weiterer prägender Moment dieser Woche war mein erster selbstständiger Hausbesuch. Ohne die gewohnte Unterstützung durch Frau Dr. Kleudgen fühlte ich mich zunächst unsicher, doch diese Erfahrung erwies sich als ungemein wertvoll. Ich konnte die Bedeutung und den Wert solcher Besuche aus erster Hand erleben, insbesondere die Dankbarkeit der Patienten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, die Praxis aufzusuchen.
Woche 15: 17.06. - 23.06.2024
Da ich am Anfang der Woche Urlaub genommen hatte, um etwas Adrenalin und Cortisol in den Warteschlangen vor Achterbahnen auszuschütten, startete meine Woche erst am Donnerstag. Ich war bereits darauf vorbereitet, dass an diesem Tag ein Patient zu mir kommen würde, bei dem ich eine ausführliche orthopädische Untersuchung durchführen sollte, um sie in ein Gutachten einfügen zu können.
Also nahm ich mir viel Zeit und wandte alles an, was ich bisher in den Teachings und in den drei Tagen Hospitation in der Reha-Klinik in Schaufling gelernt hatte. Von der Neutral-Null-Methode über Inspektion und Testung nach Jobe, Neer, Hawkins und vielen weiteren Methoden war ich nach ungefähr 1,5 Stunden fertig mit der körperlichen Untersuchung und Dokumentation.
Am Donnerstagnachmittag entschieden wir uns, den letzten PJ-Nachmittag zu dritt mit einer Wanderung ausklingen zu lassen. So starteten wir auf der Rusel und landeten zu unserer Überraschung in Schaufling bei der Reha-Klinik. Mit einem Abstecher über den Königsstein ging es dann auch wieder teilweise barfuß, animiert durch eine Informationstafel zur Fußreflexzonenmassage, zurück.
Am Freitag war es dann soweit: Nach etwa vier Monaten PJ im Bayerischen Wald habe ich endlich mein erstes Erythema migrans bei einem Patienten entdeckt. Nun kann ich beruhigt in die letzte Woche des Tertials starten.
Woche 16: 24.06. - 30.06.2024
Und plötzlich sind die vier Monate im Bayerischen Wald vorbei. Schon zu Beginn der Woche schlich sich bei mir die Wehmut ein, denn die Zeit hier in der Gemeinschaftspraxis war so wertvoll für mich. Sowohl persönlich als auch fachlich konnte ich mich enorm weiterentwickeln. Vor allem mein Selbstbewusstsein und meine Selbstwirksamkeit im Umgang mit Patienten haben in diesen vier Monaten einen bedeutenden Schub erfahren.
Meine Sorge, die große Menge an Angeboten der Weiterbildung könnte mich überfordern, war unbegründet – ganz im Gegenteil. Durch die vielen Möglichkeiten, die mir geboten wurden, konnte ich eine ganz neue Motivation schöpfen und meine Fähigkeiten ausbauen.
Der Abschied aus meiner "Hauptpraxis" in Schöfweg fiel mir definitiv schwer, da mich alle so herzlich aufgenommen hatten und man sich dort nur wohlfühlen konnte. Auch die Patienten im Bayerischen Wald haben es mir leicht gemacht, diese Gegend ins Herz zu schließen. Es hat mir sehr viel Freude bereitet, mit so offenen und direkten Menschen zu arbeiten.
Mit gestärktem Selbstbewusstsein geht es nun für Annalena und mich nach Linz in das letzte Tertial des Praktischen Jahres – Chirurgie. Erwartungen habe ich noch keine, aber es wird eine Herausforderung sein, das Tertial im Bayerischen Wald zu übertreffen.
An dieser Stelle möchte ich mich von Herzen bei allen bedanken, die zu diesem wunderschönen PJ-Tertial beigetragen haben. Euer Engagement und eure Unterstützung haben diese Erfahrung unvergesslich gemacht.
An jeden, der diese Erfahrungsberichte liest und sich überlegt, am exzellenten Sommer oder Winter teilzunehmen, ein Blockpraktikum oder PJ hier zu machen – wagt es, es lohnt sich allemal!
Jonna Ostermann
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Woche 1: 18.09. – 24.09.2023
Da ich an einem Kongress teilnehmen durfte, startete ich mit einer Woche Verspätung in das Allgemeinmedizin-Tertial. Nach einem sehr lehrreichen ersten Tertial in der Inneren Medizin an meiner Heimat-Uni Hamburg war ich sehr gespannt, was mich in diesem Tertial erwarten würde. Stadt vs. Land sowie spezialisierte vs. generalistische Medizin bildeten in vielerlei Hinsicht deutliche Kontraste. 2020 durfte ich bereits am Famulaturprojekt "Exzellenter Winter" teilnehmen, welches jedoch aufgrund der Corona-Pandemie vorzeitig abgebrochen werden musste. Daher freute ich mich umso mehr, dass ich nun im PJ nochmals die Möglichkeit erhalten habe, in den Bayerischen Wald zurückzukehren.
Ich wurde von meiner neuen Mitbewohnerin Kathi herzlich aufgenommen und wir verstanden uns auf Anhieb gut.
In den ersten 2-3 Wochen rotiert man durch verschiedene Praxen der Gemeinschaftspraxis Bayerwald und kann danach Wünsche äußern, an welchem Standort man vorrangig eingesetzt werden möchte.
Direkt am Montag durfte ich Dr. Blank bei einem etwas stressigen Tag in der Grafenauer Praxis begleiten und bereits einige Patienten selbst voruntersuchen und anschließend vorstellen. An einem komplexen neurologischen Fall mit intermittierenden, vorwiegend sensiblen Ausfällen frischte ich meine Kenntnisse zur neurologischen Untersuchung auf. Ebenfalls durfte ich bei einigen Hausbesuchen dabei sein, u.a. auch in der Demenz-WG in Grafenau, wo mich die freundliche, ruhige Atmosphäre sehr beeindruckte.
Die kommenden Tage war ich in den Praxen in Auerbach und Lalling eingeteilt, wo ich ebenfalls bei einigen Patienten die Anamnese und körperliche Untersuchung durchführen durfte, und anschließend das weitere Procedere mit den Ärzten MUDr. Kalmancai, Dr. Takacs oder MUDr. Sujova besprach. Es war beruhigend zu wissen, dass ich in schwierigeren Fällen noch keine Diagnose stellen musste und noch nicht allein über die Therapie entscheiden musste. Aus vielen wichtigen Hinweisen der Ärzte, beispielsweise, dass bei rechtsseitigen Schulterschmerzen auch an die Gallenblase gedacht werden sollte, konnte ich viel mitnehmen. Wissen, dass ich zwar an der Uni teils gelernt hatte, aber im Patientengespräch nicht immer direkt daran gedacht hatte.
Insbesondere im Rahmen von Check-ups bestand regelmäßig die Möglichkeit, sich im Ultraschall zu üben. Am Mittwochnachmittag hatten wir PJler zudem die Gelegenheit, uns gegenseitig zu schallen.
Als PJler durften wir in dieser Woche den EKG-Kurs von Dr. Krenn unterstützen, welcher im Rahmen des Exzellenten Sommers stattfand. Hierbei konnten wir uns selbst an teilweise trickreichen EKGs üben und in Gruppenarbeitsphasen auf Fragen der Famulanten eingehen. Am Wochenende durften wir PJler jeweils mit einem Arzt gemeinsam den Famulanten eine chronische Erkrankung näher bringen. Dr. Wittmann und ich besprachen das Thema KHK, was auch aufgrund des großen Interesses der Famulanten sehr interaktiv war und viel Spaß gebracht hat. Wir hoffen, einige Praxistipps weitergegeben zu haben und dass wir auch aufzeigen konnten, wie die DMP-Programme der Gemeinschaftspraxen hier ablaufen.
Immer wieder hatten wir unter der Woche Online-Treffen mit Dr. Blank und wurden sehr eingebunden, welche Seminare, Fragerunden, Hospitationen o.ä. wir uns für das PJ-Tertial wünschen.
Nach einer sehr lehrreichen und intensiven ersten Woche freue ich mich auf die kommenden Wochen, um einerseits mein Wissen bei häufigen Krankheitsbildern zu vertiefen und andererseits diverse weitere Krankheitsbilder kennenzulernen.
Woche 2: 25.09. – 01.10.2023
Zu Beginn der Woche lernte ich die Praxis in Schöfweg kennen. Da die Praxis zwei Wochen zuvor urlaubsbedingt geschlossen war, standen viele Befundbesprechungen, Impfungen etc. an, die sich in den vergangenen Wochen angesammelt hatten. Auch lernte ich hier Frau Dr. Kleudgen kennen, die sich auch nach der Sprechstunde noch Zeit nahm, um Fragen zu beantworten. Viele Patienten kamen mit grippalen Infekten, wobei ich merkte, dass ich mich in den hierbei durchgeführten Untersuchungsmethoden wie der Otoskopie oder der Beurteilung des Rachens/der Tonsillen immer sicherer fühlte. Spannend empfand ich eine Patientin, die sich mit geschwollener, überwärmter Haut im Bereich des Daumens nach fraglichem Trauma vorstellte. Hier taten sich mehrere Differentialdiagnosen auf, wobei die Patientin zunächst zum Röntgen überwiesen wurde. Am Mittwoch durfte ich die Praxis in Kirchberg und MUDr. Machac kennenlernen, der mir zwischendurch viel über internistische Krankheitsbilder erklärte. Auch erhielt ich von Wundexpertin Petra einige Hinweise zur Versorgung chronischer Wunden. Bei MUDr. Kalmancai in Auerbach lernte ich, dass ich bei Patienten, die gestürzt waren, besser auch internistische Untersuchungen wie die Lungenauskultation (-> Lungen bds. belüftet oder Pneumothorax?) nicht vergessen sollte. ;) Mit einer weiteren PJlerin (Myriam) sprach ich näher über das Thema Gesundheits-Check-up und sie zeigte mir ihre Struktur zur Durchführung eines solchen.
Es ist sehr bereichernd, von so vielen verschiedenen Ärzten und Mitarbeitern lernen zu dürfen, weil jeder seinen eigenen Stil im Umgang mit Patient:innen hat und auch fachlich etwas unterschiedliche Schwerpunkte hat.
Unter der Woche durften wir PJler noch an zwei Kursen des Famulaturprojekts "Exzellenter Sommer" teilnehmen. Im Klinikum Schaufling wurde uns ein strukturierter Untersuchungsablauf bei Kreuzschmerzen an die Hand gegeben. Dies war für mich sehr hilfreich, weil ich mich bei orthopädischen Untersuchungstechniken noch etwas unsicher fühle. Im Rahmen eines Kurses zum Thema "Depression" wurden uns anhand von Fallbeispielen aus unseren Hausarztpraxen einige Tipps gegeben, mit welchen Formulierungen man psychiatrische Beschwerden näher eruieren könnte. Dieses Seminar war auch ein Anstoß, solche Themen häufiger bei Patienten zu erfragen.
Am Ende der Woche nahm ich noch an einem M3-Prüfungstraining vom Bund Deutscher Chirurgen und Bund Deutscher Internisten in Berlin teil.
Woche 3: 02.10. – 08.10.2023
Diese Woche war ich überwiegend in Lalling bei Frau Dr. Takacs und sah viele interessante Krankheitsbilder.
Gleich zu Beginn der Woche stellte sich ein Patient mit einem großen Erythema migrans vor und ich lernte, dass hierbei auch ein pseudonymisiertes Meldeformular fürs Gesundheitsamt ausgefüllt werden sollte. Mehrfach erlebten wir in dieser Woche den Fall, dass NSAR gastrointestinale Beschwerden wie sogar eine Kolitis ausgelöst haben könnten. Auch einige urogenitale Erkrankungen wie eine Analvenenthrombose sah ich in dieser Woche erstmals. Mit Frau Dr. Takacs sprach ich zudem über STIKO-Impfempfehlungen und das Vorgehen bei erhöhten Leberwerten.
Auch menschlich konnte ich mir von Frau Dr. Takacs viele Sichtweisen abschauen. So erklärte sie einer Patientin mit einer chronischen Erkrankung, die trotz starker Erschöpfung weiter Vollzeit arbeiten wollte, dass ihr Körper allein mit der Erkrankung bereits einen Teilzeitjob habe. Ansichten wie diese werde ich mir für meine zukünftigen Patient:innen merken, da ich sie als sehr hilfreich für den Umgang mit der Erkrankung einschätze.
Am Mittwochnachmittag nahmen wir PJler an einer Online-Fortbildung zum Thema Dermatoskopie teil. Anhand zahlreicher Beispiele wurde erklärt, wie man maligne und benigne Hautveränderungen differenzieren kann. Dies gab mir mehr Sicherheit für die Hautkrebsscreenings, welche auch wir PJler im Rahmen von Gesundheits-Check-ups durchführen.
Langsam aber sicher verfärben sich die Bäume und läuten trotz der noch recht warmen Temperaturen den Herbst ein. Das schöne Wetter nutzte ich am Wochenende noch für eine Wanderung auf den Großen Rachel aus.
Woche 4: 09.10. – 15.10.2023
Zu Beginn der Woche war ich gemeinsam mit Dr. Blank in Lalling. Hier ist mir insbesondere eine Patientin mit v.a. nächtlich auftretenden und über mehrere Stunden andauernden stärksten krampfartigen Schmerzen im gesamten Oberbauch im Gedächtnis geblieben. Das Murphy-Zeichen war negativ, dennoch sah die Gallenblasenwand sonografisch etwas verdickt aus. Die Patientin erhielt einen Termin zur Blutabnahme sowie den Rat, sich bei Wiederauftreten der Schmerzen nachts z.B. in der Notaufnahme vorzustellen, um in der Akutsituation eventuell aussagekräftigere Diagnostik betreiben zu können.
Zudem spiegelte mir Dr. Blank wider, dass es einen unsicheren Eindruck mache, wenn man sich während der Vorstellung eines Patienten etwas an den Schubladenschrank anlehne. Dies versuchte ich im weiteren Verlauf zu berücksichtigen.
Am Dienstagmorgen war ich mit MUDr. Sujova in Lalling und am Dienstagnachmittag durfte ich MUDr. Machac in der Praxis in Kirchberg begleiten. Hier stellte sich unter anderem eine Patientin mit einer seit einigen Wochen bestehenden und sich nur langsam bessernden Bursitis olecrani vor. Bereits am Morgen hatte sich ein Patient mit einem ähnlichen Verlauf bei einer Bursitis praepatellaris vorgestellt. Hier wurde mir deutlich bewusst, dass man bei diesem Krankheitsbild als Patient viel Geduld über Wochen und Monate mit Schonen, Kühlen und adäquater Schmerzmedikation benötigt. Mit MUDr. Machac sprach ich anschließend noch über das Thema Antihypertensiva.
Mittwoch fand ein gemeinsamer Ausflug der Mitarbeiter der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald nach Passau statt. Nach einer Stadtführung bzw. Schnitzeljagd folgte eine Bootstour sowie die Einkehr in die Veste Oberhaus. Bei bestem Wetter war dies eine schöne Möglichkeit, sich mit anderen Mitarbeitern wie z.B. mit der aktuellen Ärztin in Weiterbildung, Dr. Kunzendorf, auszutauschen.
Woche 5: 16.10. – 22.10.2023
Diese Woche durfte ich in Schöfweg verbringen und konnte die Praxis und das Team dort näher kennenlernen.
Am Donnerstag saßen wir noch gemütlich in der Praxis zusammen, um Dr. Kunzendorf, die über ein Jahr in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald als Assistenzärztin gearbeitet hatte, zu verabschieden.
Ich hatte diese Woche die Möglichkeit, wieder einige Gesundheits-Check-ups durchzuführen, die mittlerweile langsam aber sicher zur Routine werden und auch der Ablauf sich in meinem Kopf etwas gefestigt hat. Diese bieten zudem eine tolle Möglichkeit, viel Sonografie zu üben. So konnte ich in dieser Woche beispielsweise bei den Patient:innen eine bisher nicht bekannte Nierenzyste oder inhomogene Schilddrüsenknoten beschreiben.
Ein englischsprachiges Paar, das neu nach Deutschland gezogen war, durfte ich zudem über die verschiedenen Vorsorgeuntersuchungen in Deutschland aufklären.
Von Dr. Blank lernte ich, was es bei einer Infektionsschutzbelehrung zu beachten gibt.
Eindrücklich war zudem eine ältere Patientin mit Z.n. Sturz am Vortag, deren Oberarm stark schmerzhaft war und sich dort ein riesiges Hämatom gebildet hatte. Mit dem dringenden Verdacht auf eine proximale Humerusfraktur schickte Frau Dr. Kleudgen diese Patientin umgehend zum Röntgen ins Krankenhaus.
Außerdem sah ich diese Woche eine Patientin in etwa meinem Alter mit brennenden "roten" Augen mit Druckgefühl seit zwei Monaten, wobei die Symptomatik an einigen Tagen zwischendurch deutlich gebessert sei. Wegen der länger anhaltenden Beschwerden, des Druckgefühls und weil neben der konjunktivalen auch eine leichte ziliare Injektion bestand und wir somit eine Uveitis nicht ausschließen konnten, baten wir die Patientin, sich am nächsten Tag beim Augenarzt vorzustellen.
In der Montagsfortbildung lehrten uns Dr. Machac und die MFA Waltraud Mader, die regelmäßig die DMPs bei KHK-Patient:innen durchführt, einiges Praktische zum Thema KHK. Am Mittwoch fand eine Online-Fortbildung mit Herrn Dr. Egidi statt, in welcher wir einiges zur Labordiagnostik von Schilddrüsenwerten, Diagnostik und Therapie bei Harnwegsinfekten und vieles mehr lernten.
Am Wochenende bekam ich Besuch von meiner Familie und wir machten einige Wandertouren z.B. entlang der Buchberger Leite oder ab Buchenau zu den Schachten.
Woche 6: 23.10. – 29.10.2023
Fast die gesamte Woche durfte ich in Lalling bei Frau Dr. Takacs verbringen.
Zu Beginn der Woche kamen auffällig viele Patient:innen mit grippalen Infekten. Bei einigen hielt die Symptomatik bereits länger an oder war ausgeprägter, sodass im Rahmen einer symptomatischen Therapie mit viel Flüssigkeit, Inhalation, Nasenspray, Lutschtabletten, Schonung und ggf. Ibuprofen u.a. auch Salbutamol oder Prednisolon zum Einsatz kamen.
Am Mittwoch durfte ich dann meinen ersten eigenen Hausbesuch machen. Ich fuhr zu einer 90-jährigen Patientin, die sich sichtlich freute, dass jemand vorbeikam und mir direkt ein Stück Kuchen anbot. Sie hatte keine akuten Beschwerden, jedoch bestanden seit einem Sturz vor einem Jahr noch immer Schmerzen in der rechten Schulter, die zunehmend auch zu einer Nackenverspannung und etwas Schwindel führten. Nach einer körperlichen Untersuchung (u.a. Wirbelsäule, Schulter, Herz, Blutdruck) zeigte ich ihr noch vor Ort ein paar Gymnastik- und Dehnübungen um den betroffenen Bereich etwas zu mobilisieren und besprach den Fall anschließend noch mit Frau Dr. Takacs.
Donnerstag fuhr ich gemeinsam mit Dr. Takacs zu einem Patienten, bei dem nach einer Tibiakopffraktur einige Klammern entfernt werden mussten. Da ich dies zuvor noch nie getan hatte, erklärte mir Dr. Takacs geduldig und mit vielen hilfreichen Tipps, wie man dies durchführt.
Auch durfte ich diese Woche ein paar Verbandwechsel vornehmen. Mit diesem Thema hatte ich bislang noch sehr wenig Erfahrung, lerne jedoch Woche für Woche neue Möglichkeiten der Wundversorgung kennen.
Am Dienstagnachmittag war ich bei MUDr. Kalmancai in Auerbach. Aufgrund seiner früheren chirurgischen Tätigkeit konnte er mir einige Tipps zum Fädenziehen geben. Auch durfte ich an diesem Nachmittag einen Patienten mit ausgeprägtem Peritonismus untersuchen. Dies war für mich sehr eindrücklich, weil ich zuvor noch nie eine solche generalisierte Abwehrspannung getastet hatte.
Zudem durften wir PJler unter der Woche am monatlich stattfindenden Journal Club teilnehmen und hatten von der Universität Erlangen ein spannendes Seminar zum Thema Nebenniereninsuffizienz.
Donnerstagnachmittag besprachen wir PJler anhand von Leitlinien und Fallbeispielen gemeinsam nephrologische Themen wie Zystitis oder Hämaturie.
Am Wochenende nahm ich am Exzellenten Wochenende teil - einem jährlichen Wiedersehenstreffen aller, die jemals an den Exzellenz-Projekten der Landarztmacher teilgenommen hatten. In diesem Rahmen durfte ich Workshops zum Thema Pulmonale Hypertonie sowie einen EKG-Kurs leiten, was viel Spaß gemacht hat. Außerdem lernte ich viele neue Leute kennen und führte einige interessante, inspirierende Gespräche.
Woche 7: 30.10. – 05.11.2023
Nachdem ich in den Wochen zuvor bereits an vereinzelten Tagen die Praxis in Auerbach kennenlernen durfte, war ich nun erstmals eine ganze Woche dort.
Auch, da parallel die Praxis in Lalling geschlossen hatte, gab es insbesondere am Montag sehr viel zu tun. MUDr. Kalmancai behielt jedoch einen guten Überblick und wusste genau, wann ich am besten welche/n Patientin/Patienten in welchem Zimmer voruntersuchen konnte. Trotzdem nahm er sich immer wieder Zeit für Teaching und zeigte mir zwischendurch z.B. ein auffälliges Belastungs-EKG mit ST-Hebungen.
In dieser Woche sah ich einige Patient:innen mit Erkrankungen der Gelenke. Hierbei empfinde ich es als durchaus herausfordernd, bei eher atypischem Erscheinungsbild/Anamnese ggf. doch einen Gichtanfall zu diagnostizieren. Bei einer Patientin mit V.a. Fraktur des vierten und fünften Zehs durfte ich gemeinsam mit einer MFA einen Zügelverband anlegen. Weiterhin übte ich mich daran, auch ein wenig eingewachsene Fäden zu ziehen - dabei war ich sehr froh, dass MUDr. Kalmancai mit seiner chirurgischen Erfahrung übernahm oder Hilfestellung leistete, wenn ich hierbei Schwierigkeiten hatte.
Auch bei einem post-OP-Patienten nach perforierter Sigmadivertikulitis, bei dem ich in der Vorwoche vor Krankenhauseinweisung noch eine Abwehrspannung getastet hatte, durfte ich die Fäden ziehen und freute mich sehr, dass es ihm wieder deutlich besser ging.
Donnerstag und Freitag war ich gemeinsam mit Blockpraktikantin Nikki in Auerbach eingeteilt. Aus raumtechnischen Gründen führten wir bei den Patient:innen gemeinsam die Anamnese und die körperliche Untersuchung durch, was viel Spaß brachte.
Auch machte ich in dieser Woche einen Hausbesuch bei einem Ehepaar in Auerbach, das ich bereits einige Wochen zuvor mit MUDr. Kalmancai besucht hatte und nun häufiger besuchen werde. Im Rahmen des PJs sollten wir möglichst zwei Hausbesuchspatient:innen ca. wöchentlich besuchen. Dem Paar ging es soweit gut, daher stand dieses Mal lediglich an, zu überprüfen, ob die Medikamente tatsächlich so eingenommen werden, wie es auf dem wenige Tage zuvor leicht veränderten Medikamentenplan des Ehemanns stand.
Am Montag lehrte uns MUDr. Machac einiges zum Umgang mit erhöhten Leberwerten - auch bei asymptomatischen Patient:innen ein sehr häufiges, aber schwieriges Thema in der Praxis. Den Donnerstagnachmittag nutzten wir PJler, um das Thema Diabetes zu besprechen: Wann wird welches Medikament eingesetzt? Wann ist Insulin indiziert? Welche Dosierungen könnte man einsetzen?
Am Wochenende nutzen Carla, Kathi und ich das schöne Herbstwetter für eine Wanderung zum Falkenstein, auf dem - für uns unerwarteterweise - bereits Schnee lag. So kam schon etwas Winter-/Weihnachtsstimmung auf.
Außerdem meldete ich mich fürs M3 an, welches für mich im kommenden Frühjahr anstehen wird. Dabei kann ich gar nicht so recht glauben, dass nun bereits genau die Hälfte des PJs vorbei ist. Die Zeit ist in den letzten Monaten wirklich verflogen und ich bin sehr dankbar, schon viel Neues gelernt zu haben und viele inspirierende Ärzte, Mitarbeiter und Patient:innen kennengelernt zu haben.
Woche 8: 06.11. – 12.11.2023
Nun startete also bereits die zweite Hälfte dieses PJ-Tertials.
Direkt zu Beginn der Woche durfte ich das erste Mal bei einer Rückstichnaht die Fäden ziehen. Gar nicht so einfach, denn die Fäden waren schon relativ tief in der Haut, sodass nicht immer ein Faden unter dem Knoten sicher zu identifizieren war. Gemeinsam mit Frau Dr. Takacs kontrollierte ich daher mittels Dermatoskop anschließend sicherheitshalber, ob doch noch Reste der Fäden in der Haut verblieben waren.
Zudem durfte ich nach Rücksprache mit MUDr. Sujova bei einer Patientin, bei der beim Check-up wiederholt erhöhte Blutzuckerwerte sowie ein erhöhter HbA1c aufgefallen waren und bei der bereits eine Ernährungsberatung erfolgt war und die sich im Alltag viel bewegte, eine antidiabetische Therapie mit Metformin einleiten.
Als ich gerade noch am Dokumentieren war, wurde ein Patient, dem es offensichtlich nicht gut ging, gestützt von einer MFA ins Zimmer auf die Liege geführt. Während ich die Vitalparameter bestimmte, berichtete der Patient, dass ihm seit der Nacht sehr schwindlig sei und zudem sein Puls sehr hoch sei. Bei der Auskultation des Herzens fühlte sich der Puls sehr arrhythmisch an, sodass die Verdachtsdiagnose Vorhofflimmern nahe lag, welche sich anschließend im EKG bestätigte. Dieser Fall verdeutlichte mir einmal mehr den Stellenwert von Anamnese und körperlicher Untersuchung.
In einem ruhigen Moment erzählte mir MUDr. Sujova einiges zur praktischen Anwendung von Cortison-Cremes bei dermatologischen Krankheitsbildern sowie von (antibakteriellen) Augentropfen bei Konjunktivitis. Zudem blieb mir eine etwa gleichaltrige Patientin mit rezidivierend auftretenden stärksten Gelenkschmerzen, insbesondere der oberen Extremitäten im Gedächtnis. Leider musste ich hier jedoch auch feststellen, wie schwierig es ist, Termine bei Fachärzten zu erhalten…
Auch in dieser Woche führte ich wieder Hausbesuche bei "meinen" drei Patient:innen durch. Zwei von ihnen - ein Ehepaar - hatten leider aktuell einen grippalen Infekt, jedoch glücklicherweise ohne schwere Krankheitssymptome.
Am Wochenende kam mein Bruder zu Besuch und wir wanderten unter anderem den sehr empfehlenswerten Rundweg "Schachten und Filze" - durch ca. 15 cm tiefen Schnee stapften wir durch ein wahres Winter Wonderland!
Woche 9: 13.11. – 19.11.2023
Diese Woche war ich größtenteils in Schöfweg.
Es war für mich die Woche der Beinvenenerkrankungen.
Direkt am Montag stellte sich eine Patientin mit druckschmerzhaften, verhärtet tastbaren Venen einseitig am Unterschenkel vor. Irritierend war für mich, dass auch das Meyer- und Payr-Zeichen positiv waren. Visuell war ich mir nicht ganz sicher, ob eventuell auch eine Beinumfangsdifferenz besteht. Daher lernte ich von Frau Dr. Kleudgen, 10cm unterhalb der Tuberositas tibiae zu messen - mit gutem Ergebnis für die Patientin: Es lag keine relevante Differenz vor. Die Patientin wurde daher bei V.a. Thrombophlebitis mit Heparinierung (da wir einen Bezug zum tiefen Venensystem nicht ausschließen konnten) sowie symptomatisch u.a. mit NSAR und Kühlen behandelt.
Im Verlauf der Woche sah ich dann einen Patienten, dessen Bein bereits seit 1-2 Wochen geschwollen war. Bei ihm war zudem eine Wunde an der lateralen Fußkante zu sehen, weshalb ich auch die Differenzialdiagnosen Phlegmone und ggf. Erysipel in Erwägung zog. Der Kompressions-Ultraschall brachte kein klares Ergebnis, weshalb wir den Patienten bei ausgeprägter Klinik sicherheitshalber trotzdem antikoagulierten und am Folgetag nochmals eine Sonografie bei Dr. Machac durchgeführt werden sollte.
Ebenfalls kam ein Patient in die Praxis, der bereits vor ein paar Wochen eine Beinvenenthrombose DD Erysipel erlitten hatte und stationär behandelt wurde. Der Patient erhält bereits eine Antikoagulation und wurde außerdem antibiotisch therapiert. Nun stellte er sich erneut vor, weil sich der Befund nur unwesentlich gebessert hatte. Im Kompressions-Ultraschall der Beinvenen war die V. poplitea noch thrombosiert. MUDr. Sujova erklärte ihm, dass es oft einige Wochen bis zu wenigen Monaten dauern könne, bis die Symptome komplett rückläufig seien, was den Patienten sehr beruhigte.
Erstmals sah ich in dieser Woche auch eine Patientin mit der klassischen Symptomatik eines benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels. Obwohl ich beim Dix-Hallpike-Manöver "leider" keinen Nystagmus auslösen konnte, erhielt die Patientin bei typischer Klinik einen Zettel mit entsprechenden Selbstbefreiuungsmanövern.
Während der Nachmittagssprechstunde durfte ich alleine zu einem dringenden Hausbesuch bei einer multimorbiden Patientin mit nun vermehrt aufgetretenen Knöchelödemen fahren. Ich erhob neben der Anamnese die Vitalparameter und untersuchte insbesondere Herz und Lunge. In Rücksprache mit Dr. Kleudgen entschieden wir, zunächst die diuretische Therapie zu intensivieren und die Patientin in 1,5d nochmals klinisch zu sehen und Blut abzunehmen.
Am Dienstag durfte ich bei Dr. Werner, einem Internisten u.a. mit psychotherapeutischer Zusatzbezeichnung, im MVZ Regen hospitieren. An diesem Tag waren insbesondere kardiologische Patient:innen (z.B. Kontrolluntersuchungen bei Herzinsuffizienz, Mitralklappenprolaps o.ä.), jedoch auch Patient:innen mit anderen internistischen Krankheitsbildern z.B. der Lunge oder Schilddrüse einbestellt. Dr. Werner nahm sich viel Zeit für die Patienten und oftmals wurde die entsprechende Diagnostik (z.B. Belastungs-EKG, Bodyplethysmografie, Echokardiografie,…) noch in der Praxis durchgeführt. Dr. Werner hat mich direkt herzlich willkommen geheißen, dem ganzen Team vorgestellt und so oft es ging mit eingebunden. So durfte ich oft vorschallen (Abdomen, Schilddrüse, Herz) und er brachte mir die Karotis-Duplex-Sonografie bei. Sowohl fachlich als auch menschlich habe ich von diesem Tag viel mitnehmen können.
Am Wochenende ging es für mich dann auf zu einer recht entspannten Wanderung durchs Herbstlaub zu den "Bodenmaiser Schätzen" Rißlochwasserfällen und Silberberg.
Woche 10: 20.11. – 26.11.2023
Diese Woche durfte ich von Montag bis Mittwoch in der orthopädischen Abteilung der Reha-Klinik in Schaufling hospitieren. Am Montag wurde ich nach der Frühbesprechung ausführlich durch das Haus geführt und durfte anschließend bei der Visite dabei sein. Mittags nahm ich dann gemeinsam mit OA Dr. Buvar einen Patienten mit Hüft-TEP auf. Hierbei begeisterte mich auch das PC-Programm, bei welchem man bestimmte Informationen eingeben musste und das Programm anhand dessen automatisch einen Rohentwurf eines Arztbriefes erstellte. Nachmittags nahm Dr. Buvar sich viel Zeit, um mir das Thema Knie näherzubringen. Zunächst übten wir die körperliche Untersuchung an mir und einer Funktionsassistentin und danach durfte ich das Gelernte an einem Patienten umsetzen. An diesem zeigte Dr. Buvar mir auch Tipps zur Sonographie des Kniegelenks.
Dienstag und Mittwoch durfte ich dann selbst an vielen Reha-Maßnahmen wie Koordinationstraining, Gehtraining, Rückenschule, Wärmetherapie, Hydrotherapie o.ä. teilnehmen und durfte bei der Schuhsprechstunde dabei sein. Dienstagnachmittag nahm sich Dr. Buvar nochmals viel Zeit, um mir die Untersuchungstechniken (körperliche Untersuchung und Sonographie) des Schultergelenks strukturiert und in einer praktischen Reihenfolge beizubringen sowie anschließend bei einer Patientin anzuwenden. Mich hat beeindruckt, wie viel Freude an der Arbeit alle im Team (Ärzte, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler,…) hatten und mir sehr gerne viel erklärt haben. Insgesamt haben mir die Tage in Schaufling viel Spaß gebracht und auch fachlich weitergebracht - nun fühle ich mich deutlich sicherer in der Untersuchung von Knie und Schulter und kann mir auch besser vorstellen, wie eine Reha abläuft, wenn Patient:innen davon berichten.
Donnerstag und Freitag verbrachte ich in Lalling und Auerbach. Hier sah ich unter anderem deutlich ausgeprägte Varizen am Unterschenkel mit diversen eindrücklichen Zeichen einer chronisch venösen Insuffizienz (Corona phlebectatica paraplantaris, Stauungsdermatitis, Dermatoliposklerose, Ulzera). Zudem durfte ich Klammern ziehen, wozu ich, seit ich dies vor ein paar Wochen von Dr. Takacs erlernt hatte, in der Zwischenzeit keine Gelegenheit hatte. Umso mehr war ich begeistert, dass es problemlos klappte.
Donnerstagnachmittag besprachen wir unter uns PJlern ein paar Notfälle (z.B. Myokardinfarkt, Asthmaanfall) und was man bei diesen bereits in der Hausarztpraxis tun würde.
Den Freitagnachmittag nutzte ich noch für einen kleinen "Trail-Lauf" im Schnee rund um die Stockauwiesen bei Zwiesel. Auch in Kirchberg fiel an diesem Freitag der erste Schnee :). Am Wochenende machten wir PJler nach dem Jugendgottesdienst gemeinsam einen tollen Winterspaziergang zum Büchelstein und gingen anschließend noch auf den überaus gut besuchten Wichtelmarkt im Lallinger Feng-Shui-Kurpark.
Woche 11: 27.11. – 03.12.2023
Anfang der Woche galt es, in Auerbach einige hartnäckige grippale Infekte zu behandeln. Hierbei ist es manchmal gar nicht so leicht zu entscheiden, wann besser weiter abgewartet bzw. symptomatisch therapiert werden kann (oder ggf. Salbutamol oder Prednisolon helfen könnten) und wann man doch eine antibiotische Therapie (ggf. mit vorheriger Blutabnahme) beginnen sollte. Über den Einsatz und die Wahl des richtigen Antibiotikums (z.B. Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure, Azithromycin) unterhielt ich mich lange mit MUDr. Kalmancai.
Am Dienstag durfte ich einen Tag in der dermatologischen Praxis von Frau Dr. Friedl in Freyung hospitieren. Das ganze Team nahm mich herzlich auf und ich durfte gemeinsam mit Frau Dr. Friedl viele Hautkrebsscreenings durchführen. Hierbei sahen wir nebenbefundlich auch viele harmlosere Hautbefunde wie Follikulitiden, bei denen Dr. Friedl den Patienten Tipps zur Behandlung mit auf den Weg gab. Außerdem war es interessant, an diesem Tag einige Blickdiagnosen wie das Keratoakanthom einmal in "Real Life" zu sehen. Auch einige Behandlungen wie die CO2-Laser-Therapie oder Botox-Filler sah ich an diesem Tag das erste Mal.
Zurück in den Praxen in Auerbach und Lalling warteten noch einige knifflige Fälle auf uns.
Eindrücklich war eine Patientin etwa in meinem Alter, die sich mit Bauchschmerzen vorstellte. Bei der Untersuchung fiel ein leichter Peritonismus auf, weshalb wir einen Ultraschall des Abdomens durchführten. Tatsächlich sahen wir deutlich verdickte Darmwände sowie Aszites, sodass die Patientin ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Dieser Fall führte mir nochmals vor Augen, wie wichtig die körperliche Untersuchung ist!
Außerdem sahen wir einen Patienten mit klinischen Zeichen einer Herzinsuffizienz wie deutlicher Belastungsdyspnoe und Ödemen, jedoch normwertigem NT-proBNP. Auch ein Patient mit Schluckbeschwerden und bekannter Refluxösophagitis stellte sich vor. In solchen Fällen ist es spannend, sich mit den Ärzten zu beratschlagen und zu diskutieren, welches Vorgehen im Einzelfall am sinnvollsten ist.
Mittwochabend durften wir PJler an einer sehr lehrreichen und gut strukturierten Wundfortbildung teilnehmen, die von MFA Bea geleitet wurde. Ich kannte mich mit Wunden leider nicht besonders gut aus, weshalb mir diese Fortbildung sehr gelegen kam und bei mir viel Licht ins Dunkel brachte.
Die ganze Woche über schneite es sehr stark, sodass ich am Wochenende das erste Mal in diesem Winter langlaufen gehen konnte! :) So gerne ich den Schnee jedoch auch mag, an das Autofahren bei diesem Wetter muss ich mich erst noch gewöhnen. ;)
Woche 12: 11.12. – 17.12.2023
Diese Woche stand ganz im Zeichen der Einführung des E-Rezepts. Es war sehr spannend, die ersten Tage dieses neuen Konzepts - wenn auch noch mit einigen technischen Hindernissen und Unklarheiten - miterleben zu dürfen! Schließlich war dies für alle Beteiligten etwas Neues und so wurde auch den Patient:innen gerne erklärt, wie der Ablauf nun funktioniert: Die Rezepte werden nun auf der Krankenkassenkarte gespeichert und mit dieser können anschließend die Medikamente in der Apotheke abgeholt werden.
In dieser Woche sah ich eine eindeutige Otitis externa mit den typischen Zeichen wie geröteten Gehörgang, Tragusdruckschmerz etc.. Nach vielen Wochen mit Normalbefunden der Ohren oder mit Paukenergüssen oder Otitis media, machte es mich glücklich, auch eine solche Krankheit erkennen zu können. Es bestätigte sich einmal mehr, dass es sich lohnt ganz viele Normalbefunde zu erheben, um dann Abweichungen davon bemerken zu können.
Zudem behandelte ich ein Kind mit Fieber sowie einem stammbetonten Exanthem, das ich nicht so recht einem Krankheitsbild zuordnen konnte. Entsprechend unsicher fühlte ich mich hinsichtlich der Therapie und schlug in Rücksprache mit Frau Dr. Kleudgen eine symptomatische Therapie mit Paracetamol und abwartendem Offenhalten vor. In solchen Situationen fällt es mir noch immer nicht leicht, zu akzeptieren, keine eindeutige Diagnose zu haben.
Unter der Woche führte ich außerdem die Anamnese und körperliche Untersuchung bei einigen psychosomatischen Patient:innen durch. Vor kurzem wurde uns in der Fallbesprechung hierzu der Tipp gegeben, dass man die Patient:innen fragen sollte, welches Symptom ihnen aktuell am wichtigsten ist und sich insbesondere auf dieses fokussieren sollte - tatsächlich half dies etwas.
Mehrfach unter der Woche stellte sich ein Patient vor, dessen Pregabalin von der Dosierung her an die Nebenwirkungen angepasst wurde. Da ich mich bei Psychopharmaka leider nicht wirklich gut auskannte, erklärte mir MUDr. Sujova einiges Praktisches inklusive persönlicher Erfahrungswerte über verschiedene Antikonvulsiva.
Nun begann auch langsam aber sicher die Zeit der Abschiede von den einzelnen Praxen - es ist verrückt, wie schnell die Zeit bisher vergangen ist! So war ich diese Woche zum letzten Mal in der sehr gut organisierten Praxis in Schöfweg.
Montagabend waren Dr. Blank und MUDr. Kalmancai zum gemeinsamen Abendessen mit uns PJlern in unserer Wohnung in Kirchberg und wir sprachen über unsere Erfahrungen in den vergangenen Wochen sowie mögliche kleine Änderungsvorschläge des Projekts für zukünftige PJler.
Am Wochenende besuchte ich noch meinen Bruder, der derzeit in Bayreuth studiert.
Woche 13: 18.12. – 24.12.2023
Am Sonntagnachmittag bereits war Giorgi, ein Arzt aus Georgien, zur Hospitation angereist. Mit ihm gemeinsam fuhr ich am Montagmorgen zunächst nach Kirchberg in die Praxis, wo wir zwei Stunden lang gemeinsam mit MUDr. Machac und Dr. Blank arbeiteten. Bei der Untersuchung eines einjährigen Kindes, das bereits beim Reinkommen viel schrie, merkte ich einmal mehr, wie viel Geduld es im Umgang mit Kindern bedarf und dass einige Untersuchungen wie die sorgfältige Palpation des Bauches bei manchen Kindern trotz ruhigem Umgang nur orientierend möglich sind. Zudem sprach ich mit MUDr. Machac über die Differenzierung zwischen einer Polycythaemia vera und einer sekundären Erythrozytose z.B. bei Rauchern - ein Problem, welches mir in den vergangenen Monaten gar nicht mal selten begegnete.
Den Rest des Vormittags verbrachten wir in Auerbach bei MUDr. Kalmancai, wo ich auch am Nachmittag war. Es war mein letzter Tag bei MUDr. Kalmancai - ich habe seine ruhige, entspannte Art sowie seine praktischen Tipps z.B. beim Fädenziehen sehr geschätzt und es hat immer Spaß gebracht, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Am Abend bestellten Kathi, Carla und ich an unserem letzten gemeinsamen Abend im Bayerischen Wald zur Feier des Tages noch Pizza bei der Kirchberger Pizzeria. Am Dienstagmorgen verabschiedete ich mich von beiden, wobei ein Wiedersehen fest geplant ist. :) Es war eine tolle Zeit im Bayerwald, in der wir uns PJler auf Anhieb super verstanden hatten! Über die Weihnachtstage fuhr ich anschließend zu meiner Familie nach Schleswig-Holstein.
Woche 14: 25.12. – 31.12.2023
Nun war es bereits soweit - nachdem ich ein paar gemütliche Weihnachtstage zu Hause bei meiner Familie in Schleswig-Holstein genossen hatte, brach meine letzte Woche im Allgemeinmedizin-PJ-Tertial hier im Bayerischen Wald an. Unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist! Einerseits habe ich in dieser Zeit sehr viel erlebt, aber andererseits ist die Zeit rückblickend wirklich verflogen…
Zwischen den Tagen war ich noch einmal in Lalling bei Frau Dr. Takacs, wo ich auch die meiste Zeit meines PJs verbracht hatte. Da während dieser Zeit zwischen Weihnachten und Silvester viele andere Praxen geschlossen hatten, waren auch einige neue Patient:innen in der Praxis. Zudem gab es überraschend viele Krankenhausentlassungen zu besprechen, was ich jedoch immer als sehr lehrreich empfinde. Hierbei wird mir auch jedes Mal wieder klar, wie wichtig es ist, auch im stressigen Klinikalltag präzise Empfehlungen für die weitere poststationäre Behandlung in den Arztbrief zu schreiben.
In dieser Woche fiel mir auch einmal mehr auf, dass es nach wie vor einige Bereiche gibt, in denen ich mich noch recht unsicher fühle. So bringt mir der Umgang mit Kindern zwar viel Spaß, jedoch stoße ich insbesondere bei der genauen Diagnose und den Therapieempfehlungen für diese kleinen Patient:innen noch immer oft an meine Grenzen.
Bei der körperlichen Untersuchung dagegen merkte ich, dass es mir inzwischen deutlich leichter fällt, z.B. bei der Lungenauskultation, Racheninspektion, Lymphknotenpalpation u.v.m. Abweichungen vom Normalbefund festzustellen. Da man in einer allgemeinmedizinischen Praxis deutlich mehr Patient:innendurchlauf hat als in der stationären Versorgung, führte ich diese Untersuchungen hier so oft wie bisher nie zuvor durch.
Indem ich (in Lalling) zunächst selbst die Laborbefunde des Vortages durchgehen durfte und anschließend mit Dr. Takacs besprach, konnte ich hinsichtlich der Interpretation und Konsequenzen dieser Befunde viel mitnehmen.
Durch "meine" Hausbesuchspatient:innen, die ich regelmäßig selbst besuchen durfte, lernte ich darüber hinaus einiges über die Therapieeinstellung einiger chronischer Erkrankungen wie Diabetes, COPD oder Herzinsuffizienz.
Einige Krankheitsbilder (wie z.B. grippale Infekte, Harnwegsinfekte etc.) habe ich in der Zeit hier zuhauf gesehen und mir dabei einiges an Sicherheit erarbeitet. Nichtsdestotrotz gibt es auch hierbei noch hin und wieder Fälle, wo ich als "vorsichtiger Anfänger" eher zu mehr Diagnostik oder Therapie tendieren würde als die Fachärzte es hier tun. Einige Patient:innen mit schwerem grippalen Infekt, bei denen ich am besten direkt z.B. Salbutamol, Prednisolon oder sogar ein Antibiotikum zusätzlich zur symptomatischen Therapie verabreicht hätte, durfte ich im Verlauf noch einmal anrufen und musste feststellen, dass der Infekt in den allermeisten Fällen tatsächlich auch ohne solche Therapiemöglichkeiten rückläufig war. Auch bei Patient:innen, die man zwecks weiterer Diagnostik oder Therapieeinleitung zu Fachärzten überwiesen oder ins Krankenhaus eingewiesen hatte, fand ich es sehr lehrreich, wenn auch mit mal mehr, mal weniger erfreulichem Ergebnis, diese im Verlauf nochmals nachzuverfolgen (in persona oder via Patient:innenakte).
Durch die Themenbesprechungen und Fällebesprechungen der Praxis, die regelmäßigen Themenbesprechungen unter uns PJlern als auch die PJ-Seminare der Uni Erlangen konnte ich vieles Weitere an Wissen mitnehmen.
In dieser Woche hieß es nun also Abschiednehmen:
Zunächst einmal von Dr. Blank (“Wolfgang”), dem ich unfassbar dankbar für dieses einzigartige Projekt hier bin und von dem ich neben fachlichen Erkenntnissen auch Vieles zum Thema ärztlicher Haltung lernen durfte.
Außerdem musste ich mich nun auch von der Praxis in Lalling verabschieden - ich werde das ganze Team dort (und natürlich auch in den anderen Praxen) sehr vermissen! Ein ganz besonderer Dank gilt auch Frau Dr. Takacs ("Dora"): Ich habe wirklich gerne mit Dir zusammengearbeitet und werde mir von Deinen einfühlsamen Sichtweisen für immer einiges beibehalten!
Bereits in der Woche zuvor verabschiedete ich mich von den anderen PJlerinnen… Ihr wart die besten Mit-PJlerinnen, die ich mir hätte wünschen können! Ich erinnere mich z.B. gerne an unseren gemeinsamen Ausflug zum Büchelstein mit anschließendem Besuch auf dem Lallinger Wichtelmarkt mit mehr oder weniger gelungenem Stockbrot. ;) @Kathi: Vielen vielen Dank für die tolle Zeit hier oben auf dem Kirchberg! Mit dir hat es sich hier von Anfang an total "heimelig" angefühlt und wir haben ja wirklich verrückt viele Gemeinsamkeiten festgestellt. :) Auch das morgendliche gemeinsame Frühstück mit perfektem Blick auf den Sonnenaufgang werde ich sehr vermissen…
Nicht zuletzt hat der Bayerische Wald natürlich auch landschaftlich einiges an Vielfalt zu bieten: Besonders gut gefallen haben mir z.B. eine Wanderung zum Falkenstein, die Schachtenwanderung und auch der Flusswanderweg von Regen nach Zwiesel.
Insgesamt war es eine sehr intensive, aber auch sehr lehrreiche und aufregende Zeit mit wunderbaren Menschen, an die ich mich immer gerne zurückerinnern werde und jedem, der leidenschaftlich Medizin lebt und insbesondere auch den Mensch und nicht nur die Erkrankung sieht, das PJ hier nur wärmstens empfehlen kann!
Carla Ottens
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- Woche 14
Woche 1: 11.09. – 17.09.2023
Nach dem chirurgischen Tertial begann am Montag nun mein Tertial in der Allgemeinmedizin in der Praxis von Herrn Dr. Carlberg und Frau Dr. Scholz in Grafenau. Die beiden, wie auch das restliche Praxisteam, haben mich am ersten Tag sehr freundlich willkommen geheißen. Wir haben uns gegenseitig geduzt, was direkt eine angenehme Atmosphäre erzeugte. Ich bin die ersten beiden Tage zunächst mit Herrn Dr. Carlberg und Frau Dr. Scholz mitgelaufen. Beide haben ihren eigenen Weg mit den Patienten umzugehen und zu reden und von beiden kann ich mir einiges abgucken. Im Laufe der Woche durfte ich dann zunehmend die ersten eigenen Patienten voruntersuchen. Ich habe zunächst Zeit bekommen, den Patienten zu befragen und zu untersuchen. Danach kam einer der Ärzte dazu und hat mir bei Unklarheiten, der Diagnose oder der Therapie geholfen und mir hilfreiche Tipps gegeben. Nach jedem Patienten nahmen sich beide sehr viel Zeit mir Fragen zu beantworten. Das war für mich sehr hilfreich. Ich merkte, dass ich mit vielen Patienten überfordert war und in vielen Fällen noch nicht weiter wusste, bei anderen (vor allem den chirurgischen) fühlte ich mich schon etwas sicherer. Dass ein Patient alle klassischen Symptome einer Krankheit präsentiert, wie man es in der Uni gelernt hat, ist doch deutlich seltener. Umso wichtiger ist es, sich im Hinterkopf immer Differentialdiagnosen zu überlegen. In der ersten Woche habe ich in der Praxis schon viele Krankheiten – von Rückenschmerzen über Urozystitis, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Scabies bis zu einem Umknicktrauma – kennenlernen können. Außerdem muss ich mich noch etwas an den Dialekt im bayerischen Wald gewöhnen. Aus NRW kommend, muss ich mich doch etwas konzentrieren, um einige Patienten zu verstehen oder gegebenenfalls nochmal nachfragen. Herr Dr. Carlberg als Internist macht zudem Ultraschalluntersuchungen, sodass ich in den nächsten Wochen hoffe, auch diese technische Fähigkeit zu verbessern und Pathologien zu erkennen. Frau Dr. Scholz behandelt viele Kinder und nutzt ergänzend die Homöopathie. In diesen Bereichen habe ich während meines Studiums noch nicht viel Erfahrung sammeln können, sodass ich dort in dieser Woche erste Eindrücke sammeln konnte. Ich bin gespannt, was die nächste Woche bringt.
Die Unterkunft in Grafenau ist eine alte Pension, sodass jeder sein eigenes Zimmer mit Bad hat. Dort lebe ich in den nächsten vier Monaten mit Katharina, einer weiteren PJlerin, zusammen. Es gibt eine Gemeinschaftsküche und Wohnzimmer und einen großen Garten, in dem man sich bei sonnigem Wetter sehr gut aufhalten kann. Die Praxis war von dem Haus in 10 Minuten fußläufig gut erreichbar.
Woche 2: 18.09. – 24.09.2023
Nach der ersten Woche habe ich mich schon gut an den Praxisalltag gewöhnt. Montags haben wir in der Mittagspause immer eine Fortbildung mit den anderen PJlern und Ärzten. Am Dienstag und Donnerstag sind zudem interessante - teilweise rätselhafte - Fallbesprechungen. Uns wird also unter der Woche nicht langweilig. Am Samstag durften wir als PJler beim „Exzellenten Sommer“ helfen und am Sonntag haben wir bei bestem Wetter die Landschaft genießen dürfen und waren im Nationalpark wandern.
Ich ging diese Woche am Montag, Mittwoch und Freitag mit Herrn Dr. Carlberg mit und am Dienstag und Donnerstag mit Frau Dr. Scholz. In der letzten Woche hat Herr Dr. Carlberg einen Sonografie-Kurs gegeben, an dem ich teilgenommen habe. Diese Woche habe ich dadurch jeden Patienten morgens vorschallen dürfen. Herr Dr. Carlberg gab mir dafür so viel Zeit, wie ich benötigte. Danach hat er nachgeschallt, mir ein paar Tipps gegeben und Unklarheiten beseitigt.
Auch diese Woche war das Krankheitsspektrum sehr groß. Insbesondere im Kopf geblieben ist mir ein Patient mit klassischen Symptomen und klinischen Zeichen einer Appendizitis, der sich bei uns vorstellte und den ich untersuchen durfte. Ich habe diese Woche aber auch mit einem Patienten mit akuter Belastungsreaktion reden dürfen. Außerdem habe ich die Disease Management Programme der Krankenkassen verschiedener chronischer Erkrankungen genauer kennengelernt und mir wurde erklärt, auf was bei den Kontrollen zu achten ist.
Ich gebe zu, dass ich mich in meiner zweiten Woche im Umgang mit dem Patienten noch nicht sicherer fühle. Und auch in der Kommunikation mit den Patienten kann ich nicht auslernen (den bayerischen Dialekt verstehe ich aber schon besser). Aber ich habe ja noch einige Wochen hier, um dies zu verbessern.
Woche 3: 25.09. – 01.10.2023
In dieser Woche durfte ich viel sonografieren und war das erste Mal mit auf den Hausbesuchen. Direkt der erste Patient am Montag war für mich ein Detektivspiel in der Sonografie, da mir der Patient zuvor seine Diagnosen oder Symptome nicht mitteilen sollte. Schon das Pankreas konnte ich nicht darstellen, also habe ich erst einmal mit der Leber weitergemacht, in der Hoffnung, das Pankreas sei durch Luft im Magen und Darm überlagert und die Luft verschwinde im Laufe der Untersuchung. Die Leber sah für mich vielleicht etwas komisch aus und hatte einige Lichtreflexe, die ich aber zunächst auf Luft im Magen und Darm geschoben habe. Auch die Gallenblase konnte ich nicht finden. Zusammen mit Herrn Dr. Carlberg wurde der Fall dann aufgelöst. Dem Patienten wurde vor Jahren der Pankreaskopf nach Transverso Longmire reseziert und er hat aktuell erhöhte Leberwerte. Die Lichtreflexe in der Leber, die ich zuvor teilweise dem Magen und Darm zugeschrieben habe, waren tatsächlich Lichtreflexe in der Leber: Der Patient hatte eine Aerobilie, was ich das erste Mal in Realität gesehen habe. Wenn man das wusste, konnte man die Lichtreflexe nicht mehr übersehen. Ich denke, dass ich den nächsten Patienten mit Aerobilie nicht übersehen werde.
Im Praxisalltag habe ich zudem eine Patientin mit Aortenklappenstenose kennengelernt. Ich nahm das Stethoskop in die Hand und konnte ein klassisches Systolikum mit Fortleitung in die Carotiden auskultieren. Ein anderer Patient hatte einen Pleuraerguss mit deutlich abgeschwächtem Atemgeräusch auf einer Seite. Beim Abklopfen zeigten sich dann zudem unterschiedlich hohen Lungengrenzen. Beides war für mich sehr eindrücklich.
Am Donnerstag war ich das erste Mal mit auf Hausbesuchen. Es ist wirklich ein ganz anderes Erlebnis den Patienten in seinem gewohnten Umfeld zu besuchen, zu untersuchen und auch seine Lebensumstände kennenzulernen. Ich freue mich darauf, die Patienten im Verlauf meines Tertials öfter zu besuchen.
Am Freitag war ich in Kirchberg bei Herrn Dr. Blank, da meine Praxis wegen eines Softwareupdates geschlossen hatte. Herr Dr. Blank war an dem Tag allein in der Praxis und ich war mit zwei weiteren PJlern - Myriam und Katha – dort. Allerdings war es an dem Tag sehr voll in der Praxis, sodass Herr Dr. Blank viel zu tun hatte und uns weniger erklären konnte. Nichtsdestotrotz war es für mich mal sehr interessant, eine andere Praxis kennenzulernen.
Woche 4: 02.10. – 08.10.2023
Diese Woche war etwas kürzer, da am Dienstag der Tag der deutschen Einheit war. Ich habe wieder einige Patienten mit spannenden Krankheitsgeschichten und Symptomen kennengelernt. Auch konnte ich eine klassische Otitis media mit dem Otoskop diagnostizieren. Inzwischen schreibe ich mir die Patienten auf, die ich gerne nachverfolgen möchte, um aus den Symptomen lernen zu können.
In dieser Woche habe ich ein EKG von einem Patienten mit einem überaktiven Schrittmacher gesehen. Der Patient war dabei asymptomatisch. Eine weitere Patientin, die recht jung war, stellte sich mit Herzklopfen vor. Im EKG zeigte sich ein Bigeminus. Beide Patienten wurden zum Kardiologen geschickt.
Ein Thema, mit dem ich immer wieder überfordert bin, ist der Schwindel, da viele Ursachen zu Schwindel führen können. Ein Patient stellte sich mit Schwankschwindel ohne begleitende Symptome seit dem Vortag vor. Er hatte keine fokal neurologischen Defizite, bei der Beurteilung der Okulomotorik fiel allerdings ein Nystagmus auf. Mit Hilfe von Hr. Dr. Carlberg kamen wir zu dem Entschluss, den Patienten in die Neurologie ins Krankenhaus einzuweisen, um eine Ischämie auszuschließen,
Diese Woche hatten wir weniger Sonografien als in der letzten Woche. Ich durfte unter anderem ein zystisches Schilddrüsenstruma schallen. Ich tue mich bei der Schilddrüse wie auch bei der Niere immer noch schwer, lokale Veränderungen festzustellen. Aber dieses Mal habe ich eine Zyste richtig erkannt, worüber ich mich gefreut habe. Es kann nur besser werden. Zudem wurde mir bewusst, wie schwierig es ist, adipöse Patienten zu schallen, da die Organe durch das subkutane Fettgewebe sehr verschwommen erscheinen. Wie jede Woche bin ich gespannt, was die nächste Woche bringt.
Woche 5: 09.10. – 15.10.2023
Am Montag früh begann der Praxisalltag wie so oft mit einer Sonografie. Eine Patientin stellte sich zur Schilddrüsensonografie vor. Inzwischen schon etwas routinierter nahm ich den Schallkopf in die Hand und fing an, die Schilddrüse auszumessen und versuchte Pathologien zu erkennen. Dabei fiel mir ein Schilddrüsenknoten ins Auge, den ich ebenfalls ausgemessen habe und mir die Werte notierte, um sie später mit denen von Herrn Dr. Carlberg zu vergleichen. Dieses Mal stimmten meine ausgemessenen Werte mit denen von Herrn Dr. Carlberg überein und auch den Schilddrüsenknoten habe ich richtig erkannt. Eine weitere Patientin stellte sich mit rezidivierenden Oberbauchbeschwerden vor, woraufhin nun eine Sonografie des Abdomens durchgeführt werden sollte. Bei ihr konnte man sehr gut Gallensteine darstellen.
Mit einer Hautkrebsvorsorge habe ich auch eine dermatologische Aufgabe in der Hausarztpraxis kennengelernt. Zudem habe ich zwei Patienten mit einem Atherom, eines davon infiziert, voruntersuchen dürfen und mir Gedanken zur Therapie gemacht.
Ein weiterer Fall diese Woche, der mir in Erinnerung geblieben ist, ist eine Zystitis bei einem Jungen. Ich habe bis jetzt nur Patientinnen mit Zystitiden kennengelernt, sodass ich diese Woche das erste Mal mit dem Vorgehen bei einer Zystitis eines Jungen konfrontiert war und ich mir wieder in den Kopf rufen musste, was zu beachten ist.
In der Praxis wird der Urin, der von Patienten mit Blasenbeschwerden abgegeben wurde, direkt mikroskopiert und auch ich durfte diese Woche durch das Mikroskop schauen: Plattenepithelien, Leukozyten und Bakterien.
Ein weiteres Thema diese Woche waren unklare Ausgangslagen, bei denen man nicht wirklich wusste, was der Patient hatte. Nach dem Ausschließen von abwendbar gefährlichen Verläufen hieß das Vorgehen dann oft erstmal „abwartendes Offenhalten“, was für mich noch schwierig ist, da ich am liebsten sofort herausfinden möchte, was der Patient hat.
Die Hausbesuche diese Woche gingen weiter aufs Land hinaus als die Wochen davor. Eine Patientin, die wir besucht hatten, wohnte auf einem Bauernhof. Schon als wir aus dem Auto ausstiegen, konnte man die Landluft riechen. So stelle ich mir die typischen Hausbesuche als „Landarzt“ vor.
Woche 6: 16.10. – 22.10.2023
Nachdem ich am Freitag die Praxis in Auerbach kennenlernen durfte, begann meine Woche am Montag zusammen mit Herrn Dr. Blank in Grafenau in der Praxis. In beiden Praxen habe ich wieder einen anderen Umgang mit Patienten kennengelernt und Einblicke in einen anderen Praxisablauf bekommen. Die Praxen in Auerbach und Grafenau waren an beiden Tagen gut besucht. Ich habe viele Patienten kennenlernen und dementsprechend viele verschiedenen Krankheitsbilder sehen können, allerdings war die Zeit pro Patienten auch kurz. So war ich am Montag also mit Herrn Dr. Blank in der Grafenauer Praxis. Nachdem ich die ersten Patienten mit ihm zusammen angeschaut habe, durfte ich schnell eigene Patienten voruntersuchen. Ich konnte an diesem Tag das erste Mal eine Divertikulitis in der Sonographie sehen. Auch ein eindrückliches Giemen durfte ich auskultieren.
Am Dienstag ging es dann wieder normal in der Praxis von Herrn Dr. Carlberg und Frau Dr. Scholz weiter. Bei zwei Patienten bin ich gespannt, was die weitere Diagnostik ergibt: Ein Patienten hatte eine Hautveränderung am Nacken, welche mich an ein Basaliom denken ließ. Der Patient wurde zum Dermatologen geschickt. Eine weitere Patientin hatte seit ein paar Wochen Knieschmerzen. Mit den Untersuchungsmöglichkeiten des Knies konnte man die Ursache der Schmerzen auf den Innenmeniskus zurückführen. Sie wurde zum Orthopäden überwiesen.
Am Mittwoch haben wir eine Fortbildung zur sinnvollen Labordiagnostik zusammen mit den PJlern aus Kirchberg in Grafenau angeschaut und unsere nächsten Wochen geplant. Ab der nächsten Woche werden wir unter den PJlern einen weiteren Nachmittag planen, an dem wir Themen besprechen oder an weiteren Kursen oder Teachings teilnehmen.
Woche 7: 23.10. – 29.10.2023
Die ersten drei Tage dieser Woche habe ich in meiner gewohnten Praxis bei Herrn Dr. Carlberg und Fr. Dr. Scholz verbracht. Morgens früh habe ich mich wie immer zum Sonografieren begeben. Nachdem ich zwei Schilddrüsen diese Woche richtig ausgemessen und auch lokale Veränderung richtig erkannt habe, verzweifelte ich bei der dritten Schilddrüsensonografie bereits beim Erkennen der Grenzen. Die Schilddrüse war schlecht abgrenzbar und das Schilddrüsengewebe war sehr inhomogen mit echoarmen Arealen. Es sah „landkartenähnlich“ verändert aus. Die Patientin konsultierte uns mit Schmerzen am ventralen Hals. Diagnose: Thyreoiditis de Quervain. Ein typisches, aber seltenes sonografisches Bild, welches ich mir sicherlich merken werde.
Am Dienstag bin ich mit einer VERA auf Hausbesuche gefahren, um Blut abzunehmen. Es war eine andere Art von Hausbesuchen als mit Herrn Dr. Carlberg. Auf dem Weg zu den Patienten habe ich Orte wiedererkannt, an denen ich zuvor bei Wanderungen vorbeigekommen bin. Am Nachmittag war dann eine DMP-Sprechstunde, bei der Patienten mit chronischen Erkrankungen regelmäßig zur Kontrolle in die Hausarztpraxis kommen.
Am Mittwoch war mein letzter Tag in der Praxis, bevor es dann die nächsten zwei Tage zu Herrn Dr. Blank und nach Kirchberg in die Praxen geht und meine Praxis in der nächsten Woche im Urlaub ist. Spannend war an dem Tag insbesondere ein Patient mit rheumatoider Arthritis. Da er nach Deutschland eingewandert ist und die rheumatoide Arthritis vorher nicht behandelt wurde, konnte man bei ihm eine ausgeprägte Rheumahand mit Schwanenhalsdeformität und Ulnardeviation der Finger sehen, welche man in Deutschland sicherlich nur noch sehr selten zu Gesicht bekommt. Hier wird einem mal wieder bewusst, wie unterschiedlich die Gesundheitssysteme in verschiedenen Ländern sind und dass man das deutsche Gesundheitssystem – auch wenn nicht alles perfekt ist - schätzen sollte.
Bei einer weiteren jungen Patientin sind mir beim Betreten des Zimmers direkt die roten Augen aufgefallen. Ich habe nur gedacht: „Ohje, Augenheilkunde…“. Zum Glück hat mir Dr. Carlberg noch kurz zugeflüstert „Floxal", bevor er zu einem anderen Patienten ging. Nach genauerem Hinschauen fielen ein gelblicher Belag und Schlieren über den Augen auf. Wir haben dann die Diagnose “Konjunktivitis” gestellt und sie mit Ofloxacin-Augentropfen erstmal nach Hause geschickt.
Am Abend war ebenfalls wieder der Journal Club - der zweite für mich. Hier werden immer wieder interessante Artikel vorgestellt. Dort habe ich das erste Mal von atrialen Hochfrequenzepisoden gehört und es wurde diskutiert, ob in diesen Fällen bereits eine Antikoagulation indiziert sei.
Am Donnerstag ging es mit Herrn Dr. Blank das zweite Mal in die Grafenauer Praxis. Nach einem Check-Up, ein paar Infekten und Impfungen habe ich an diesem Tag sogar einige Patienten wiedergesehen, die ich letzte Woche Montag gesehen habe, was mich gefreut hat. Eine weitere Patientin stellte sich zur Kontrolle nach Therapiebeginn vor. Überraschend haben sich ihre Symptome nicht verbessert, sodass wir nun auf weitere Suche gehen mussten. Hier wurde mir wieder bewusst, dass man immer Differentialdiagnosen im Hinterkopf haben sollte, auch wenn die Patienten schon behandelt werden.
Die letzte Patientin an dem Tag kam mit einem Anliegen in die Praxis, das mich vor Fragen gestellt hat. Sie hat darum gebeten, ihr wegen chronischer Schmerzen Cannabis zu verschreiben, was sie sonst immer von ihrem Orthopäden bekommen habe. Ich war mit den konkreten Indikationen und den rechtlichen Hintergründen jedoch überfragt. Zum Glück konnte sich Herr Dr. Blank klar dazu äußern und hat die Bitte abgelehnt.
Nachmittags haben wir uns mit allen PJlern dann das erste Mal getroffen, um Themen zu besprechen. Wir hatten uns für den Tag die Niere vorgenommen und haben zu Beginn erst einmal Fragen beantwortet, die sich uns im Laufe der Wochen gestellt haben. So haben wir die Zystitis, Medikamente bei Niereninsuffizienz und einige Fallbeispiele durchgesprochen.
Am Freitag war ich in der Praxis in Kirchberg untergebracht und durfte das erste Mal mit Fr. Dr. Sujova zusammenarbeiten. Es waren wieder einmal einige Patienten in der Praxis, die an dem Tag ein und aus gingen. An diesem Tag ist mir mal wieder aufgefallen, dass dieselben Untersuchungen durch unterschiedliche Untersucher auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können und man die Patienten genau fragen sollte. Die einfache Frage „Merken Sie das“ kann schnell fehlgedeutet werden.
Woche 8: 30.10. – 05.11.2023
Nachdem ich die letzten Tage in der Heimat war, ging es am Donnerstag und Freitag in der Praxis in Kirchberg weiter. Die beiden Tage waren Herr Dr. Machac und Frau Dr. Stadler, eine junge Assistenzärztin, in der Praxis. Ein Patient stellte sich mit einem Problem beim Schlucken vor - ein Thema, mit dem ich in der Hausarztpraxis noch nicht viel Kontakt hatte, was es jedoch interessant macht. Der Patient war jüngeren Alters, dem gehäuft beim Schlucken der Speisebrei in der Speiseröhre hängen blieb, sodass er sich sogar manchmal ergeben musste. Da vor einigen Jahren bei ihm bereits eine Typ-C-Gastritis diagnostiziert wurde, die ihm allerdings zurzeit keine Probleme bereitet, haben wir ihn zur erneuten Gastroskopie geschickt. Auch wenn ich nicht regelmäßig in der Praxis bin, versuche ich den Patienten nachzuverfolgen. Eine weitere Patientin kam in die Praxis, da sie befürchte eine Nierenbeckenentzündung zu haben. Sie war in einem gute Allgemeinzustand und hatte keine Symptome beim Wasserlassen, allerdings Schmerzen im Bereich der rechten Flanke. Sie hatte kein Fieber und keinen Nierenlagerklopfschmerz. Ich bat sie mir die Schmerzen genau zu zeigen und sie umfuhr mit ihrer Hand ungefähr das Dermatom Th10, sodass wir die Ursache der Schmerzen eher auf den Rücken zurückführen konnten. Mir wurde durch diesen Fall erneut eine Differentialdiagnose der Pyelonephritis bewusst: Lumbago.
Mit dieser Woche bin ich nun schon acht Wochen im Bayerischen Wald, die schneller umgingen als gedacht. Ich habe schon einiges gelernt und durch die verschiedenen Ärzte, mit denen ich durch die Rotation arbeiten durfte, einen unterschiedlichen Umgang mit Patienten kennengelernt. Ich fühle mich schon koordinierter im Umgang mit den Patienten und auch in der Sonographie. In der nächsten Woche bekomme ich meinen ersten Hausbesuchspatienten, den ich den Rest meines PJs begleiten darf.
Woche 9: 06.11. – 12.11.2023
Nach dem Urlaub war ich nun wieder in der Praxis Carlberg & Scholz. Als ich in die Praxis kam und in das Wartezimmer schaute, kannte ich tatsächlich fast jedes zweite Gesicht. Das hat mich gefreut und gab mir ein zufriedenes Gefühl. Vielleicht kenne ich ja doch irgendwann fast alle Patienten.
Chirurgisch stellten sich diese Woche einige Patienten vor. Neben Wundkontrollen und Nahtenfernungen, durfte ich bei einer Patientin auch das erste Mal eine Drainage ziehen. Am gleichen Tag stellte sich zudem eine 30-jährige Patientin vor, die ihren linken Ellenbogen nicht mehr bewegen konnte. Dies sei langsam seit dem Vortag aufgetreten, nachdem sie ihr Kind in das Auto gesetzt hat. Extension, Flexion im Ellenbogengelenk und Supination und Pronation waren schmerzhaft eingeschränkt. Auch die Bewegung der Finger strahlte in das Ellenbogengelenk aus. Druckschmerz zeigte sich über dem lateralen Ellenbogen. Sie konnte sich an kein Trauma erinnern. Mit dem Verdacht auf eine Pronatio dolorosa haben wir zunächst ein Repositionsversuch gewagt. Jedoch vergeblich, weshalb wir sie ins Krankenhaus geschickt haben. Am nächsten Tag kam sie mit einer Gipsschiene erneut in die Sprechstunde. Im Krankenhaus wurde ein Röntgenbild gemacht, bei dem eine Fraktur ausgeschlossen werden konnte. Dort wurde ihr empfohlen, ein MRT zu machen, wofür sie jetzt nun eine Überweisung benötigt. Ich bin sehr gespannt, was beim MRT festgestellt werden kann. Doch eine Pronatio dolorosa, auch wenn in dem Alter sehr untypisch, oder eine Epicondylitis humeri radialis?
Am Dienstag kam eine Patientin mit ein paar Zetteln in der Hand in die Sprechstunde. Sie wollte gerne eine Zweitmeinung. Die Zettel, die sie mir vorlegte, gaben ihr den Nutzen einer Chemotherapie nach Mamma-Ca an: Der Endo Predict Score. Ich habe von diesem Score zuvor noch nicht gehört und fand es somit sehr interessant, wobei es manche Patientin wohl auch mehr verwirrt, als die Entscheidung zu erleichtern.
Am Donnerstag stellte sich ein Patient in der Praxis vor, da er seit ungefähr einer Woche „einen Pinkel“ unter dem Sternum bemerkt hätte. Ich habe kurz überlegt, musste dann aber doch nachfragen, was denn „ein Pinkel“ sei. Er schaute mich an und musste etwas lachen. Es ist wohl ein bayrisches Wort, was ich im Laufe der letzten Wochen noch nicht kennengelernt hatte. Der Patient übersetzte den „Pinkel“ schließlich mit einer Beule. Als ich dann noch fragte, ob es der, die oder das Pinkel heißt, fingen wir beide an zu lachen: der Pinkel = die Beule. Der Patient wurde mit dem Pinkel in die Viszeralchirurgie überwiesen, mit dem Verdacht auf eine Hernie, auch wenn sich die Hernie nicht klassisch präsentierte.
Ich habe im Laufe der Woche immer mal wieder ein Trommeln und Schüsse gehört, oder dachte zumindest, welche zu hören. Am Freitagabend wurde mir klar, dass das alles nur eine Vorbereitung auf eine Tradition im Bayerischen Wald war – Wolfauslassen. Die Schüsse waren letztendlich nur Peitschenschläge in der Luft und das Trommeln überdimensionale Glocken, die von vielen Menschen gleichzeitig vor den Beinen getragen und in Schwingung gebracht werden. Auf jeden Fall eine sehr eindrückliche Tradition, von der ich zuvor noch nicht gehört hatte.
Woche 10: 13.11. – 19.11.2023
Am Sonntag waren wir in den Hochschachten wandern. Am Tag zuvor hat es zwar geschneit, von dem Schnee ist allerdings nichts liegen geblieben. Umso begeisterter waren wir von der Schneelandschaft, die uns auf der Wanderung erwartete. Gestartet mit wenig Schnee, kamen wir bald schon auf Wege mit teilweise 20 cm hohem Schnee. Zwar hingen die Wolken sehr tief und die Sonne traute sich nicht raus, trotzdem war es eine sehr schöne Landschaft! Die tiefe Winterlandschaft im bayerischen Wald ist sicherlich traumhaft!
Am Montag fing meine Woche bei Dr. Carlberg und Dr. Scholz an. Bei der ersten Sonografie in der Woche fiel in der Milz eine Zyste mit Binnenseptum auf. Ich habe zuvor noch nie eine Zyste in der Milz gesehen. Auf Nachfrage bejaht der Patient, dass er wohl öfter mal Beeren aus dem Wald gegessen habe, sodass wir eine Entnahme des Blutes zur Bestimmung der Echinokokkus-Serologie veranlasst haben.
Am Dienstag ging mein Tag wieder in einer Praxis der Gemeinschaftspraxis Bayerwald weiter, in Schöfweg bei Frau Dr. Kleudgen. Die erste Patientin, die ich untersuchen durfte, stellte sich mit Kopfschmerzen und hohem Blutdruck vor. Nachdem ich recht viel Zeit mit der Patientin für die Anamnese und körperliche beziehungsweise neurologische Untersuchung verbracht habe, kam Fr. Dr. Kleudgen ins Zimmer. Sie fragte die Patientin, ob „sie sonst noch etwas belastet“. Und dann fing die Patientin an zu weinen. An diese einfache Frage habe ich während der Zeit mit der Patientin nicht gedacht. Frau Dr. Kleudgen erzählte mir auch, dass sie diese Frage eigentlich immer stelle. Ich versuche, mir das für die Zukunft auch vorzunehmen.
Ab Mittwoch war ich dann mit einer weiteren PJlerin in der Asklepios Klinik Schaufling, einer Reha-Klinik. Die Organisation dieser Hospitation war sehr gut. Schon am Telefon war Dr. Buvar ein sehr freundlicher, lustiger und engagierter Mensch. Er begrüßte uns am Mittwoch früh und zeigte uns erstmal das Haus. Morgens sind wir zunächst mit zur Frühbesprechung gekommen. Für die Vormittage haben wir dann einen „Laufplan“ für die drei Tage bekommen, wo uns die Mitarbeiter Therapien erklärten und wir an den Therapien teilnehmen oder die Therapien und Geräte teilweise sogar selbst ausprobieren durften. Die Mitarbeiter waren alle sehr nett und haben uns gerne alles gezeigt und uns ausprobieren lassen. So haben wir am ersten Tag unter anderem die Elektro- und Magnetfeldtherapie, Hydrojet (eine Massage mit Wasserdrüsen), Motorschienen, Lymphomaten und die Wärmetherapie kennengelernt. Nach dem Mittagessen hat sich Dr. Buvar sehr viel Zeit für uns genommen: Er zeigte uns die Gelenksonografie von Schulter und Knie und ließ uns anschließend gegenseitig üben. Als Hausaufgabe gab uns Dr. Buvar die orthopädische Untersuchung der Schulter und des Knies mit. Später sind wir dann noch zu einer Orthopädieschuhmacherin im Haus gegangen.
Am nächsten Tag nach der Frühbesprechung fing unser Plan mit der Rückenschule an. Eine Stunde Rückenübungen zur Mobilisation und zum Erhalt der Muskulatur. Auch am Koordinationstraining haben wir teilgenommen. Man unterschätzt es doch immer wieder, wie schwierig es ist, zwei gegensätzliche Dinge mit den Händen oder Füßen zu machen. Am Nachmittag hat uns Dr. Buvar dann die orthopädische Untersuchung der Schulter und des Knies gezeigt, uns Tipps gegeben und an uns selbst üben lassen. Es ist wirklich erstaunlich, wie gerne er sich die Zeit für uns nimmt!
Am Freitag wurden uns dann ergotherapeutische Geräte gezeigt. Inzwischen gibt es wirklich sehr moderne Möglichkeiten Dinge wie Feinmotorik, Koordination oder auch Gleichgewicht zu trainieren: Spiele am Computer wurden zum Beispiel über die Verlagerung des Gleichgewichts oder die Kraft der Hand- oder Fingermuskulatur gesteuert. Danach hieß es: „Warm anziehen“. Bei 4° C ging es raus in den Wald zum “Waldbaden”. Dort konnten wir die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen und das sogar trotz angekündigtem Regen im Sonnenschein. Ein philosophischer, meditativer Spaziergang durch den Wald, der uns etwas abschalten konnte.
Ich habe durch diese drei Tage einen sehr guten Einblick in den Nutzen einer Reha bekommen und weiß jetzt viel besser, welche Vorteile dies für den Patienten hat und kann mir auch viel besser vorstellen, was den Patienten in einer Reha erwartet. Hier nochmal ein großes Dankeschön an Dr. Buvar und das Team für die gute Organisation und Betreuung!
Woche 11: 20.11. – 26.11.2023
Passend zu den kälteren Temperaturen sind diese Woche wieder viele Patienten mit Infekten der oberen Atemwege in die Praxis gekommen. Wie immer heißt es: Ausschließen von akut abwendbar gefährlichen Verläufen und abwartendes Offenhalten. Mit der typischen Anamnese und der entsprechenden klinischen Untersuchung wurden die meisten Patienten wieder nach Hause geschickt.
Dank Herrn Dr. Buvar fühlte ich mich diese Woche deutlich sicherer in der Untersuchung der Schulter. Ich konnte das Geübte und das Wissen direkt an einer Patientin anwenden und hatte dadurch einige Vermutungen, was ihre Schulterschmerzen verursachen könnten.
Die Montagsfortbildung frischte mein Wissen über Herzrhythmusstörungen nochmal auf und am Mittwochmittag hatten wir einen spannenden Vortrag über die Migräne, bei dem ich einiges Neues gelernt habe.
Bei der Sonografie ist mir diese Woche insbesondere ein Patient in Erinnerung geblieben, in dessen Leber auffällige kleine echoreiche Areale zu sehen waren. Wir haben den Patienten zum CT geschickt. Auch diesen Patienten werde ich nachverfolgen.
Am Dienstag war ich einen Tag bei Frau Dr. Friedl in der Dermatologie in Freyung hospitieren. Ich habe mich morgens früh in den Bus Richtung Passau gesetzt. Nachdem wir im Nebel in Grafenau losgefahren sind, war schon im nächsten Ort der Sonnenaufgang zu bewundern. Da ich eine Stunde zu früh in Freyung angekommen bin, habe ich noch etwas die Innenstadt besichtigt. Um neun Uhr fing dann die Sprechstunde an. Als mich Frau Dr. Friedl dann freundlich begrüßte, stellte sich heraus, dass ich mich leider auf der Homepage verlesen und so die Notfallsprechstunde verpasst habe, die von 7:30 bis 8:30 Uhr stattfand. Dementsprechend kamen viele Patienten mit Terminen zum Hautkrebsscreening, einer Probenentnahme oder auch aus kosmetischen Gründen. Durch die Hautkrebsscreenings habe ich etwas das Erkennen von auffälligen Muttermalen üben können. Die Notfallsprechstunde hätte mir jedoch sicherlich mehr Lernerfolg gebracht. Nichtsdestotrotz habe ich während der Sprechstunde zum Beispiel einen Patienten mit Granuloma anulare und eine Patientin mit Erythema exsudativum multiforme kennengelernt, die ich zu ihrer Geschichte noch etwas ausgefragt habe. Am Abend ging es dann ebenfalls mit dem Bus oder eher einem Großwagen mit acht Plätzen zurück nach Grafenau.
Jetzt freue ich mich erstmal auf das Wochenende, da es schneien soll und der Winter seinen Lauf nimmt.
Woche 12: 27.11. – 03.12.2023
Am Wochenende waren wir mit allen PJlern zusammen in der Schneelandschaft des Bayerischen Waldes wandern. Solche Winterwälder sind wirklich wundervoll.
Am Montag ging dann wieder eine neue Praxiswoche los. Es stellte sich eine Patientin mit Schmerzen am medialen proximalen Unterschenkel vor. In der klinischen Untersuchung zeigte sich eine Rötung, Schwellung und Überwärmung an der medialen Knieinnenseiten knapp unterhalb des Gelenkspaltes. Man konnte eine knotige Verhärtung tasten, die druckschmerzhaft war. Ich habe zunächst einen Abszess vermutet, mich aber gleichzeitig gewundert, wie dieser entstanden sein könnte. Herr Dr. Carlberg ist direkt zur Diagnose Thrombophlebitis gekommen. Wir haben die Patientin anschließend noch sonografiert. Ich habe mir die Thrombophlebitis immer als strangartige Verhärtung vorgestellt und wusste nicht, dass die entzündeten Venen auch eher knotig zu tasten sein können. Aus diesem Fall konnte ich viel lernen. Schön war auch, dass ich die Thrombophlebitis der Patientin am Freitag sonografisch kontrollieren durfte.
Am Dienstag stellte sich eine Patientin mit Fazialisparese rechts ohne fokal neurologisches Defizit vor. Die Parese sei nach einer kurzen Periode Schwindel aufgetaucht. Sie könne sich an keinen Zeckenstich erinnern. Ich fragte die Patientin, ob sie einmal die Stirn runzeln könne. An beiden Seiten der Stirn konnte man Falten erkennen. Wie immer musste ich kurz überlegen, ob das Stirnrunzeln bei der zentralen oder peripheren Parese noch möglich ist? Stirnrunzeln möglich = zentrale Fazialisparese. Ich fragte noch, ob sie auf beiden Ohren gleich viel höre. Sie berichtete, dass sie seit der Parese auf dem rechten Ohr weniger höre. Eigentlich hätte ich eine Hyperakusis erwartet. Der Geschmack und die Speichel- oder Tränensekretion waren nicht beeinträchtigt. Die Hypakusis hat mich mehr verwirrt: Mal wieder ein Symptom, das nicht zum Bild passt. Die Patientin wurde in die Neurologie eingewiesen. Gegen Ende Woche kam sie mit der Diagnose idiopathische periphere Fazialisparese zurück. Ich wunderte mich über die Diagnose periphere Fazialisparese, da die Patientin die Stirn runzeln konnte, als ich sie untersuchte. Vielleicht entwickelte sich zu dem Zeitpunkt die Parese noch? Die Patientin wurde anschließend mit Cortison behandelt.
Am Mittwoch durfte ich wieder bei Herrn Dr. Blank in Grafenau mitarbeiten. Recht viele Patienten kamen mit Übelkeit und Erbrechen in die Praxis. Ein Junge stellte sich mit punktuellen Schmerzen im Bereich der Kniegelenksinnenseite und des oberen Sprunggelenkes seit zwei Tagen vor. Er konnte sich an kein Trauma erinnern. Mit Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung wurde ihm ein Cortison-Schema für drei Tage an die Hand gegeben. Ich möchte zwar immer noch gerne beim ersten Kontakt die Diagnose jedes Patienten herausfinden, der Therapieversuch bei Verdacht auf eine Erkrankung ist jedoch auch oft hilfreich. Und auch im ICD-Katalog sind nicht nur Krankheiten aufgelistet, sondern auch Symptome wie “Schmerzen“, die als Diagnose verwendet werden können. Das macht es für einen Hausarzt einfacher, da viele Symptome von allein wieder verschwinden, ohne, dass man eine Diagnose stellen konnte. Eine weitere Herausforderung für mich war eine schwangere Patientin mit länger bestehenden Kopfschmerzen. Welche Medikamente darf ich wann geben? Welche Erkrankungen oder Komplikationen gibt es in einer Schwangerschaft?
Am Donnerstag waren Herr Dr. Carlberg und ich wieder auf Hausbesuchen. Bei meiner „Hausbesuchspatientin“ durfte ich die Klammern ziehen. Wir machten einen weiteren Hausbesuch bei einer älteren Dame, die seit dem Vortag plötzlich über Schwindel klagte. Nach der orientierend neurologischen Untersuchung, in der eine deutliche Unsicherheit im Gang und Stand zu erkennen war, aber keine weiteren Hinweise lieferte, haben wir die Patientin mit Verdacht auf Schlaganfall in die Neurologie eingewiesen. Ich habe im Anschluss noch mit Herrn Dr. Carlberg über die Gründe für die Einweisung gesprochen: Neben der Klinik waren auch die Risikofaktoren der Patientin (insbesondere das Rauchen), das Alter und die Tatsache, dass sie allein lebte, ausschlaggebend: „Erlebte Anamnese“. Man kennt als Hausarzt seine Patienten.
Nach der Einweisung am Donnerstag wegen Schwindel, war am Freitag „Schwindel-Tag“ in der Praxis: Es stellten sich für einen Tag recht viele Patienten mit diesem komplexen Symptom vor. Bei den meisten hieß es dann aber doch abwarten und beobachten. Ich finde die richtige Einordnung des Schwindels herausfordernd und muss noch meinen Weg in der Diagnostik finden.
Ich freue mich jetzt wieder auf das Wochenende. Es ist viel Schnee angekündigt. Vielleicht kann ich das erste Mal Langlaufen gehen.
Woche 13: 04.12. – 10.12.2023
Von Freitag auf Samstag hat es sicherlich 60 cm geschneit. Am Samstag früh hieß es dann erstmal Morgensport mit 1,5 h Schneeschippen. Auch wenn diese Menge Schnee im Dezember wohl unüblich ist, habe ich mich doch etwas darüber freuen können. Die Skating-Langlaufskier, die wir uns am Vortag ausgeliehen haben, konnten wir so allerdings nicht nutzen, da erstmal die Straßen geräumt werden mussten, bevor die Pisten präpariert wurden. Wir haben uns als Alternative mit einem schönen Schneespaziergang zufriedengegeben. Das Langlaufen blieb uns aber nicht verwehrt und ich konnte das erste Mal auf Skiern stehen und eine Loipe befahren. Das Skating ist technisch durchaus nicht leicht, aber es hat trotzdem viel Spaß gemacht.
Am Montag fing dann meine letzte ganze Woche in der Praxis Carlberg & Scholz an. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Ich sehe schon etwas traurig auf das Ende des Tertials.
In der Früh stellte sich in der Praxis erneut die Patientin mit der peripheren Fazialisparese vor, die ich in der letzten Woche kennengelernt habe. Während sie in der letzten Woche noch die Stirn runzeln konnte, ging dies nun nicht mehr. Auch die Lähmung generell schien etwas stärker ausgeprägt zu sein. Während ich letzte Woche noch gesagt habe, es handele sich um eine zentrale Parese, würde ich nun wie die Neurologen eine periphere Parese erkennen. Die Parese war also in der letzten Woche noch in der Entstehung.
Einen Patienten mit Diarrhoe wollten wir mit einem Antibiotikum behandeln. Wir wurden allerdings mit dem Problem konfrontiert, dass das Antibiotikum nicht lieferbar war. Die Suche nach Alternativen gestaltete sich schwieriger als gedacht, da die empfohlenen Alternativen in Deutschland nicht erhältlich sind. Eine schwierige Situation.
Letzte Woche Freitag stellte sich ein Patient mit Thoraxschmerzen vor. Klinisch präsentierte er sich relativ unauffällig. Das EKG lieferte keine Hinweise auf eine kardiale Ischämie und der Troponin-Test war negativ, sodass er nach Hause geschickt wurde. Am Mittwoch kam der Patient nun erneut in die Praxis, nachdem er am Wochenende ins Krankenhaus gegangen war. Die Symptome des Patienten haben sich im Verlauf des Wochenendes weiter verschlechtert, er habe vor allem nachts starke Thoraxschmerzen bekommen, habe Fieber entwickelt und wurde tachykard. Am Sonntag früh ist er schließlich ins Krankenhaus gekommen, wo eine Perikarditis festgestellt wurde. Für mich war dieser Fall sehr eindrücklich, da man am Freitag klinisch keinen großen Verdacht auf eine Perikarditis stellen konnte. Die Symptome schienen am Freitag zwar auch noch nicht voll ausgeprägt zu sein, aber mir wurde bewusst, dass man bei Thoraxschmerzen neben den “Big Five“ auch die Perikarditis als Differentialdiagnose beachten sollte. Die Schmerzen hat er mir am Mittwoch schließlich relativ klassisch schildern können: Besserung der Schmerzen beim Aufsetzen und nach vorne beugen.
Am Mittwoch habe ich zudem eine Patientin mit Kontaktallergie kennengelernt. Sie hatte am Wochenende Augenpads benutzt und nun ein umschriebenes, klar begrenztes Erythem und Ödem im Bereich der Augenpads. Man konnte von der Hautveränderung eigentlich auf die Ursache schließen. Die Haut fühlte sich derb an. Anhand solcher klinischen Bilder kann ich viel lernen.
Am Donnerstag ging es wieder auf Hausbesuche. Wir haben zwei Patienten ins Krankenhaus eingewiesen. Die erste Patientin hatte einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand mit leichter Dyspnoe. Aufgrund der Komorbiditäten und der fehlenden Versorgung haben wir sie ins Krankenhaus geschickt. Die nächste Patientin hatte ein Druckgefühl im Thorax und eine Dekompensation der Herzinsuffizienz.
Freitag waren für mich spannende Fälle in der Praxis. Ich durfte eine Patientin mit Bauchwandhernie sonografieren. Der nächste Patient kam mit einer „Augenentzündung“ in unsere Sprechstunde. Während dies für Herrn Dr. Carlberg wieder eine Blickdiagnose war, war dieser Patient für mich der erste, den ich mit der Diagnose „Hordeolum“ kennenlernen durfte und musste dementsprechend zunächst etwas nachdenken. Außerdem hat sich eine Patientin in der Praxis vorgestellt, die am Vortag von ihrer Katze in den linken Daumenballen gebissen wurde. Neben der entzündeten Bissstelle konnte man eine eindrückliche schmerzhafte streifige Rötung entlang der Lymphbahnen des Armes bis zum distalen Oberarm erkennen. Diagnose „Lymphangitis“. Da die Patientin von Schüttelfrost und Fieber berichtete, wurde sie ins Krankenhaus eingewiesen.
Dieses Wochenende leihen wir uns Skier aus und ich versuche das erste Mal alpin in der näheren Umgebung Ski zu fahren.
Woche 14: 11.12. – 17.12.2023
Die letzte Woche meines Tertials verging wie im Fluge. Ich durfte die ersten Tage der Woche noch einmal nach Schöfweg zu Frau Dr. Kleudgen, nach Auerbach zu Herrn Dr. Kalmancai und zu Herrn Dr. Blank nach Grafenau. So konnte ich erneut mit den anderen Ärzten zusammenarbeiten. Die letzten beiden Tage habe ich dann in meiner Praxis bei Herrn Dr. Carlberg und Frau Dr. Scholz genossen. Nun bin ich traurig, dass das Tertial so schnell zu Ende ging.
Ich fühlte mich in der Praxis sehr schnell sehr wohl und als Teil des Teams. Das Team ist sehr lieb! Ich wurde vom ersten Tag an wertgeschätzt und war nicht nur „Beiwerk“, sondern durfte schnell auch selbst Hand anlegen. Ich habe es sehr geschätzt, immer Fragen stellen zu dürfen und bekam eine ausführliche Antwort, egal wie lang die Warteliste noch war. Ich habe sehr viel gelernt, von Theorie über praktische Fertigkeiten, aber vor allem nicht nur Krankheiten zu behandeln, sondern auch auf den Menschen zu achten!
Ich werde die Zeit hier vermissen! Sei es die Praxis, die Menschen oder einige Patienten, die ich in meinem Kopf behalten werde und mich frage, wie es mit ihnen weitergeht. Ich werde auch das gemütliche Haus in Grafenau und meine Mitbewohnerin Katha vermissen. Es war eine lustige Zeit mit dir und ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft! Nicht zuletzt ist auch die Umgebung hier traumhaft. Wir hatten das Glück, zu Beginn des Tertials noch den Spätsommer mit heißen Temperaturen und grünen Wäldern beim Wandern genießen zu dürfen. Ein paar Wochen später präsentierte sich der Herbstwald in unglaublich vielen Farben. Und in den letzten Wochen hatten wir auch noch eine wunderschöne Schneelandschaft zu bestaunen und konnten das Langlaufen und Skifahren ausprobieren.
Vielen Dank an alle, die an der Organisation dieses PJs beteiligt waren, danke an die Ärzte der Bayerwald-Praxen, die mich auch für einen Tag herzlich eingebunden haben. Danke Wolfgang für Dein Engagement!
Und ein besonderer Dank an die Praxis Carlberg-Scholz. Danke an das tolle und sympathische MFA-Team und einen großen Dank an Herrn Dr. Carlberg und Frau Dr. Scholz! Ich habe mich wirklich sehr wohl bei Euch gefühlt, Ihr habt mir viel beigebracht und viel erklärt! Danke für dieses Tertial! Ich bin mir jetzt schon relativ sicher, dass es das beste Tertial meines PJs sein wird! Ich werde später als Ärztin sicherlich an die Zeit in der Praxis Carlberg-Scholz denken!
Es war eine gute und richtige Entscheidung hier mein PJ in der Allgemeinmedizin zu machen. Ich kann es nur wärmstens jedem empfehlen, der sich auch ein Tertial in der Allgemeinmedizin mit wirklich guter und organisierter Lehre von engagierten Ärzten in verschiedenen Praxen oder Fortbildungen wünscht. Man sollte sich allerdings auch mit einem Leben in kleinen Orten auf dem Land anfreunden können. Im Praxisalltag sind die PJler integriert und dürfen die Patienten voruntersuchen. Mit den vielen Fortbildungen, Fallbesprechungen oder dem Journal-Club wird das Tertial theoretisch abgerundet. Hier lernt man was es bedeutet, Hausarzt zu sein!
Katharina Lohmöller
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Woche 1: 11.09. – 17.09.2023
Nachdem ich die Bayerwald-Praxen bereits vor zweieinhalb Jahren im Rahmen einer Famulatur kennenlernen durfte, hat es mich nun aus dem Münsterland wieder in den bayerischen Wald verschlagen, um nach einigen Corona-Semestern vor dem heimischen PC endlich zahlreiche Praxiserfahrungen zu sammeln.
Zusammen mit einer anderen PJlerin Myriam, die schon länger hier ist, stehe ich am Montag in der Kirchberger Praxis bereits bei unserem ersten Patienten vor einer der schwierigen Fragen der Allgemeinmedizin – bei welchem Patienten kann man abwarten und wo ist doch eine Klinikeinweisung nötig? Ich bin sehr froh, dass ich diese Entscheidung noch nicht fällen muss, und durch Dr. Machac ist die Verdachtsdiagnose paralytischer Ileus nach einer kurzen Ultraschalluntersuchung schnell gestellt und der Patient mit Einweisung auf dem Weg ins Krankenhaus. Insgesamt rund 120 Patienten später, die an diesem Tag in der Kirchberger Praxis ein- und ausgehen, raucht mein Kopf von zahlreichen Eindrücken, Diagnosen, Medikamenten und der riesigen Bandbreite der Allgemeinmedizin.
Die kommenden Tage verbringe ich bei Frau Dr. Takacs in Lalling. Jeder Arzt hat seine eigene Arbeitsweise, und als Student ist es sehr spannend, Einblicke in verschiedene Herangehensweisen und Einstellungen zu erhalten. Frau Dr. Takacs betreut ihre Patienten bereits über viele Jahre, kennt die familiäre Situation und Lebensumstände der Patienten und kann diese in ihre Therapieentscheidung mit einbeziehen.
Bei fast allen Patienten - seien es Wundkontrollen, akute Beschwerden, routinemäßige Check-Ups oder präoperative Untersuchungen - darf ich schon einmal „vorlaufen“ und die Patienten befragen und untersuchen, welche alle offen für Studenten und sehr geduldig sind. (Sogar wenn ich zum dritten Mal nachhaken muss, weil sich der bayerische Dialekt für mich noch ziemlich spanisch anhört). Man merkt dem gesamten Team an, dass hier öfters Studierende in den Praxen unterwegs sind. Die Organisation im Vorfeld war super und in den Praxen wurde ich herzlich willkommen geheißen und direkt eingebunden. Unkompliziertere Fälle wie Harnwegs- oder grippale Infekte kann ich nach Rücksprache mit Frau Takacs eigenständig wieder nach Hause entlassen. Bei den meisten erleichtert es mich jedoch zu wissen, dass Frau Takacs noch einmal selber schaut und ich mich in Diagnose und Therapie noch nicht festlegen muss. Gefühlt habe ich bereits in dieser Woche mehr Patienten selbstständig anamnestiziert und untersucht, als in den letzten acht Wochen in der Chirurgie im Krankenhaus zusammen. Daher bin ich optimistisch, hier mein Wissen Woche um Woche weiter ausbauen zu können. Bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein wartet nun jedoch erstmal eine andere Art der Herausforderung auf mich, die 16% Steigung des Kirchbergs beim Joggen… ;)
Woche 2: 18.09. – 24.09.2023
Nachdem ich die erste Woche noch allein in der großen Kirchberg-WG war, kehrt diese Woche etwas mehr Leben ein. Meine Mit-PJlerin Jonna ist eingetroffen und auch ein Hospitant übernachtet für zwei Nächte bei uns, sodass beim Frühstück und Abendessen Praxiserfahrungen ausgetauscht und Studiumserlebnisse erzählt werden, und ich mich auf ein geselliges WG-Leben in den kommenden Monaten freue.
In dieser Woche lerne ich erstmals auch die Praxen in Rinchnach und Auerbach kennen. Die Woche startet für mich jedoch im bereits bekannten Lalling mit der morgendlichen Laborliste vom Freitag. Ich merke, wie schwierig mir die Bewertung der Laborveränderung noch fällt: Was ist die wahrscheinlichste Ursache für die Kalium-Erhöhung bei einem Patienten, ab wann ist eine Verschlechterung des Kreatinins relevant und wo liegt der Zielbereich des HbA1c für diesen oder jenen Patienten? Ich hoffe, in den nächsten Monaten ein bisschen Licht ins Dunkle bringen zu können und ein Gefühl dafür zu entwickeln.
Einige Patienten in Lalling kenne ich bereits aus der letzten Woche und bekomme manche Verlaufskontrolle mit. Sehr spannend zu hören, inwieweit unsere vorgeschlagenen Therapien Besserung gebracht haben oder nochmal neu überdacht werden müssen.
Nach der Gicht-Montags-Fortbildung von Dr. Machac denke ich bei jedem Patienten, der mit Schmerzen an der Großzehe kommt, zuerst an Gicht, und muss etwas über mich selbst schmunzeln, als ich schon fast enttäuscht bin, dass die Beschwerden bei zwei von drei Patienten nach Anamnese und Untersuchung schlussendlich doch eher an Arthrose beziehungsweise einen eingewachsenen Zehennagel denken lassen. Einen Patienten mit mutmaßlichem Gichtanfall filtern wir jedoch doch heraus und ich freue mich, die Therapie-Ratschläge von Dr. Machac in die Praxis umsetzen zu können.
Am Dienstag steht für die Studenten des Famulatur-Projektes ein EKG-Kurs auf dem Programm und wir PJler sind ebenfalls eingeladen. Dr. Marion Krenn hat zahlreiche Beispiel-EKGs aus der Praxis und dem Krankenhaus mitgebracht und alle Studis rätseln fleißig über Lagetypen, Rhythmusstörungen und ST-Hebungen. Nachdem ich in den letzten Tagen in der Praxis einigermaßen optimistisch war und die meisten geschriebenen EKGs zu interpretieren wusste, wird mir hier wieder deutlich vor Augen geführt, wie viel es noch zu lernen gibt. S1S2S3 Typen oder Zeichen einer Lungenembolie… gemeinsam mit den anderen PJlern fassen wir den Entschluss, das Thema EKG nochmal im Rahmen unseres zum Lernen frei gehaltenen Mittwoch-Nachmittags anzugehen.
Am nächsten Morgen wartet eine Patientin auf mich, bei der die Arzthelferinnen den Eintrag „Patienten geht es nicht gut“ vermerkt haben. In Erwartung eines grippalen Infekts trete ich ins Zimmer und finde wider Erwarten eine Patientin vor, die aktuell mit einer Depression zu kämpfen hat. Die Diagnosekriterien sind rasch abgeklopft und erfüllt, schwieriger wird es bei der Frage nach akuter Suizidalität, die immer mit dazu gehört, und bei der Therapie. Sicherlich wäre eine Verhaltenstherapie empfehlenswert, doch realistisch betrachtet wird diese bei den langen Wartelisten frühestens in einigen Monaten stattfinden. Nichtsdestotrotz braucht die Patientin aktuell Hilfe und damit bleibt der Hausarzt für die erste Zeit die Anlaufstelle. Ich finde es schön, dass sich die Patienten ihrem Hausarzt auf diese Weise anvertrauen können. Sicherlich war der erste Gang zum Arzt bezüglich psychischer Probleme und das Eingeständnis, einfach nicht mehr weiter zu wissen, für die Patienten alles andere als leicht. Dr. Sujova versucht die Patientin mit Worten aufzubauen, sie zu bestärken und bietet an, bei Bedarf jederzeit wiederzukommen. Einmal mehr wird mir der Stellenwert des einfachen Gesprächs bewusst.
Am Donnerstag steht wieder eine neue Praxis an, diesmal geht es nach Auerbach zu Anton Kalmancai. Bei leerem Sprechzimmer, nutzt Dr. Kalmancai die Gelegenheit und macht sich mit Alina, einer angehenden Physician Assistant, und mir auf den Weg zu Hausbesuchen. Spätestens jetzt wird mir klar, wie sehr ich hier doch auf dem Land gelandet bin ;)
Hausbesuche sind eine gänzlich andere Art der Medizin und es ist spannend, die Patienten im häuslichen Umfeld zu erleben. Fernab von Ultraschall-/EKG-Geräten und anderen diagnostischen Möglichkeiten der Praxis, muss man sich beim Hausbesuch auf die eigenen Hände, Ohren und Augen verlassen. Auch das medizinische Ziel ist oft ein anderes, plötzlich geht es nicht mehr darum, den Zucker so einzustellen, dass der Patient langfristig keine Folgeerkrankung bekommt, sondern vielmehr darum zu schauen, wie man den Patienten aktuell noch unterstützen kann. Innerhalb der nächsten Wochen sollen wir PJler eigene Hausbesuch-Patienten bekommen, ich bin bereits gespannt, jemanden über die nächsten Monate begleiten zu dürfen.
Woche 3: 25.09. – 01.10.2023
Da ich über das Wochenende aus familiären Gründen in die Heimat gereist bin, startet diese Woche für mich erst am Mittwoch. In Auerbach quizzt mich Dr. Kalmancai bei recht locker besetzter Sprechstunde in den Pausen zur medikamentösen Diabetes-Therapie verschiedener Patienten. Sobald die Erstwahl Metformin nicht ausreicht, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den HbA1c-Zielwert zu erreichen: SGLT2-Hemmer, GLP1-Antagonisten oder doch Insulin? Die Sulfonylharnstoffe hatte ich gedanklich nach meinem letzten PJ-Tertial als Mittel der Reserve abgespeichert, muss jedoch feststellen, dass es hier verschiedene Schulen gibt, die Einschätzung von Klinikern und Hausärzten sich unterscheidet und am Ende wahrscheinlich nichts „richtig oder falsch“ sondern alles patientenabhängig und individuell zu entscheiden ist. Oder muss der Zucker überhaupt medikamentös eingestellt werden? Auch der Zielwert des Langzeitzuckers muss für jeden Patienten neu - abhängig von Alter, Komorbiditäten und Wunsch des Patienten - bestimmt werden – für Dr. Kalmancai mittlerweile eine Gefühlssache, für mich als Anfänger bietet der Arriba-Rechner einen guten Leitfaden.
Am Donnerstag und Freitag starte ich dann erstmals in die Bayerwald-Praxis nach Schöfweg. Nachdem ich zunächst noch einmal bei Dr. Kleudgen bei einem Check-Up mitlaufe und feststelle, wie trotz ähnlicher Inhalte jeder Arzt im Check-Up seine eigenen Schwerpunkte setzt, kann ich am Freitag zwei Check-Ups größtenteils eigenständig durchführen; eine gute Übung um die Basics der körperlichen Untersuchung zu trainieren. Ebenso merke ich, wie ich mit dem Ultraschallkopf in der Hand Tag für Tag etwas mehr Routine gewinne. Obwohl ich mich in der Theorie dank einer Sono-Tutor-Tätigkeit in der Uni einigermaßen auskenne, machen es Darmluft und ein paar überschüssige Pfunde mitunter doch schwierig die Bauchspeicheldrüse oder die Hauptschlagader zu identifizieren und ich bin dankbar für viele kleine praktische Tipps, die mir die Ärzte an die Hand geben.
Während Dr. Sujova die anderen Patienten betreut, kann ich mir viel Zeit für zwei neue Patientinnen nehmen, um ausführlich alle Vorerkrankungen, Operationen, Medikamente, Familienanamnese, Risikofaktoren und Impfungen abzuklopfen. Gerade im Impfkalender tun sich einige Lücken auf, und ich hoffe, die impfkritischen Patientinnen zumindest zum Nachdenken angeregt zu haben, etwas auszubessern.
Mit Schöfweg durfte ich nun alle Stammpraxen kennenlernen. So spannend ich es finde, verschiedene Organisations- und Arbeitsweisen kennenzulernen, so anstrengend ist es jedoch auch, immer wieder in einem neuen Team mit unterschiedlichen Abläufen anzufangen. Daher freue ich mich, dass wir uns auf Dauer für zwei Praxen entscheiden dürfen, in denen wir hauptsächlich eingesetzt werden möchten. Dies ermöglicht es, Patienten über einen längeren Zeitraum zu betreuen und sich in der Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Arzt besser einzuspielen. Trotzdem wird es eine knifflige Entscheidung, da ich mir sicher bin, in allen Praxen fachlich und menschlich viel lernen zu können.
Woche 4: 02.10. – 08.10.2023
Die Zeit rennt, nun bin ich schon einen ganzen Monat im bayerischen Wald und habe mich nicht nur in den Dialekt etwas reingehört (meistens zumindest), sondern auch im Praxisablauf eingelebt.
Am Mittwoch bin ich bei Dr. Blank in der Grafenauer Praxis eingeteilt und auf uns wartet ein Wartezimmer, das bei aktueller Grippewelle voll besetzt ist. Eine Patientin beschreibt ein kribbelndes Gefühl im Zeige- und Mittelfinger der linken Hand sowie eine Ausstrahlung entlang des Arms. Das Dermatom Th7 könnte dahinter stecken und ein Bandscheibenvorfall steht im Raum. Ein MRT könnte Licht ins Dunkel bringen, meint die Patientin, die selbst einen Bandscheibenvorfall vermutet. Aber mit welcher Konsequenz? Wenn sich der Bandscheibenprolaps bestätigt, ist die Therapie mutmaßlich dieselbe – Physiotherapie und Geduld. Für mich nochmal ein wichtiger Hinweis, nur Diagnostik anzustoßen, die auch eine therapeutische Konsequenz hat.
Der nächste Patient hat seit einer falschen Bewegung stechende bewegungsabhängige Schmerzen in der rechten Brust, hochverdächtig für muskuloskelettale Beschwerden und damit sehr wahrscheinlich harmlos. Als ich Dr. Blank den Patienten vorstelle, fragt dieser den Patienten, was er für eine Ursache vermute? Es kommt heraus, dass der Patient vor einigen Jahren einen schweren Unfall hatte und Sorge hat, dass sich nun noch irgendwelche Folgeerkrankungen zeigen. Was befürchten Sie, was Ursache für diese Symptome ist? Eine sehr gute Frage, die ich mir merken werde. Im Laufe der Woche finden sich noch viele Beispiele von Patienten, die sich selbst mit Dr. Google zu ihren Symptomen passende Diagnosen in den Hinterkopf gepflanzt haben, sei es die Leukämie bei rezidivierenden Infekten oder die Pankreatitis, an der ein Nachbar kürzlich verstorben ist. Gedanken, die man kennen muss, um den Patienten ihre Sorgen nehmen zu können.
Zum Ende der Woche darf ich zusammen mit Dr. Kunzendorf arbeiten. Sie war zu der Zeit, als ich für eine Famulatur im bayerischen Wald war, selbst PJlerin und hat nun als Assistenzärztin in den Bayerwald Praxen angefangen. Bei einem Patienten, der laut Liste mit Bauchschmerzen gekommen ist, starte ich schon einmal. Zusammengefasst: Älterer Patient mit Bauchschmerzen seit dem Vortag, zweimaliges Erbrechen, außerdem wässriger Durchfall seit gestern. Sehr laute Darmgeräusche. Periumbilikaler Druckschmerz. Bauchdecke weich. Soweit so gut, ließe sich durch eine einfache Gastroenteritis erklären. Als ich den Ultraschallkopf auf den Bauch halte sehe ich einen schwarzen Fleck zwischen Leber und Niere und bin schon etwas beunruhigt, doch mit dem Patienten zu reden bringt Klarheit: zum Glück nur eine bereits bekannte Nierenzyste. Beim weiteren Schallen finden sich jedoch einige dilatierte echofreie Darmschlingen, die mich ans Strickleiterphänomen und eine Pendelperistaltik denken lassen. Die Faustregel, die ich mir für den Darm-Ultraschall bisher gemerkt hatte: „Sofern du nichts siehst, ist das ein gutes Zeichen“, lässt hier nichts Gutes vermuten. Da ich meinen Darm-Ultraschall-Fähigkeiten noch nicht über den Weg traue, hole ich zügig Dr. Kunzendorf dazu. Auch sie kann die Differentialdiagnose Ileus nicht ausschließen, und daher stellen wir dem Patienten eine Überweisung ins Krankenhaus aus. Ich hoffe sehr, dass ich den Patienten in den nächsten Wochen noch einmal wiedersehe oder zumindest aus der Akte in Erfahrung bringe, was die weitere Diagnostik ergeben hat.
Nun geht es jedoch erstmal bei strahlender Sonne und blauem Himmel ins Wochenende. Während der zahlreichen Corona- und Grippeimpfungen, die in dieser Woche anstanden, habe ich den Dr. Blank‘schen Tipp genutzt, die Patienten während des Impfens mit Ablenk-Fragen auf andere Gedanken zu bringen und habe mir dabei zahlreiche Wanderempfehlungen rund um Kirchberg abgeholt, die getestet werden wollen ;)
Woche 5: 09.10. – 15.10.2023
Einige meiner ehemaligen Kommilitonen haben in diesen Tagen das zweite Staatsexamen geschrieben und ich stelle mit Erschrecken fest, dass seitdem schon wieder ein halbes Jahr vergangen ist und damit auch die Hälfte meines PJs fast vorüber ist. Ich fühle mich noch nicht gewappnet, den Patienten in einem halben Jahr als „fertige Ärztin“ gegenüber zu treten. Trotzdem stellt sich bei den zahlreichen Patienten, die jeden Tag in den Praxen ein- und ausgehen, eine gewisse Routine ein.
Wer an diesem Mittwoch die Bayerwald-Praxen besuchen wollte, stand vor verschlossenen Türen. Bei bestem Wetter ging es erstmals für das gesamte Team aller sechs Praxen für einen Betriebsausflug nach Passau und wir Studenten durften ebenfalls teilnehmen. Nach einer Stadtführung und einer Bootstour über Donau und Inn, machten wir uns im großen Trupp zu Fuß zur Veste Oberhaus, wo wir lecker, mit Blick auf Passau, zu Mittag aßen. Ein schöner Tag mit der Möglichkeit, einige der Bayerwaldler abseits des Praxisalltags kennen zu lernen. An dieser Stelle auch die Empfehlung für alle zukünftigen PJler, ein Ausflug nach Passau lohnt sich auf jeden Fall ;)
Den Rest der Woche verbringe ich in Schöfweg. Wieder steht ein buntes Sammelsurium der Allgemeinmedizin auf dem Plan. Fäden, die gezogen werden wollen, zahlreiche Impfungen, Ohrspülungen, Wundversorgungen, Reha-Anträge sowie Bauchschmerzen, Rückenschmerzen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten – um nur ein paar der Beratungsanlässe zu nennen. Einige Hautkrebsscreenings im Rahmen des Check-Ups und Patienten, die sich mit Haut-Befunden vorstellen, bieten die Chance, das im kürzlich besuchten Dermatoskopie-Seminar erworbene Wissen in die Praxis umzusetzen. Eine Patientin kommt mit einer 5cm großen Rötung, um einen Zeckenstich, der ihr gestern aufgefallen ist. Vom Befund her passend zu einem Erythema migrans, andererseits eigentlich zu früh, als dass es eine Borreliose sein könnte. Wir entscheiden uns für eine bewährte Methode in der Allgemeinmedizin: abwartendes Offenhalten.
Ein anderer Patient kommt aufgrund krampfartiger Oberbauchschmerzen. Im Ultraschall stellt sich die Gallenblase zwar groß dar, aber ich kann keine Steine oder eine Wandverdickung feststellen. In der Mittagspause geht mir der Patient noch einmal durch den Kopf: Habe ich nicht doch irgendwelche Steine übersehen? Mit Frau Dr. Kleudgen komme ich später noch einmal auf dieses Thema zu sprechen und sie erzählt mir, dass man zwar mit der Zeit Routine und Sicherheit gewinnt, eine gewisse Unsicherheit, ob es nicht doch irgendein abwendbar gefährlichen Verlauf übersehen wurde, jedoch auch mit jahrelanger Erfahrung nicht verschwindet. Einen dieser abwendbar gefährlichen Verläufe haben wir in dieser Woche herausgefiltert: Bei einer Laborentnahme eines Patienten war ein plötzliches auf 3 mg/dl angestiegenes Kreatinin aufgefallen und obwohl der Patient davon alles andere als begeistert war, hat Dr. Kleudgen ihn in die Klinik eingewiesen. Nun ist der Patient aus dem Krankenhaus wieder zurück und bedankt sich bei Dr. Kleudgen für ihre hartnäckigen Überzeugungen, ihn in die Klinik einzuweisen, denn es wird eine Rapid progrediente Glomerulonephritis vermutet. Eine Erkrankung, die unbehandelt nicht selten in einer terminalen Niereninsuffizienz endet.
Woche 6: 16.10. – 22.10.2023
Der Start in die neue Woche ist für Jonna und mich eisig. Nach dem sommerlichen Wetter der letzten Woche ist nun plötzlich der Winter eingebrochen. Der Blick aus dem Fenster lässt es bereits erahnen und leider bestätigt sich die Vermutung: der Tag beginnt mit einer Runde Frühsport in Form von Autos kratzen ;) Trotzdem erreiche ich noch einigermaßen pünktlich die Praxis in Lalling.
In der montäglichen Fortbildung steht in dieser Woche das Thema KHK auf dem Programm. Erst am Morgen hatte ich einen Patienten mit Brustschmerzen und stand vor der nicht immer leicht zu beantwortenden Frage KHK oder Brustwandsyndrom, welche sich durchaus ähnlich äußern können. Zusammen mit der Medizinischen Fachangestellten Frau Mader, die die KHK-Patienten im DMP betreut, gehen wir in der Fortbildung noch einmal den Marburger Herz Score durch, der sich zur Abgrenzung eignet, und besprechen Symptome und Therapie der KHK. Bereits bei Verdacht indiziert sind immer ASS und Statin, aber welches? Mir noch nicht bewusst, tatsächlich gibt es keine Evidenz dafür, dass das von Kardiologen gerne verordnete Atorvastatin oder Rosuvastatin besser wirkt als Simvastatin.
Das vieldiskutierte Streitthema zwischen Kardiologen und Hausärzten „LDL-Zielwerte-Therapie oder fire-and-forget“ taucht am Mittwoch noch einmal in der sehr spannenden Fortbildung zum Thema Labordiagnostik auf. Innerhalb der Fortbildung stelle ich fest, dass zwar einiges der in Praxis und Klinik tagtäglichen Labordiagnostik sinnvoll, vieles, vieles weitere jedoch absolut überflüssig ist. In der Schilddrüsendiagnostik hat es keinen Mehrwert, T3 und T4 zu bestimmen, T4 reicht vollkommen aus. Bei unter 40 Jährigen ohne Dauermedikation braucht man vor Operationen keine Laborkontrolle. Der häufige Wunsch von Patienten nach einer großen Blutbildkontrolle wegen unspezifischer Beschwerden hat “eine ähnliche Trefferquote wie die eines Jägers, der vom Waldrand mit einer Schrotflinte blindlings in den Wald schießt, um einen Hasen zu treffen“ – um einige der Quintessenzen zu nennen, die ich mir merken werde.
Am Donnerstag quillt das Wartezimmer in der Lallinger Praxis über. In der Sprechstunde warten auf uns Patienten, die sich aufgrund von Schulterschmerzen, Knieschmerzen, Handgelenksschmerzen, Schmerzen der Achillessehne, chronischen Schmerzen, Luftnot, Schilddrüsen-Sonos, Pleura-Sono, Lungenfunktion, anstehenden Impfungen, Bauchschmerzen, Ohrenschmerzen, Halsschmerzen, auffälligen EKGs, auffälligen Haut Befunden, zu besprechenden Laborwerten und psychischen Beschwerden kommen. Gerade bin ich selber wieder über die riesige Vielfalt im tagtäglichen Hausarzt-Alltag überrascht, so gibt es wenig Körperteile, die ich im Verlauf des heutigen Tages nicht bei irgendeinem Patienten untersucht habe. Ich habe auch ein paar kleine Erfolgserlebnisse: Ein erhabener Hautfleck, bei dem ich auf den ersten Blick denke oje, das kanns so ungefähr alles sein, stellt sich unter dem Dermatoskop lehrbuchartig wie ein Dermatofibrom dar: zentraler weißlicher Anteil mit umgebendem wabenartigem Pigmentnetz. Außerdem erkenne ich im Ultraschall einen Pleuraerguss, der bisher noch nicht bekannt war (wobei ich ohne Frau Takacs nie auf die Idee gekommen wäre, bei diesem Patienten überhaupt eine Pleurasonographie zu machen) und diagnostiziere ein noch nicht bekanntes Vorhofflimmern.
Dadurch dass ich fast die ganze Woche in Lalling bin, sehe ich auch die Patienten wieder, bei denen unsere Therapie nicht angeschlagen hat oder das Befinden sogar verschlechtert hat. Ein Patient, dem wir bei tachykardem Vorhofflimmern einen Betablocker angesetzt haben, stellt sich erneut vor mit Schwindel und wir müssen bei einem 50er Puls feststellen, dass der Betablocker zu hoch dosiert war. Eine andere Patientin hatte sich am Wochenanfang mit einer Tonsillopharyngitis vorgestellt und kommt nun wieder mit einem hochroten, stark geschwollenen und massiv berührungsempfindlichen Handgelenk ohne irgendein vorangegangenes Trauma. Hätten wir am Montag doch ein Antibiotikum verschreiben müssen? Bei zwar geschwollenen, aber nicht belegten Tonsillen hatten wir keine Streptokokken-Tonsillitis vermutet, andererseits könnte es natürlich auch eine reaktive Arthritis sein. Sicherheitshalber verschreibt Frau Takacs nun doch Penicillin. Insgesamt eine anstrengende, aber auch sehr lehrreiche Woche, wobei ich immer wieder feststelle, dass ich noch so einiges zu lernen habe. Gut, dass ich noch ein paar Wochen hier bin :)
Woche 7: 23.10. – 29.10.2023
Diese Woche verlief anders als geplant. Während ich die ganzen letzten Jahre immer drumherum gekommen war, zeigte mein Corona-Test nun auch zwei Striche und zwang mich zu einigen Tagen in der Wohnung. Mit der montäglichen Fortbildung, diesmal zum Thema KHK Teil 2, den Dienstags- und Donnerstags Fallbesprechungen und einer PJ-Fortbildung von Jena am Mittwoch zum Thema Endokrinologie sowie dem monatlichen Journal Club am Mittwochabend und unserer PJ-Lerngruppe am Donnerstagnachmittag, konnte ich mich jedoch zumindest theoretisch fortbilden. Am Freitag ging es dann wieder in die Praxis. Da ein Kinderarzt Urlaub hatte, waren einige junge Patienten dabei und ich stelle wieder fest, dass die Herausforderungen beim Behandeln kleiner Patienten andere sind als in der Erwachsenenmedizin. Dies fängt schon dabei an, die Kleinen zum tiefen Einatmen zu bewegen, um die Lunge abzuhören. Als das Fieberthermometer 40,2 Grad anzeigt und rot aufleuchtet, bin ich zunächst etwas geschockt, bis ich mir wieder in Erinnerung rufe, dass ich die Temperaturen eines kleinen Kindes nicht mit denen eines Senioren vergleichen kann. Herausfordernd, aber auch spannend, dass in einer Landarztpraxis hinter einer Behandlungstür ein 90-Jähriger und hinter der nächsten eine 2-Jährige wartet.
Woche 8: 30.10. – 05.11.2023
Nun sind bereits 8 Wochen rum und damit ist für mich die Halbzeit im Bayerischen Wald erreicht. In der Montags-Besprechung geht es diesmal wieder um ein häufiges Problem in der Hausarztpraxis: erhöhte Leberwerte. Wie alltagsrelevant wird mir im Laufe der Woche noch einmal bewusst, so finden sich bei vielen der Check-Up-Labore eine erhöhte GOT, eine erhöhte GPT oder eine erhöhte y-GT. Häufig sind die Werte nur minimal erhöht und es ist nicht leicht zu entscheiden, wann diese abklärungsbedürftig sind. Hier können wir den Leitfaden, den Dr. Machac uns an die Hand gegeben hat, direkt in der Praxis erproben.
Im Laufe des Tertials sollen die PJler hier ein bis zwei eigene Hausbesuchs-Patienten betreuen und diese alle ein bis zwei Wochen besuchen: In meinem Fall eine sehr lebendige ältere Dame, der man ihre fast 100 Jahre überhaupt nicht ansieht und die mir ganz erfreut berichtet, dass die Disko wieder geöffnet ist, worüber ich etwas schmunzeln muss. Sie hat eine bekannte Herzinsuffizienz und trotz bereits erfolgter Eskalation der Dauermedikation mit Torasemid durch Xipamid sind ihre Beine noch deutlich ödematös. Hoffentlich hat sich dies bis zur nächsten Woche unter der Diuretika-Therapie wieder normalisiert.
In der Praxis stelle ich immer wieder fest, dass sich viele Krankheitsbilder anders präsentieren, als es im Lehrbuch steht und es kein wirkliches Schwarz und weiß gibt. Umso mehr freue ich mich, wenn dann doch Patientin mit einer klassischen Anamnese kommen, die Befunde charakteristisch sind und auch die Diagnose am Ende stimmt. Nachdem ich mir bei zahlreichen Rachen-Befunden nicht sicher war, ob die Tonsillen jetzt als geschwollen zu werten sind oder nicht, habe ich in dieser Woche eine Patientin mit einer Tonsillitis gesehen, die wie aus dem Lehrbuch stippig belegte, stark geschwollene Mandeln hatte, dazu Fieber > 38°, geschwollene Halslymphknoten und kein Husten. Dies ergibt einen Center Score von 4 und damit ist eine Streptokokken-Tonsillitis relativ wahrscheinlich. Antibiotika sind trotzdem nicht nötig, da sie die Symptome im Schnitt nur um 16 Stunden verkürzen. Unserer Patientin verschreiben wir auf ihren Wunsch trotzdem Penicillin.
Am Freitag ist der Tag der Bauchschmerzen, gefühlt jeder zweite Patient stellt sich aufgrund von „Bauchschmerzen“ vor und es ist echt schwierig, diejenigen mit abwendbar gefährlichem Verlauf von den häufigeren „ungefährlichen Bauchschmerzen“ rauszufiltern. Lassen sich anderthalb Wochen Durchfall durch eine „einfache Gastroenteritis“ erklären oder steckt doch etwas dahinter? Ein anderer Patient ist nachts mit starkem epigastrischen Schmerz mit Ausstrahlung in die linke Schulter aufgewacht. Es schrillen sofort meine Alarmglocken, könnte dahinter auch ein Herzinfarkt stecken? Nach unauffälligem EKG und Troponin-Schnelltest und weiterer Anamnese scheint uns schließlich doch ein Reflux in Kombination mit degenerativen Schulter-Veränderungen als die wahrscheinlichere Ursache der Beschwerden. Die dritte Patientin mit Bauchschmerzen weisen wir mit starkem Verdacht auf eine Cholezystitis ins Krankenhaus ein. Sie hat eine deutliche Abwehrspannung im rechten Oberbauch und ich erlebe erstmals, wie sich ein positives Murphy-Zeichen präsentiert. Die Verdachtsdiagnose nach der körperlichen Untersuchung bestätigt sich schließlich im Ultraschall: die Gallenblase ist gefüllt mit mehreren Steinen und die Wand mehrschichtig verdickt.
Während ich merke, dass sich bei typischen Krankheitsbildern eine gewisse Routine einstellt, kommen jedoch auch immer wieder Patienten, bei denen ich noch komplett auf dem Schlauch stehe. Ein Patient kommt mit Übelkeit und „Schwummrigkeit“ unter Belastung, für mich überhaupt nicht fassbar, in welche Richtung ich hier denken muss: Kardial? Gastrointestinal? Neurologisch? In der Fallbesprechung mit den anderen bekommen wir noch etwas Input, was dahinterstecken könnte.
Ebenso zu einer großen Herausforderung entpuppen sich in dieser Woche die Ohrspülungen. Ich muss feststellen, dass Ohrenschmalz echt hartnäckig sein kann und am Ende zwar mein Patient etwas gebadet ist, aber der Cerumen-Propf trotzdem noch im Ohr steckt. Ich befürchte, dass ich innerhalb der nächsten Wochen noch ein wenig Übung bekommen werde ;)
Am Wochenende knöpfe ich mir mit Carla und Jonna den Falkenstein vor und in Erwartung eines goldenen Herbstwaldes sind wir doch ziemlich überrascht, als wir auf dem Falkenstein plötzlich durch den ersten Schnee stapfen. Trotz etwas unpassender Kleidung eine schöne Überraschung. Hoffentlich erleben wir in den nächsten Wochen noch etwas mehr vom bayerischen Winter.
Woche 9: 06.11. – 12.11.2023
Die neue Woche startet wieder herausfordernd. Neben den typischen montäglichen Infekt-Patienten, kommen auch viele mit eher unspezifischen Symptomen, die sich anfänglich schwer einordnen lassen. Außerdem halten uns wieder einige bürokratische Hürden auf Trapp: Wie genau füllt man nochmal die Kausalkette bei einer Todesbescheinigung korrekt aus und kriegt man trotz Witwenrente Krankengeld? Ich muss feststellen, dass ich rund um die Formalien noch überhaupt nicht sattelfest bin und bin sehr dankbar, dass die Schöfweger MFAs bei dem ganzen Papierkram den Überblick behalten oder sich sonst hinters Telefon klemmen.
Für mich an diesem Tag am eindrücklichsten ist ein Patient, der mit Ohrenschmerzen kommt, denen aber bereits den MFAs am Tresen ein hängender Mundwinkel aufgefallen ist. Die neurologischen Untersuchungen bestätigen den Verdacht – es liegt eine periphere Fazialisparese vor und wir überweisen den Patienten zur weiteren Abklärung ins Krankenhaus. Ich ergänze ihn auf meiner Liste von Patientin, wo ich unbedingt die mit der Zeit eintrudelnden Briefe verfolgen muss.
Am Mittwoch wird von der Uni Jena ein Vortrag zum Thema Telemedizin bei Herzinsuffizienz angeboten, eine Krankheit, deren schlechte Prognose häufig unterschätzt wird. Unser Dozent erzählt das Märchen vom personalisierten Tod, der einem Menschen verspricht, ihm vor dem Tod Vorwarnungen zu schicken. Eine eingeschränkte Sehfähigkeit, das nachlassende Gedächtnis, der gebrochene Schenkelhals… Zeichen des Todes, die der Mensch jedoch nicht als solche gedeutet hat. Anhand dessen diskutieren wir, inwieweit es bei manchen älteren Patienten vielmehr Aufgabe des Hausarztes ist, anzusprechen, dass der letzte Lebensabschnitt erreicht ist und zu erfragen, ob eine Abklärung und Behandlung von neuen Erkrankungen erwünscht ist, als alle diagnostischen Möglichkeiten auszunutzen. Keine leichte Aufgabe! Im Praxisalltag merke ich immer wieder, wie unterschiedlich hier die Wünsche der Menschen sind: Manche fürchten nichts mehr als am Ende nur noch „vor sich hinzuvegetieren“, andere wollen um jeden Preis weiterleben und nichts unversucht lassen – umso wichtiger das Thema anzusprechen, um dem individuellen Wunsch der Patienten nachkommen zu können.
Am Ende der Woche sehen wir einen Patienten wieder, der bereits zum Anfang der Woche mit einem geröteten, geschwollenen, überwärmten Unterschenkel gekommen ist. Wir hatten bei Verdacht auf ein Erysipel antibiotisch behandelt, trotzdem war die Schwellung eher progredient und der Unterschenkel stark druckschmerzhaft. Daher entschließt sich Dr. Kleudgen nun doch dazu, den Patienten zum Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose ins Krankenhaus einzuweisen. Erysipel? Phlegmone? Tiefe Venenthrombose? Thrombophlebitis? Bereits am Montag war ich mir sehr unsicher, wie ich diesen Beinbefund einordnen muss und mir wird nochmal mehr bewusst, wie schwierig und überaus wichtig die Abklärung der Differentialdiagnosen ist.
Die Woche endet schließlich genauso turbulent, wie sie angefangen hat. Nachdem ich einen Patienten mit grippalem Infekt untersucht und ihn gebeten habe, tief ein- und auszuatmen, damit ich auf die Lunge hören kann, wird ihm zunächst etwas übel und wenig später verliert er das Bewusstsein. Während ich selbst noch geschockt bin, reagiert das eingespielte Schöfweger Team zügig und innerhalb kürzester Zeit ist der RTW alarmiert, unser Patient mit hochgelagerten Füßen auf der Liege wieder ansprechbar und eine Viggo gelegt. Ich schreibe ein Memo an mich selbst, mich am Wochenende einmal einigen Notfall-Algorithmen zu widmen. Meine weitere Erkenntnis: Die Aufforderung tief einzuatmen, werde ich ab jetzt wohl durch die Bitte ergänzen, sofort Bescheid zu geben, sollte dem Patienten schwindelig werden…
Am Wochenende dürfen wir schließlich noch eine bayerwaldlerische Tradition kennenlernen. In den letzten Tagen bereits verwundert, warum Böller und komische Glocken zu hören waren, löst sich das Rätsel schließlich - es wird das Wolfauslassen zelebriert. Für alle, denen das genauso wenig sagt wie mir: Stellt euch ganz viele Menschen vor, die mit riesigen 30-40 kg schweren Kuhglocken um den Bauch geschnallt in einem Kreis stehen und angeführt von einem “Hirten” im Gleichtakt die Glocken schlagen. Klingt bescheuert? Ja, zugegebenermaßen für uns Norddeutsche eine sehr amüsante Tradition. Zumal die “Wölfe” ein erstaunliches Durchhaltevermögen an den Tag legen. Das erste, was ich nach dem Aufwachen am Samstag um 7 Uhr höre, sind die schlagenden Glocken vom Dorfplatz. Ich bin gespannt, wie viele am Montag mit Hörsturz, Muskelzerrung oder Erkältung in der Praxis auftauchen ;)
Woche 10: 13.11. – 19.11.2023
Das Highlight dieser Woche waren drei Tage Hospitation in der Reha-Klinik in Schaufling. Meine Vorstellung von einer Reha: „Viele alte Leute in steriler Krankenhaus-Umgebung mit ein bisschen Sportprogramm…“ wurde ordentlich über den Haufen geworfen.
Bereits am ersten Tag als Dr. Buvar uns herzlich empfängt und einmal durch das Haus führt bin ich beeindruckt: Schwimmbad, Turnhalle, Kletterwand, topmodern ausgestattete Fitnessräume, ein eigener Raum ausgestattet mit Treppen, Kieswegen und anderen Böden zum Gehtraining, ein Raum nur für das Einüben von Online-Sportprogrammen, ein Trainingsraum mit sämtlichen Alltagsgerät (inclusive Auto!), um berufliche Tätigkeiten zu üben. Auf der anderen Seite Verkaufsstände für Schmuck und Handwerk, sowie ein großes Cafe. Insgesamt ein riesiger, moderner, super ausgestatteter Komplex mit sämtlichen vorstellbaren Rehabilitationsmöglichkeiten.
Zahlreiche davon dürfen wir im Laufe der Tage selbst erproben, denn in den Morgenstunden laufen wir immer bei den Therapieeinheiten mit.
Unser erster Tag umfasst dabei ein breites Angebot von Entspannungsverfahren: Hydrojet, Wärmetherapie, Elektro- und Magnetfeldtherapie, Lymphomat – schade eigentlich, dass wir nicht länger hier sind ;) . Der zweite Tag ist dann aktiver und wir laufen in den verschiedensten Sportgruppen mit. An den Nachmittagen nimmt sich Dr. Buvar super viel Zeit für uns und geht mit uns die Untersuchungstechniken von Knie und Schulter durch. Nachdem er Carlas Schulter mit Kugelschreiber künstlerisch bemalt hat, habe ich zum ersten Mal das Gefühl, die Schultertests richtig zu verstehen. Das Ganze schauen wir uns dann auch noch einmal im Ultraschall an, was für mich komplett neu ist und spätestens bei der Darstellung der Rotatorenmanschette zu einem Knoten in meinem Kopf führt. Hoffentlich kommen in meinen letzten Wochen hier noch einige Patienten mit Schulterbeschwerden in die Praxis, an denen ich das Gelernte anwenden kann.
An Tag drei warten Davinci, Diego, Pablo, Tymo und Amadeo auf uns. Bitte wer? Da war jemand ganz kreativ in der Benennung hochmoderner Ergo-Therapie-Geräte, mit denen die Patienten spielerisch ihre Hand-Augen-Koordination, ihren Bewegungsumfang, Gleichgewicht und noch viel mehr trainieren können. Carla und ich dürfen uns mal am Tymo versuchen und mit Gleichgewichtsverlagerung der Füße ein paar Krabben fangen. Letztlich laufen uns leider zahlreiche Krabben davon, weil unser Gleichgewicht noch Ausbaupotential hat und der nächste Programmpunkt bereits auf uns wartet: Waldbaden.
Gespannt, was uns erwarten wird, starten wir mit Wanderschuhe und dicker Winterjacke nach draußen. Christine nimmt uns bei Sonnenschein (trotz 100%iger Regenwahrscheinlichkeit) mit auf eine Tour durch den angrenzenden Wald und versucht uns die Scheuklappen des alltäglichen Lebens abzunehmen und unseren Körper, die Schönheit des Waldes und die Geräuschkulisse aktiv wahrzunehmen. Welchen Ballast gibt es in unserem Leben, den wir wie die Bäume ihre Blätter im Herbst abwerfen können?
Von Dr. Buvar schon als „Kräuterfee“ beschrieben, gibt uns Christine außerdem zahlreiche Tipps, um uns aus heimischen Pflanzen wie Brennnessel und Brombeere eine Hausapotheke zu zaubern.
Insgesamt ein rundum spannender Einblick in die vielseitige Reha-Medizin und dabei haben wir viele Teile, die dazu gehören (von Psychologischer Betreuung, Ernährungsberatung, Sozialberatung, Logotherapie, Klangschalen bis zum Bogenschießen,…) noch gar nicht gesehen, weil unsere Termin-Taktung sowieso bereits ambitioniert war. Trotzdem habe ich jetzt einen guten Eindruck und weiß bei den nächsten auszufüllenden Reha-Anträgen (zugegeben eine eher undankbare Aufgabe), dass sich die Mühe lohnt und die Patienten in Schaufling in guten Händen ist. Herzlichen Dank an Dr. Buvar für das große Engagement und an alle zukünftigen PJler die Empfehlung, die Hospitation in Schaufling mitzunehmen: ist super lehrreich und macht echt Spaß!
Woche 11: 20.11. – 26.11.2023
Es ist soweit, der bayerische Winter ist da. Wir sitzen gerade mit Lebkuchen und Tee im warmen Grafenauer Wohnzimmer und können die Schneeflocken draußen fallen sehen.
Auch in der Praxis merkt man den Wintereinzug. Bei der Masse von Patienten mit laufender Nase, Husten und Halsschmerzen lohnt es sich schon fast nicht mehr, die eigene Maske zwischendurch abzunehmen. Und trotzdem wird es nicht langweilig und unter den zahlreichen Patienten mit Erkältungskrankheiten warten immer wieder Herausforderungen: Urlauber, die nur Englisch sprechen, zeigen mir bereits, dass mein medizinisches Vokabular noch ausbaufähig ist, aber so richtig schwierig wird es dann bei den Patienten, die weder Deutsch noch Englisch sprechen und wo Google Übersetzer, Hände und Füße nötig werden. Auf eine andere Weise herausfordernd sind auch die ganz Kleinen, die - abgesehen von der Spielzeugküche im Wartezimmer - um alles, was mit Medizin und Ärzten zu tun hat, einen großen Bogen machen. Doch wenn man erst dem mitgebrachten Elefanten in den Mund schaut und ihn abhört, kann man meistens auch die Kleinen dazu überreden ihre Münder aufzusperren :).
Am Mittwoch referiert Frau Poggenburg – eine Hausärztin aus Österreich - zum Thema Migräne in der Hausarztpraxis. Nachdem ich erst am Montag bei einem Patienten die Erstdiagnose Migräne gestellt habe, kann ich mein Vorgehen nochmal kritisch überprüfen. Für mich neu: Triptane dürfen erst nach dem Abklingen der Aura eingenommen werden, da sich sonst das Schlaganfallrisiko erhöht.
Ansonsten habe ich in dieser Woche noch einmal ein buntes Programm und bin in drei verschiedenen Praxen bei vier Ärzten eingesetzt. Alle haben ihre eigene Herangehensweise, ihre eigenen Schwerpunkte und daher kann ich von jedem etwas anderes lernen und mitnehmen.
In Auerbach haben wir eine Patientin, die nach einem mutmaßlichen Zeckenstich ein Erythema Migrans entwickelt hat, welches trotz Doxycyclin Behandlung seinem Namen alle Ehre macht und weiter den Unterschenkel der Patientin hochwandert. Dr. Kalamancai stellt den Fall in der Fallbesprechung vor und alle sind etwas ratlos, ob jetzt eine nochmalige antibiotische Therapie erfolgen sollte, gegebenenfalls die Diagnose nicht passt oder man das ganze einfach noch beobachten kann. Beruhigend, dass auch die „alten Hasen“ nicht alles wissen, zum Glück gibt es in fast jedem Gebiet Spezialisten, die einem weiterhelfen können.
Zum Wochenabschluss geht’s mit der gesamten PJ-Crew zunächst einmal in den Kirchberger Jugendgottesdienst (Wenn du denkst, es handele sich um ein fremdsprachiges Lied, und dann feststellst, dass es Hallelujah auf bayerisch ist...), und danach auf eine kleine Wanderung am kleinen Büchelstein. Für uns Nordler, die in den letzten Jahren kaum einmal Schnee zu Gesicht bekommen haben, ist dieser von Neuschnee eingezuckerte Wald wirklich malerisch! Anschließend bummeln wir noch einmal über den Lallinger Wichtelmarkt und backen Stockbrot über dem Lagerfeuer (mal mehr, mal weniger nekrotisch ;)). Obwohl ich wirklich beeindruckt bin, von der Masse an Leuten, die sich im Feng-Shui-Park tummeln, kommt mir doch das ein ums andere Gesicht bekannt vor. Wir sind eben doch schon eine ganze Weile hier.
Woche 12: 27.11. – 03.12.023
In dieser Woche gestaltet sich nicht nur der ein oder andere Patientenfall schwierig, sondern bereits der Weg zur Arbeit. Bei viel Neuschnee ist der Blick vom Kirchberg ins verschneite Dorf zwar traumhaft, aber dafür die Autofahrt deutlich nervenaufreibender.
Eine Patientin, die ich diese Woche im Kopf behalten habe, stellte sich mit Fieber nach einer Tropenreise vor. Hier gilt es eine ganze Palette von tropischen Erkrankungen im Hinterkopf zu haben. Bei stabilen Vitalparametern entscheiden wir uns nach Rücksprache mit einem Tropenmediziner zunächst einmal Blut abzunehmen, zusätzlich Malaria und Dengue-Test wegzuschicken und die Patientin engmaschig zu betreuen. Die Leukozyten sind schließlich bei 2.2, zusätzlich die Leberwerte leicht erhöht und die Milz grenzwertig vergrößert. Könnte sich durch ein Dengue-Fieber erklären lassen, aber genauso gut durch andere virale Erkrankungen. Wir beschließen die Patienten weiter engmaschig im Verlauf zu kontrollieren und die Labortests abzuwarten.
Am Dienstag beschäftige ich mich mit einem Thema, das mich nach wie vor immer wieder vor große Rätsel stellt - es geht nach Freyung zu Frau Friedl in die Dermatologie. In der vollen Akutsprechstunde geht’s um veränderte Muttermale, ein generalisiertes mutmaßlich medikamenteninduziertes Exanthem, Juckreiz, Herpes und vieles weiteres. Ich bekomme ein Dermatoskop in die Hand und darf selbst sämtliche Muttermale mitbeurteilen (oder zumindest die fünf, die ich schaffe, bevor Frau Friedl bereits den gesamten Körper nach auffälligen Muttermalen gescannt hat ;). Am Ende des Tages raucht mein Kopf von sämtlichen verschiedenen Salben, Effloreszenzen und Therapiemöglichkeiten. Zugegeben bin ich etwas froh, dass in den Bayerwald-Praxen maximal zwei Hautkrebsscreenings pro Tag auf dem Plan stehen und nicht gefühlte 50 wie bei Frau Friedl, aber diese werde ich jetzt mit besserem Hintergrundwissen angehen.
Am Mittwochabend gibt die Wundexpertin Bea Bartesch aus Schöfweg allen MFAs einen Überblick über die Wundversorgung, und wir Studis sind ebenfalls eingeladen. Über Jahre gesammelte Erfahrungen mit Wunden verschiedenster Art samt dazugehöriger Geschichten, Bilder, Tipps und Tricks ergeben einen spannenden, lehrreichen Vortrag.
Ebenfalls spannend für mich ist, zu beobachten, wie Frau Dr. Kleudgen mit einer Patientin zusammen erarbeitet, dass ihre Beschwerden möglicherweise psychisch verursacht sein könnten. Jemanden zu vermitteln, dass möglicherweise eher seelische als körperliche Ursachen hinter Symptomen stecken, erfordert viel Fingerspitzengefühl und eine gute Patienten-Arzt-Beziehung. Am Ende des Gespräches habe ich jedoch das Gefühl, dass die Patientin sich verstanden fühlt, eher erleichtert ist und bezüglich ihrer körperlichen Beschwerden beruhigt ist. Wenn auch nicht einfach, ist es essentiell, psychosomatische Aspekte in die Ursachensuche und Behandlung mit einzubeziehen. Hoffentlich kann ich mir von Frau Dr. Kleudgen noch einige Gesprächstechniken abschauen.
Am Wochenende nehmen wir uns vor, das Winterwetter in vollen Zügen auszunutzen. Daher geht es Freitag zum Langlaufski aus, um in voller Vorfreude am Samstag erste Loipen Erfahrung zu sammeln. Der morgendliche Blick aus dem Fenster lässt jedoch bereits Ungutes erahnen: das Balkongeländer ist bis oben eingeschneit, rund 50cm Neuschnee haben sich über Nacht angesammelt. Die Räumfahrzeuge kommen bei dem nicht endenden Schneefall kaum hinterher und daher sind die Loipen noch nicht präpariert. Somit muss uns zunächst das Schneeschippen als (sehr effektiver!!!) Wintersport genügen. Als anderthalb Stunden später das Auto vom Schneemantel befreit ist, merke ich Muskeln, deren Existenz ich mir nicht bewusst war. So sehr wir es uns gewünscht hatten, noch den bayerischen Winter hier zu erleben, soooo viel Schnee hätte es gar nicht sein müssen… ;)
Woche 13: 04.12. – 10.12.2023
Ich sitze gerade mit Jonna und Carla im Kirchberger Wohnzimmer und jeder tippt an seinem Wochenbericht. Wahrscheinlich wird’s zwar länger dauern, aber dafür ist es umso lustiger. Ich werde meine Mitbewohner vermissen, denn so langsam sind die Tage hier unten wirklich gezählt. Je weiter die Zeit voranschreitet, umso mehr wird uns in den Praxen zugetraut. Immer mehr Patienten untersuchen wir vollständig alleine und halten nur noch kurz Rücksprache mit den Ärzten. Super spannend, super lehrreich, aber abends, wenn man im Bett liegt, beginnen auch die Gedanken zu kreisen, ob man nicht doch irgendwas Wichtiges übersehen hat.
Diese Unsicherheit fällt mir insbesondere bei den Hausbesuchen in dieser Woche auf – immer eine besondere Herausforderung: Während in der Praxis jederzeit eine Fachärztin zu Rate gezogen werden kann, ist man während eines Hausbesuches erstmal auf sich alleine gestellt und hat auch kein Sono-Gerät zur Verfügung, um die eigenen Vermutungen zu bestätigen.
Am Montag unterbreche ich die Sprechstunde, um eine Patientin mit akuten Bauchschmerzen zuhause zu besuchen. Vor Ort stellt sich heraus, dass die Patientin Probleme beim Wasserlassen, Rückenschmerzen und Brechreiz hat. Trotz eingehender Untersuchung mit den Möglichkeiten, die einem beim Hausbesuch zur Verfügung stehen, erklärt sich mir der Ursprung der Schmerzen nicht so richtig. Bei auffälligem Urinbefund entscheiden wir uns zunächst mit Verdacht auf einen Harnwegsinfekt für eine antibiotische Therapie. Mit Erschrecken müssen wir jedoch am Abend feststellen, dass das Kreatinin bei 2,6 liegt. Lässt sich das durch den Harnwegsinfekt erklären? Wir würden die Patientin gerne mit Verdacht auf akutes Nierenversagen ins Krankenhaus einweisen, doch die Planung haben wir leider ohne unsere Patientin gemacht, sie hat andere Vorstellungen. So bleibt uns nichts über als die nephrotoxischen Medikamente aus dem Medikamentenplan zu streichen und die Patientin engmaschig zuhause zu kontaktieren. Ich bin sehr gespannt, ob wir letztlich die Ursache für das Nierenversagen noch finden werden.
Auch meiner Hausbesuchspatientin geht es in dieser Woche nicht gut, und im Labor zeigt sich eine GFR von nur 9mg/dl. Im längeren Gespräch äußert sie jedoch mehrfach ihren Wunsch, nicht mehr ins Krankenhaus zu wollen. Sie habe ein langes, erfülltes Leben gehabt, und wenn es jetzt an der Zeit sei zu gehen, dann soll es so sein. Diese Art der Medizin ist anders, als ich es bisher kenne, es geht mehr um emotionale Begleitung und Symptomlinderung als um Heilung und Ursachensuche. Im Krankenhaus wird häufig alles irgendwie mögliche versucht, was für den Patienten sicher nicht immer der richtige Weg ist. Trotzdem ist es aus Arztperspektive manchmal einfacher, sagen zu können, dass man nichts unversucht gelassen hat.
Probleme wie diese besprechen wir am Mittwoch im Seminar von Erlangen. Es geht um ärztliche Haltung, wirtschaftliche und juristische Aspekte sowie eigenes Zeitmanagement. Auch im abendlichen Journalclub lerne ich noch ein paar neue Punkte dazu, die ich meinen zukünftigen Patienten mit auf den Weg geben kann: Insbesondere Kinder können nach einer Gastroenteritis eine Laktoseunverträglichkeit entwickeln. Bereits 2500 Schritte pro Tag wirken sich positiv auf das kardiovaskläre Risiko aus (Für mich sehr beruhigend: es ist ebenso wirksam, wenn „weekend warriors“ versäumte Schritte unter der Woche am Wochenende aufholen). Eine Hochdosistherapie mit Statinen bei KHK verringert die Rate nichttödlicher Herzinfarkte, aber nicht die kardiovaskuläre Gesamtmortalität - das Nutzen-Risiko-Verhältnis muss dann jeder für sich bewerten.
Den Großteil meiner Zeit hier unten habe ich in Schöfweg verbracht, daher darf ich am Donnerstag der Schöfweger Weihnachtsfeier im Kirchdorfer Kirchenwirt beiwohnen. In geselliger Runde bei leckerem Essen (die Qual der Wahl auf der Essenskarte habe ich bei genau einem vegetarischen Gericht zum Glück nicht, tiefstes Bayern eben ;)) kann ich die Praxiscrew etwas abseits des Praxisalltags kennenlernen, ein tolles Team!
Die Woche endet mit einem kleinen Erfolgserlebnis, nach mehreren gescheiterten Versuchen in den letzten Wochen und einigen sehr geduldigen Patienten, kann ich endlich eine Patientin von ihrem hartnäckigen Ohrenschmalz befreien, ohne sie dabei komplett zu duschen ;)
Woche 14: 11.12. – 17.12.2023
Finale ganze Woche. In meiner 14ten Woche hier im bayerischen Wald geht's für mich noch einmal durch drei der Bayerwald-Praxen. Am Montag zuerst nach Auerbach zu Dr. Kalmancai, wo Grippe und Corona Hochkonjunktur haben. Trotz vollem Wartezimmer schafft es Dr. Kalmancai, den Patienten, die es wirklich brauchen, die nötige Zeit und Ruhe zu geben. Ein Patient erzählt, er sei an einem Punkt, wo er selber nicht mehr weiterkomme, die psychiatrische Klinik habe ihn jedoch abgewiesen, da er für eine Aufnahme noch „zu gut“ sei. Ich hatte das Gefühl, diesem Patienten hat bereits einfühlsames Zuhören von Dr. Kalmancai und das Wissen, sich bei Bedarf jederzeit melden zu können, sehr geholfen. Am Dienstag ist für mich Ultraschall-Tag: bei mehreren Check-ups und Schilddrüsen-Sonographien kann ich mein Auge bei verschiedensten Schilddrüsenknoten schulen. Nachmittags bin ich ein letztes Mal in der Kirchberger Praxis und erhalte von Dr. Machac einen kleinen Crashkurs, was ich im Ultraschall auf keinen Fall vergessen sollte.
Da am Donnerstag Frau Sujova und Frau Takacs in der Lallinger-Praxis sind, gibt mir das die Möglichkeit, einen Tag mit der Diabetes-Spezialistin Frau Weinmann mitzulaufen. Während den zahlreichen DMPs macht sie mir deutlich, wie individuell die Diabeteseinstellung ist: Alter, Ernährung, Lebensumstände des Patienten und Komorbiditäten müssen in jedem Fall berücksichtigt werden und werden im Krankenhaus leider häufig stiefmütterlich behandelt. Frau Weinmann berichtet, nur zu oft kämen ältere Patienten mit einem intensivierten Insulinschema aus dem Krankenhaus, die zuhause überhaupt nicht umsetzbar sind.
Auch eine Beratung bei Diabetes-Erstdiagnose darf ich miterleben, in der es leitliniengerecht erstmal nur um den in der Therapie häufig zu wenig beachteten Lebensstil und noch gar nicht um Medikamente geht. Bewegung kann den Blutzucker genauso stark wie eine Tablette, aber das müssen die Patienten ausführlich erklärt bekommen. Der stark beunruhigte Patienten, der schon Sorge hatte, von nun an Spritzen zu müssen, ist durch Frau Weinmanns Erklärungen zutiefst erleichtert und nimmt sich fest vor, mehr Sport zu machen und gesünder zu essen.
Auch die beste Therapie bringt nichts, wenn sie dem Patienten nicht eingehend erläutert wird und dementsprechend keine Compliance seitens der Patienten besteht. Frau Weimann unterstreicht, wie maßgeblich diese Compliance auch von der Beziehung zwischen Arzt und Patient abhängig ist. Neben diesem Aspekt, nehme ich mir nach diesem Tag vor, zukünftig noch mehr Wert darauf zu legen, wie ich den Patienten Zusammenhänge vermittle. Besonders Frau Weinmanns bildliche Beschreibung, dass das Insulin - als Türöffner für den Zucker in die Zelle - nicht funktioniert, bleibt mir im Kopf.
Am Nachmittag bekomme ich direkt die Gelegenheit, das Wissen anzuwenden. Ein frisch aus dem Krankenhaus entlassener Patient kommt mit neuem Medikamentenplan, der im Krankenhaus um satte sieben Arzneimittel ergänzt wurde. Welche davon braucht der Patient wirklich? Bei Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz und einer GFR von 28 keine leicht zu beantwortende Frage. Die kritische Bestandsaufnahme durch Frau Takacs bestehen letztlich nur 2 der 7 Medikamente. Auch das eingeleitete Diabetes-Medikament fliegt von der Liste – bei einem HbA1c von 7,3 sehen wir die Notwendigkeit nicht.
Kurz vor Ende der Sprechstunde stellt sich noch ein älterer, in der Praxis unbekannter Patient mit Schwindel bei einem grippalen Infekt vor. Außer einer Temperatur von 38,6°C lässt sich nicht wirklich etwas objektivieren, aber irgendwie haben wir ein ungutes Gefühl. Wie schon oft wünsche ich mir, den Patienten länger zu kennen, da ich ihn nicht einschätzen kann. Ein wirklich großer Vorteil, wenn man Patienten als Hausarzt über einen längeren Zeitraum betreut. Letztlich entscheiden wir uns doch für die Einweisung – in den Fallbesprechungen wird immer wieder betont, wie wichtig dieses Bauchgefühl in der Entscheidungsfindung ist. Ich bin sehr gespannt, ob es recht behalten wird oder doch nur ein grippaler Infekt hinter dem Ganzen steckte.
Am Freitag mache ich noch zwei akute Hausbesuche. Dabei wird mir deutlich bewusst, dass Ärzte oft nicht nur für ihre Patienten, sondern genauso für deren Angehörige da sind. In beiden Fällen meldeten sich die Angehörigen, die sich große Sorgen um ihre Lieben machen und nicht wissen, wie sie helfen können. Gerade ein Wochenende kann einem Angehörigen, der unterstützen möchte, aber nicht weiß wie, ewig vorkommen und in diesem Fall kann man die Sorgen der Angehörigen zumindest etwas auffangen. Bei der Dankbarkeit, die einem dafür entgegengebracht wird, macht man sich auch am Freitag um 14Uhr noch gerne auf den Weg zum Hausbesuch, bevor es in mein letztes Wochenende im bayerischen Wald geht.
Woche 15: 18.12. – 24.12.2023
15 Wochen nach meiner Ankunft ist es bereits wieder Zeit, die Taschen zu packen, mich von den Bayerwald-Praxen zu verabschieden und Danke zu sagen. Die Zeit ist wirklich geflogen!
Meine letzten beiden Tage sind noch einmal intensiv und lang. Neben den Sprechstunden, Feedback-Gespräch, ein paar Hausbesuchen und dem Nachverfolgen ein paar spannender Fälle, wollen auch noch Dankeschön-Plätzchen und Kuchen gebacken, Abschiedskarten geschrieben und Sachen gepackt werden.
Am Dienstag ist in Schöfweg Tag der Wunden und ich habe gleich fünf Patienten, bei denen es um Ulcusversorgung, zu ziehende Fäden oder Klammern geht. Leider immer noch nicht meine Königsdisziplin und daher bin ich sehr froh, dass ich die Wundexpertin Bea jederzeit um Rat fragen kann. In der Mittagspause fahre ich mit Frau Dr. Kleudgen noch zu einem Hausbesuch bei einer Patientin, die ich in den letzten Wochen häufig gesehen habe und die sich zuletzt akut verschlechtert hat. Bei starken Schmerzen möchte die Patientin, die ich als sehr lebensfrohen Menschen kennengelernt habe, nur noch, dass sie endlich erlöst wird. Wir können nicht mehr viel tun, als die Schmerzmedikamente zu erhöhen, die Übelkeit etwas zu lindern, einen Palliativdienst dazuzuholen und emotionalen Beistand zu leisten. Allgemeinmedizin ist Familienmedizin, vom Anfang bis zum Lebensende - für keinen der Beteiligten einfach und doch eine wichtige Aufgabe.
Dies ist eine der Patienten, die ich besonders in Erinnerung behalten werde. Aber nicht nur auf Patientenseite, sondern auch auf Seiten der MFAS und Ärzten durfte ich viele tolle Menschen kennenlernen. Obgleich man den Bayern ein gewisses „Eigenbrödlertum“ nachsagt, ist mir in der Zeit hier unten immer wieder aufgefallen, dass es auch ein sehr hilfsbereites Völkchen ist. Seien es die (leider zahlreichen) Auto-Werkstatt-Besuche, Planlosigkeit auf dem Wertstoffhof (für Mülltrennung braucht man hier unten erstmal eine Fortbildung ;)) oder meine geschrottete Brille, Hilfe habe ich immer schnell und unkompliziert bekommen.
Die meisten Praxistage hier habe ich sicherlich in der Schöfweger Praxis verbracht, daher insbesondere ein großes Dankeschön an Frau Dr. Kleudgen und ihr Stammteam mit Bea, Sandra, Lena, Daniela und Uschi sowie allen, die an einzelnen Tagen in Schöfweg unterstützen, ihr seid ein großartiges Team und es hat immer viel Spaß gemacht, mit euch zu arbeiten!
Ein großes Dankeschön auch an Dr. Blank, der mit seinem riesigen Engagement dieses exzellente PJ überhaupt erst ermöglicht und mir neben fachlichem Wissen auch viel bezüglich Auftreten und Patientenumgang vermittelt hat!
Wir haben letztens mit den PJlern überlegen, welchen der Bayerwald-Ärzte wir als Hausarzt wählen würden und mussten feststellen, dass wir je nach Vorstellungsgrund einen anderen wählen würden. Jeder hat hier seine eigenen Spezialgebiete und Stärken und das macht dieses Team so einzigartig! Also an dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön, an alle Ärzte, MFAs und Teammitglieder, die am Gelingen dieses PJs mitgewirkt haben!
Neben den Menschen werde ich auch den morgendlichen Blick aus dem Fenster aus der gemütlichen Wohnung auf dem Kirchberg vermissen. Wenn morgens die Sonne hinter den Bergkuppen auftaucht und den Himmel in bunte Farben taucht, verschlägt es einem die Sprache und man kann sich nur absolut wohlfühlen auf dem Kirchberg. Das lag aber auch maßgeblich an meiner Gesellschaft - liebe Jonna, du warst eine phänomenale Mitbewohnern, danke für die schöne gemeinsame Zeit und die Pesto-Nudeln-Anti-Kaffee-WG :D !!
Fachlich und menschlich habe ich in den letzten Wochen eine steile Lernkurve gehabt. Zweifelsohne gab es auch in den letzten Wochen noch Patienten, bei denen ich komplett planlos war, in welche Richtung es geht und welche Redflags ich abklopfen muss. Doch im Vergleich zum Anfang sind diese deutlich weniger geworden. In den Basic-Skills wie Lunge auskultieren, Bauch abtasten, Tonsillen und Trommelfell beurteilen, konnte ich hier einiges an Routine sammeln und Augen und Ohren schulen. Auch in der Sonografie, EKG-, Labor- und Lufu-Auswertung gab es tagtäglich Möglichkeiten zum Üben. Daneben gibt es durch das breit gefächerte Fortbildungsprogramm mit Fallbesprechungen, Themenvorstellungen und Journal Clubs immer wieder Input von außen. Insgesamt habe ich hier so viele Patienten anamnestiziert und untersucht wie in keinem Praktikum zuvor und konnte daher einiges im Umgang mit Patienten lernen.
Frau Dr. Kleudgen meinte zu mir einmal, als Hausarzt erlebe man täglich Kino. Zahlreiche Menschen kommen jeden Tag zu einem und erzählen ein Stück ihres Lebens, und da gibt es schöne, erfreuliche, genauso wie traurige, haarsträubende und erschütternde Erzählungen. Gerade bei traurigen Geschichten gibt es einige, die einem unter die Haut gehen. Ich habe immer noch einen Patienten im Kopf, der vor 3 Jahren in meiner Famulatur in die Praxis kam und erzählte, dass seine Frau sich vor kurzem suizidiert hatte und sich am Ende des Gesprächs einfach nur fürs Zuhören bedankt hat. Bereits durch das einfache Gespräch und eine gute Patienten-Arzt-Beziehung lässt sich in der Hausarztpraxis sehr viel erreichen und diese Vertrauensbasis, die man (im besten Fall) schaffen kann, schätze ich sehr am Beruf des Hausarztes.
Für mich waren die letzten Monate sehr bereichernd und ich habe die Entscheidung, das Tertial im Bayerwald zu machen, in keiner Sekunde bereut und würde es jederzeit wieder tun! Nochmals herzlichen Dank an das gesamte Team, ich werde euch und den bayerischen Wald vermissen! Pfiat eich!
Katharina Schade
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Woche 1: 04.09. - 10.09.2023
Mein zweites PJ Tertial steht an. Und auf dieses freue ich mich schon ganz besonders, denn es ist mein Wahltertial, welches ich auf dem bayerischen Land in einer Hausarztpraxis absolvieren werde. Da ich meine Wohnung in Jena zu Ende August gekündigt und mir ein paar freie Studientage angesammelt habe, habe ich die Entscheidung getroffen mein Tertial eine Woche eher als regulär anzutreten. Gesagt-Getan. Mit nur dem nötigsten (7 Umzugskartons und 1 Fahrrad) vollgestopft bis unter die Dachkante meines Autos bin ich am Samstag ins fast 4,5h entfernte bayerische Grafenau gefahren. Dort werde ich zusammen mit PJ-lerin Carla die nächsten 4 Monate wohnen. Als ich die Tür aufmachte, stand im Eingangsraum ein Empfangstresen, denn bei dem Haus in dem wir wohnen, handelt es sich um eine ehemalige Pension, die ausstattungstechnisch keine Wünsche übrig lässt. Es verfügt über eine große Gemeinschaftsküche, ein zugegeben altmodisch eingerichtetes Wohnzimmer und vor allem über geräumige Zimmer mit jeweils eigenem Bad. Da ich ja eine Woche früher startete, hatte ich jedoch das Glück meine Vorgängerin Alicia zu begleiten, die mich in den paar Tagen sowohl in den Haushalt inklusive komplizierter Mülltrennung und Gartenpflege sowie auch in der Praxis gut einarbeiten konnte.
Den Sonntag haben wir aber erstmal bei bestem Wetter direkt für eine Wanderung auf den Falkenstein genutzt - so hätte der 1. Tag wahrlich nicht besser starten können.
Am Montagmorgen ging es dann kurz nach 7 los zur Praxis Bolla/ Hackl ins ca. 25 min entfernte Fürstenstein. Das gesamte Team begrüßte mich super freundlich und ich wusste, dass ich hier sehr gut aufgehoben sein werde. Nach einem kurzen Rundgang ging es auch schon mit dem ersten Patienten los- progrediente Hüftschmerzen, Anlaufschmerz, Ruhe- und Nachtschmerz. Ich konnte direkt zeigen, wo ich mein erstes Tertial verbracht habe- nämlich in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, in der wir als PJ’ler die Aufgabe der Aufnahme inklusive orthopädischer Untersuchung hatten.
Die zweite Patientin hatte mich dann aber schnell auf den Boden der unwissenden Tatsachen geholt, denn mit der Autoimmunhepatitis hatte ich mich sicherlich schonmal in Vorbereitung aufs M2 beschäftigt, aber viel ist davon nicht mehr übrig geblieben. Aber schnell wird mir klar, dass es genau das ist, worauf ich mich in diesem Tertial so sehr gefreut habe - Anamnesen erheben, Diagnostik starten, über die Diagnose tüfteln, nochmal nachlesen und dann hoffentlich ganz viel verschiedene Krankheitsbilder an Patienten kennenlernen, anstelle sie nur im Buch nachlesen zu müssen.
Die erste Woche ging wahnsinnig schnell um und ich war auch ganz schön platt. Neben dem Praxisalltag finden mehrmals wöchentlich verschiedene Fallbesprechungen statt, in denen per Zoom in einem überregionalen Ärztenetzwerk über aktuelle Patientenfälle kontrovers diskutiert und beraten wird. Hier kann man einiges mitnehmen und natürlich auch ohne Ende fragen stellen. Eine tolle Möglichkeit, sich über die Praxis hinaus noch zu connecten und Wissen zu erlangen.
PS: In den bayerischen Dialekt hört man sich tatsächlich sehr schnell rein. Nur bei einem Patienten, der zu seiner bayerischen Sprache auch noch stark alkoholisiert war, wünschte ich mir einen Übersetzer gehabt zu haben- doch so blieb mir nur nicken und lächeln übrig :)
Woche 2: 11.09. – 17.09.2023
Das Wochenende habe ich zunächst mit einer Wanderung auf den allseits erwähnten Lusen verbracht, was sich bei hochsommerlichem Wetter und wolkenfreiem Himmel sehr gelohnt hat. Außerdem hab ich mich in Passau beim Sport angemeldet, damit ich neben der Arbeit noch einen kleinen körperlichen Ausgleich habe. An den beiden Nachmittagen stand jeweils nochmal ein bisschen Sonographietheorie auf meinem Programm. Ich werde schon bald anfangen in der Praxis die Patienten vorzuschallen und möchte darauf natürlich möglichst gut vorbereitet sein. In der Uni habe ich bisher nur wenig Schallerfahrung sammeln können und somit ist dies eins meiner persönlichen Ziele im Tertial Allgemeinmedizin.
Den Montag habe ich mit Dr. Hackl verbracht. Ich bin sehr beeindruckt davon, wie viel Zeit er sich für jeden Patienten und dessen Untersuchung nimmt. Da meine letzte neurologische Untersuchung schon etwas her ist, hat er mir nochmal ausführlich erklärt, worauf es ihm im hausärztlichen Setting besonders ankommt und worauf ich achten sollte.
Am späten Vormittag sind wir dann ins Altersheim nach Tittling gefahren. Hausbesuche sind in der Allgemeinmedizin ein fester Bestandteil und deswegen war ich besonders gespannt darauf, was mich erwarten würde. Den Kontakt zwischen der Pflege und uns als Ärzteteam habe ich als sehr kooperativ wahrgenommen. Mit einem engen und regelmäßigen Austausch kann man den ein oder anderen (unnötigen) Krankenhausaufenthalt vermeiden. Außerdem ist mir extrem positiv aufgefallen, wie dankbar viele der Heimbewohner sind, dass wir uns Zeit für sie genommen haben.
In der Mittagspause stand in der Themenbesprechung die „Gicht“ auf dem Programm- passte perfekt, denn am nächsten Tag haben wir für die Studenten aus dem Programm „Exzellenter Sommer“ zusammen mit Stella, einer Ärztin aus dem Team der Gemeinschaftspraxis, einen Wissenskurs zu dem Thema gegeben- bzw. sie hat ihn gegeben und wir haben eher eine unterstützende Funktion eingenommen ;)
Eine Patientin am Mittwochvormittag lag mir besonders am Herzen, weswegen ich sie hier auch erwähnen möchte. Sie leidet an einem Reizdarmsyndrom, was sie v.a. in stressigen Phasen ihres Lebens sehr belastet. Medikamentös habe sie schon vieles probiert, aber nichts habe so richtig geholfen. Schließlich habe ich ihr angeboten, eine Ernährungsberatung mit ihr durchzuführen. Ich habe 2022 eine Weiterbildung zum „Ernährungscoach-IHK“ durchgeführt und bin im allgemeinen wahnsinnig interessiert an der Ernährungsmedizin als Ergänzung zur Schulmedizin. So habe ich sie zunächst gebeten, mal eine Woche detailliert aufzuschreiben, was für Speisen und Getränke sie zu sich nimmt- dies werden wir in der nächsten Woche besprechen und gemeinsam durchgehen. Ich bin sehr gespannt inwiefern ich ihr helfen kann, denn im hausärztlichen Setting ist so eine Beratung auch Neuland für mich #staytuned.
Die restliche Woche verlief wie im Flug, bis wir am Samstag erneut einen Kurs mit den Studenten aus dem exzellenten Sommer hatten. Diesmal nahmen wir als PJ’ler eine aktivere Rolle ein und haben jeweils in 25 min einen Teil der körperlichen Untersuchung angeleitet. Mir war das Abdomen zugeteilt und so sind wir gemeinsam anhand der Beispiele Appendizitis und Aszites nochmal die einzelnen Tests und Untersuchungstechniken durchgegangen- auch für mich immer wieder eine wichtige, sehr praxisrelevante Auffrischung.
Woche 3: 18.09. – 24.09.2023
Am Montagmorgen habe ich mich gefühlt, als wären wir als Vertretung der Dermatologie eingesetzt- es kam ein Patient nach dem anderen mit verschiedensten Effloreszenzen in die Sprechstunde herein. Für mich bisher noch ein sehr sehr schwieriges Feld der Medizin- sowohl in der Befundbeschreibung, Diagnosefindung, als auch in Therapieversuchen. Was ich zwar grundsätzlich schon gelernt habe, ist, dass man in der Allgemeinmedizin nicht immer sofort alles parat haben muss und auch viel erstmal ausprobiert (v.a bei dermatologischen Problemen), aber dennoch bin ich sehr motiviert zumindest grundlegende Effloreszenzen am Ende des Tertials sicher erkennen zu können. Dafür werde ich mir künftig jeden Befund abphotographieren und dokumentieren. Später in der Woche konnte ich einen ersten kleinen Diagnoseerfolg feiern- als ein 10-jähriger Junge in die Sprechstunde kam, habe ich ein „Erythema migrans“ identifizieren und die Diagnose „Borreliose“ stellen können. Wir haben ihm Doxycyclin verschrieben, welches er für 3 Wochen einnehmen soll.
Im Laufe der Woche habe ich wieder regelmäßig meine Fähigkeiten im Ultraschall ausbauen können. Zum ersten Mal habe ich mehrere Zysten in beiden Nieren diagnostizieren können. Wie ich bei Dr. Bolla im Anschluss habe beobachten können, habe ich zwar längst nicht alle identifiziert, aber es ist zumindest ein kleiner Fortschritt. Per se sind Nierenzysten erstmal nichts Beunruhigendes, jedoch ist es wichtig, diese auszumessen und zu dokumentieren, um im Verlauf eine mögliche Größenprogredienz feststellen zu können.
Zum hausärztlichen Tätigkeitsbereich gehört auch das sogenannte „GBA- geriatrische Basisassessment“, um bei Menschen ab 70 Jahren alltagspraktische Fähigkeiten einschätzen zu können. Dazu gehören u.a. das Aufmalen einer Uhr inklusive Uhrzeit, die eigenanamnestische Erhebung des Barthel-Index, sowie verschiedene Fragen und Aufgaben zur örtlichen, zeitlichen, situativen und persönlichen Orientierung. Objektiv konnte die 85-jährige Patientin, mit der wir die Tests durchgeführt haben, fast volle Punktzahl erhalten. Subjektiv jedoch kam Frau Hackl und mir die Patientin jedoch unruhig und suspekt vor. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit den geriatrischen Patienten hat sie schon ein Gespür dafür entwickelt, bei welchen Patienten evtl. noch etwas im Argen liegt.
Ein weiteres Highlight dieser Woche war kulinarischer Art- die Mama einer MFA hat Erdapfelkäs gemacht- eine Art Brotaufstrich mit gekochten, zerstampften Kartoffeln, Rahm, saurer Sahne und Gewürzen… Himmlisch!
Am Samstag Vormittag stand wieder ein Teaching für die Studenten vom Exzellenten Sommer an. Gemeinsam mit 4 Assistenzärzten haben wir die Themen COPD/Asthma, KHK, Herzinsuffizienz und Diabetes besprochen. Auch wenn ich eigentlich den lehrenden Part übernommen habe, konnte ich wieder viel Wissen dazu gewinnen- ein lehrreicher Abschluss einer anstrengenden, aber wirklich schönen Woche :)
Bayrisch für Anfänger: Schmerzen in den Haxen können das gesamte Bein vom Fuß bis zur Hüfte aufwärts betreffen oder aber auch nur Fuß bedeuten- kann man sich dann quasi aussuchen?! :)
Woche 4: 25.09. – 01.10.2023
Der erste Monat ist um! Wahnsinn! Aber die Zeit vergeht schneller, wenn der Alltag Spaß macht- und das tut er in der Tat.
Die Woche begann (wieder) mit einem spannenden Sonobefund. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Patienten sich untereinander absprechen, denn so viele dermatologische Patienten wie wir letzte Woche hatten, so viele Patienten mit Gallensteinen hatten wir in der letzten Woche- immerhin 4 Stück. Eine gute Gelegenheit, um mit Dr. Bolla nochmal kurz die Hinweise sowie Befunde von Gallensteinen im Sono durchzugehen- ein echoreicher Reflex mit dorsalem Schallschatten. Besonders schwierig zu erkennen (zumindest für mich) sind sie, wenn viele kleine Steine dicht aneinander gepackt sind und zu einem einzigen Reflex verschmelzen.
Die erste Hälfte der Woche lag ein wenig Abschiedsstimmung in der Luft- Herr Dr. Hackl und seine Frau sind Ende September in den Ruhestand gegangen. Ganz viele Patienten haben sich nochmal einen Termin bei ihm gemacht, um sich nochmal zu verabschieden und zu bedanken. Viele von ihnen hat er jahrelang begleitet, ist durch medizinische Aufs und Abs gegangen und kennt auch die Familien gut. Das hat mir wieder bewusst gemacht, welche Rolle man als Hausarzt im Leben seiner Patienten spielt und welches Vertrauen einem entgegengebracht wird.
Verabschiedet hat Dr. Hackl sich auch in den beiden Altersheimen, die er betreut. Wir haben die Gelegenheit genutzt und sind gemeinsam mit dem Pflegepersonal nochmal alle Patienten durchgegangen, haben einige Medikamente und Diagnosen angepasst. Gerade bei älteren Patienten muss man immer wieder neu prüfen, ob die aktuelle Medikation noch unbedingt notwendig ist, bzw. wo man auch die Dosis reduzieren kann.
Dann wurden wir noch zu einer Heimbewohnerin gerufen, deren Hausarzt gerade im Urlaub ist. Sie habe seit gestern akute Bauchschmerzen und gegenüber ihren Mitbewohnern auch über Brustschmerzen geklagt. Vom Pflegepersonal erfuhren wir, dass sie nach mehrmaligen Messungen einen Blutdruck um die 80/50mmHg und eine Herzfrequenz > 100bpm hatte. Wir begleiteten die Patientin in ihr Zimmer, wobei sie mit einem ziemlich ordentlichen Tempo am Rollator voraus eilte. Sieht so eine kranke Patientin aus? Ja, kann schon sein. Denn als sich ihre Atemfrequenz auch nach einiger Zeit nicht beruhigte und wir damit eine qSOFA Score >2 erhoben, ließen wir sie ins Krankenhaus einweisen.
Woche 5: 02.10. – 08.10.2023
Am Montag war ich erstmals in der Praxis in Grafenau und habe Dr. Blank dort unterstützen dürfen. Auch wenn ich mich in Fürstenstein sehr wohl fühle, ist ein Praxiswechsel und somit auch ein Perspektivwechsel immer sehr aufschluss- und lehrreich. Jeder Arzt agiert ein klein wenig anders, wobei anderes weder richtig noch falsch ist. Auf diese Weise bekomme ich die Möglichkeit, die für mich passendste Arbeitsweise herauszufinden und obendrein lerne ich noch eine ganze Menge dazu- also win win. Für diesen Bericht möchte ich eine vermeintlich einfache, aber dennoch vielseitige Tätigkeit näher beleuchten- das Impfen. Obwohl ich der Meinung bin, dass ich inzwischen schon einige verschiedene Impftechniken gesehen habe, war am Montag doch wieder eine neue dabei, die ich definitiv zu meiner eigenen machen will. Dr. Blank hat mit der einen Hand den Arm des Patienten leicht gedrückt und damit einen dumpfen Reiz gesetzt. Dieser stellte dann einen Kontrast zur spitzen Impfnadel her, weswegen der Patient den Stich als viel weniger intensiv wahrgenommen hat. Toll, oder?
Der gleiche Patient berichtet außerdem anschließend, dass er sich am Vortag beim Fußball spielen wohl eine Prellung am Knie zugezogen hatte und deswegen nun humpelte. Tatsächlich wies er ein Beuge- und Streckdefizit auf. Durch einen kurzen geschulten Blick mit dem Ultraschall konnte Dr. Blank eine Flüssigkeitsansammlung feststellen, die am ehesten einem traumatischen Bluterguss zuzuordnen ist. Mit einigen Anrufen gelang es uns, einen sehr zeitnahen MRT Termin auszumachen, um damit weitere Diagnostik und notwendige Therapie schnellstmöglich einzuleiten.
Der Mittwoch war der zweite und tatsächlich schon mein letzter Tag der Woche, da ich mich am Donnerstag bereits auf den Weg in die Heimat für eine Woche Urlaub machte.
Woche 6: 16.10. – 22.10.2023
Die Woche nach meinem Urlaub startete mit einer neuen Praxis- diesmal durfte ich Dr. Kalmancai in Auerbach über die Schultern schauen und unterstützen. Ich bin super dankbar, dass ich immer mal wieder in anderen Praxen hospitieren darf- das bringt unglaublich viel Mehrwert. Die Infektsaison hat die Sprechstunde aktuell wohl überall im Griff. Umso besser für mich, dass ich ganz viele Lungen abhören, Rachenringe anschauen und cervikale Lymphknoten abtasten kann. Mit der Dauer der Krankschreibung tue ich mich ehrlich gesagt noch ein wenig schwer. Ich möchte den Patienten natürlich einerseits genug Zeit zur Genesung zusprechen, aber andererseits auch nicht zu lange rausnehmen. Was ich jedoch immer wieder feststelle ist, dass die meisten Patienten oft schon eine eigene Vorstellung von der Dauer der Krankschreibung haben, von denen die meisten zum Glück mit meiner übereinstimmt.
Am Dienstag ging es wieder zurück in die Praxis nach Fürstenstein, wo ich nun auch Dr. Klein kennenlernen durfte. Nachdem Dr. Hackl Ende September in die wohlverdiente Rente gegangen ist, wird er die Praxis zusammen mit Dr. Bolla künftig führen. Mit ihm bin ich auch direkt am Vormittag zu einem Hausbesuch gefahren. Besucht haben wir eine Mitte 90-jährige Palliativpatientin, die frisch aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ihr Allgemeinzustand war schlecht. Wir überprüften alle Indikationen der oralen Medikamente, so dass sie so wenig Tabletten wie möglich schlucken muss. Außerdem setzen wir einige, wegen wahrscheinlich auftretender Komplikationen, Bedarfsmedikamente an. Obwohl es ihr so schlecht ging, war sie unglaublich dankbar für die Situation, in der sie sich befand: zu Hause, bei ihrer Familie, in vertrauter Umgebung. Das war ein wirklich sehr berührender Moment.
Woche 7: 23.10. – 29.10.2023
Diese Woche standen wieder einige Hausbesuche auf dem Plan. Ich bin froh in den beiden Altersheimen, die wir betreuen, sowohl die Bewohner als auch das Pflegepersonal inzwischen ein bisschen zu kennen. So kann man gewissermaßen schon an die vorherigen Besuche anknüpfen, gerade was die Einstellung einiger Medikamente bzw. den generellen Verlauf angeht. Da unsere Praxis in dieser Woche auch die Vertretung einer anderen übernommen hat, hatten wir noch 2 extra „Notfälle“ auf dem Programm. Zunächst visitierten wir einen älteren Herren mit einem Dauerkatheter, von dem das Pflegepersonal berichtete, Blutkoagel gesehen zu haben. Außerdem gab er diffuse Schmerzen im Bauch und eine generelle Verschlechterung des Allgemeinzustandes an- mit dem Verdacht auf einen komplizierten Harnwegsinfekt behandelten wir ihn antibiotisch an. Dieser Fall gab mir Grund genug, um ein vermeintlich einfaches Thema nochmal ein paar Tage später in der PJ Besprechung durchzusprechen. Ab wann ist ein HWI kompliziert? Welche Antibiotika kommen in Frage? Und bei welchen muss ich evtl. noch die Nierenfunktion beachten?
Es hilft sehr, sich gegenseitig austauschen zu können und festzustellen, dass man mit der ein oder anderen Wissenslücke nicht alleine ist.
Die andere Patientin war eine Bewohnerin im Betreuten wohnen und wurde am Vortag mit mehrfachen Nachsinterungsfrakturen in der BWK/LWK aus dem Krankenhaus entlassen. Während im Entlassungsbrief von einer am Rollator mobilen Patienten geredet wurde, fand ich eher ein bettlägerige, schwache Omi vor. Nach kurzer Rücksprache mit der Pflege stellte ich fest, dass sie die eigentlich benötigte Thromboseprophylaxe noch nicht erhalten hat und bisher auch nicht rezeptiert wurde. Da die Patientin jedoch von einem externen Pflegedienst versorgt wurde, bedarf es noch einer extra Verordnung für die Injektion von Subcutanspritzen- diese klärte ich telefonisch mit dem zuständigen PD ab- ganz schön viel Bürokratie, aber super wichtig, dass ich auch diesmal mitbekomme und regeln muss.
Ansonsten konnte ich auch in dieser Woche meine sonographischen Fähigkeiten weiter ausbauen- diesmal standen Schilddrüsenzysten auf dem Programm, von denen ich zum ersten Mal ALLE identifizieren und ausmessen konnte- es wird langsam… also hoffe ich :)
Am Wochenende war ich endlich mal wieder wandern. Zusammen mit den Blockpraktikantinnen war ich auf dem großen Arber- eine tolle Wanderung mit einem leider sehr vernebelten Gipfel- da muss ich wohl nochmal hoch…
Woche 8: 30.10. – 05.11.2023
Diese Woche war sehr besonders. Da die Praxis in Fürstenstein im Urlaub war, habe ich mir Alternativen gesucht. Den Montag habe ich wieder in Grafenau verbracht, wo ich versucht habe Dr. Blank bei der Sprechstunde zu unterstützen. Besonders 2 Patienten sind mir in Erinnerung geblieben: Einer Patientin diagnostizierten wir einen unkomplizierten Harnwegsinfekt- eigentlich keine große Sache, aber für mich Grund genug, um mit Dr. Blank noch einmal dessen 3 wichtigste Kriterien durchzugehen- Brennen beim Wasser lassen, häufiges Wasser lassen und die Abwesenheit von vaginalem Ausfluss. Das ist und bleibt jetzt hoffentlich in meinem Gehirn verankert.
Eine anderen Patientin stellte sich mit einem grippalen Infekt mit persistierendem Husten vor. Da die Fälle der oberen Atemwegsinfekte zur Zeit recht häufig vorkommen, habe ich da inzwischen schon ein recht festes Schema, um sichergehen zu können, dass ich z.B. keine Pneumonie übersehe. Bei den meisten Patienten ist der Auskultationsbefund der Lunge zumindest diesbezüglich normal. Die Lunge dieser Patientin hingehen hörte sich einfach anders an. Gepaart mit der fieberhaften Anamnese entschieden wir uns für eine Antibiotikagabe mit dem Verdacht einer Lungenentzündung.
Die restliche Woche habe ich in einer Kinderarztpraxis in Passau verbracht, in denen auch eine Kinderpneumologin und ein Kinderneurologe arbeitet. Neben dem „normalen“ pädiatrischen Programm habe ich deswegen auch u.a. noch besondere Einblicke in die asthmatische Therapie der Kinder erhalten. Wahnsinnig spannend war dabei vor allem der Metacholin-Provokationstest- ein Test zur Diagnose bei Asthma bronchiale, bei dem im Anschluss mit Salbutamol inhaliert wird und dies bei positivem Ergebnis den künstlich getriggerten Anfall deutlich bessert. Insgesamt hat mir die Woche gezeigt, dass es sich durchaus lohnt, eine gewisse Zeit seiner Ausbildung zum Allgemeinmediziner beim Pädiater zu verbringen, um Routine im Umgang mit kranken Kindern zu bekommen.
Woche 9: 06.11. – 12.11.2023
Ich habe ja in den vergangenen Berichten bereits angedeutet, dass sich die Patienten mit ihren Symptomen untereinander absprechen zu scheinen :) Diese Woche stand wieder ganz unter dem Motto „Rückschmerzen“. Die passende Therapie hatten 3 dieser Patienten bereits auch direkt parat- Quaddeln. Das ist eine analgetische Therapie, bei der ein Lokalanästhetikum, z.B Lidocain, intrakutan in die betroffenen Arealen injiziert wird. Besonders Patienten mit Muskelverspannungen profitieren davon sehr… Und mir macht das ehrlich gesagt super viel Spaß zu Quaddeln :)
Im Laufe der Woche stellte sich außerdem eine Patientin vor, die wir in den letzten Wochen schon mehrfach gesehen haben. Erstmals beschrieb sie Mitte September einen persistierenden, teilweise krampfartigen, epigastrischen Druckschmerz. Nachdem wir in der damaligen Ultraschalluntersuchung die Gallenblase mit mehreren Konkrementen entdeckten, wurde sie wenige Tage später notfallmäßig bei kolikartigen Schmerzen laparoskopisch entfernt. Soweit-sogut. Leider hat die Operation jedoch nur für wenige Tage eine Linderung der Beschwerden gebracht und so kam sie einige Tage später wieder zu uns. Unser Verdacht auf eine mögliche Magenschleimhautentzündung hat sich durch das fehlende Ansprechen auf die Behandlung mit Pantoprazol nicht bestätigt. In dieser Woche hat sich das Rätsel (zumindest vorerst gelöst)- die Patientin hatte trotz entfernter Gallenblase noch einen Stein im Gallengang, der wieder notfallmäßig entfernt wurde. Ich bin gespannt, ob ihren Beschwerden nun endgültig ein Ende gesetzt wurde.
Ein weiterer besonderer Fall stellte sich am Donnerstag vor. Die Patientin kam recht aufgelöst in unsere Praxis, nachdem sie mit einer roten, juckenden, linearen Hautveränderung im Unterschenkel vom Dermatologen die Diagnose „Lichen ruber planus“ (Knötchenflechte) erhalten hat. Anschließend hat sie dies gegoogelt und ist dabei auf die Information gestoßen, dass sich dieses dermatologische Bild v.a. bei einer Virushepatitis C zeigt. Nun hat sie furchtbare Angst, dass sie leberkrank ist und möchte sich durch entsprechende Laborparameter und eine Ultraschalluntersuchung absichern lassen. Letztendlich lässt sich die genaue Ätiologie eines Lichen ruber planus in den meisten Fällen nicht feststellen- wahrscheinlich liegen Autoimmunreaktionen zugrunde. Es gibt zwar einen statistischen Zusammenhang zwischen Hepatitis Patienten und einem erhöhten Vorkommen von einer Knötchenflechte, jedoch kommt sie meist idiopathisch vor. Wir konnten mit diesen Informationen und komplett unauffälligen Untersuchungen die Patientin vorerst beruhigen. Für mich war es der erste Lichen ruber planus, den ich gesehen habe und wird mir daher hoffentlich in Erinnerung bleiben.
Woche 10: 13.11. – 19.11.2023
Bis zum Mittwoch dieser Woche war ich mir nicht sicher, was ich diese Woche in den Erfahrungsbericht schreiben könnte, weil die letzten Tage wirklich ruhig und fast schon alltäglich waren. Wobei mir da wieder bewusst wird, wie schnell die Abläufe in der Praxis inzwischen zum Alltag geworden sind. Es haben sich sogar schon einige Patienten direkt einen Termin bei mir gewünscht, was mich natürlich besonders gefreut hat :) . Am Mittwochvormittag ging es dann mal wieder ins Altenheim nach Tittling. Dort erwartete uns eine Patientin, die wir den Tag zuvor bei Nackenverspannungen schon gequaddelt hatten. Dies habe ihr schon öfter geholfen- nur diesmal leider nicht. Dann kamen aber auch noch Oberbauchbeschwerden dazu. Aufgrund der neu verschriebenen Tilidin Tabletten fragten wir nach dem Stuhlgang, da die Opioide oft zu Verstopfungen führen, die die Bauchschmerzen erklären könnten. Die Patientin berichtete jedoch eher von Durchfällen. Aufgrund ihrer Immobilität konnten wir sie nicht in unsere Praxis für eine Ultraschalluntersuchung bestellen und ins Krankenhaus wollte sie nicht. Dann fiel ihr ein, dass sie auch noch erbrochen habe. Was macht man mit so einer Patientin? Wir haben ihr Pantoprazol aufgeschrieben und Ibuprofen durch Novamin gegen die Schmerzen ersetzt. Bei Verschlechterung soll uns die Pflege informieren.
Die nächsten spannenden Fälle ereigneten sich Freitag: Ein Patient kam mit akuter Luftnot in die Praxis. Aus seinen Vorbefunden wussten wir, dass ihm bereits vor 3 Jahren die Implantation eines Herzschrittmachers sowie Defibrillators empfohlen wurde- dies hat er bisher aber immer abgelehnt. Bei kürzlich neu aufgetretenem Vorhofflimmern wurde er vom Kardiologen über 5 Tage mit Amiodaron aufgesättigt- jedoch ohne Erfolg. Nun präsentierte sich uns das Bild einer dekompensierten Herzinsuffizienz: Dyspnoe, Unterschenkel-Ödeme und ein Auskultationsbefund, der auf einen Pleuraerguss hindeutete. Wir riefen den Rettungsdienst, der ihn ins Krankenhaus brachte.
Der Sanka (Bayrisch für Anfänger = Krankenwagen :) )hätte direkt da bleiben können, denn wenige Minuten später kam wieder eine Patientin mit akuter Luftnot zur Praxistür rein. Seit der Nacht um 3 gehe es ihr schlecht, habe innere Unruhe und das Gefühl, etwas sei nicht in Ordnung. Im abgeleiteten EKG bot sie eine Frequenz von 180bpm- sie hatte bereits in der Vergangenheit öfter eine AVNRT- eine AV-Knoten-Reentry-Tachykardie. Der Troponin Schnelltest war negativ. Aufgrund ihrer gleichzeitig bestehenden COPD-Erkrankungen waren wir vorsichtig mit der Sauerstoffgabe, jedoch erholte sie sich in liegender Position ein wenig. Dr. Bolla erklärte mir, dass er in solch einem Fall schon öfter erfolgreich eine Carotis-Druck-Massage durchgeführt hat, der den Nervus Vagus aktiviert und damit die AVNRT beenden kann. Im ambulanten Setting ohne Monitorüberwachung wäre das jedoch zu riskant gewesen- also riefen wir kurz vor Sprechstunden Ende erneut den Rettungsdienst, der unsere Patientin ins Krankenhaus brachte.
Woche 11 und Woche 12: 20.11. – 03.12.2023
Endspurt ist angesagt! Die letzten 4 Wochen haben begonnen und ehrlich gesagt begann damit so langsam auch ein Gefühl der Wehmut. Der bayerische Wald hat sich in den letzten Monaten zu einem liebgewonnenen Ort gemausert. Gepaart mit einer unglaublichen Bandbreite an verschiedenen Seminarangeboten und großen Spaß an der alltäglichen Arbeit in der Praxis kann ich schon jetzt sagen, dass dieses Tertial nicht zu übertreffen ist. Die letzten beiden Wochen vergingen so flott, dass ich total vergessen habe den Erfahrungsbericht zu schreiben- also kommt jetzt eine kleine Zusammenfassung der letzten 2 Wochen. Ein persönliches Highlight war eine kleine, eigentlich unspektakuläre Schnittverletzung einer Patientin an der linken Hand. Die Wunde war relativ oberflächlich, so dass man die Wundränder eigentlich mit Steristrips hätte adaptieren können. Nachdem uns die Patientin aber vorwarnte, dass sie ihre Hände definitiv nicht schonen könne und werde, entschieden wir uns gemeinsam mit ihr dafür sie zu nähen- shared decision making :) . Und da war mein Moment gekommen, auf den ich insgeheim schon die ganze Zeit gewartet habe. In meinem 1. Tertial habe ich auf der Unfallchirurgie gearbeitet und durfte in der Notaufnahme die ein oder andere Wunde versorgen. Mich zieht es zwar definitiv nicht in die Chirurgie, aber Nähen bereitet mir großen Spaß. Nachdem ich der Patientin also mit Lidocain eine lokale Anästhesie verpasste, nähte ich die Wunde mit 4 Einzelknopfnähten. Nun bin ich gespannt auf das Ergebnis, wenn sie zum Fadenzug kommt :)
In den letzten 2 Wochen gab es einige Todesfälle. Einerseits von Patienten, die wir palliativ schon eine Weile begleitet haben, aber auch von Patienten, deren Tod nicht ganz so vorhersehbar war. Bei den täglichen Helfen und Heilen gehört der Tod im medizinischen Bereich nun einmal genauso dazu. Die Aufgabe des Hausarztes ist es dann im Regelfall die Durchführung der Leichenschau. Was ich als erstes feststellte ist, dass der bayerische Totenschein sich ziemlich von dem thüringischen unterscheidet. Es gibt 3 Seiten statt einer und man muss sehr darauf achten, den richtigen Durchschlag auf dem Papier zu benutzen.
Ich war zwar im Krankenhaus schon öfter bei einer Leichenschau dabei, aber noch nie im ambulanten Setting. Von der Angehörigen erfuhren wir in beiden Fällen, dass die verstorbene Person mutmaßlich wenig Schmerzen hatte und in der Nacht friedlich eingeschlafen sei. Außerdem war das SAPV-Team (spezialisiert ambulante Patientenversorgung) involviert, die stets einen großartigen Job leisten.
Woche 13: 04.12. – 10.12.2023
Am Dienstag durfte ich in Deggendorf bei dem Kardiologen Dr. Toth hospitieren. Da die innere Medizin einen großen Teil in der Allgemeinmedizin einnimmt, finde ich es besonders wichtig, sich in diesem Fachgebiet auszukennen. Den Großteil der Sprechstunde nahmen die ECHO-Untersuchungen ein, wobei mir Dr. Toth versuchte, so viel wie möglich zu erklären und zu zeigen. Zugegeben- Ein Herzultraschall ist nochmal eine Sache für sich und man braucht einige Zeit, um sich in die Strukturen hineinzudenken. Was außerdem super spannend war, war der ein oder andere pathologische EKG Befund. Wer zum Kardiologen überwiesen wird, hat ja meist eine spezifische Fragestellung bzw. einen bereits pathologischen, evtl. unklaren Vorbefund. Eh mir klar wird, was ich im EKG so alles sehen kann, starre ich es zwar aktuell gefühlte 10 min an, aber es wird langsam klarer :) Eine wichtige Take-Home Message war außerdem, dass man als Hausarzt wirklich klare Fragestellungen auf die Überweisung schreiben und immer alle Vorbefunde mitgeben sollte- sonst weiß auch der Kardiologe nicht so richtig, was er machen soll.
Den Mittwoch habe ich wieder mit Dr. Blank in der Praxis in Grafenau verbracht. Neben den immer anwesenden Infektpatienten häuften sich an dem Tag vor allem die Bauchschmerzpatienten. Für mich eine prima Gelegenheit, meine sonographischen Fähigkeiten zu verbessern. Denn auch, wenn ich bei diesen Patienten nichts pathologisches im Ultraschall erkennen konnte, ist es wahnsinnig hilfreich verschiedene Normalbefunde zu sehen, so dass man im Zweifel bei einem pathologischen stutzig wird.
Eine weitere Patientin, zu der mich Dr. Blank dazu holte, hatte vor ca. 3 Monaten eine Thyreoiditis de Quervain- eine subakut granulomatöse Schilddrüsenentzündung. Diese präsentierte sich bei ihr vor allem durch Abgeschlagenheit, Hals- und auch Ohrenschmerzen. Nach Glucokorticoidgabe und Analgesie besserten sich ihre Beschwerden rasch. An diesem Tag kam sie zur sonographischen Kontrolle und der Befund war auch nach diesen 3 Monaten sehr eindrücklich- es präsentierte sich ein inhomogenes Gewebe mit fokalen, hypoechogenen Arealen.
Die letzten beiden Tage der Woche war ich wieder in meiner Stammpraxis in Fürstenstein. Am Donnerstag Vormittag hatten wir wieder einen Notfall. Ein älterer Patient fühlte sich seit dem Morgen “nicht ganz wohl”, hatte “Schwindelgefühle und Schwierigkeiten zu stehen”. Auf näheres Fragen berichtete er uns, dass er seit dem Morgen des Vortages bemerkte, weniger Gefühl in der linken Hand zu haben. Dies hat er aber auch seiner Ehefrau nicht erzählt, da er sich nichts dabei gedacht habe. Nachdem der Rettungsdienst eingetroffen war und ihn zum RTW begleitete, bemerkte er auch nun auch eine Schwäche im linken Bein. Auch wenn der Verdacht eines stattgefundenen Schlaganfalls relativ naheliegend ist, bin ich nun gespannt, was die weitere Diagnostik ergeben wird.
Myriam Robert
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Woche 1: 03.07. – 09.07.2023
Meine erste Woche im Bayerischen Wald geht zu Ende und ich blicke auf eine sehr intensive und erschlagende, aber bereichernde Woche zurück.
Ich bin letztes Wochenende angekommen; die 2 Tage Ruhe waren sehr willkommen;
und ich habe sie genutzt, um in der Wohnung, die mir zur Verfügung gestellt wurde, gut anzukommen. Ich hatte zudem noch viel zu erledigen, was sich in der Hektik des Tertialwechsels und Umzuges angesammelt hatte. Außerdem habe ich versucht, in der Masse an Informationen, die mich für mein 3. Tertial schon erreicht hatten, etwas Überblick zu bekommen. Die Wohnung war toll eingerichtet und hat alles, was das Herz frisch angekommener Studierenden begehrt. Ein Luxus, und dazu noch mit dem Wald und dem ganzen schönen Grün, was uns auf diesem kleinen Hügel umgibt. Außerdem werde ich während ⅔ des Tertials über das Praxisauto verfügen, was mir eine Menge Unabhängigkeit und Freiheit bietet.
In der ersten Woche ging es mit der Praxis in Auerbach los, wo ich 2 Tage geblieben bin. Anschließend war ich einen Vormittag in Grafenau mit Dr. Blank, einen Nachmittag auf Fortbildung in Cham mit den anderen Studierenden und 2 Tage in Schöfweg mit Dr. Kleudgen. Dazu kamen die Mittagstreffen, also montags immer die Fortbildung und dienstags/donnerstags die interne Besprechungen unklarer/spannender Fälle.
Obwohl ich schon im 3. Tertial bin, fühle ich mich in der Allgemeinmedizin noch ganz am Anfang und ich bin immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich sich der Alltag in der Hausarztpraxis von der Arbeit im Krankenhaus unterscheidet. Innerhalb einer einzigen 4-stündigen Sprechstunde sehen wir von allem was: Derma, Psychiatrie, Impfungen, Kinder-U-Untersuchungen, Wundkontrollen, erste Wundversorgungen, akutes Abdomen, Check-Up Untersuchungen, Kardio mit Antihypertensiva, EKG, Rhythmusstörungen, Schilddrüse und Schilddrüsen-Sono, HWI, Besprechung von Patientenverfügungen, Einweisung mit V.a. Appendizitis, Zecken, Kontrollen jeglicher Laborwerte/pathologischer Befunde usw. ... Und das ist nur eine mögliche Auswahl.
Noch bin ich an diesen Rhythmus und diese Art zu arbeiten nicht gewöhnt. Es ist ganz anders als der typische Tagesablauf einer Station. Aber so brutal ich diesen Wechsel auch finde: mir macht es jetzt schon total viel Spaß, diese Barrieren zwischen den Fächern zu überwinden und so breit und interdisziplinär zu denken. Außerdem bin ich froh, endlich einen Fuß in der Primär- und Sekundärprävention haben zu können.
Noch habe ich nicht viel selbst gemacht (aber im Schnitt immer noch viel, verglichen mit meinen anderen Tertialen). Nicht, dass ich das nicht konnte - im Gegenteil. Ich wurde mit Wertschätzung, Vertrauen und guter Betreuung inkl. persönlichem Feedback willkommen geheißen. Doch erstmal will ich möglichst sehen, wie die Ärzte arbeiten - jeder und jede mit eigenen Mustern und Techniken, wie ich schon in der 1. Woche festgestellt habe. Ich freue mich auf die Lernfortschritte, die ich in den nächsten Monaten machen werde.
Gewöhnungsbedürftig ist für mich der bayerische Dialekt (das wird wahrscheinlich lange so bleiben). Mit dem dörflichen Gotthard-Fest, wo viele von der Praxis sich gemeinsam auf ein Bier getroffen haben, habe ich außerdem als französische Studentin aus Freiburg meinen kleinen Kulturschock gleich am ersten Tertialstag gehabt!
Woche 2: 10.07. – 16.07.2023
Die zweite Woche ging richtig schnell vorbei. Ich habe in dieser Woche die zwei Hauptstandorte kennengelernt: Kirchberg und Lalling. Wieder wurde mir deutlich, wie sehr sich zwei Praxen der Allgemeinmedizin unterscheiden können. Der Schwerpunkt, die Anzahl an Patienten, das Profil der Patienten, die Räumlichkeiten, die Zusammenarbeit mit MFAs usw.
Diese zweite Woche war deutlich einfacher als die Erste und ich bin erleichtert zu merken, dass ich doch relativ schnell bei vielen Sachen besser werde. Noch bin ich ganz am Anfang, aber die Lernkurve ist unglaublich steil. Portale wie Deximed sind mir dabei eine enorme Hilfe, ich schätze sie jeden Tag mehr und greife immer häufiger darauf zurück. Und nach jedem einzelnen Tag merke ich, wie wohl ich mich in einer Praxis und mit diesem Patientenkontakt fühle. Ich bin einfach nur froh, dass es die Allgemeinmedizin gibt - in fast allen anderen Fachrichtungen habe ich mich eher gefragt, was ich in diesem Studium denn tue.
Am Freitag war mein Highlight, dass ich bei einer Patientin in der 9. Schwangerschaftswoche Ultraschall gemacht habe (Infekt/unspezifische Beschwerden der letzten Wochen, stark erhöhte Infektkonstellation in der Laborkontrolle, daher wollten wir ein kurzes Abdomen-Sono machen). Ich habe mit der Patientin anschließend die kardiale Aktivität des Embryos beobachtet - und obwohl ich absolut keine Leidenschaft für die Gynäkologie und Geburtshilfe habe, war das doch ein sehr schöner Moment, den ich erleben durfte. Es war sehr wichtig für die Patientin, da ihre letzte Schwangerschaft zu einem ähnlichen Zeitpunkt in eine Fehlgeburt endete und sie mit diesen auffälligen Laborwerten und AZ-Verschlechterung der letzten Wochen ziemlich besorgt war. Mir ist dabei nochmal klar geworden, wie viel Verantwortung man in ärztlichen Tätigkeiten hat. In der Klinik mit schwerkranken Patienten, aber auch in so vielen Gesprächen und Untersuchungen, die man in der Sprechstunde der Praxis führt.
Ein anderer interessanter Moment war, als ich einen recht jungen Patienten aufnahm, der sich für eine AU “wegen Müdigkeit” vorstellte. Aus der gründlichen Anamnese konnte ich wenig spezifische, somatische Beschwerden rausholen, doch schon im ersten Augenblick fiel mir auf, wie bedrückt und besorgt der Patient auf mich wirkte. Er sagte wenig, es war schwer, Informationen zu bekommen; seine Handbewegungen waren aber sehr unruhig. Am Ende entschieden der Arzt und ich uns für eine Laborkontrolle zum Ausschluss u.a. thyreoidischer oder anämischer Ursachen seiner Abgeschlagenheit. Erst nach dem Termin fiel mir auf, dass der Patient psychische Beschwerden nur angedeutet hatte, sich aber wenig getraut hatte, sie expliziter darzustellen oder über seine eigenen Gefühle zu reden. Ich habe seitdem die Schnell-Screenings für Depression nachgeschaut und mir als Ziel gesetzt, solche Patienten das nächste Mal viel direkter zu befragen. Ich habe die Vermutung, dass es ihm die Sache leichter gemacht hätte. Erstmal wird sich dieser Patient nach Kenntnisnahme der Laborwerte erneut vorstellen, dann als nächster Schritt eine psychologische Versorgung ggf. in die Wege geleitet werden.
Mein letztes eindrückliches Beispiel war eine Patientin mit (aus meiner Sicht) recht unspezifischen und komplexen, v.a. gastrointestinalen Beschwerden. Ich versuchte, wirklich an alle Red flags zu denken und überlegte, welche Untersuchungen oder Überweisungen bei ihr Sinn machen würden. Schnell erwähnte die Patientin das Wort “psychosomatisch” und wirkte auf mich sehr informiert und reflektiert, machte gleichzeitig aber auch sehr den Eindruck, als würde sie somatische Abklärungen und Erklärungen unbedingt haben wollen. Auf ihre Bitte musste ich sie zum Gespräch mit der Ärztin selbst alleine lassen, doch ich war insgesamt relativ zufrieden mit meiner Gesprächsführung. Ich konnte mich gut an Empfehlungen im Umgang mit psychosomatischen Patienten erinnern (z.B. somatische Ursachen abklären, aber nicht zu viel Raum geben; Pat. selbst fragen, was evtl. die Ursache sein könnte bzw. ob es psychisch sein könnte; Beschwerden ernst nehmen, gleichzeitig möglichst beruhigen).
Ansonsten lerne ich Kirchberg und die Umgebung mit der Zeit etwas besser kennen. Am Donnerstag Abend durfte ich zum 25-Jahres Jubiläum der Praxis und es war eine Freude, so viele Mitarbeiter zu sehen und wahrzunehmen, wie viel in der Praxis Bayerwald aufgebaut worden ist - auch wenn ich manchmal nicht mehr so ganz das Gefühl hatte, in einem deutsch-sprachigen Gebiet zu sein… Weil ich teilweise gar kein Wort mehr verstanden habe! ;)
Woche 3: 17.07. – 23.07.2023
Diese Woche war ich in Auerbach und einen Nachmittag in Kirchberg. Ich durfte mich mal wieder von vielfältigen Krankheitsbildern überraschen lassen, vom prominenten, unerwarteten lumbalen Abszess bis zur Chlamydien-Urethritis.
Ich befinde mich noch immer in diesem Spannungsfeld zwischen der Lust und dem Bedürfnis, viel selbst zu machen und auszuprobieren, um davon möglichst viel zu lernen... Und der Schwierigkeit, einzuschätzen, wann ich eine Zweitmeinung brauche oder einen Befund sollte prüfen lassen. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass ich mir lieber etwas mehr Zeit lassen sollte. Mir hat die Woche aber wieder viel Spaß gemacht. Ich durfte jeden Tag sonografieren und meine Anamnesen werden merklich immer besser. Mittlerweile fühle ich mich ab und zu sicherer; ein Patient lobte mich für die banale Impfung, bei der er nichts gespürt habe; in Absprache mit manchen Patienten konnte ich diese wieder entlassen, ohne einen ärztlichen Kontakt bekommen zu haben (bei sehr einfachen Beratungsanlässen).
Am Dienstag stellten wir in der Fallbesprechung einen etwas älteren Patienten mit neu aufgetretener Hypästhesie der linken Gesichtshälfte ohne weiteren fokalneurologischen Defizite vor. Wir entschieden uns aus verschiedenen Gründen dafür, abzuwarten und den Befund der hoffentlich bald stattfindenden Bildgebung abzuwarten. Mittlerweile haben wir ihn bereits zur Kontrolle wieder gesehen. Das nehme ich von der Allgemeinmedizin mit: die Patient*innen sieht man immer wieder, und das über den Zeitrahmen ihrer vorläufigen Erkrankungen hinaus. Bereits nach diesen 3 Wochen in 4 verschiedenen Standorten habe ich das eine oder andere Gesicht wieder erkannt.
Am Mittwochabend durfte ich außerdem am digitalen Journal-Club teilnehmen. Es war spannend, zu merken, wie viel Epidemiologie oder kritisches Denken zur Allgemeinmedizin beitragen kann. Mir hat es trotz der späten Uhrzeit viel gebracht und ich werde gerne an den kommenden Sitzungen wieder teilnehmen.
Woche 4: 24.07. – 30.07.2023
In dieser 4. Woche war ich in Kirchberg und Schöfweg eingeteilt. Nachdem ich am vergangenen Wochenende für eine Familienfeier einen Ausflug ins große Stadtleben gemacht hatte, habe ich mal wieder wahrgenommen, wie unterschiedlich die ländliche Ruhe der Studentenwohnungen in Kirchberg ist. Manchmal genieße ich sie, manchmal fällt mir der Wechsel schwer.
Ich bekomme etwas mehr Routine und Sicherheit in den Abläufen der Praxen. Diese beginnende Sicherheit ist trügerisch. Gerade deshalb bin ich manchmal umso überraschender, wenn ich die Entscheidungen der Ärzte erfahre - nachdem ich Anamnese, körperliche Untersuchung und therapeutischen Vorschlag gemacht hatte. Es gibt noch so viel, woran ich nicht gedacht hatte - Impfungen, Anpassungen des Medikamentenplanes, Bericht der Orthopäden o.ä. anschauen, Kontrolle der Schilddrüsenwerte wieder veranlassen, EKG wegen QT-Kontrolle bei Antidepressiva, keine NSAR wegen der einen oder anderen Kontraindikation…
Bei einfachen Aufgaben (Schilddrüse sonografisch kontrollieren) bin ich mittlerweile geübter. Doch auch darin kann ich besser werden, meinen Blick zu erweitern: es geht eben nicht nur um die Schilddrüsensonografie, sondern darum, sich zu erkundigen, ob der Patient thyreotische Beschwerden hat; ob die Werte im Normbereich sind; ob die Medikamente gut vertragen werden. Bei vorhandener Zeit vielleicht auch darum, abzuchecken, ob weitere chronische Erkrankungen des Patienten Behandlungsbedarf haben.
Beispielsweise führte ich Anamnese und Untersuchung bei einem Patienten mit Handschwellung durch. Weil wir die Zeit dafür hatten, ging es aber am Ende nicht nur um den V.a. Gichtanfall, sondern auch darum, die Antidepressiva wieder zu reduzieren, nachdem der Patient sie jahrelang weitergenommen hatte und die psychotherapeutische Betreuung abgebrochen hatte; die kardiologische Wiederbetreuung einzuleiten und Impfungen nachzuholen/aufzufrischen.
Außerdem habe ich mittlerweile einige Notfälle und Krankenhauseinweisungen mitbekommen: Fahrradunfall, hypertensive Entgleisung, Panikattacke, Divertikulitis mit 15-cm-breitem Abszess im CT (den die ältere Patientin 5 Tage lang mit sich mit schleppte, ohne dass ihr oder der hausärztlichen Praxis der Befund mitgeteilt wurde!), breitflächige offene Phlebitis, die chirurgisch zu versorgen war… Am Mittwoch hatte ich mit der Uni Jena/Berlin ein Online-Seminar zur motivationalen Gesprächsführung, eins meiner Lieblingsthemen und ein Hochrelevantes für die Hausarztpraxis. Mir macht die Allgemeinmedizin nach wie vor viel Spaß. Das fühlt sich schön an - trotz der langen Tage und der Abgeschlagenheit, die einen nach stundenlangem Arbeiten und Patientenkontakt erwischen.
Woche 5: 31.07. – 06.08.2023
Die 5. Woche war eher kürzer, da ich am Ende ein paar Tage Urlaub für ein verlängertes Wochenende genommen hatte. Trotzdem haben die 3 Tage ausgereicht, um wieder viel Neues zu lernen. Ich sah z.B. mal ein Erythema migrans, was etwas anders als im Lehrbuch ausschaute (bläulich am Sprunggelenk). Ich darf inzwischen immer mehr Check-Ups machen und probiere mich dabei mit den gelernten Techniken der motivationalen Gesprächsführung aus. Ich habe noch nicht den Eindruck, dass ich sie sinnvoll anwenden kann, aber es ist ja ein Lernprozess! Ansonsten bin ich dankbar, dass das gesamte Team der Praxis in Schöfweg so strukturiert arbeitet, immer ein Auge auf alles hat, die Dokumentation nachprüft, viele Vorgänge schon vorbereitet und uns als Studierende dadurch gut integriert.
Am Dienstag war ich zum ersten Mal bei einer größeren Runde der Hausbesuche (8x) mit. Ich fand es spannend, das Zuhause von Patienten zu sehen und sie auf einmal viel besser zu verstehen… und beeindruckend, wieviel Geduld man im Patientenkontakt mitbringen muss, nachdem ein erschöpfter und überforderter älterer Patient, der seine schwerkranke Frau pflegt und uns beim Hausbesuch sehr aggressiv entgegenkam. Eine andere Patientin wiederum, die in schwierigen sozialen Verhältnissen lebt, war telefonisch nicht mehr zu erreichen (es sei wohl kaputt gewesen). Doch sie erzählte uns, dass sie ein gebrauchtes Auto gekauft habe. Das bedeutete also, dass sie wieder mobil war, ein Stück Lebensqualität gewonnen hatte und uns von selbst versprach, das nächste Mal selbst wieder in die Praxis zu kommen. Über dieses nicht medizinische Erfolgserlebnis, das so viele Auswirkungen auf das Leben der Patientin hatte, haben wir uns gemeinsam gefreut.
Es gibt immer noch Unsicherheiten oder Momente, in denen mir auffällt, wie viel ich noch vor mir habe (z.B. als ich unsicher war, ob ich gerade Knoten im Ultraschall gesehen hatte - obwohl es schließlich einfach nur angrenzendes Gewebe war). Auf der anderen Seite freue ich mich über jeden kleinen Schritt nach vorne: Es gibt allerdings wirklich relativ oft Fälle, in denen meine Arbeitsdiagnosen und Behandlungsvorschläge dem endgültigen Prozedere sehr nah kommen.
Woche 6: 07.08. – 13.08.2023
Eine durch meinen Sommerurlaub wieder etwas verkürzte Woche geht zu Ende (Sommer… trotz des bisher regnerischen, nebligen und kalten Wetters, welches eher an November als an August erinnert!) Diese Woche war ich in Lalling und Kirchberg. Die Flut an Patienten schwankte sehr, so dass es in Kirchberg ausnahmsweise eher ruhig war, während in Lalling die Patientenliste immer länger wurde und schien, Stunde für Stunde nicht besser werden zu wollen.
Ich nutze die Plattform Deximed inzwischen sehr viel und bin sehr dankbar, dass es sie gibt. Dadurch kann ich sowohl Kleinigkeiten nachschauen, als auch größere Themen wieder durchgehen. Außerdem habe ich mir diese Woche zum ersten Mal die Webseite dosing.de näher angeschaut und versucht, sie im praktischen Alltag anzuwenden.
Sonografisch sind ein paar kleine Fortschritte anzumerken. Obwohl ich letzte Woche eine kleine Nierenzyste verpasst hatte und angrenzendes Schilddrüsengewebe mit einem Knoten verwechselt hatte, habe ich diese Woche bei einer Patientin sehr wohl einige Schilddrüsen- und Nierenzysten als Neubefund festgestellt.
Noch bin ich sehr froh, dass ich bei Schwierigkeiten, Unsicherheiten oder dann, wenn ich nicht weiterkomme, jedes Mal auf Fachärzte zurückkommen kann und mich auf sie verlassen kann. Gerade bei älteren, multimorbiden Patienten oder komplexen Behandlungsanlässen bin ich mir noch ziemlich unsicher. Wie ist es dann mit Medikamenteninteraktionen, kardialer, nephrotischer und hepatischer Toxizität, oder mit Compliance? Alleine schon bei einem Gichtanfall stand ich vor diesen Fragen, ohne sie noch so sicher beantworten zu können (multimorbider Patient, eingeschränkte Nieren- und Leberfunktion, kardiovaskulär vorerkrankt, mit DMII). Plötzlich bestehen doch einige relative Kontraindikationen für NSAR/Steroide, während Colchicin ja nur noch 2. Wahl ist… Ich merke, dass mir in diesen Fällen die praktische Erfahrung noch fehlt.
Umso mehr freue ich mich deshalb, dass ich noch einige Zeit hier verbringen und lernen darf!
Woche 7: 14.08. – 20.08.2023
Diese Woche war ich in Auerbach und Schöfweg. Es waren (wie immer) abwechslungsreiche Fälle und Neuigkeiten dabei: zum Beispiel habe ich eine Patientin mit Beinschmerzen aufgenommen, bei der am nächsten Tag der Ultraschallbefund eine TVT bestätigte… So werde ich mir den Algorithmus mit D-Dimerschnelltest vs. direkt Bildgebung je nach Wells-Wahrscheinlichkeit gleich besser merken. Außerdem werde ich mir besser merken, die Patienten möglichst zu entkleiden, um einen umfassenden Inspektionsbefund zu bekommen. Das hatte ich in dem Fall nicht gemacht, aber wie ich später feststellte, war die Beinschwellung ohne die (kurze) Hose doch definitiv eindrücklicher!
Zudem habe ich mein erstes Kind mit Würmern gehabt (für mich total aufregend! Für Dr. Kleudgen weniger - es sei wohl sehr häufig…). Dann ein V.a. Latex-Unverträglichkeit mit anschließendem grippalem Infekt (DD sexual übertragene Krankheit…), der erste von mir ausgefüllte Antrag auf Arbeitsunfähigkeit für die Krankenkasse (weniger aufregend, aber auch ein repräsentativer Teil der Allgemeinmedizin), ein neues sehr gutes Ultraschallgerät für Lalling und Schöfweg und ein spannendes Online-Seminar der Universität Jena über eine queerfreundliche allgemeinmedizinische Praxis in Neukölln mit Schwerpunkt Infektiologie.
Insgesamt bin ich sehr zufrieden damit, wie ich diese Woche mit eingebunden war. Dieses enge Teaching und das viele “Selbermachen” bringen mir innerhalb eines Tages deutlich mehr bei und weiter, als meine bisherigen klinischen Erfahrungen.
Diese Woche habe ich zudem als Übung zwei Patienten unter Aufsicht aufgenommen und mir danach ein sehr genaues Feedback angehört. Über dieses bin ich zutiefst dankbar, weil es mich sehr weiterbringen wird - zumal auch einiges Positives dabei war. Allerdings waren auch Hinweise auf essenzielle Punkte enthalten, die unbedingt verbesserungsbedürftig sind. Ich weiß nun, worauf ich mich als Nächstes konzentrieren soll: Das ist schonmal ein wichtiger Schritt. Aber normal ist es denke ich auch, dass man es in dieser Phase etwas schwerer hat und erstmal lernen muss, mit eigenem Frust umzugehen.
Zudem genieße ich sehr die kühle Ruhe des Waldes in Kirchberg, fühle aber auch zugleich, dass mir die sozialen Kontakte meiner Unistadt fehlen. Nach 10 Semestern in einer jungen, mittelgroßen, dynamischen Studentenstadt ist die Umstellung auf das Leben im Bayerischen Wald eine konsequente, wenn auch gut vorhersehbare Umstellung. Ich bin gespannt, was auf mich in den nächsten Wochen zukommen wird.
Woche 8: 21.08. – 27.08.2023
Nach einem turbulenten Tag in der Praxis in Auerbach am Montag, durfte ich in der Nacht von Montag auf Dienstag im notärztlichen Dienst mitlaufen. Das war für mich eine extrem bereichernde Erfahrung. Der erste Fall, der schon um Viertel nach sieben angekündigt wurde, brachte uns zu einem Bauernhof, in dem eine ältere, noch gut ansprechbare Patientin aufgenommen wurde und ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Sie war eigentlich am gleichen Tag vom Krankenhaus nach HWI zurückgekommen, ihr Zustand verschlechterte sich aber rasch ca. eine Stunde nach Antibiotika-Einnahme: Luftnot, Unwohlsein, Hypotonie, Tachykardie… In dem Dienst selbst wurde der V.a. anaphylaktische Reaktion gelegt, sie bekam ein Antihistaminikum, Steroide und Sauerstoff. Für Adrenalin war sie noch “zu stabil”. Einige Tage später erfuhr ich aber, dass im Krankenhaus sie tatsächlich septisch war. Eindrückliches Beispiel: Natürlich kenne ich den qSOFA-Score und ich habe bestimmt schon über 10x Seminare, Vorlesungen oder Selbststudiumseinheiten zur Sepsis gehabt. Trotzdem habe ich daran in dem Moment nicht gedacht. Wenn man es weiß, ist alles einfacher: sie hatte keinen Hautausschlag, ihre Atemfrequenz war stark erhöht, sie war hypoton, hatte bekanntlich gerade einen HWI gehabt. Aber die beiden Diagnosen präklinisch auseinanderzuhalten, war äußerst schwierig.
Am Dienstag kurz vor 18h und dem Ende der Sprechstunde, erreichte uns unser nächster spannender “Notfall”, hier eine Patientin mit perianaler Platzwunde nach Sturz von der Pool-Leiter. Sie hätte in die Notaufnahme eingewiesen werden müssen, lehnte dies jedoch ab. Daher führte Herr Dr. Kalmancai mit großem Engagement die Versorgung der Wunde durch, unter erschwerten Bedingungen (überhitzter Raum, Ende der Sprechstunde, Vorerkrankungen: Adipositas permagna) und nach einer Nacht mit Notfalldienst. Respekt! Ich durfte mit MFAs gemeinsam “assistieren” und merkte, dass ich von meinem Chirurgie-Tertial doch einiges mitgenommen habe.
Ansonsten hatten wir wieder jede Menge unklare Fälle, insbesondere in der Dermatologie (unklare bds., sonst symptomlose Lidschwellung bei einer 20-Jährigen ohne Vorerkrankungen und mit blandem Labor; multiple fleckförmige erythematöse Veränderungen an den Extremitäten bei einer ca. 50-jährigen Patientin mit Non-Hodgkin-Lymphom und Antikörpertherapie). Ein Highlight war für mich, dass ich an einem Abend mich über das Vorgehen bei Makrohämaturie eingelesen hatte; am nächsten Tag stellte sich zufällig eben ein ca. 45-Jähriger mit Makrohämaturie und bds. Flankenschmerzen. Ich finde diese Mischung aus Theorie und praktischer Anwendung sehr bereichernd und finde es schön, dass man hier mehr Freizeit als in der Klinik hat, um diese Theorie sich nebenbei aneignen zu können.
Ein anderer Fall, der für mich recht eindrücklich war, war ein Patient mit schweren psychischen Erkrankungen: Depression, soziale Phobie, Persönlichkeitsstörung… “Wahrscheinlich wird er sich umbringen, sobald [..sein einziger sozialer Kontakt...] nicht mehr leben wird. "Das können wir wahrscheinlich nicht verhindern, wir haben schon alles versucht.” Mich wundert die Schwere dieser Schicksale immer wieder. Der tagtägliche Spagat der Allgemeinmedizin von der Krankmeldung bis zu solchen Fällen ist unfassbar und von außen wahrscheinlich ziemlich unsichtbar.
Schließlich merke ich, dass ich Fortschritte mache und mit manchen Krankheitsbildern (wenn auch unkompliziert und benigne) viel besser umgehen kann, da ich sie schon gesehen habe und mich da inzwischen oft schon eingelesen habe. Was für ein schönes Gefühl!
Woche 9: 28.08. – 03.09.2023
Diese Woche war ich in Kirchberg, Schöfweg und Lalling. Zudem war ich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wieder mit dabei beim Notarzt-Nachtdienst. Nur ein früher Einsatz dieses Mal… Jedoch war die Nacht leider nicht erholsam (das Gehirn schaltet traurigerweise nicht gut ab, wenn man weiß, dass jederzeit an der Tür geklopft werden kann und man in den nächsten Notfall rennen wird!).
À propos, Notfall: spannend stellte sich heraus, dass eine am Montag von uns eingewiesene Patientin mit Infekt und nicht sehr eindeutigen Beschwerden (gastrointestinale Beschwerden und HWI-Symptome) einen Nierenabszess hatte. Ich weiß noch, dass wir sie eingewiesen haben, weil sie einen schlechten klinischen Eindruck ergab.
Ich nehme für mich mit: 1) bei Infekt mit schlechtem AZ an die Sepsis als AGV schneller zu denken und 2) selbst bei größter Sorge der Betroffenen und Angehörigen nicht dem Druck nachzugehen, die Leute beruhigen zu wollen und ihnen zu versprechen, dass “Alles gut” sein würde. In diesem Fall kam bei der 50-jährigen Patientin sogar ein Nierenzell-CA in Frage… Das macht mich deshalb nachdenklich, weil ich damals der Patientin und ihrem Ehemann versichert hatte, dass “wahrscheinlich nach ein paar Tagen Diagnostik und unterstützender Therapie alles gut verlaufen” würde. Man lernt in der Medizin nie aus - erst recht nicht in der Allgemeinmedizin.
Ansonsten freue ich mich, dass ich mittlerweile deutlich routinierter geworden bin und mich gerade in Schöfweg mit den Abläufen gut vertraut fühle. Die Zeit geht sehr schnell vorbei und tatsächlich werden die restlichen Wochen, die mir übrig bleiben, immer weniger. Ich werde die Zeit möglichst nutzen und mein Bestes geben, bevor ich in die M3-Lernzeit einsteige.
Woche 10: 04.09. – 10.09.2023
Als ich heute morgen noch halb verschlafen in der Schöfweger Praxis ankam, begleitete ich sofort Dr. Kleudgen und die MFA-Wundspezialistin ins Zimmer 6, wo ich als Allererstes auf einen wunden Fuß ohne Großzeh traf, dessen Haut sich schon wie eine Reißverschluss vollkommen ablöste. Ich erspare euch lieber weitere Details. Guten Morgen und willkommen in der Allgemeinmedizin! Wer sich eine lange und langweilige Serie von Krankmeldungen und Schnupfenpatienten vorstellt ist hier definitiv falsch. Davon habe ich zwar jeden Tag was gehabt, aber so chirurgisch hatte ich mir die Hausarztpraxis noch nie vorgestellt. Ich bin beeindruckt, wie viele Hüte man von einem Patienten zum Nächsten aufziehen muss. Man behandelt hier eine hässliche Wunde (ob venös, arteriell, pAVK oder diabetisch oder Phlebitis oder sonst noch wie bedingt… Da traue ich mir keine Interpretation der Befunde, die ich hier mitbekomme). Ich hatte Angst vor der Überforderung, aber insgesamt gefällt mir viel mehr diese Vielfalt, die Mischung aus somatischen Problemen und Untersuchungen, der weiterhin bestehende Anteil an psychischen Beratungsanlässen. Ich empfinde dadurch, dass mein Blick auf die Gesundheit, die Medizin und darüber, wie Körper und Geist “funktionieren”, bereichert wird.
Ich hatte außerdem diese Woche immer wieder das Gefühl, hier und da meine Erfahrungen aus den anderen Praxen mit einbringen zu können. Ich stieß dabei auf sehr hohes Interesse. Das ist ja in der Tat eine Bereicherung, Studierende bei sich zu haben, die von Woche zu Woche alle verschiedenen Abläufe zu sehen bekommen und darüber berichten können. Wenn man einen festen Standort hat, ist man zwar in der eigenen Arbeit deutlich routinierter… Und ggf. in eigenen Verfahrens- und Denkmustern festgefahrener. Dadurch, dass ich fast immer zu den Check-Ups geschickt werde, habe ich inzwischen doch die einen oder anderen Tricks zu den Ultraschallgeräten herausgefunden.
Der Mittwoch war durch tolles Wetter und Schulferien extrem ruhig in der Sprechstunde; das nutzten wir sofort aus, um an uns selbst das TVT-Schallen auszuüben. Mittlerweile tauchen wieder mehr Covid19-positive Patienten auf. Ich bin gespannt, wie der kommende Winter diesbezüglich ablaufen wird. Ansonsten habe ich wie immer jede Menge Neues dazu gelernt: Tetanusübertragung durch Zecken, Ehrlichiose, Umgang mit Thyreostatika bei Schilddrüsenszintigrafie, Patella-Spitzensyndrom, Clavus/Hühnerauge (wovon ich weder privat noch medizinisch bisher jemals gehört hatte…), mögliche Vorgehensweisen bei der Anpassung der Antihypertensiva...
Nach einer wieder lehrreichen und intensiven Woche freue ich mich aufs Spätsommer-Wochenende.
Woche 11: 11.09. – 17.09.2023
Diese Woche war ich in Kirchberg, Lalling und zum ersten Mal in Rinchnach.
Der erste Patient, den ich noch vor 8 Uhr morgens in Kirchberg zusammen mit meiner neuen Mit-PJlerin Katharina anamnestizieren durfte, hatte laut Kartei als Behandlungsgrund: "Bauchschmerzen".
Gleich beim Eintreten ins Zimmer konnten wir schon ein paar Blockdiagnosen stellen: ca. 55 bis 65 Jahre alter Patient, Adipositas bis Adipositas permagna, COPD (der Patient hatte seine Sauerstoffbrille und -flasche dabei), und bestimmt noch einige metabolische Vorerkrankungen mehr. Er empfang uns sitzend, die Schmerzen schienen noch aushaltbar zu sein. Die Vorgeschichte lautete ungefähr wie folgt: Durchfall vor 2 Tagen, Bauchschmerzen, etwas Fieber. Und dann: plötzlich nichts mehr. Kein Durchfall, und sonst gar nichts, kein Stuhlgang, "minimaler" Luftabgang. Nur diese Bauchschmerzen, die nicht nachlassen. Ich hatte schon jede Menge Differentialdiagnosen im Kopf, ohne sie auf die Schnelle wirklich hierarchisieren zu können. Wir hörten den Bauch ab; leichte Darmgeräusche hörte ich, dachte ich, schon. Der Bauch war aber auffällig prall, und so gebläht, dass ich die Bauchdecke nicht eindrücken konnte. Was das schon ein bretthartes Abdomen? Bei dem Körperbau des Patienten sehr schwer zu beurteilen. Jedenfalls war unser nächster Schritt die Darmsonographie, die ich mir ehrlich gesagt bei diesem Patienten nicht zutraute.
Als ich ein paar Minuten später am Zimmer wieder vorbei lief, erfuhr ich, dass Dr. Machac das Klaviertastenphänomen im Sono gesehen hatte, und den Patienten mit V.a. paralytischen Ileus eingewiesen hatte. Willkommen wieder in der Allgemeinmedizin!
Andere spannende Fälle erwarteten mich bis zum letzten Wochentag. Ich sah meine ersten hochgradigen Hämorrhoiden, nicht wieder eindrückbar... und erfuhr am darauffolgenden Tag von den Proktologen, dass das keine waren, sondern eine Analvenenthrombose.
Ich sah zudem einen Patienten am Ende der Woche für einen Check-Up wieder, den ich am Montag schon aufgenommen hatte, und der damals ziemlich aggressiv und konfrontativ die "Abnehmspritze" gefordert hatte. Der Patient hatte seit wenigen Tagen eine ED Diabetes, und erst beim späteren Termin zum Check-up (bei dem der Patient deutlich ruhiger und entspannter war), konnte man begreifen, dass der Patient von seiner Diagnose zutiefst verängstigt war. Angst vor Krankheitsdiagnosen, vor seinem kranken Körper, vor Ankündigungen, die ihn an die multiplen Krebserkrankungen in seiner Familie erinnerten... "Gerade erst endlich die Antidepressiva abgesetzt, und dann das."
Die Angst dürfte sehr wohl berechtigt sein. Eine chronische Erkrankung, an der er höchstwahrscheinlich nicht mehr heilen wird, und die verheerende Folgen für den gesamten Körper haben kann - für mich wäre das auch ein Schock.
Ich fand es eine bereichernde Lehre, diesen Patienten wiedergesehen zu haben. Und dies, obwohl ich nach unserer ersten Begegnung zugegebenermaßen nicht so begeistert war, ihn wieder auf dem Gang zu sehen. Ich nehme für mich mit: Jede Patientin und jeder Patient haben ihre Gründe zu handeln und sich zu verhalten, wie sie es tun. Und wenn ihre Aggressivität offensichtlich nicht an uns liegt, dann muss die Erklärung woanders liegen.
Anderes Ereignis, was mich zum Nachdenken gebracht hat: ein ca. 55-jähriger Patient mit Z.n. Herpesfacialisparese erzählte Dr. Machac und mir von seiner Reha. "Dann habe ich auch ein Hilfsmittel bekommen, einen Vibrator..." Er schaut mich mit einem Lächeln an: "Nicht der Vibrator, woran Sie denken!!" (Er lacht). Ich bin sprachlos. Ich entscheide mich dafür, den "Witz" zu ignorieren und schlichtweg keine Reaktion zu zeigen, als ob ich nichts gehört hätte. Anamnese wird fortgesetzt. Im nächsten Moment muss Dr. Machac aber unerwartet raus, ich soll spontan weitermachen. Ich setze mich vor den PC hin und stelle ein paar weitere Fragen zur Ergänzung.
Aber der Patient kommt schon wieder auf das Thema zurück, welches er offensichtlich höchst unterhaltsam findet: "Das war ein Vibrator für das Gesicht." Ja, das hieß wirklich so: Mini-Vibrator! Aber eben nicht der Andere, den Sie benutzen würden... " (Lachen, Augenzwinkern in meine Richtung).
Ich kann es nicht fassen. Einmal war es schon zu viel gewesen. Ich entscheide mich schon wieder dafür, nicht darauf einzugehen, wechsle das Thema mit einer anderen Frage und trage die Antworten in die Kartei ein.
Es mag nur ein Detail sein, und für den Patienten bestimmt völlig harmlos. Einfach "unterhaltsam".
Das ist es eben aus meiner Sicht nicht.
Nie habe ich einem männlichen Patienten sexuelle Anspielungen, wenn auch nur zum "Lachen", gemacht. Und noch weniger würde ich es als Patientin bei einem behandelnden Arzt oder jungen Studenten machen. Das würde einfach die Grenze des "politisch Korrektem" überschreiten. Mir ist bewusst, dass man diese Grenze manchmal überschreitet, und dass es manchmal sogar eine dankbare, humorvolle und erleichterte Stimmung mit sich bringen kann, was in einer Praxis, in der man doch mit vielen Schicksalsschlägen zu tun hat, mal ganz willkommen sein kann. Doch ich würde mir wünschen, nicht lernen zu müssen, mit unerwünschten Anspielungen umzugehen.
Mit dem Thema Sexualität hatte ich in meinen bisherigen Monaten (oder gar in meinem bisherigen PJ) extrem wenig zu tun.
3 Patienten hatte ich bisher hier, mit 1) Chlamydien, 2) a.e. Latex-Allergie und gleichzeitigem Atemwegsinfekt, und 3) unklarem funktionellem, erektilen Syndrom. Natürlich wurde das Thema dann angesprochen. Ich kann mich aber ansonsten an kein einziges Mal erinnern, wo das Thema weder von Patienten noch ärztlicherseits in meiner Anwesenheit angesprochen wurde.
Bei diesen oben genannten Patienten lief der Kontakt aber erstaunlich gut. Die Patienten waren respektvoll, und ich versuchte, möglichst professionell und zügig zu handeln, um die Untersuchung nicht noch lästiger zu machen.
Ich kann das nicht als Kleinigkeit einfach vergessen. Die Grenze zwischen "ich mache einen sexuellen Witz vor der Frau vor mir" zu "ich respektiere diese Frau nicht und nehme sie als Ärztin nicht ernst" ist leider zu dünn. Und leider wurden ich oder Ärztinnen vor meinen Augen schon viel zu oft nicht ernst genommen. Vom alten Lehrer auf Privatstation, der mich duzt und mit meinem Vornamen anspricht; zum "Schwester, machen Sie das Fenster bitte zu"; zum "es war ja immer noch keine Ärztin da", gerade dann, während die erwähnte Stationsärztin gegen 18h die Aufnahme machte und den Zugang legte.
Das war hier ein einmaliges, flüchtiges Ereignis. Das wird in meiner ärztlichen Laufbahn leider sicher nicht das Letzte sein. Ich würde mir wünschen, ohne diese Ereignisse arbeiten zu dürfen. Ohne Anspielungen. Mit Respekt. Mit Wahrnehmung meines Studiums, meines Berufs und meiner Funktion. Ganz normal, also. Wie ein "ganz normaler Arzt".
Woche 12: 18.09. – 24.09.2023
Ich war diese Woche in Kirchberg und Rinchnach.
Am Montag Abend hatten wir noch einen Zoom-Termin mit Dr. Blank, in dem die Erwartungen an das PJ und an die Studierenden besprochen wurden. Am Dienstag Nachmittag waren wir zudem als Tutorinnen beim EKG-Kurs des Exzellenten Sommer dabei.
Angesichts des Schuljahresbeginns kommen deutlich weniger Patienten in die Praxen. Da war es dann so, dass man tatsächlich selbst in Kirchberg Zeit zum Durchatmen und Nachschauen hatte.
Am Mittwochnachmittag wurde für alle PJ-Studierenden eine Übungssession mit Einführung in die Sonografie durch Dr. Machac organisiert. Er schaffte es, beim Vortragen mühelos die Appendix schön darzustellen - meine Versuche blieben allerdings erfolglos!
Ansonsten war ich diese Woche leider etwas angeschlagen. Ich habe vermutlich einen der vielen Erkältungserreger abgefangen, die wir in der Praxis mitbekommen, und die Erkältung ist hartnäckiger, als ich mir wünschen würde. Der Herbst ist nun im Bayerischen Wald wirklich angekommen. Ich hatte fast vergessen, wie sich das anfühlt, mit Maske zu leben ... Daher hatte ich nicht ganz so viel Energie wie sonst, aber diese kommt hoffentlich für meine letzte Woche wieder!
Woche 13: 25.09. – 01.10.2023
Es war meine letzte Woche in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald.
Die nächsten PJlerinnen sind mittlerweile gut eingeweiht und die Wintersaison kündigt sich mit Start der Covid- und Grippeimpfungen an.
Die morgendliche Aussicht des Sonnenaufgangs auf das vernebelte Kirchberg und die herbstlichen Farben des Waldes wurden im Verlauf immer schöner. Ich denke, dass Herbst eine schöne Jahreszeit für einen Aufenthalt im Bayerischen Wald ist.
Spannend blieb es bei mir bis zum letzten Tag, an dem wir noch einen Notfall (Asthma, möglicherweise Analgetika-Asthma, DD Anaphylaxie) hatten.
Ich bin dankbar für all das, was ich in meinem Tertial gelernt habe, und bereue meine Entscheidung nicht, das PJ in der Allgemeinmedizin gemacht zu haben.
Etwas wehmütig schaue ich auf meine letzten Tage, in denen ich als Studentin Patienten betreut habe, und auf mein gesamtes Studium zurück... Jetzt, nachdem nun meine PJ-Unterlagen alle auf dem Weg zum Landesprüfungsamt sind. Ich war gerne Studentin. Doch der nächste Abschnitt rückt näher und bald werde ich Ärztin. Next steps: Staatsexamen, Approbation, Klinik. Ich bin selbst gespannt, wo es mich dann hinziehen wird.
Alicia Reißenberger
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Woche 1: 22.05. – 28.05.2023
Voller Vorfreude, Aufregung und ja, auch ein wenig Bammel steige ich am Sonntagmittag ins Auto und mache mich auf die knapp dreistündige Anreise in den Bayerischen Wald. Ich freue mich, dass ich das erste Tertial meines PJ‘s in einer familiären und herzlichen Praxisatmosphäre erleben darf. Dass ich am ersten Tag nicht durch triste Krankenhausflure irren werde, nimmt mir die Aufregung und lässt die Neugierde und Vorfreude steigen.
In Grafenau angekommen, bestaune ich erst einmal das liebevolle, altmodische Haus, in welchem ich mit PJ´lerin Tabea für die nächsten vier Monate untergebracht bin. Zuerst etwas verwirrt von den vielen Zimmern und Türen, finden wir uns dank ausführlicher Hausordnung schnell zurecht und stellen verblüfft fest, dass es uns hier an nichts fehlen wird: Bettwäsche, Handtücher, Geschirr… für alles wurde gesorgt. Schnell ist mein Zimmer bezogen und wir lassen den Abend bei gemütlichem Kennenlernen am Küchentisch ausklingen.
Nach einer erholsamen ersten Nacht finde ich mich in der Praxis Dr. Bolla/ Dr. Hackl in Fürstenstein wieder. Herzlich werde ich dort vom gesamten Praxisteam in Empfang genommen. Anschließend bekomme ich eine kleine Rundführung durch die Praxis und eine ausführliche Einweisung in die Praxissoftware. Dann geht es auch direkt mit dem praktischen Arbeiten los: bereits nach wenigen Patienten werde ich für Anamnese und Untersuchung vorausgeschickt. Dabei stellen mich Dr. Hackl und Dr. Bolla wie selbstverständlich als „junge Ärztin“ bei den Patienten vor. Diese Anrede klingt momentan noch ziemlich ungewohnt, bringt mir aber gleichzeitig auch eine große Portion Wertschätzung entgegen, worüber ich mich sehr freue.
Der erste Tag vergeht wie im Nu und bietet direkt ein großes Spektrum der hausärztlichen Tätigkeit: Akutkonsultationen, DMP-Programme, Jugendarbeitsschutzuntersuchung, Hausbesuche, Visite im Altersheim… Es war wirklich von allem etwas dabei. Überall konnte ich bereits etwas mitnehmen. Gleichzeitig wurde natürlich auch eine Liste in meinem Kopf immer länger: so viel Wissen und praktische Skills schreien danach, aufgefrischt zu werden.
Auch der zweite Tag vergeht auf ähnliche Weise schnell. Heute nehme ich in der Mittagspause erstmalig an der standortübergreifenden Fallbesprechung teil. Für knapp 45min trifft man sich in einem Online-Meeting: Ärzte und PJ’lern tauschen sich zu kniffligen Fällen aus, die sie in den vergangenen Tagen beschäftigt haben.
Nach einem kurzen Mittwochvormittag in der Praxis von Dr. Bolla machen wir uns auf den Weg nach Cham. Dort organisiert der Landkreis eine abwechslungsreiche Teaching-Reihe für angehende Mediziner: jeden Mittwoch wird ein neues Thema behandelt. Erstmalig lernen Tabea und ich somit auch Julia und Andreas kennen, welche in Kirchberg untergebracht sind. Die knapp einstündige Fahrt nutzen wir fleißig, um uns kennenzulernen. In Chamer Klinikum angekommen empfängt uns Allgemeinchirurg Dr. Florian Stadler zum heutigen Nahtkurs. Nähen – eine Tätigkeit, die mir weiterhin ziemlich schwer fällt und in meinem bisherigen Studium deutlich zu kurz kam. Schnell sitzen wir vor Knotenbänkchen, Schweinebäuchen und Nahtsets. Dr. Stadler bringt uns mit einer Engelsgeduld verschiedene Fertigkeiten, Tipps und Kniffe bei, sodass ich mich nach dem Kurs tatsächlich wieder etwas sicherer fühle. Anschließend beschließen wir den Abend bei einer Pizza in Regen ausklingen zu lassen.
Auch der Donnerstag und Freitag vergehen wieder wie im Flug. Dabei gibt es auch wieder den ein oder anderen äußerst spannenden (ungelösten) Fall. So komme ich in den Genuss, zusammen mit Dr. Hackl, einen Ganzkörperstatus inklusive ausführlicher neurologischer Untersuchung zu erheben. Für mich natürlich eine tolle Möglichkeit, eine solche umfassende Untersuchung durchzuführen und mir den ein oder anderen Kniff von Dr. Hackl abzuschauen.
Nach dieser schönen, aber doch auch anstrengenden ersten PJ-Woche freue ich mich nun auf ein verlängertes Pfingstwochenende in der Heimat.
Woche 2: 29.05. – 04.06.2023
Die zweite Woche beginnt nach einem langen Pfingstwochenende am Dienstagmorgen in Röhrnbach. Dort nimmt mich Frau Dr. Marion Krenn für diese Woche auf, da die Praxis in Fürstenstein eine Woche Urlaub genießt.
Der Dienstag steht ganz im Zeichen der Wundsprechstunde. Zahlreiche diabetische Füße und Ulcera wollen neu verbunden und vor allem beurteilt werden. Ich staune über das Wissen von Frau Krenn zu den zahlreichen verschiedenen Wundauflagen, Salben und Desinfektiva. Ein Wirrwarr, durch welches ich bei Weitem nicht durchsteige. Dabei finde ich es einerseits schön zu beobachten, wie erleichtert die Patienten reagieren, wenn die Wunden von Mal zu Mal etwas kleiner werden und wie viel Dankbarkeit sie der Ärztin und geschulten MFA entgegenbringen. Andererseits gibt es auch sehr viele Patienten, welche trotz mehrmaliger Aufklärung nicht verstehen, wie schlecht es beispielsweise um die Durchblutung ihrer Beine steht, wie wichtig es wäre mit dem Rauchen aufzuhören, oder wie wichtig eine konsequente Kompressionstherapie ist – eine durchaus frustrane Arbeit, abermals aufzuklären und den Patienten ins Gewissen zu reden.
Zum Ausklang des Tages unternehme ich bei bestem Wetter eine kleine Abendrunde auf den Lusen und genieße den herrlichen Ausblick über den Bayerischen Wald.
Den Mittwoch Vormittag verbringen wir mit Heimbesuchen. Dabei bestaune ich Frau Krenns herzliche Herangehensweise an den - häufig vermeintlich unbeliebten - Hausbesuch im Seniorenheim: Sowohl den Bewohnern, als auch den Pflegekräften, bringt sie eine große Portion Wertschätzung und Aufmerksamkeit entgegen. Sie erklärt mir, dass diese Besuche oft eher wenig Medizin fordern, als vielmehr Empathie und soziale Interaktion. So unterhalten wir uns mit zahlreichen Patienten über ihr Wohlbefinden und hören von bewegenden Lebensgeschichten.
Am Nachmittag machen wir uns dann erneut zum Teaching nach Cham auf. Heute bringt uns Dr. Michael Igl, Allgemeinmediziner und Notarzt, die Notfallmedizin näher. Dazu dürfen wir im dortigen BRK-Kreisverband zunächst einen ausführlichen Blick in die Ausstattung von RTW und NEF werfen. Anschließend üben wir in mehreren Zyklen gemeinsam eine Reanimation zu bewältigen.
Am Donnerstag führe ich gemeinsam mit Frau Dr. Krenn eine Schilddrüsen- und Abdomen-Sonographie durch. Sie erklärt mir dabei ihr strukturiertes Vorgehen und gibt gute Tipps, an welchen Leitstrukturen ich mich orientieren sollte. Dabei stelle ich fest, dass mir die räumlichen Verhältnisse im Sonographieschnitt noch ziemliche Schwierigkeiten bereiten. Immer wieder muss ich mir vor meinem geistigen Auge vorstellen, wie genau der Schallkopf gerade den Körper schneidet – regelmäßig bekomme ich dabei einen Knoten in den Kopf. Ich hoffe, dass ich diese Tätigkeit während meines Tertials besser erlernen werde, aber da bin ich durchaus zuversichtlich. So schlage ich am Nachmittag noch einmal ausführlich die anatomischen Verhältnisse im Oberbauch nach, was sich bereits am nächsten Tag bezahlt macht: An einer schlanke Check-Up-Patientin mit äußerst guten Schallbedingungen, darf ich mich an der Abdomen-Sonographie probieren. Gemeinsam mit Frau Krenns helfender Hand, die gelegentlich den Schallkopf führt, gelingen mir heute auch schwierigere Einstellungen. „Dran bleiben“ lautet also die Devise für mein PJ-Tertial!
Ich bin Frau Dr. Krenn sehr dankbar, dass sie mich diese Woche so herzlich aufgenommen hat. Neben medizinischen Kenntnissen hat sie mir auch einige sehr wertvolle Tipps für meinen weiteren Weg mitgegeben. Vor allem ihre einfühlsame und wertschätzende Gesprächsführung mit ihren Patienten hat mich zutiefst beeindruckt und ich hoffe, dass ich mir ein klein wenig davon für meinen zukünftigen Werdegang abschauen konnte.
Nun freue ich mich auf ein sonniges Wochenende im Bayerischen Wald: geplant ist ein Ausflug nach Passau und eine Wanderung auf den Rachel.
Woche 3: 05.06. – 11.06.2023
Meine dritte Woche beginnt nun wieder bei Dr. Bolla und Dr. Hackl in Fürstenstein. Nach dem einwöchigen Praxisurlaub ist der Ansturm auf die Praxis groß und zahlreiche Patienten trudeln in der Praxis ein. Zu allem Überfluss streikt auch noch die Praxissoftware: das perfekte Chaos nach dem Urlaub eben. Gemeinsam versuchen wir, die turbulente Sprechstunde abzuhandeln.
Am Mittag fahren wir dann auf mehrere Hausbesuche. Dabei auskultiere ich bei einer Patientin das Herz und stelle eine Tachyarrhythmie fest. Wir bestellen sie am Folgetag für ein EKG in die Praxis. Als sich in diesem wirklich ein neues Vorhofflimmern zeigt, freue ich mich, dass ich bei der Auskultation scheinbar richtig hingehört habe. Schnell wird die Antikoagulation angepasst.
Gemeinsam mit Dr. Bolla kann ich diese Woche mehrere Sonographien durchführen, beziehungsweise darf schon einmal „vorschallen“. Leider fallen bei einer Patientin malignitätsverdächtige Raumforderungen der Leber auf. Während ich diese zunächst einmal übersehen habe, erkenne ich die rundlichen Strukturen nach Dr. Bollas Hinweis allerdings deutlich. Ein Bild, das sich einprägt. Aufgeregt verharre ich nach der abgeschlossenen Untersuchung und lausche, wie Dr. Bolla den Befund übermittelt und die Patientin mit einer Überweisung für ein CT entlässt. Das Überbringen schlechter Botschaften – eine heikle Sache, die man im Studium leider kaum lernt. Nun drücke ich die Daumen und bin schon gespannt, was die Radiologie zeigen wird.
Am Mittwochnachmittag findet wieder das Teaching des Landkreises Cham statt. Diese Woche in virtueller Form. Für mich eine durchaus willkommene Abwechslung nach den vergangenen langen Praxistagen, welche mich durchaus gefordert haben: so entfällt die lange Fahrt nach Cham, mittags ist mal ein Stündchen für Erledigungen Zeit und der Feierabend kann etwas früher beginnen. Diese Woche referiert Dr. Knon über gleich zwei Themenkomplexe: der erste Teil dreht sich um die Strukturen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, während der zweite Teil einige nuklearmedizinische Verfahren beleuchtet. Herr Knon, selbst Nuklearmediziner und im Chamer Gesundheitsamt tätig, erläutert die Anwendungsbereiche von Myokard-, Skelett-, Lungen-, Schilddrüsen-Szintigraphie. So sollte man beispielsweise eine Szintigraphie der Lunge zur Diagnostik einer Lungenembolie in Betracht ziehen, wenn Patienten aufgrund schlechter Nierenfunktion keiner CT-A zugeführt werden können.
Eine weitere aufregende Erfahrung ereilt mich als Dr. Hackl zu einer Leichenschau gerufen wird. Die Patientin eines Kollegen, welcher diese Woche im Urlaub ist, ist verstorben. So machen wir uns wenig später mit den Unterlagen auf den Weg zum Haus der Verstorbenen, wo uns die Angehörigen empfangen. Ausführlich betrachten wir jede Körperstelle des kachektischen Leichnams, prüfen Totenstarre und die Verteilung der Totenflecken. Letztendlich kann Dr. Hackl guten Gewissens eine natürliche Todesursache bescheinigen.
Ganz spontan setzen Tabea und ich uns diese Woche am Küchentisch zusammen und versuchen gemeinsam einen fiktiven Patientenfall zu bearbeiten. Dabei nutzen wir ein Fallbuch eines bekannten Verlages und sprechen Frage für Frage gemeinsam durch. So beschäftigen wir uns mit dem Themenkomplex Kopfschmerz und Depression. Ich empfinde es als tolle Übung, die Fälle gemütlich miteinander durchzusprechen und die Ideen sprudeln zu lassen. Wir profitieren beide von unserem gegenseitigen Wissen.
So schnell neigt sich auch die dritte PJ-Woche bereits dem Ende und ich freue mich nach den langen Praxistagen auf ein erholsames Wochenende, welches ich mit etwas Bewegung an der frischen Luft füllen werde.
Woche 4: 12.06. – 18.06.2023
Nach einem sonnigen Wander-Wochenende beginnt die neue Woche mit dem montäglichen turbulenten Treiben in der Praxis.
In der Mittagspause hören wir eine spannende Fortbildung zu SGLT2-Hemmern und deren Wirkung - neben Diabetes Typ 2 - auf Herz- und Niereninsuffizienz. Außerdem beleuchten wir verschiedene Nebenwirkungen kritisch: Hypovolämie, urogenitale Infektionen bis hin zur seltenen, aber gefährlichen, diabetischen Ketoazidose.
Eine spannende Konsultation ergibt sich, als Dr. Hackl mich zu einem Patienten mit Beinschwellung hinzu ruft. Schnell stellt sich der Verdacht auf eine tiefe Beinvenenthrombose ein. So weisen die Beine eine deutliche Umfangsdifferenz von mehr als 3 cm auf. Ich erhebe zunächst einen Wells-Score, welcher mit 3 Punkten eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Thrombose anzeigt. Anschließend schaue ich Dr. Bolla über die Schulter, wie er eine Kompressionssonographie der Beinvenen durchführt. Sofort fällt ein langstreckiger Thrombus der V. femoralis auf, welcher bis in die Beckenvenen reicht. Rasch klären wir die stationäre Aufnahme des Patienten ab und versorgen ihn mit einer Heparingabe.
Da der Patient über keinerlei (Druck-) Schmerzsymptomatik klagte, kommt mir auch eine Vorlesung aus den vergangenen Semestern wieder in den Sinn, in welcher uns eine Ärztin eindringlich vermittelt hat, dass Thrombosen sich interindividuell sehr variabel zeigen können und man deshalb frühzeitig hellhörig werden sollte.
Am Mittwochnachmittag findet wieder das wöchentliche Chamer Teaching statt. Diese Woche erneut in virtueller Form. Frau Dr. Anita Breu, anästhesiologische Chefärztin des Chamer Klinikums, behandelt mit uns das Thema „Schmerztherapie“. Sie differenziert mit uns zwischen der Therapie des akuten und chronischen Schmerzes und stellt uns die verschiedenen Therapiekonzepte vor: von WHO-Stufenschema und Koanalgetika bis hin zu lokalen Verfahren. Außerdem stellt sie das bio-psycho-soziale Modell des chronischen Schmerzes in den Vordergrund – einen Wechselkreis, welchen man nicht unterschätzen darf. Am Ende üben wir unser neu vertieftes Wissen an einigen kurzen Patientenfällen gemeinsam anzuwenden.
Mittwochabend findet diese Woche zusätzlich ein Journal-Club mit zahlreichen Teilnehmern statt. Im Abstand von 6 – 8 Wochen werden verschiedene Studien gemeinsam diskutiert. Aus den Ergebnissen der Studien und der Diskussion ergibt sich dann häufig ein gemeinsames Fazit, wie man das Thema angehen könnte. Für mich waren diese Art von Diskussion etwas komplett Neues, im Gegensatz zur universitären Lehre. Nach zahlreichen Vorlesungen waren gewisse Abläufe für mich nahezu gesetzt, getreu dem Leitfaden: „Wenn Situation XY vorliegt, führst du Z durch“. Das kritische Hinterfragen von scheinbar standardisierter Therapie und Diagnostik ist somit ein ganz neuer Punkt für mich: Hat eine statininduzierte LDL-Senkung wirklich einen Nutzen auf das kardiovaskuläre Outcome eines Patienten? Sollte die Vorsorgekoloskopie wirklich ab 55 Jahren strikt empfohlen werden? Ein wirklich spannender Abend!
Diese Woche schaue ich außerdem Frau Hackl, welche als MFA zur Diabetesassistentin weitergebildet ist, bei einer Diabetesberatung über die Schulter. Ich staune, wie einfach und verständlich sie ihr Wissen an die Patienten weitergibt. Sie behandelt mit ihnen in wöchentlichen Sitzungen diabetesrelevante Themen, wie beispielsweise eine gesunde Ernährung, und klärt über diabetische Folgeerkrankungen auf. Dieses Mal geht es um das diabetische Fußsyndrom. Nachdem sie die Pathophysiologie anschaulich erklärt hat, gibt sie einige Tipps zur richtigen Fußpflege und Prävention. Ich empfinde die Schulung als eine tolle Sache, welche die Patienten bei der durchaus schwierigen Lebensumstellung unterstützt.
Nun ist auch schon fast der erste Monat im Bayerischen Wald vorbei – Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht! Ich freue mich jetzt erstmal auf ein sommerliches Wochenende.
Woche 5: 19.06. – 25.06.2023
Die neue Woche beginnt wie gewohnt in Fürstenstein. Schon montags zeichnet sich ab, dass wir uns mitten in der ersten Hitzewelle des Sommers befinden. Die Sprechzimmer heizen sich im Laufe des Tages auf und man merkt Personal und Patienten die drückende Hitze an. Auch für mich eine Herausforderung, welche die Tage etwas anstrengender werden lässt. So ergibt sich eine neue Aufgabe zwischen den Konsultationen: ausreichend trinken.
Gemeinsam mit Dr. Bolla setze ich mir für die kommenden zwei Wochen zum Ziel, meine Fähigkeiten in der Schilddrüsensonographie auszubauen. Dankenswerterweise hat er mir hierfür auch sein Sonographie-Lehrbuch ausgeliehen, wodurch ich reichlich nachschlagen kann. So darf ich die entsprechenden Patienten schon einmal voruntersuchen, bevor Dr. Bolla dann noch einmal mit mir gemeinsam den Schallkopf schwingt. Nach einigen regelrechten Schilddrüsen-befunden begegnet mir diese Woche auch zum ersten Mal ein großes Knotenstruma. Als ich etwas hilflos versuche die Ausdehnung des Strumas und der zahlreichen Knoten zu vermessen, kommt mir Dr. Bolla schnell zur Hilfe. Übung macht den Meister!
Mittwochs machen wir uns wieder zum Teaching des Landkreis Chams auf. Diesmal geht es in die urologische Praxis von Dr. Maurer in Falkenstein. Aufgrund eines heftigen Sommergewitters inklusive Platzregen und stürmischem Wind gestaltet sich die Anreise als durchaus abenteuerlich. Dort angekommen, empfängt uns Dr. Maurer herzlich mit Getränken und frischen Brezeln. In lockerer Runde sprechen wir knapp 1,5 Stunden über die wichtigsten urologischen Krankheitsbilder. Dabei legen wir ein spezielles Augenmerk darauf, wie diese sich in der Hausarztpraxis präsentieren können.
Im Lauf der Woche führe ich außerdem mehrere Vorsorgeuntersuchungen selbstständig durch: Check-Up, DMP, Jugendarbeitsschutzuntersuchung. So langsam merke ich, wie ich mittlerweile mein persönliches Schema entwickle. Die richtige Dokumentation und der Untersuchungsablauf klappen immer flüssiger, sodass ich mich immer besser auf die Patienten konzentrieren kann - ein angenehmes Gefühl. Im Zuge dessen nimmt sich Dr. Hackl außerdem einige Minuten Zeit, um mir das sogenannte Arriba-Tool ausführlich zu zeigen und an einigen Patienten zu demonstrieren. Dabei handelt es sich um eine Risikorechner, welcher beispielsweise das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse anhand verschiedener Parameter ermittelt. Anschließend lässt sich das ermittelte Ergebnis anhand einer anschaulichen Smiley-Darstellung für den Patienten verbildlichen. Schnell sind außerdem verschiedene Therapiestrategien in den Rechner eingepflegt und zeigen die resultierende Risikoreduktion anschaulich auf. Ein durchaus hilfreiches Tool zur patientenorientierten Beratung.
Am Donnerstag verbringe ich eine Mittagspause der etwas anderen Art: Ehepaar Hackl zeigt mir zum Mittagessen den örtlichen Biergarten. Gut gestärkt können wir anschließend in die überregionale Fallbesprechung gehen. Dabei diskutieren wir auch die Sinnhaftigkeit einer Antibiotikagabe bei einem unserer heutigen Patienten. Im Anschluss unternehme ich mit Dr. Hackl eine kleine Mittagswanderung durch die umliegenden Wälder und Steinbrüche Fürstensteins. Eine willkommene Abwechslung: ich merke, wie gut es mir tut bei etwas Bewegung abzuschalten, bevor es mit der turbulenten Nachmittagssprechstunde weitergeht.
Im Laufe der Woche konsultiert uns außerdem ein Patient mit schmerzhaften Muskelverspannungen im Lumbalbereich. Im Zuge dessen demonstriert mir Dr. Bolla, wie man eine Quaddelung mit Lidocain durchführt. Geschickt setzt er einige Hautdepots rund um die schmerzende Stelle. Anschließend entlassen wir den Patienten mit zusätzlicher Schmerzmedikation und dem Auftrag, körperlich aktiv zu bleiben. Als zwei Tage später ein ähnlicher Fall in der Praxis auftaucht, darf ich unter Dr. Bollas Augen erstmals selbst quaddeln. Er gibt mir einige Tipps, wo und wie ich einstechen soll und schnell habe ich den Dreh raus.
Zack – ist auch diese Woche schon wieder vorbei. Nun werde ich mich mal auf die Suche nach einer schönen Wanderung für das Wochenende machen: Falkenstein, Arber, Osser, Dreisessel… Wer die Wahl hat, hat die Qual.
Woche 6: 26.06. – 02.07.2023
Diese Woche muss ich zunächst mit einem kleinen Nachtrag vom Wochenende beginnen, da ich aus dem Schwärmen kaum hinauskomme. Am Samstagabend entscheide ich mich spontan zum Sonnenuntergang auf den Lusen zu steigen. Genüsslich kann ich das Farbenspiel am Horizont beobachten - im Tal sieht man außerdem einige Sonnwendfeuer leuchten - , bevor ich mich mit Stirnlampe an den Abstieg mache. Ein weiteres Highlight hat der Sonntag parat: Früh breche ich auf, um den kleinen Osser zu besteigen. Dabei nutze ich den alten Weg über den Südgrat, welcher mit leichten, aber durchaus luftigen, Kletterpassagen im ersten bis zweiten Grad gespickt ist und damit mein Bergherz höher schlagen lässt. Anschließend weiter über den deutsch-tschechischen Grenzsteig bis zum Zwercheck, welches mit seinen 1333m einen fantastischen Ausblick bietet. Auf jeden Fall eine Herzensempfehlung für jeden, der mal in der Gegend sein sollte.
Der Montag startet dann in Fürstenstein. Die Praxis ist mal wieder gut besucht. Eine schöne Erkenntnis mache ich, als ich merke, dass ich immer öfter Patienten schon kenne und die Geschichte der letzten Konsultation noch im Kopf habe. Aber auch umgekehrt: die Patienten kommen immer häufiger direkt auf mich zu und berichten mir, wie es Ihnen zu hause ergangen ist. Das ist für mich der wohl größte Vorteil an der hausärztlichen Tätigkeit: man kennt die eigenen Patienten und deren soziales Umfeld und Lebensgeschichte. Daraus ergibt sich ein Zusammenspiel an Komponenten, das im besten Fall in Diagnosefindung und Therapiemöglichkeiten mit einbezogen wird. Auch das man den Verlauf einer Erkrankung longitudinal beobachten kann, empfinde ich als äußerst spannend und wichtig. Im Gegenzug sieht ein Facharzt, welchen der Patient mit einer Überweisung konsultiert, meist nur eine Momentaufnahme der Beschwerden.
Diese Woche steht außerdem scheinbar im Zeichen der „kleinen Krabbeltierchen“. Gleich mehrere Patienten kommen mit Zeckenbiss in die Praxis. Manchmal steckt noch das gesamte Tier in der Haut, ein anderes Mal nur noch ein Zeckenrest. Bei dieser Gelegenheit erklärt mir Dr. Hackl, wie ich eine Zecke mit Hilfe der Zeckenzange richtig entfernen kann. Zudem weisen wir die Patienten darauf hin, die Rötung an der Bissstelle in den nächsten Wochen zu beobachten und sich bei Größenprogredienz erneut vorzustellen.
Des Weiteren stellt sich ein junger Patient vor, bei dem kleine Würmer im Stuhl aufgefallen sind. Auch die Anamnese mit perianalem Juckreiz klingt typisch nach Enterobius vermicularis. Wir verschreiben ein Wurmmittel und klären die Familie über Hygienemaßnahmen auf, um eine erneute Autoinfektion zu vermeiden. Eine andere Konsultation wegen papulösen Ausschlag mit Juckreiz lässt an Skabies denken. Die betroffenen Stellen - periumbilikal, in Hautfalten, genitalnah und zwischen den Fingern - passen gut zum Krankheitsbild. Nachdem im Behandlungsverlauf bereits eine cortison- und antibiotikahaltige Salbe ausprobiert wurde, welche zu keinerlei Besserung geführt hat, entscheiden Dr. Bolla und ich und deshalb dafür eine antiskabiöse Therapie. Ich bin schon gespannt, ob wir mit unserer Vermutung richtig liegen.
Mittwoch und Donnerstag darf ich mit Dr. Blank in seiner Grafenauer Filialpraxis verbringen. Ich freue mich darauf, einen Einblick in seine Arbeitsweise zu bekommen und somit verschiedene ärztliche Herangehensweisen kennenzulernen. Während ich bei den ersten eintrudelnden Patienten nur mitlaufen und Dr. Blanks Auftreten beobachte, darf ich nach kurzer Zeit auch eigenständig anamnestizieren, untersuchen und meine Beobachtungen korrekt dokumentieren. Anschließend kommt Dr. Blank hinzu und ich stelle die Patienten und meine erhobenen Befunden vor. Nachdem er sich erneut ein kurzes Bild von der Situation macht, ist meist schnell ein Therapieansatz gefunden. Dabei staune ich nicht schlecht, wie gut sich Dr. Blank mit evidenzbasierter Medizin auskennt. Zu vielen Therapieansätzen weiß er aus dem Stegreif, welchen statistischen Nutzen diese mit sich bringen. So argumentiert er beispielsweise fundiert und schlüssig, welches Medikament auch getrost weggelassen werden kann, da es sowieso kaum Risikoreduktion mit sich bringt.
Die wohl wichtigste Erkenntnis während der Tage bei Dr. Blank war aber eine ganz persönliche: ich darf mir gerne mehr zutrauen! Das, was ich mache, ist gut und meine zaghafte Haltung auf keinen Fall nötig. Diese Worte helfen mir enorm weiter, gerade jetzt, wenn man doch immer häufiger mit Zweifeln und Unsicherheit in Richtung Approbation blickt.
Auch der Freitag in Fürstenstein vergeht im Anschluss wie im Flug und ich mache mich mittags auf den Weg in die Heimat. Dort stehen am Wochenende mehrere Familienfeste an.
Woche 7: 03.07. – 09.07.2023
Die neue Woche startet am Montagmorgen in Fürstenstein. Da das neue Quartal beginnt kommen zusätzlich zahlreiche Patienten vorbei, um ihr Kärtchen einlesen oder eine alte Überweisung erneuern zu lassen. Die Praxismädels behalten dabei den Überblick und erledigen solche Anliegen flink neben der laufenden Sprechstunde. Mittags hören wir eine spannende Fortbildung zum Obstruktiven Schlafapnoesyndrom. Wir gehen neben den klassischen Risikofaktoren und der typischen Symptomatik, vor allem auf die Frage ein, wann eine (Screening-) Diagnostik erfolgen muss. Dabei lernen wir außerdem den Unterschied zwischen ambulanter Polygraphie und der Polysomnographie im Schlaflabor kennen. Im Zuge dessen werde ich auch zum ersten Mal auf diverse Scores aufmerksam, welche als Entscheidungshilfe dienen können: die Epworth Sleepiness Scale sowie den STOP-BANG Score.
Der Dienstag steht dann überraschend ganz im Zeichen der Wundversorgung. Kurz vor dem Ende der Mittagspause trudeln gleich zwei Patienten mit frischen Verletzungen in der Praxis ein. Ein kleiner Junge ist gestürzt und hat sich eine Platzwunde am Kinn zugezogen. Die Wundversorgung mit Klammerpflastern erfordert einige Ablenkungsmanöver, aber schnell können wir den kleinen Patienten versorgen und mit ein paar Trost-Gummibärchen nach Hause entlassen. Die zweite Wundversorgung erfolgt bei einer Patientin mit tiefer Schnittwunde an der Fingerkuppe. Nach der Reinigung der Wunde verschließt Dr. Bolla den Schnitt mit einigen Einzelknopfnähten. Dabei habe ich die Möglichkeit, das sterile Arbeiten und allen voran eine Leitungsanästhesie nach Oberst zu beobachten.
Mittwochs machen wir uns erneut auf nach Cham. Im Chamer Klinikum angelangt begrüßt uns auch schon Prof. Dr. Stefan Buchner. Er ist Chefarzt der Inneren Medizin und möchte uns heute in die Echokardiographie einführen. Zuerst gibt es einen Theorieteil mit zahlreichen Videosequenzen, anhand derer uns Dr. Buchner die standardisierten Schnittebenen der Echokardiographie näherbringt. Anschließend folgt die praktische Anwendung im Echolabor. Nacheinander dürfen wir uns an den verschiedenen Einstellungen versuchen, wobei Dr. Buchner uns tatkräftige Unterstützung leistet.
Diese Woche führe ich außerdem zum ersten Mal selbstständig einen Hausbesuch durch. Als Dr. Hackl mich mit dieser Aufgabe beauftragt, bin ich zuerst etwas überrascht und verunsichert. Nachdem Dr. Hackl mir einige Eckpunkte erläutert hat, fühle ich mich dennoch gut gewappnet und ziehe, mit Stethoskop und Praxis-Tablet bewaffnet, ins nahe gelegene Pflegeheim los. Der Patient ist nach langem Krankenhausaufenthalt in die Kurzzeitpflege entlassen worden und ich soll schon einmal nach dem Rechten sehen. Ich untersuche den Patienten ausführlich, erfasse Vitalwerte, lese den Entlassbrief und schließe mich mit dem Pflegepersonal kurz. Zurück in der Praxis berichte ich Dr. Hackl von meinem Eindruck und wir beschließen, in den kommenden Tagen noch einmal gemeinsam vorbeizuschauen.
So schnell ist auch die siebte Woche im Bayerischen Wald schon wieder vorbei. Nun steht erst einmal ein Wochenende inklusive Volksfest vor der Türe.
Woche 8: 10.07. – 16.07.2023
Die neue Woche beginnt mit einer spannenden Konsultation. Wir starten mit einer Schilddrüsen-Sonographie. Bei einem jungen Patienten sind im Routinelabor erhöhte Schilddrüsenhormone bei erniedrigtem TSH aufgefallen. Somit liegt eine manifeste Hyperthyreose vor. Auf Nachfrage werden auch typische Symptome wie Unruhe und vermehrtes Schwitzen angegeben. In der Duplexsonographie findet sich eine vermehrte Durchblutung des Schilddrüsengewebes. Wir fordern Schilddrüsen-Antikörper im Labor an, welche am nächsten Tag unsere Verdachtsdiagnose eines Morbus Basedow bestätigen.
Nachdem wir vergangene Woche die Fortbildung zum Thema Schlafapnoe gehört haben, kann ich mein Wissen diese Woche direkt anwenden. Uns konsultiert ein Patient wegen zunächst milder Infektsymptomatik. Im Gesprächsverlauf kommt der Fokus auf ausgeprägte Müdigkeit und schwer einstellbare Blutdruckwerte zu sprechen. So kommt es beispielsweise zum gelegentlichen Einschlafen während der Arbeit. Auf Nachfrage berichtet er, dass seine Ehefrau nächtliche Atemaussetzer beobachtet habe. Sofort fügt sich das Bild zusammen und wir veranlassen die Überweisung zu einer benachbarten Hausarztpraxis, welche ein Polygraphie-Screening anbietet. Da auch pectanginöse Beschwerden nicht gänzlich verneint werden können, planen wir zusätzlich eine Ergometrie, auch aufgrund der kardiovaskulären Komorbiditäten eines Schlafapnoe-Syndrom. Ich freue mich, dass ich mein neues Wissen direkt so gut abrufen und anwenden konnte.
Mittwochs findet die Fallbesprechung in etwas anderer Form statt. Da nur wir PJ-Studenten und Dr. Machac anwesend sind, nehmen wir einen Fall von Myriam zum Anlass, um alle Eckpunkte des Herpes Zoster zu besprechen. In einer von Dr. Machac geleiteten Frage-Antwort-Runde frischen wir unser Wissen auf: Diagnostik, Therapie, Komplikationen, Impfprävention. Überraschenderweise begeistert mich das spontane Format und ich habe das Gefühl, sehr zu profitieren.
Im Anschluss empfängt uns Frau Dr. Prasser im Online-Format zum PJ-Teaching des Landkreises Cham. Sie ist Chefärztin der Psychiatrie und behandelt mit uns das Thema „Psychiatrische Erkrankungen erkennen, behandeln oder überweisen“. Dabei setzen wir den Fokus auf die Depression. Diese ist eine Volkskrankheit: mit einer Lebenszeitprävalenz von 20% stellt die Depression eine der häufigsten Erkrankungen dar. Dabei ist die erste Anlaufstelle häufig der Hausarzt. Auch da Therapieplätze rar und Wartelisten lang sind, findet die Behandlung oft ausschließlich im hausärztlichen Setting statt. Gerade deshalb ist es Frau Prasser ein Anliegen, dass wir uns als zukünftige Hausärzte in der Thematik gut auskennen. Genauso ist es wichtig, seine eigenen therapeutischen Grenzen zu kennen, um zu wissen, wann ein Patient (stationär) überwiesen werden muss. Wir beschließen die Veranstaltung mit einigen Fallbeispielen, anhand derer wir uns in der Auswahl des geeignetsten Antidepressivums versuchen.
Der Donnerstag bringt eine besonders turbulente Sprechstunde hervor. Die Beratungsanlässe präsentieren sich in voller Bandbreite der Medizin: Gastrointestinale Blutung mit Teerstuhl bei bekannten Ösophagusvarizen. Ruhedyspnoe und Angina Pectoris mit Verdacht auf NSTEMI. Akute Entzugssymptomatik bei Opioidabhängigkeit. Zufälliger, im Routinelabor aufgefallener, hochgradiger GFR-Abfall. Dabei erlebe ich mehrmals, wie schwierig es sein kann, die Patienten stationär anzumelden. Des Öfteren wird mit dem Verweis auf Bettenknappheit und fehlende Zuständigkeit an eine andere Klinik vermittelt, nur um dort erneut abgewimmelt zu werden. Mit etwas Hartnäckigkeit schaffen wir es dann, die dringlichen Patienten an eine passende Klinik zu vermitteln.
Erstmalig führe ich diese Woche außerdem eine Carotis-Sonographie durch. Dr. Bolla erklärt mir umfangreich, wie ich die richtigen Schallfenster einstelle, worauf ich achten muss und wie ich die Flussgeschwindigkeiten im Doppler bestimme. Gemeinsam versuchen wir uns an der Darstellung der Gefäße. Zunächst fällt es mir noch schwer, die richtigen Quer- und Längsschnitte zu finden, mit Dr. Bollas helfender Hand gelingt es dann aber doch. So stellen wir bei dem Patienten eine ausgeprägte Plaquebildung fest.
Wow – nun ist auch die achte Woche schon vorbei. Damit habe ich schon die Halbzeit meines PJ-Tertials erreicht. Es ist einfach verrückt, wie schnell die Zeit verfliegt. Ich bin sehr froh, schon einen deutlichen Zuwachs an Wissen und Fähigkeiten zu verspüren und freue mich auf die zweite Hälfte.
Woche 9: 17.07. – 23.07.2023
Auch die nächste Woche beginnt mit sommerlichem Wetter in Fürstenstein. Als am Montag die Mittagsfortbildung kurzfristig entfallen muss, kommen wir vier PJ’lerinnen in den Genuss einer kleinen privaten Weiterbildung mit Wolfgang. Wir beschäftigen uns mit einigen vermeintlich banalen Fragen des hausärztlichen Alltags. Wann darf man mit einer genähten Wunde duschen? Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt die Fäden zu ziehen? Wie erkenne ich, ob es eine Borreliose oder eine normale Lokalreaktion ist? Und wie war dann nochmal die Therapie der Borreliose? Wie lange muss die Antibiose gegeben werden? Mit Erstaunen stellen wir fest, dass wir meist gar keine genaue Antwort auf die Fragen kennen. Hätten wir das in 5 Jahren Studium nicht lernen müssen? Umso dankbarer sind wir, dass nach der kleinen Einheit etwas Licht ins Dunkle gebracht wurde.
Auch die erneut sommerlichen Temperaturen hinterlassen diese Woche ihre Spuren: Wir besuchen einen älteren Patienten mit ausgeprägter Sturzneigung, neuer Benommenheit und Schwindel. Bei der körperlichen Untersuchung zeigen sich stehende Hautfalten. Es stellt sich heraus, dass der Patient deutlich zu wenig trinkt – zusätzlich steht noch ein Diuretikum auf dem Medikationsplan. Dieses setzen wir rasch ab und fordern den Patienten auf, die Trinkmenge zu erhöhen. Wir nehmen, mit besonderem Augenmerk auf Elektrolyte und Nierenwerte, Blut ab. Bei Verschlechterung des Allgemeinzustands und Aggravation der Exsikkose entschließen wir uns am nächsten Tag zu einer stationären Einweisung.
Am Mittwoch erwartet uns ein voller Nachmittag mit vielen spannenden Formaten. Nach der wöchentlichen Fallbesprechung findet wieder das Chamer Online-Teaching statt. Diesmal referiert Frau Dr. Birgitt Weinhold über das Thema „Schwierige Patienten“. So erarbeiten wir uns den Themenkomplex der Gegenübertragung und lernen, wie man dieses Phänomen diagnostisch mit einbeziehen kann. Wir hören zahlreiche Beispiele aus Dr. Weinholds Arbeitsalltag: Patienten, welche dem ängstlichen Pol angehören, wieder andere, die zum aggressiven Pol tendieren. Zum Abschluss gibt uns Frau Dr. Weinhold außerdem 12 hilfreiche Tipps für den Alltag im Umgang mit schwierigen Patienten.
Am Abend findet außerdem wieder der Journal Club statt. In einer großen Runde wird über zahlreiche interessante Studien diskutiert: Machen Bluttests zur Krebsfrüherkennung Sinn? Welches Lagerungsmanöver beseitigt den benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel am besten? Sollten Risikopatienten, z.B. Raucher, ein Low-Dose-CT des Thorax zur früheren Erkennung von Lungenkrebs erhalten? Haben Antidepressiva in ihrer Wahl als Koanalgetikum überhaupt einen Effekt? Kann Magnesiumsulfat einer Hospitalisierung bei COPD vorbeugen? Gemeinsam werden zunächst die Eckpunkte der Studien beleuchtet und die Daten auf Validität geprüft. Anschließend erarbeiten sich alle Teilnehmer gemeinsam ein Fazit in Hinblick auf Durchführbarkeit und Sinnhaftigkeit in der Praxis. Auch heute habe ich mit diesem Format wieder einen Einblick in eine für mich noch recht neue Arbeitsweise erhalten und gelernt, wie wichtig es ist zu überprüfen, ob Studiendaten wirklich seriös sind.
Nun neigt sich auch diese Woche wieder dem Ende zu. Nächste Woche werden Tabea und ich drei Tage in der orthopädischen Rehaklinik in Schaufling hospitieren. Darauf bin ich schon sehr gespannt. Aber nun wartet erstmal ein erholsames Wochenende auf mich.
Woche 10: 24.07. – 30.07.2023
Zum Wochenbeginn machen Tabea und ich uns auf den Weg nach Schaufling. Dort werden wir drei Tage in der orthopädischen Rehaklinik hospitieren. Kurz vor Acht empfängt uns Oberarzt Dr. Tamas Buvar. Nach einer ausgiebigen Klinikführung nehmen wir an der morgendlichen Frühbesprechung teil. Dort werden die am Vortag aufgenommenen Rehabilitanden vorgestellt und der Therapieplan abgestimmt. Im Anschluss händigt uns Dr. Buvar ein abwechslungsreiches Hospitationsprogramm für die kommenden Tage aus. Am Vormittag dürfen wir verschiedenen Therapiestunden und Anwendungen beiwohnen. „Probiert möglichst viel aus“, ermuntert uns Dr. Buvar. Gesagt, getan: Wir probieren verschiedene Sportgeräte im Trainingsraum, testen Wasserdruckmassagen und maschinelle Lymphdrainage. In der Bäderabteilung werden uns verschiedene durchblutungsfördernde Bäder gezeigt: am eigenen Leib spüren wir ein Kohlensäure-Armbad und einen Kneippschen Knieguss. Wir lernen Bogenschießen, üben uns in Koordination und Qi Gong. Außerdem beobachten wir diverse Therapiegruppen: Wassergymnastik für Knie und Hüfte, Gangsicherheits- und Gehtraining, Arbeitsplatztherapie. Des Weiteren sehen wir in der orthopädietechnischen Sprechstunde zu. Einige Patienten werden mit neuen Bandagen und Fersenkeilen versorgt. Nach der Sprechstunde dürfen wir außerdem selbst einige Hilfsmittel testen. Nach einem leckeren Mittagessen in der Kantine nehme ich gemeinsam mit Dr. Buvar noch eine neue Patientin auf. Ich beobachte seine Anamnese, bei welcher er einen merklichen Fokus auf Funktionsfähigkeit und die Sozialanamnese legt. Im Anschluss untersucht Dr. Buvar orthopädisch, bevor ich einen orientierenden internistischen Status erheben darf. Dienstag- und Mittwochnachmittag hält Dr. Buvar einen Schulter- und Knieuntersuchungskurs. Gemeinsam üben wir zunächst die gängigen Untersuchungen ein. Im Anschluss zeigt er uns außerdem, wie man die beiden Gelenke sonographiert.
Das Programm ist wahrlich so abwechslungsreich, dass die Zeit nahezu verfliegt. Gut und gerne könnten wir auch noch ein paar Tage hospitieren, ohne dass uns langweilig wird.Ich bin wahnsinnig beeindruckt, dass wir diese vielen verschiedenen Therapiemöglichkeiten ausprobieren dürfen. Bisher war mir nicht klar gewesen, was während eines Reha-Aufenthalts geschieht, nun konnte ich mir ein eigenes Bild davon machen. Außerdem sind alle Mitarbeiter der Rehaklinik wahnsinnig freundlich. Aufgeschlossen beantworten sie alle unsere Fragen. In diesem Sinne ein riesiges Dankeschön an Dr. Tamas Buvar und die anderen Ärzte und Therapeuten.
Der Mittwoch bietet dann noch ein besonderes Schmankerl: An der Klinik findet ein Präventionstag für Mitarbeiter statt. Dr. Buvar hat uns eingeladen, ebenfalls daran teilzunehmen: Im großen Pulk wird eine knapp 5 km lange Laufrunde bestritten. Im Anschluss lassen wir den Abend beim gesellschaftlichen Grillen ausklingen.
Außerdem findet in dieser Woche der letzte Termin der Chamer Teachingreihe statt. Frau Dr. Elisabeth Albrecht behandelt mit uns den Themenkomplex „Palliativ Care“. Wir besprechen, wann eine palliative Versorgung beginnen kann. Dabei lernen wir, wie Kausal- und lindernde Therapie langsam ineinander übergehen und, dass - neben der Terminal Care am unmittelbaren Lebensende - auch die Trauerbegleitung der Palliativversorgung zugerechnet wird. Dr. Albrecht erläutert außerdem diverse Begrifflichkeiten: Hospiz, Palliativstation, AAPV, SAPV, Palliativmedizinischer Dienst, Hospizverein. Nach der Veranstaltung habe ich nun verstanden, was die Unterschiede der verschiedenen “Organisationen” sind. Anhand eines fiktiven Patientenfalls üben wir uns dann in der adäquaten Schmerztherapie nach WHO-Stufenschema. Dabei gibt uns Dr. Albrecht in einer interaktiven Runde zahlreiche Tipps und eine Grundformel zum Beginn einer Morphintherapie an die Hand.
So schnell und abwechslungsreich endet nun auch schon wieder die Woche. Ich freue mich erstmal auf das Wochenende.
Woche 11: 31.07. – 06.08.2023
Diese Woche startet für mich auf neuem Terrain: für zwei Tage darf ich bei Frau Dr. Friedl, niedergelassene Fachärztin für Dermatologie in Freyung, hospitieren. Am Morgen findet zunächst eine einstündige Notfallsprechstunde statt. Dabei geht es ziemlich turbulent zu. Ich beobachte die Bandbreite der dermatologischen Beratungsanlässe: Akne, Rosacea, Psoriasis, Arzneimittelexanthem, Hautpilz, Lichen sclerosus, Granuloma anulare. Rasch hat Frau Friedl die Blickdiagnosen erkannt und eine passende Salbe oder Medikation verordnet. Wenn nötig werden Kontrolltermine vereinbart. Auch die Hautkrebsvor- und Nachsorge macht einen großen Teil der Sprechstunde aus. Ich begutachte zahlreiche Hautveränderungen und überlege, ob es sich um harmlose Fibrome oder seborrhoische Keratosen handelt oder nicht doch eine gefährliche aktinische Keratose oder gar ein Basaliom, Spinaliom oder Melanom vorliegt. Krebsvorstufen werden direkt im Anschluss mit flüssigem Stickstoff vereist. Schon am zweiten Tag darf ich mich unter Aufsicht auch darin versuchen. Anschließend werden Patienten zu reichlich Sonnenschutz beauftragt. Außerdem kann ich Frau Friedl bei etlichen ambulanten Operationen über die Schulter schauen. Die zwei Tage vergehen zügig und ich fühle mich in der Beurteilung von Hautveränderungen schon deutlich sicherer. In diesem Sinne vielen herzlichen Dank an das überaus freundliche Praxisteam und Frau Dr. Friedl für die lehrreiche Zeit.
Zurück in Fürstenstein ergeben sich einige interessante Konsultationen. Uns besucht ein Patient mit neuerlicher diabetischer Stoffwechsellage. Wegen Müdigkeit hat er zu Hause probatorisch den Blutzucker gemessen. Dabei sind Werte von über 500 mg/dl aufgefallen. Auch in der Praxis ergeben sich derartig hohe Werte, inklusive eines enorm erhöhten HbA1c. Da es sich um einen Vertretungspatienten handelt, nehmen wir zunächst einen Ganzkörperstatus auf. Nachdem sich der Blutzucker mit leichter Insulingabe kaum senken lässt, überweisen wir den Patienten notfallmäßig an einen Diabetologen.
Das Ende der Woche steht dann unerwarteterweise ganz im Zeichen der Palliativversorgung. Eine Patientin wird aus dem Krankenhaus in palliativer Prognose entlassen. Wir besuchen sie im Pflegeheim. Massive AZ-Verschlechterung, ausgeprägte Dyspnoe, Nahrungsverweigerung und Sterbewunsch dominieren das klinische Bild. In Rücksprache mit den Angehörigen entscheiden wir uns, das SAPV-Team einzuschalten. Zum ersten Mal soll ich die telefonische Übergabe übernehmen. Als ich den Hörer in die Hand nehme, bin ich durchaus etwas aufgeregt. Gut gewappnet sitze ich vor der Patientenkartei und schildere dem Palliativmediziner die Situation. Nach einem ausführlichen Austausch nimmt sich das Palliativteam der Sache an und plant noch für diese Woche einen Besuch. Unterdessen starten wir mit einer niedrig dosierten subkutanen Morphintherapie.
Diese Woche bietet noch einen weiteren Höhepunkt: Am Mittwochabend laden wir vier PJ’lerinnen die beteiligten Lehrärzte zu einer kleinen geselligen Zusammenkunft in unseren Garten ein. Gemeinsam bereiten wir ein paar Salate, Brot und Kuchen vor. Nach und nach trudeln alle ein. Trotz regnerischen Wetter erwischen wir ein trockenes Zeitfenster und verbringen einen tollen Abend im Garten. Es ist schön, sich einmal fernab der Sprechstunde näher kennenzulernen und über zahlreiche medizinische und nichtmedizinische Themen auszutauschen.
Woche 12: 07.08. – 13.08.2023
Für mich beginnt eine besonders kurze Arbeitswoche, da ich am Mittwoch für einige Tage in meinen wohlverdienten Sommerurlaub fahren werde. Seit Sonntag sind Tabea und ich außerdem nicht mehr alleine in unserem großen Grafenauer Haus. Drei Blockpraktikanten aus Würzburg sind für die nächsten zwei Wochen eingezogen. So ergeben sich einige nette und gesprächige Abende.
Nichtsdestotrotz sind die verbleibenden zwei Tage nicht weniger anstrengend, da sich die Sprechstunde besonders turbulent gestaltet. Einerseits wird auch meine Praxis in der kommenden Woche in den Betriebsurlaub starten. Andererseits übernehmen wir diese Woche die Vertretung für gleich fünf umliegende Ärzte. Dementsprechend groß ist der Andrang. Zahlreiche Patienten tummeln sich, teils ohne Termin, im Wartezimmer und wollen gut versorgt werden. So behandle ich zahlreiche Infektpatienten, ziehe Fäden und führe Wundkontrollen durch. Auch einige Checkups und Abdomen-Sonographien stehen auf dem Plan. Ziemlich geschafft komme ich nach den beiden geschäftigen Tagen nach Hause.
So und nun werden Rucksäcke und Taschen gepackt, bevor es morgen zum Urlaub in Richtung Alpen losgeht. Wir hören uns nächste Woche!
Woche 13: 14.08. – 20.08.2023
Am Mittwoch kehre ich nach einem tollen Bergurlaub in das Praxisgeschehen zurück. Da sich auch meine Stammpraxis seit dieser Woche für drei Wochen im Urlaub befindet, verbringe ich den Mittwoch und Donnerstag mit Dr. Blank in der Grafenauer Sprechstunde. Nach dem bayerischen Feiertag am Dienstag und durch zahlreiche Urlaubsvertretungen der umliegenden Ärzte gestaltet sich der Vormittag als besonders trubelig.
Als Studentin habe ich noch das Glück mir, trotz Stau im Wartezimmer, ausreichend Zeit für jeden Patienten und meine Überlegungen nehmen zu können. Während ich also sorgfältig Anamnese und Untersuchung erarbeite, betreut Dr. Blank eine Vielzahl anderer Patienten, bevor er kurz seinen Blick über „meine“ Patienten fallen lässt. Beispielsweise erhalte ich auch besonders viel Zeit um eine Check-Up-Untersuchung durchzuführen. Anamnese, körperliche Untersuchung, Schilddrüsen- und Abdomensonographie sowie Hautkrebsscreening erfordern einiges an Aufmerksamkeit. Besonders beim Hautkrebsscreening freue ich mich meine neu erlernten Fertigkeiten aus der dermatologischen Hospitation bei Frau Dr. Friedl direkt gut anwenden zu können.
Am Freitag mache ich mich auf den Weg nach Regen. Dort werde ich für einen Tag Herrn Dr. Egid Werner über die Schulter schauen. Er ist niedergelassener Internist im dort ansässigen MVZ. Ich bekomme die Gelegenheit einige typische Krankheitsbilder aus internistischer Sicht kennenzulernen. KHK und COPD stellen die Hauptdiagnosen dar. Somit kann ich bei zahlreichen Ergometrien und Echokardiographien beobachtend zusehen. Zum ersten Mal erlebe ich außerdem den Einsatz eines Bodyplethysmographen. Eine weitere Patientin kommt zum Thromboseausschluss. Bei ausgeprägter Schmerzsymptomatik nimmt sich Dr. Werner mit besonderer Sorgfalt der Kompressionssonographie an. Dabei lerne ich, dass es zur Beurteilung der komplexen Venenverhältnisse am Unterschenkel von Vorteil sein kann, den Patienten im sitzen oder stehen zu untersuchen. So macht man sich den zusätzlichen hydrostatischen Druck zu Nutze, um den Füllungszustand der Venen zu erhöhen.
Nun steht auch schon wieder das Wochenende vor der Tür. Ich werde nun mal nach einer neuen Wandertour im Nationalpark suchen. Außerdem ist ein Ausflug nach Deggendorf geplant.
Woche 14: 21.08. – 27.08.2023
Auch diese Woche verbringe ich zur Vertretung der Urlaubszeit meiner Stammpraxis in einer neuen Örtlichkeit. Ich mache mich auf den Weg zu Dr. Michael Rosenberger. Er ist Allgemeinmediziner in Breitenberg. Die Gemeinde liegt direkt am Fuße des Dreisessels. Da sich die Fahrzeit nach Breitenberg doch auf knapp unter einer Stunde beläuft, bin ich sehr froh, dass Dr. Rosenberger für mich ein günstiges Zimmer organisiert hat, in welchem ich die Woche verbringen kann. Durch den Wegfall der langen Autofahrt kann ich am Abend die Umgebung entdecken: Ich besteige das Dreisesselmassiv, besichtige das Dreiländereck und bestaune den Blick auf den gewaltigen Moldau-Stausee. Auch die abendliche Erfrischung am örtlichen Badeweiher kommt bei der vorherrschenden Hitzewelle wie gerufen.
Dr. Rosenberger kenne ich schon aus unseren wöchentlichen virtuellen Fallbesprechungen. Umso schöner ist es, ihn nun einmal genauer kennenzulernen und mit ihm gemeinsam zu arbeiten. Da er zudem regelmäßig als Notarzt tätig ist, freue ich mich besonders auf die kommende Woche. Als ich dann erfahre, dass er zudem in der Bergwacht aktiv ist, haben wir reichlich Gesprächsstoff, da auch ich momentan die Ausbildung als Bergwachtanwärterin durchlaufe.
Ich begleite die Sprechstunde und freue mich, dass Dr. Rosenberger mich stets nach meiner Einschätzung fragt oder ob ich ergänzende Fragen zur Anamnese habe. Regelmäßig komme ich außerdem dazu, die ein oder andere Blutentnahme oder Infusion durchzuführen. Eine gute Vorbereitung für das kommende Tertial in der Klinik.
Es begegnen uns selbstverständlich auch einige spannende Fälle: Im Labor ist bei einem Patienten ein TSH-Wert von 80 (!) aufgefallen. Der Patient nimmt laut Medikationsplan bereits Thyroxin ein. Schnell stellt Dr. Rosenberger den Verdacht, dass die verschriebenen Medikamente nicht eingenommen werden. Dies verhärtet sich mit einem Blick in die Kartei, wonach die letzte verschriebene Packung längst zu Ende sein müsste. Bei einem Telefonat weist Dr. Rosenberger den Patienten schließlich noch einmal eindrücklich auf die Wichtigkeit der regelmäßigen Einnahme hin.
Am Mittwochmittag lädt mich die Praxis außerdem ein, einem gemeinsamen Essen beizuwohnen. Anlässlich des bevorstehenden Praxisurlaubes möchten alle Mitarbeiter noch einmal zusammenkommen. Ich freue mich sehr, dass ich mitkommen darf und wir genießen einige Leckereien bei guten und amüsanten Gesprächen. In diesem Sinne auch noch einmal ein großes Dankeschön an alle für die herzliche Aufnahme in Breitenberg.
Den Donnerstag verbringe ich mit Dr. Rosenberger in der BRK-Rettungswache in Waldkirchen. Dort besetzt er den Notarztstandort, wobei ich ihn begleiten darf. Am Morgen werden mir von den Diensthabenden zunächst RTW und NEF gezeigt. Die komplette Ausrüstung wird gecheckt, was für mich eine klasse Gelegenheit ist, alles Equipment kennenzulernen. Uns erreichen an diesem Tag zwei Einsatzmeldungen: „Leblose Person im Wasser“ und „Verdacht auf ACS“. Mit Sonderrecht fahren wir die Einsatzorte an. Vor Ort schaue ich Dr. Rosenberger im Hintergrund über die Schulter. Im Anschluss an den Einsatz erklärt er mir sein Vorgehen noch einmal genau und ich darf zahlreiche Fragen stellen.
Nach einer tollen Woche hier in Breitenberg starte ich nun in mein wohlverdientes Wochenende.
Woche 15: 28.08. – 03.09.2023
Wow, Woche 15! Vorletzte Woche, Wahnsinn, wie schnell die Zeit nun vergangen ist. Neben den Praxistagen gibt es außerdem bereits zahlreiche Dinge für das bevorstehende Tertial zu klären: Arbeitsverträge und Rotationswünsche möchten bearbeitet und eingereicht werden. Ein klares Zeichen, dass die Zeit hier im Bayerwald allmählich dem Ende neigt.
Ich freue mich besonders, diese Woche bei Frau Dr. Krenn in Röhrnbach verbringen zu dürfen. Bereits in den Pfingstferien durfte ich sie einige Tage in der Praxis begleiten. Dabei hat mich ihre herzliche Art besonders beeindruckt, weshalb ich mich sehr auf das Wiedersehen freue. Strahlend empfängt Frau Krenn mich am Montagmorgen in Ihrem Sprechzimmer.
Gemeinsam behandeln wir einige Patienten und schnell darf ich Anamnese und Untersuchung übernehmen, während Frau Dr. Krenn im Hintergrund dokumentiert. Im Anschluss erklärt sie jedem einzelnen Patienten die Zusammenschau der Befunde und die verschiedenen Möglichkeiten des weiteren Vorgehens. Dabei wirkt sie enorm kompetent und schafft es, zahlreiche anschauliche Vergleiche zu ziehen.
Neben der Betreuung der Patienten bleibt außerdem Zeit, dass Dr. Krenn mir zahlreiche nützliche Bücher, Websites, Apps und Fragebögen vorstellt, welche den klinischen Alltag erleichtern und unterstützen. Beispielsweise zeigt sie mir eine übersichtliche Antibiotikaübersicht aus Bielefeld, welche ich am Nachmittag direkt auf mein Tablet ziehe. Auch ein Rezept für „Karottensuppe nach Moro“ landet in meinen Unterlagen. Frau Krenn hat dieses „Hausmittel“ in der Palliativmedizin näher kennengelernt. So bewirken die Oligosaccharide, welche durch langes Kochen der Suppe freigesetzt werden, eine Bindung pathogener Durchfallkeime. Eine einfache Maßnahme, welche man durchfallgeplagten Patienten mit an die Hand geben kann.
Bei Dr. Krenns Kollegin, Frau Dr. Angela Ilg, kann ich außerdem eine Kindervorsorgeuntersuchung beobachten. Der fünfjährige Patient kommt zur U9. Geschickt gewinnt die Medizinerin das Vertrauen des kleinen Jungen und prüft spielerisch verschiedene Fertigkeiten ab: Sprachvermögen, Grob- und Feinmotorik, Farben, Formen, kognitive Entwicklung … Erst am Ende der spielerischen Untersuchung werden Stethoskop und Otoskop hervorgeholt und eine körperliche Untersuchung durchgeführt. So profitiert man vom zuvor aufgebauten Vertrauen des Kindes.
Außerdem nimmt Frau Krenn sich Zeit, mir noch einmal das strukturierte Vorgehen in der Abdomensonographie zu erklären. Sie demonstriert mir ihr einstudiertes Vorgehen: Oberbauchquerschnitt mit Pankreas und Aorta - Oberbauchlängsschnitt mit Darstellung des Leberrandes - Leberlängsschnitt medioclavicular zur Größenmessung - Leber-Nieren-Bild zur Parenchymbeurteilung - subkostaler Längsschnitt der Leber - subkostaler Schrägschnitt mit Durchfächern der Lebersegmente - Nabel-Schulter-Schnitt zur Darstellung von Gallenblase und DHC - rechte Niere längs und quer - linke Niere längs und quer - Milz - Harnblase - abschließend spezielle Fragestellungen. Ich muss zugeben, dass gerade meine Lebersonographie bisher nur mäßig strukturiert ablief, gerade weil mir manche Schnitte noch nicht so leicht von der Hand gehen. Darauf werde ich von nun an mein Augenmerk legen und schon am Folgetag versuche ich das Erlernte bei einem Check-up umzusetzen.
Am Freitag ergibt sich eine Reiseimpfberatung, welcher ich gespannt lausche. Dr Krenn berät eine Patientin, welche in 3 Monaten eine Reise nach Thailand plant. Zunächst kontrollieren wir den Basis-Impfstatus: Tetanus, Diphtherie, Polio, Pertussis, Hepatitis A und B. Mithilfe von epidemiologischen Karten demonstriert Frau Krenn das Vorkommen von Anopheles- und Aedes-Mücken. Aufgrund des geringen Malariarisikos wird sich zunächst gegen eine Prophylaxe entschieden. Dennoch bietet Frau Krenn einen zweiten Beratungstermin an, sobald die genaue Reiseroute feststeht und erläutert Basismaßnahmen wie Moskitonetz und Mückenspray. Auf weitere “exotische” Impfungen kann aufgrund der Reisegestaltung verzichtet werden.
Vielen Dank nochmals für die tolle PJ-Woche, ich habe - wie auch beim letzten Mal - viel mitgenommen. Nun steht auch schon das letzte Wochenende vor der Tür: das möchte ich noch einmal nutzen, um die ein oder andere Ecke zu erwandern.
Woche 16: 04.09. – 10.09.2023
Ich habe nochmal ein erlebnisreiches Wochenende verbracht: Freitags unternehme ich eine regnerische Laufrunde auf unseren Hausberg, den Lusen. Der Samstag startet zunächst mit Auto-Problemen: Tabeas Auto möchte nicht mehr anspringen. Doch wie funktioniert das mit dem Überbrücken noch gleich? Schwarz, rot, plus, minus? Keine Ahnung! Dankenswerterweise finden wir einen netten Nachbarn, welcher uns bei der Starthilfe mit Rat und Tat zur Seite steht, und schnell bekommen wir das Fahrzeug wieder zum Laufen. Im Anschluss mache ich mich auf den Weg nach Bodenmais: ich wandere über die Rißlochfälle auf den Kleinen und Großen Arber und bestaune am Rückweg den Ausblick vom Mittagsplatzerl. Eine gelungene Wandertour.
Am Abend kommt außerdem Katharina in Grafenau an. Sie ist bereits eine Woche früher angereist und quasi meine „Nachfolgerin“ und wird ihr PJ-Tertial in Fürstenstein antreten. Sonntags besteigen Katharina und ich den Großen Falkenstein via Höllbachgspreng, auch ein wirklich wunderschöner Gipfelanstieg des Bayerischen Waldes. Damit kann ich dann auch die “Gipfel-Bilanz” meines PJ-Tertials zufrieden abschließen.
Und auf einmal ist dann die letzte PJ-Woche des Tertials da. Zum Glück ist meine Stammpraxis aus dem Urlaub zurück und ich freue mich sehr, dort nochmals eine Woche zu lernen, bevor das Tertial zu Ende geht. Katharina und ich verbringen die Woche zu zweit in Fürstenstein: so kann ich sie etwas einarbeiten und erkläre ihr den ein oder anderen Kniff.
Diese Woche steht neben der regulären Patientenversorgung, bei welcher ich nochmals versuche, möglichst viel mitzunehmen, vor allem unter dem Motto: Abschied nehmen. Abschied vom Bayerischen Wald mit seiner atemberaubenden Landschaft, Abschied von Feierabendrunden auf den Lusen, Abschied von unserem Haus mit grünem Garten, Abschied von der dicken Nachbarskatze. Außerdem verabschiede ich mich von meiner Mit-PJ‘lerin und Mitbewohnerin Tabea. Wir hatten eine tolle Zeit in unserem Häuschen, und immer reichlich Gesprächsstoff am Küchentisch. Ich wünsche dir eine gute Zeit in deinem weiteren PJ!
Auch in „meiner“ Praxis in Fürstenstein fällt mir der Abschied nicht leicht. Einerseits fällt mir der Abschied vom tollen Praxisteam, von dem mir jeder einzelne ans Herz gewachsen ist, schwer. Die Herzlichkeit und Offenheit, mit der ich als Studentin aufgenommen wurde, ist nicht selbstverständlich.
Andererseits merke ich, dass ich auch einige Patienten mittlerweile ins Herz und Gedächtnis geschlossen habe und sie gerne weiterhin begleiten würde. „Wie wird es wohl weitergehen?“, schwirrt mir bei dem einen oder anderen Fall durch den Kopf – Fragen, die für mich wohl offen bleiben werden.
Des Weiteren blicke ich auf 4 Monate voller engagierter Lehre zurück: Sonographie mit Dr. Bolla, Ganzkörperstatus mit der Genauigkeit von Dr. Hackl, Impfen, EKG, Lungenfunktion, zahlreiche Anamnesegespräche – um nur ein paar der erlernten Fähigkeiten zu nennen. In diesem Sinne noch einmal ein riesiges Dankeschön an alle, die an der Organisation und Gestaltung des PJs beteiligt waren. Danke für die tolle Unterkunft, danke für die wahnsinnig gute Betreuung.
Wenngleich ich die Zeit hier im Bayerischen Wald überaus genossen und wahnsinnig viel lernen durfte, freue ich mich nun auch das kommende Tertial heimatnah zu beginnen. Nun heißt es: Bett abziehen, Koffer packen, Auto beladen – und anschließend geht es auf die Heimreise. Am Montag geht es schließlich schon wieder mit einem Neuanfang in der Klinik los.
Ade! – Servus! – Pfiat di!
Tabea Hofmann
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Woche 1: 22.05. – 28.05.2023
Jetzt ist es also so weit. Nachdem ich mich erfolgreich durch das M2 gekreuzt und im Anschluss 5 Wochen lang die Seele baumeln lassen habe, starte ich nun im beschaulichen Grafenau in mein 1. Tertial.
Obwohl ich das Team und die Praxis, in der ich die nächsten vier Monate verbringen werde, bereits kennenlernen durfte, bin ich doch etwas aufgeregt, als ich meiner jahrelangen Heimatstadt Würzburg den Rücken kehre. Nach 3,5h Fahrt erwartet mich dann die erste Überraschung. Dr. Blank hatte mich schon „vorgewarnt“, dass das Haus und der Garten ein bisschen größer seien und dementsprechend auch viel Pflege und Zuwendung bedürfen, aber damit hatte ich nicht gerechnet. Ganz enthusiastisch laufe ich Treppen rauf und runter, stecke meinen Kopf in jedes Zimmer und lasse mir im Garten die Sonne ins Gesicht scheinen.
Einen Tag später, am Sonntagabend, lerne ich meine Mitbewohnerin Alicia kennen und wir quatschen noch ein bisschen, bevor es früh ins Bett geht. Schließlich klingelt der Wecker am nächsten Morgen schon um halb 7.
Als ich mich dann am Montag um kurz vor 8 zu Fuß in die Praxis aufmache, bin ich wieder ein bisschen nervös. Die Nervosität ist aber unbegründet – ich werde direkt herzlich empfangen und da das Wartezimmer schon rappelvoll ist, geht es auch sofort los.
Während ich am ersten Tag noch die Rolle als passive Zuhörerin übernehme, darf ich ab Dienstag schon mit der Anamnese starten und Untersuchungen durchführen, bevor dann Dr. Scholz oder Dr. Carlberg dazustoßen und mir Feedback und hilfreiche Tipps geben. Ich horche auf Lungen, schaue in Münder und Ohren, teste Vibrationsempfinden und Reflexe und werfe einen Blick auf das ein oder andere EKG. Zwei Vormittage verbringe ich mit Hausbesuchen und am Freitag darf ich mich das erste Mal am Sono ausprobieren.
Mit den Fallbesprechungen dienstags und donnerstags, sowie dem Nahtkurs in Cham am Mittwoch, wo Alicia und ich die anderen beiden PJlerInnen, Andreas und Julia, zum ersten Mal treffen, ist die Woche schnell gefüllt. Was sich auch schnell füllt, ist die Liste mit Dingen, die ich nochmal nachlesen möchte. Gleichzeitig bin ich überrascht, wie viel ich doch (noch) weiß und wie viel Neues ich diese Woche schon gelernt habe.
Etwas erschöpft, aber auch sehr zufrieden, starte ich jetzt in das lange Pfingstwochenende und bin gespannt, was die nächste Woche so bieten wird.
Woche 2: 29.05. – 04.06.2023
Nachdem ich am verlängerten Wochenende viel Zeit an der frischen Luft verbracht und fleißig die Gegend erkundet habe, starte ich gut erholt in die zweite Woche. Meine Stammpraxis ist gerade im wohlverdienten Urlaub, also habe ich die Gelegenheit, eine Woche als Gast bei Dr. Baloun in Neureichenau zu verbringen. Nach 40 Minuten Autofahrt durch mehrere gemütliche Ortschaften, Wälder und Wiesen erwarten mich eine schöne moderne Praxis und ein sehr herzliches Team. Nach einer kurzen Einführung werde ich schnell in die Sprechstunde integriert, darf die PatientInnen befragen und untersuchen und bespreche anschließend meine Ergebnisse mit Dr. Baloun.
Ganz begeistert bin ich von dem neuen Sonographiegerät – so scharfe Bilder habe ich bisher beim Schallen noch nie gesehen. Allerdings tue ich mich bei der Bilddarstellung noch etwas schwer und bin ganz neidisch auf die schönen Bilder, die Dr. Baloun auf den Bildschirm zaubert.
Wir sehen in der Woche eine zystenreiche Leber und wiederholen nochmal die typischen sonographischen Kriterien der Zyste:
- Echofreiheit
- Dorsale Schallverstärkung
- Dünne und scharfe Begrenzung
Neben den Zysten mache ich auch den DHC dank des Hinweises auf das sogenannte „Mickey Mouse Sign“, gebildet durch Pfortader, DHC und Leberarterie, schnell ausfindig.
Aber nicht nur beim Sonografieren darf ich selbst Hand anlegen. Bei einer Patientin, die nach Venenexhairese zum Fädenziehen in die Praxis kommt, kann ich direkt die Skills, die wir eine Woche zuvor im Nahtkurs aufgefrischt haben, anwenden. Mit etwas Geduld und der tatkräftigen Unterstützung einer der lieben und hilfsbereiten Arzthelferinnen, sind sämtliche Fäden rasch entfernt.
Am Donnerstag stelle ich dann in der Fallbesprechung meine erste Patientin vor und im Anschluss diskutieren wir die Frage, was der richtige Umgang mit Antibiotika bei RisikopatientInnen und Verdacht auf HWI ist. Ist in diesem Fall eine frühe Antibiotikaprophylaxe gerechtfertigt oder sollte man auch hier erstmal abwarten und den weiteren Verlauf engmaschig beobachten?
Insgesamt ist die kurze Woche wie im Fluge vergangen und ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, in eine andere Praxis hineinzuschnuppern. Dr. Baloun hat sich sehr viel Zeit für mich genommen und trotz vollem Wartezimmer sein Wissen und seine Expertise mit mir geteilt. Ganz besonders unterhalten und im Kopf geblieben sind mir seine selbst ausgedachten Merksprüche. Auf die Frage, ob E. faecium oder faecalis resistenter seien, kann ich nur mit der Schulter zucken. Fürs nächste Mal weiß ich: „Bei faecalis hilft (fast) alles”.
Woche 3: 05.06. – 11.06.2023
In meiner dritten Woche bin ich wieder in Grafenau eingeteilt, diesmal in der Gemeinschaftspraxis von Dr. Gahbauer, Dr. Ravasz und Dr. Schreib.
Am Montag kann ich fast ausschlafen, denn von unserem Häuschen zur Praxis sind es nicht mal 5 Minuten zu Fuß. Vor Ort werde ich herzlich willkommen geheißen und es wartet auch schon ein gut gefülltes Wartezimmer – es ist also ein typischer Montag. Die ersten Tage verbringe ich mit Dr. Schreib – entweder führt er die Gespräche mit den PatientInnen und stellt mein Wissen immer mal wieder mit einer Frage auf die Probe oder ich darf die PatientInnen in einem eigenen Zimmer empfangen und bespreche mein Vorgehen und meine Therapievorschläge im Anschluss mit ihm.
Unter Aufsicht führe ich mein erstes Hautscreening durch und wiederhole in diesem Rahmen nochmal die Merkmale der ABCDE-Regel, außerdem interpretiere ich diverse Lungenfunktionen und diagnostiziere sowohl einen Links- als auch einen Rechtsschenkelblock im EKG.
Am Mittwochnachmittag ist wieder Zeit für unser wöchentliches PJ-Teaching – diesmal allerdings nicht in Cham, sondern virtuell ganz gemütlich von unserem Küchentisch aus. In 1,5h bekommen wir einen Einblick in die Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und einen Überblick über verschiedene Bildgebungsverfahren im hausärztlichen Kontext. Es ist sehr angenehm, den Mittwoch ohne drei Stunden zusätzliche Autofahrt zu verbringen und Alicia und ich nutzen die freie Zeit im Anschluss spontan, um den ersten der „100 Fälle der Allgemeinmedizin“ durchzusprechen. Unsere fiktive Patientin leidet an Kopfschmerzen und gemeinsam machen wir uns Gedanken zu Diagnostik und Therapie und überlegen, welche abwendbaren gefährlichen Verläufe es auszuschließen gilt. Es stellt sich heraus, dass in diesem Fall eine Migräne die Ursache für die Beschwerden ist, und wir sind beide überrascht, dass wir die meisten Fragen auf dem Weg zu dieser Diagnose und der anschließenden Therapie doch recht schnell beantworten können.
Am nächsten Tag ist mal wieder Feiertag hier in Bayern und nach einem gut gefüllten Freitagvormittag, den ich diesmal in Begleitung von Dr. Gahbauer verbringe, geht eine sehr lehrreiche und bereichernde Woche zu Ende.
Woche 4: 12.06. – 18.06.2023
Diese Woche bin ich wieder in meiner Stammpraxis bei Dr. Carlberg und Dr. Scholz eingeteilt und obwohl ich es auch sehr spannend und lehrreich fand, einen Einblick in andere Praxen und die Arbeitsweise von anderen ÄrztInnen zu bekommen, bin ich doch sehr froh, die nächsten Wochen an einem festen Ort zu verbringen.
Die erste Arbeitswoche in der Praxis nach 2 Wochen Pfingstferien verläuft genauso, wie man sich das vorstellt: Das Telefon klingelt fast ununterbrochen, das Wartezimmer ist voll besetzt und auch auf dem Gang stehen PatientInnen mit dringenden Anliegen und Terminen, die gerne gesehen werden möchten. Dementsprechend lang sind auch die Wartezeiten und ich bin beeindruckt, dass Dr. Scholz und Dr. Carlberg trotzdem sehr ruhig und gelassen bleiben und sich für jeden ihrer PatientInnen ausreichend Zeit nehmen.
Es gibt eine Vielzahl von Krankheitsfällen, von akuten Beschwerden bis hin zu chronischen Erkrankungen, die untersucht und behandelt werden müssen. Wir sehen u.a. einen Patienten mit Verdacht auf Neurodermitis, einen mit fortgeschrittenem Parkinson-Syndrom und einen mit Mundsoor nach Kortisoninhalation. Außerdem stehen einige Impfungen an und ich führe mehrere präoperative Untersuchungen durch – eine gute Möglichkeit, die systematische körperliche Untersuchung zu wiederholen.
Zwischendurch darf ich wieder eine Patientin vorschallen, bevor Dr. Carlberg dazustößt. Die Patientin ist zur Kontrolle da – sie sei in der Vergangenheit durch erhöhte Leberwerte und eine Fettleber im Ultraschall aufgefallen. Im Sono weisen Leber- und Nierenparenchym eine homogene, vergleichbare Echogenität auf; was mir allerdings ins Auge fällt, ist die Gallenblase. Die Wand zeigt eine deutliche Dreischichtung, um die Gallenblase sieht man einen echoarmen Flüssigkeitssaum und im Inneren einen Stein. Meine Nachfrage, ob der Gallenstein vorbekannt wäre und sie aktuell Bauchschmerzen habe, verneint die Patientin. Als Dr. Carlberg dazustößt, bestätigt er meine Vermutung. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um eine chronische Cholezystitis, die einer weiteren Abklärung bedarf.
Am Mittwochnachmittag steht wieder unser wöchentliches PJ-Teaching an. Auch diese Woche findet es online statt und um 15 Uhr sitzen Alicia und ich mit einer Tasse Tee in der Küche und lauschen PD Dr. Breu, der Chefärztin der Anästhesie und Intensivmedizin in Cham, die über die unterschiedlichen Arten von Schmerzen und wie man diese behandelt, referiert. Das meiste hat man schon mal gehört, aber gerade in Bezug auf die Therapie von chronischen Schmerzen kann ich einige neue Erkenntnisse erlangen. Wir können unser aufgefrischtes bzw. neu erlerntes Wissen direkt am Ende noch an ein paar BeispielpatientInnen anwenden und es zeigt sich, dass alle gut aufgepasst haben.
Aber das war es noch nicht mit Input für diesen Tag – am Abend treffen wir uns zum 59. Journal Club. Auch hier sitzen Alicia und ich wieder vor dem Laptop und folgen interessiert der Diskussion der anwesenden ÄrztInnen. Es werden unterschiedliche Studien vorgestellt, unter anderem eine Studie zu dem neuen Migränemedikament Lasmiditan, und wir sprechen auch über ein Tool, das entwickelt wurde, um die Risikowahrscheinlichkeit für das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms vorherzusagen.
Und dann ist auch schon wieder Freitag und die ersten vier Wochen von meinem PJ sind vorbei. Die Zeit hier vergeht wahnsinnig schnell und jetzt freue ich mich erstmal auf ein entspanntes und ruhiges Wochenende, bevor ich mich wieder in den Praxisalltag stürze.
Woche 5: 19.06. – 25.06.2023
Auch in der fünften Woche ist unser Wartezimmer immer gut besetzt und das ganze Team hat alle Hände voll zu tun. Zu dieser Herausforderung gesellt sich auch noch das Wetter hinzu – es wird von Tag zu Tag wärmer, bis wir am Donnerstag mit 33°C den Höchststand erreichen, bevor dann das lang ersehnte Gewitter kommt und endlich ein bisschen Abkühlung bringt.
Wir lassen uns von den hohen Temperaturen nicht einkriegen – es werden flugs ein paar Ventilatoren aufgestellt und mehr Trinkpausen eingelegt und dann widmen wir uns wieder der PatientInnenversorgung.
Am Anfang der Woche stellt sich ein Patient mit ausstrahlenden Schmerzen im Schulterbereich bei uns vor. Seine Erklärung, er habe sich am Wochenende wohl verhoben, klingt erstmal plausibel. Kurz bevor wir die Schulter genauer untersuchen können, erwähnt er noch, dass er auch „so einen Ausschlag“ über der Brust habe. Wir werfen nur einen kurzen Blick darauf und schon ist klar, was die eigentliche Ursache für die Schmerzen ist. Der gerötete, bläschenförmige Ausschlag, der auf ein Hautareal begrenzt ist, ist doch eher typisch für den Herpes Zoster. Anstelle einer Schmerzsalbe verschreiben wir also ein Virostatikum.
Was die Sonografie angeht, wird diese Woche (ungeplant) zu meiner Schilddrüsen-Woche. Am Dienstag nimmt sich Dr. Carlberg viel Zeit, um mir die Untersuchung der Schilddrüse im Ultraschall einmal ausführlich zu zeigen und zu erklären, und in den nächsten Tagen darf ich mich dann alleine ausprobieren. Am Anfang läuft es noch etwas holprig, aber nach einer Weile habe ich den Dreh raus und freue mich, wenn die Messungen von Dr. Carlberg beim Nachschallen mit meinen übereinstimmen.
Am Mittwochnachmittag treffen wir uns dann wieder mit Julia und Andreas zu unserer wöchentlichen Teachingreihe. Diesmal sind wir nicht in Cham, sondern fahren nach Falkenstein zur urologischen Praxis von Dr. Maurer. Zu Beginn bekommt jeder ein Blatt mit einer übersichtlichen Mindmap zum Thema „Basiswissen Urologie“ in die Hand gedrückt und dann arbeitet Dr. Maurer die Punkte nach und nach ab und lässt auch genug Raum für Fragen von unserer Seite. Bisher habe ich eher wenige urologische Fälle in unserer Praxis gesehen, aber falls sich das ändern sollte, bin ich jetzt bestens vorbereitet!
Die nächsten Tage vergehen trotz oder vielleicht gerade wegen der gut gefüllten Sprechstunden überraschend schnell und dann steht auch das Wochenende wieder vor der Tür. Diesmal habe ich mir vorgenommen, eine Kajaktour auf dem Regen zu unternehmen und ich freue mich sehr darauf, den Bayerischen Wald vom Wasser aus zu erkunden, ein bisschen im kühlen Nass zu planschen und dabei die Seele baumeln zu lassen.
Woche 6: 26.06. – 02.07.2023
Den Montagvormittag in dieser Woche verbringe ich mit einer der MFAs im Labor. Die Arbeit ist auch hier sehr abwechslungsreich: Der Großteil der Zeit ist zwar mit Blutentnahmen gefüllt, aber zwischendurch messe ich Quick-Werte, lese die Werte zur Berechnung der BSG ab, beurteile Urinstreifen und schaue mir das Sediment unter dem Mikroskop an. Ich freue mich, mal einen “Blick hinter die Kulissen“ werfen zu können und dass zwischendurch genug Zeit für ausführliche Erklärungen, meine Fragen und auch zum Plaudern bleibt.
Am Dienstag steht mal wieder ein Praxiswechsel an – ich bleibe diesmal in Grafenau und darf mir den hier angesiedelten Standort der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald anschauen. Hier treffe ich auf Dr. Blank und beobachte erst aus dem Hintergrund, wie fix und trotzdem gründlich er seine PatientInnen versorgt, bis ich dann selbst Anamnese und Untersuchungen durchführe. Im Anschluss präsentiere ich Dr. Blank meine Ergebnisse und erhalte dafür hilfreiches Feedback. Nach der Mittagsbesprechung mache ich mich auf den Weg zurück in unser Häuschen, wo ich den Vormittag noch einmal rekapituliere.
Ein häufiger Vorstellungsgrund heute waren Bauchschmerzen. Die Ursachen dafür sind vielfältig, aber durch gezieltes Fragen kann man in der Anamnese schon einiges über den Ursprung der Beschwerden herausfinden. Die Kombination mit Durchfall nach dem Verzehr von abgelaufenen Milch- und Fleischprodukten am Wochenende deutet auf eine Lebensmittelvergiftung hin und die Cholezystektomie in der Vorgeschichte der anderen Patientin könnte auf eine dadurch bedingte Unverträglichkeit von fettreichen Speisen hinweisen. Zur weiteren Abklärung und dem Ausschluss von AGVs folgt noch die körperliche Untersuchung und eine Sonografie des Abdomens. In beiden Fällen kann Entwarnung gegeben werden und mit dem Hinweis, in nächster Zeit auf die Ernährung und bei Durchfall auf den Flüssigkeitshaushalt zu achten, entlassen wir die PatientInnen nach Hause.
Da wir am Mittwoch ausnahmsweise mal kein Teaching in bzw. aus Cham haben, beschließen Alicia und ich, wieder selbst aktiv zu werden. Draußen ist ein herrlicher Sommertag und so setzen wir uns kurzerhand mit einer Picknickdecke in den Garten und knobeln wieder an einem fiktiven Fall aus dem Lehrbuch. Unser erstes Thema: Bauchschmerzen. Mal wieder. Unsere Patientin hat Fieber und - wie vor zwei Jahren schon mal - Schmerzen im linken Unterbauch. Diese Kombination kommt uns sehr bekannt vor und wir liegen mit unserer Vermutung richtig. Die Patientin wird von einer Divertikulitis geplagt. Wir können uns schnell darauf einigen, was wir an weiterer Diagnostik durchführen würden, aber die Antibiotika, die zur Therapie einer (möglicherweise) komplizierten Divertikulitis in Betracht kommen, müssen wir doch nochmal nachschlagen.
Am Ende der Woche bekomme ich Besuch aus Würzburg. Es ist schön, sich beim gemütlichen Abendessen über die Erfahrungen im PJ auszutauschen und in den nächsten beiden Tagen beim Wandern auf den kleinen Arber und Eisessen im Grafenauer Kurpark einfach abzuschalten und den Sommer zu genießen.
Woche 7: 03.07. – 09.07.2023
Eine weitere Woche neigt sich dem Ende zu. Neben vielen interessanten und bereichernden Begegnungen mit PatientInnen bleiben mir diese Woche vor allem die lehrreichen Vorträge in den virtuellen Besprechungen und vor Ort in Cham im Gedächtnis.
Da ist zum einen das Thema "Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom" (OSAS), über das Dr. Machac am Montag in der Mittagsbesprechung referiert. Die Häufigkeit der Erkrankung nimmt zu und da die kardiovaskulären Folgen verheerend sein können, ist es wichtig, das OSAS frühzeitig zu erkennen und zu therapieren. Dr. Machac erläutert uns, bei welcher Symptomkonstellation wir hellhörig werden sollten, welche Kriterien für die Diagnosestellung erfüllt sein müssen und welche Behandlungsoptionen in Betracht kommen.
Am Mittwochnachmittag in Cham steht dann das Herz im Mittelpunkt. Der Chefarzt der Inneren Medizin, Prof. Dr. Buchner, führt uns in die Grundlagen der Echokardiografie ein und zeigt eine breite Auswahl an Pathologien des Herzens, die man mithilfe des Ultraschalls diagnostizieren kann. Im Anschluss haben wir die Möglichkeit, uns gegenseitig zu schallen und mit etwas Hilfestellung gelingt es auch, die richtigen Schallfenster und Schnitte darzustellen. Mit dem guten Gefühl, durch diese interaktive Erfahrung das Verständnis für die Echokardiografie nachhaltig vertieft zu haben, machen wir uns auf den Heimweg. Auf halber Strecke beschließen wir spontan, wieder einen Zwischenstopp in Regen einzulegen und den Abend bei einem gemütlichen Plausch und leckerem Essen in der Pizzeria ausklingen zu lassen.
Die Fallbesprechung am Donnerstagmittag verläuft etwas anders als sonst. In einer Praxis haben sich gehäuft Patientinnen mit PCO-Syndrom vorgestellt und infolgedessen sind auch einige Fragen zu dieser Erkrankung aufgetaucht. Um diese zu beantworten, ist im heutigen Zoom-Meeting ein Gynäkologe dabei. Er nimmt sich viel Zeit, uns ausführlich über das Syndrom zu informieren und ich bin ganz begeistert, dass die Möglichkeit besteht, sich so persönlich mit anderen Fachbereichen auszutauschen.
Ein anderer Aspekt der hausärztlichen Tätigkeit, der diese Woche für mich sehr geprägt hat, ist das Überbringen schlechter Nachrichten. Schlechte Nachrichten heißt in beiden Fällen, die ich diese Woche miterlebe, dass anhand einer Gewebeprobe Krebs diagnostiziert worden ist. Das Aufklärungsgespräch bei der Erstdiagnose einer solchen Erkrankung ist für beide Seiten, PatientInnen und ÄrztInnen, emotional belastend. Auf ärztlicher Seite bedarf es viel Einfühlungsvermögen und ich stelle in meiner Rolle als Beobachterin fest, wie wichtig es ist, Pausen im Gespräch zu lassen und regelmäßig nachzufragen, ob die Informationen auch bei den PatientInnen angekommen sind. Um ein schwieriges Gespräch zu planen, kann man sich an dem SPIKES-Kommunikationsmodell orientieren und Dr. Blank gibt mir den wertvollen Hinweis, die Gesprächsführung anhand des Modells erstmal mit weniger schwerwiegenden Diagnosen zu üben, um im Ernstfall sicher auf das Schema zurückgreifen zu können.
Woche 8: 10.07. – 16.07.2023
Nun sind es schon zwei Monate, in denen ich den Bayerischen Wald und unser feines Häuschen im beschaulichen Grafenau mein Zuhause nennen kann. Ich brauche kein google maps mehr, um mich im Ort zurechtzufinden, weiß, in welchen Ecken im Garten Himbeeren und Walderdbeeren zu finden sind und kenne den Namen der Nachbarskatze, die sich gerne auf unserem Grundstück herumtreibt und Streicheleinheiten nicht abgeneigt ist.
In der Praxis machen sich die beiden Monate nicht nur an meinem Wissenszuwachs, sondern auch im Umgang mit den PatientInnen bemerkbar. Viele Gesichter im Wartezimmer sind mir inzwischen vertraut, Anamnese und Untersuchung sind routinierter geworden und auch in die anfangs sehr unübersichtlich wirkende Praxissoftware habe ich mich mittlerweile eingefunden. Meine Fortschritte werden mir noch einmal richtig bewusst, als ich am Ende der Woche mit Dr. Carlberg in einer ruhigen Minute die geforderten Fähigkeiten und Fertigkeiten in meinem Logbuch reevaluiere. Ein schönes Gefühl!
Und trotzdem gibt es jede Woche etwas Neues zu lernen oder die Möglichkeit, Themen noch etwas zu vertiefen. So auch am Mittwoch im PJ-Teaching, das wieder online stattfindet. Das Thema heute: Psychiatrische Erkrankungen erkennen, behandeln oder überweisen. Im Fokus steht dabei die Depression. Und das zu Recht, schließlich leidet von 10 PatientInnen, die eine Hausarztpraxis aufsuchen, eine/r auch an dieser psychischen Erkrankung. "Man kann also durchaus von einer Volkskrankheit sprechen", sagt die Chefärztin der Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. Prasser, die sich heute Zeit für uns genommen hat. Sie erzählt uns, worauf man als Arzt und Ärztin in der hausärztlichen Versorgung achten muss und anhand welcher Symptome man die passenden Medikamente auswählt.
Auch am Donnerstag in der Mittagsbesprechung widmen wir uns statt konkreten PatientInnenfällen einer Erkrankung, und zwar dem Herpes zoster. Dr. Machac fasst nochmal das Wichtigste zusammen und stellt uns zwischendurch Fragen, was den Lerneffekt für mich noch etwas verstärkt. Wenn ich selbst aufgefordert werde, aktiv mitzumachen, bleibt meist doch etwas mehr hängen.
Woche 9: 17.07. – 23.07.2023
Nach einem sehr schönen, aber leider nicht ganz so erholsamen Wochenende in Würzburg starte ich am Montag etwas müde in die Sprechstunde. Die Müdigkeit hält leider die ganze Woche an und ich bin mir sicher, dass die Hitze nicht ganz unschuldig daran ist.
Auch den PatientInnen machen die hohen Temperaturen zu schaffen. Ein häufiger Beratungsanlass ist eine plötzlich auftretende Hypotonie, obwohl der Blutdruck bisher gut medikamentös eingestellt war. Einige PatientInnen klagen auch über damit verbundene Symptome, wie Schwindel, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit. In den meisten Fällen reicht eine Reduktion der Medikamentendosis und der Hinweis, bei so hohen Temperaturen gut auf den Wasserhaushalt zu achten, um die PatientInnen wieder Nachhause entlassen zu können. Eine Patientin berichtete jedoch zusätzlich von dem Gefühl, dass ihr Herz ab und zu komisch schlagen würde. Der unregelmäßige Herzschlag lässt sich auch beim Tasten des Pulses bestätigen und nach einem auffälligen EKG beschließen wir, die Patientin für eine weitere Abklärung in die Klinik einzuweisen.
Zum Sommer gehört nicht nur die Hitze, sondern auch diverse Insekten, die sich gerne von menschlichem Blut ernähren. Und so stellen sich immer wieder PatientInnen mit Rötung und Schwellung nach Insektenstich bei uns vor. Je nach Symptomatik unterscheiden wir zwischen Erythema migrans, einer Lokalreaktion und in zwei Fällen verordnen wir mit Verdacht auf Erysipel ein Antibiotikum. Bei einer Patientin liegen wir mit unserem Verdacht allerdings falsch, denn bei der Nachkontrolle ist die Rötung trotz Antibiotikatherapie nicht zurückgegangen – ganz im Gegenteil, sie hat zugenommen und unterhalb des Knöchels zeigt sich außerdem ein geröteter Strang, der palpabel und druckdolent ist. Es sieht sehr verdächtig nach einer Phlebitis aus und mithilfe der Sonografie können wir unsere Verdachtsdiagnose bestätigen. Die Antibiose wird also direkt abgesetzt und stattdessen befolgen wir die Devise: Kompression, Mobilisation und Antikoagulation.
Neben vielen spannenden Fällen in der Praxis ist auch die Montagsbesprechung sehr lehrreich. Statt dem üblichen Vortrag zu einem Thema stellt Dr. Blank uns heute Fragen zur Wundversorgung. Wann ist eine Wunde verschlossen? Wie lange muss man nach der OP warten, bis man wieder mit der Wunde duschen darf? Wann sollte man die Fäden ziehen? Ich stelle fest, dass ich bei dem Thema doch eher vorsichtig unterwegs bin und bin ganz überrascht, dass Operationswunden bereits nach 48h mit Wasser in Kontakt kommen dürfen. Im Anschluss gibt es dann einen kurzen Themenwechsel: Wie geht man vor, wenn nach einem nicht ganz erfolgreichen Versuch, eine Zecke zu entfernen, ein Teil der Zecke stecken bleibt? Aus eigener Erfahrung weiß ich: Das regelt der Körper meistens von selbst.
Auch das PJ-Teaching am Mittwoch ist interaktiv gestaltet. Dr. Weinhold, Fachärztin für Allgemeinmedizin, gibt uns hilfreiche Tipps im Umgang mit PatientInnen und möchte wissen, was wir bisher für Erfahrungen gemacht haben.
Im Anschluss findet der Journal Club statt und wie beim letzten Mal werden wieder viele spannende Studien vorgestellt und diskutiert.
Aber das war es noch nicht mit Input für diese Woche: Am Wochenende geht es für mich nach Bad Staffelstein zu einem PJ-Trainingskurs, der von meiner Heimatuniversität und der Uni Erlangen organisiert wird. Laut Programmheft erwarten uns eine fallbezogene interaktive Erarbeitung von Differentialdiagnosen und die Vorstellung von Fällen aus den Gebieten der Inneren Medizin und Chirurgie. Ich bin sehr gespannt und freue mich besonders darauf, einige meiner KommilitonInnen wiederzusehen.
Woche 10: 24.07. – 30.07.2023
Diese Woche dürfen Alicia und ich für drei Tage in der Rehaklinik in Schaufling hospitieren. Schon der erste Kontakt zu unserem Ansprechpartner während der Hospitation, dem Oberarzt der Orthopädie Dr. Buvar, ist sehr herzlich und die Organisation unseres Aufenthalts verläuft ganz unkompliziert. Als wir am Montagmorgen in Schaufling ankommen und einen ersten Blick auf die Klinik werfen, staunen wir nicht schlecht. Die Rehaklinik liegt auf einem Berg in 700 Meter Höhe, mitten im Wald. Ein guter Ort, um sich zu erholen und ein bisschen zur Ruhe zu kommen.
Nachdem wir kurz die Aussicht bewundert haben, werden wir von Dr. Buvar abgeholt, mit Kittel und Namensschild ausgestattet und dann bekommen wir erstmal eine ausführliche Hausführung. Das nimmt einige Zeit in Anspruch, weil die Klinik aus mehreren Gebäuden besteht und wir auf dem Weg verschiedenen Leuten aus dem Team der Klinik vorgestellt werden. Insgesamt ist die Stimmung sehr familiär und entspannt.
Der Ablauf unserer Hospitation ist super organisiert – wir bekommen direkt zu Beginn eine Übersicht über die Vormittage, die mit verschiedenen Therapien gefüllt sind. So verbringen wir am Montag eine halbe Stunde im Fitnessraum und trainieren gemeinsam mit den RehabilitandInnen, danach probieren wir die maschinelle Lymphdrainage aus und bekommen einen kalten Guss an den Beinen und ein Kohlensäurebad für die Arme in der Hydrotherapie. Anschließend dürfen wir uns im Bogenschießen ausprobieren. Da jede halbe Stunde das Programm wechselt und wir in ganz verschiedenen Räumen unterwegs sind, verbringen wir anfangs auch viel Zeit damit, durch verschiedene Gebäude und lange Flure zu irren. Zum Glück treffen wir immer wieder auf eine/n der sehr lieben und hilfsbereiten TherapeutInnen und so landen wir letztendlich immer zur rechten Zeit am rechten Ort.
Wenn wir nicht unsere Zeit mit Rückenschule, Elektrotherapie und Qi Gong verbringen, nehmen wir an den morgendlichen Fallbesprechungen der Orthopädie teil, in denen Alicia und ich jeweils eine Neuaufnahme vorstellen dürfen. Um 12 finden wir uns dann zum Mittagessen in der Kantine ein und danach steht neben Neuaufnahmen auch ein Untersuchungskurs zu Knie und Schulter inkl. Sonografie an. Dr. Buvar erklärt uns nochmal sehr ausführlich den Aufbau der beiden Gelenke und geht die verschiedenen Untersuchungstechniken mit uns durch.
Mein Highlight (neben dem Hydrojet, quasi ein Wasserbett mit Massage) ist der Präventionstag am Mittwoch. Dr. Buvar hat Alicia und mich eingeladen, mitzumachen und so packen wir morgens unsere Laufschuhe ein, bevor wir uns auf den Weg nach Schaufling machen. Der Plan ist, von der Klinik aus 2,3 km durch den Wald zu laufen bis man an eine Straße kommt und dann den gleichen Weg wieder zurückzulaufen. Wie schnell man die Strecke bewältigt, ist jedem selbst überlassen. Leider will das Wetter nicht wirklich mitmachen. Es ist plötzlich kühl geworden und es regnet fast durchgehend. Bevor es losgeht, setzen wir uns am Nachmittag in ein verlassenes Büro und Alicia schaltet sich zum Teaching in Cham dazu, während ich an einem Onlinevortrag zum Thema „Sinnvolle und effektive Labordiagnostik für HausärztInnen“ teilnehme. Ein Arzt aus Bremen referiert über den richtigen Umgang mit Laborproben und erklärt uns, bei welchen Laborparametern die PatientInnen nüchtern sein müssen und welche Gewohnheiten zu einer Erhöhung von bestimmten Parametern führen können. So erhöht Rauchen beispielsweise die Anzahl der Leukozyten im Blut und bei körperlicher Aktivität steigen die Kinasen, aber auch GOT und Bilirubin. Im Anschluss zeigt er uns, wie man aus dem großen Angebot an möglichen Laborparametern je nach Fragestellung einige wenige Werte auswählen kann, um gezielte Labordiagnostik zu betreiben. Während des Vortrags regnet es unentwegt in Strömen und ich sehe unseren Sporttag schon buchstäblich ins Wasser fallen.
Aber Glück gehabt: Als wir uns draußen zum Aufwärmen treffen, hört netterweise auch der Regen auf. Insgesamt sind wir ca. 50 Leute und es macht richtig Spaß, gemeinsam durch den Wald zu laufen. Wir sind eine halbe Stunde unterwegs und auf den letzten hundert Metern müssen wir doch ordentlich die Zähne zusammenbeißen. Aber wir werden dafür belohnt: Dr. Buvar lädt uns im Anschluss zum Grillen ein und so können wir den schönen Aufenthalt in der Rehaklinik gemütlich ausklingen lassen.
Insgesamt war die Hospitation in Schaufling eine sehr bereichernde Zeit. Ich wusste zwar vorher, was die Ziele in der Reha sind, aber wie der genaue Ablauf aussieht und welche Angebote für die RehabilitandInnen zur Verfügung stehen, war mir überhaupt nicht bewusst. Deshalb bin ich dankbar, diese Möglichkeit gehabt zu haben und freue mich über die neu gewonnene Erkenntnis und Erfahrungen, die ich mit in mein weiteres Arbeitsleben nehmen kann.
Woche 11: 31.07. – 06.08.2023
Da der wohlverdiente Urlaub für die Gemeinschaftspraxis in Grafenau vor der Tür steht und ich im Anschluss nur noch eine Woche bei Dr. Carlberg und Dr. Scholz verbringe, gehen Dr. Carlberg und ich am Anfang der Woche noch einmal mein Logbuch durch. Es sind nicht mehr viele Dinge, die noch auf meiner To-Do-Liste stehen und eins davon kann ich gleich am selben Vormittag abhaken.
Bei uns stellt sich ein älteres Ehepaar zum geriatrischen Assessment vor. Wir verwenden den Barthel Test zur Bewertung der Alltagsfunktionen. Die zugehörigen Fragen drehen sich unter anderem um Mobilität, Koordination und Kontinenz und es können pro Frage entweder 0, 5 oder 10 Punkte vergeben werden. Ich merke, dass es den beiden teilweise schwerfällt, zuzugeben, dass sie in einigen Bereichen eingeschränkt sind. Im Zweifelsfall muss man noch einmal genauer nachhaken und wie auch sonst sind Empathie und ein nicht-wertender Umgang mit den Antworten essenziell.
Im Anschluss findet wieder die wöchentliche Montagsbesprechung statt. Heute reden wir über die Helicobacter pylori-Infektion, die häufigste Ursache der gastroduodenalen Ulkuskrankheit. Ich habe im Studium als Erstlinien-Therapie noch die verschiedenen Triple-Varianten gelernt und bin ganz überrascht, dass laut Leitlinie in der Behandlung mittlerweile zuerst die sogenannte Quadrupeltherapie eingesetzt werden soll. Die Begründung dafür sind neu aufgetretene Clarithromycin-Resistenzen, die ein breiteres Therapieregime notwendig machen. Gegen diese Therapie spricht allerdings eine höhere Abbruchquote wegen der hohen Medikamentenmenge und den verstärkt auftretenden Nebenwirkungen.
Mein Fazit aus der Besprechung: Viel hinterfragen, reflektieren und sich bewusst sein, dass man in der Medizin niemals ausgelernt hat.
Am Mittwoch veranstalten wir auf Anregung von Dr. Blank ein kleines Gartenfest bei uns in Grafenau. Myriam und Julia kommen ein bisschen früher vorbei und gemeinsam verwandeln wir die Terrasse mit Tischen und Stühlen in eine gemütliche Sitzgelegenheit mit leckerem Buffet. Der gesellige Abend bietet eine gute Gelegenheit, sich außerhalb der Praxis kennenzulernen und bleibt zum Glück sogar fast regenfrei. Ein Highlight des Abends ist Paddy – Dr. Blanks Hund, der gerne mal seinem Herrchen entwischt und sich die ein oder andere Streicheleinheit bei uns abholt.
Am Ende der Woche wird es noch einmal stressig. Schließlich ist auch den PatientInnen bewusst, dass die Praxis bald zwei Wochen geschlossen ist und so werden noch fleißig Rezepte abgeholt, Quick-Werte kontrolliert und auch die Sprechstunde ist gut frequentiert.
Unter anderem stellt sich eine Patientin mit einer Entzündung am Lid und einer Hautwucherung an der Stirn vor. Sie präsentiert die beiden Entitäten als zusammenhängendes Krankheitsbild, aber Dr. Carlberg differenziert zwischen einem Cornu cutaneum, einer Präkanzerose an der Stirn und einer bakteriellen Infektion des Oberlids. Die Infektion behandeln wir selbst, den Rest überlassen wir der Dermatologie.
Eine andere Patientin stellt sich mit einem fortgeschrittenen Struma nodosa vor. Ihr wurde zur Operation geraten, allerdings hat sie Angst vor der OP und möchte gerne die Meinung von Dr. Carlberg dazu hören. Ich finde es immer wieder schön zu sehen, wie viel Vertrauen manche PatientInnen in ihre ÄrztInnen haben, aber auf der anderen Seite habe ich auch sehr viel Respekt vor der Verantwortung, die man als Arzt und Ärztin in einer solchen Situation hat.
Woche 12: 07.08. – 13.08.2023
Meine 12. Woche ist gesplittet. Bis Mittwoch bin ich noch bei Dr. Carlberg und Dr. Scholz und die beiden anderen Tage verbringe ich in der Gemeinschaftspraxis von Dr. Gahbauer.
An beiden Standorten merkt man, dass jetzt der eigene Urlaub vor der Tür steht und dass einige andere HausärztInnen in der Region bereits im Urlaub sind – demzufolge sehe ich diese Woche noch einmal viele PatientInnen und auch vielfältige Krankheitsbilder.
Recht eindrücklich ist ein Erysipel am Bein eines Patienten. Er beschreibt, dass sich die scharf begrenzte Rötung in den letzten Tagen schnell ausgebreitet hätte. Als wir die Lymphknoten in der Leiste schallen wollen, zeigt sich auch dort eine Hautrötung und im Sono präsentieren sich die Lymphknoten stark vergrößert und echoreich. Mit Hinblick auf den anstehenden Praxisurlaub stellen wir eine Überweisung ins Krankenhaus aus.
Am selben Tag stellt sich ein Patient mit starker Lidschwellung und Rötung um das Auge vor. Sein Allgemeinzustand ist reduziert und mit Verdacht auf Orbitaphlegmon wird auch dieser Patient stationär eingewiesen.
Gegen Ende der Woche stehen dann virusbedingte Hauterscheinungen im Vordergrund.
Ein junger Patient stellt sich mit Exanthem nach vorausgegangenem Fieber vor. Im Mund zeigen sich schmerzhafte Enantheme und an Händen, Füßen und den Oberschenkeln präsentiert sich ein makulopapulöses, teils auch vesikulöses Exanthem. Die Klinik ist typisch für die Hand-Fuß-Mundkrankheit, eine hochansteckende, aber meist mild verlaufende Infektion mit Enteroviren. Mit dem Hinweis auf eine ausreichende Händehygiene können wir den Patienten wieder Nach Hause entlassen.
Ohne Medikation geht es bei der nächsten Patientin leider nicht. Sie äußert selbst den Verdacht auf Gürtelrose, nachdem sie am Rücken Bläschen getastet habe. An der LWS zeigen sich haufenförmig gruppierte Bläschen auf erythematösem Grund und wir können die Verdachtsdiagnose bestätigen. Zur Behandlung verschreiben wir ein Virostatikum und ein Analgetikum. Außerdem weisen wir noch auf die Ansteckungsgefahr hin, besonders im Kontakt mit PatientInnen mit Abwehrschwäche, Neugeborenen und Schwangeren ohne ausreichende Immunität.
Am Donnerstag in der Fallbesprechung spricht Dr. Blank ein schwieriges Thema an. Selbst wenn man alles gut organisiert und sich Mühe gibt, den Überblick zu behalten, kann es doch selten mal passieren, dass einem ein wichtiger Befund durch die Lappen geht. Er fragt die Runde, was für Strategien die anderen Praxen eingeführt haben, um dies zu vermeiden. Das zeigt wieder, dass der Austausch zwischen ÄrztInnen nicht nur zur Behandlung von PatientInnen sinnvoll sein kann.
Auch außerhalb der Praxen ist viel los bei uns. Außer mir und Alicia sind nämlich 3 BlockpraktikantInnen aus Würzburg in der alten Pension in Grafenau. Es ist ungewohnt, plötzlich so viel Trubel zu haben, aber auch sehr schön. Am Anfang der Woche werde ich erstmal in ein traditionelles bayerisches Kartenspiel eingeführt: Schafkopf. Die ganzen Bezeichnungen und Regeln überfordern mich erstmal ganz schön, aber mit der Zeit funktioniert es immer besser und ich freue mich richtig auf die abendlichen Spielrunden.
Am Wochenende besuche ich dann meine ehemalige Mitbewohnerin in Passau. Ich habe schon oft von der Stadt vorgeschwärmt bekommen und kann es kaum erwarten, mir endlich selbst ein Bild machen zu können.
Woche 13: 14.08. – 20.08.2023
Der Montag in dieser Woche beginnt für mich mit einer Hospitation in einem anderen Fachbereich – ich darf einen Tag mit in den Praxisalltag von Dr. Träger, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, hineinschnuppern. Die Praxis liegt genau neben der von Dr. Carlberg und Dr. Scholz, ich kann also ganz bequem zu Fuß hinlaufen.
Im Eingangsbereich sieht alles so aus wie in der Allgemeinmedizin auch – das Herzstück bildet die Rezeption zur Aufnahme der PatientInnen und von dort führen verschiedene Türen ins Wartezimmer, den Personalbereich und die Sprech- /Behandlungszimmer. Letztere sind jedoch ganz anders aufgebaut, als ich es gewohnt bin. Zwar gibt es auch den obligatorischen großen Tisch mit zwei Stühlen für die PatientInnen davor, dieser wird aber kaum genutzt. Stattdessen nehmen die PatientInnen auf einem Drehstuhl in der Mitte des Raumes Platz und die ganzen Instrumente und Geräte sind im Halbkreis um den Stuhl aufgebaut. „Das sogenannte Cockpit“, erklärt mir Dr. Träger.
Wie in der Allgemeinmedizin stellen sich auch hier PatientInnen in jedem Lebensalter vor. Sie kommen zur Tumornachsorge, OP-Vorbesprechung, Nachkontrolle nach Tonsillektomie, Reinigung des Gehörgangs und zur Abklärung von Atembeschwerden und nächtlichem Schnarchen.
Die Behandlung schaue ich mir hauptsächlich aus dem Hintergrund an, darf aber zwischendurch mit dem Nasenspekulum einen Blick auf eine Nasenseptumdeviation werfen und versuche einige Minuten lang erfolglos, mit dem Mikroskop das Trommelfell einer Patientin scharf zustellen.
Der Dienstag ist ein Feiertag und ich nutze die freie Zeit, um endlich die Buchberger Leite zu wandern. Die Wildbachklamm wurde mir schon mehrfach von PatientInnen empfohlen und die Strecke ist auch wirklich so schön, wie sie angepriesen wurde. Bei den hohen Temperaturen ist der Waldweg am Wasser entlang sehr angenehm kühl und wir nutzen den Bach für eine kurze Erfrischung zwischendurch.
Ab Mittwoch bin ich dann bei Dr. Blüml in Neukirchen vorm Wald. Die Praxis ist sehr freundlich und modern eingerichtet, aber die Parkplatzsuche gestaltet sich etwas kompliziert – es ist der erste Tag nach dem Praxisurlaub und der Andrang ist groß.
Die Praxis ist aber großartig organisiert: Es gibt ein großes Wartezimmer und wer lieber draußen an der frischen Luft oder im Auto warten möchte, bekommt einen Piepser mit. Dieser kündigt dann lautstark an, wenn man an der Reihe ist und vermindert Laufzeiten für die MFAs.
Auch die beiden ÄrztInnen sind gut organisiert. Jede/r hat zwei Sprechzimmer und vor den Zimmern ist ein kleines Fach angebracht, in dem die MFAs Zettel mit groben Informationen zu den nächsten PatientInnen deponieren können. So weiß man vorher schon ungefähr, was auf einen zukommt.
Die Krankheitsbilder sind wieder sehr gemischt, mit dabei sind u.a. ein Erythema migrans, eine ISG-Blockade und ein Harnwegsinfekt. Zwischendurch sonografieren wir einen Patienten, der sich mit Hämaturie vorgestellt hat. Glücklicherweise sind Nieren und Blase blande.
Insgesamt fühle ich mich sehr wohl bei Dr. Blüml. Trotz des vollen Wartezimmers lässt sie genug Raum für Fragen und ermuntert mich schnell dazu, selbst Anamnese und Untersuchung durchzuführen.
Am Donnerstag treffen wir uns dann zum letzten Mal mit Dr. Blank zur Fallbesprechung, bevor er in den wohlverdienten Urlaub geht. Im Anschluss fragt er uns nach unserem Feedback zu dem Tertial im Bayerischen Wald. Im Großen und Ganzen fällt das sehr positiv aus und die wenigen Kritikpunkte, die wir anbringen, decken sich auch mit denen der anderen PJlerInnen. Dr. Blank kann unsere Kritik gut nachvollziehen und hat auch schon Pläne, wie er das PJ noch verbessern möchte.
Woche 14: 21.08. – 27.08.2023
Auch diese Woche verbringe ich in Neukirchen vorm Wald bei Dr. Blüml. Am Montag ist die Praxis wieder genauso überlaufen wie in den letzten Tagen, aber ab Dienstag wird es ein bisschen entspannter.
Ich bin ganz glücklich, mal wieder für eine längere Zeit an einem Ort zu sein. So kann ich die Abläufe kennenlernen, sehe einige PatientInnen im Verlauf sogar mehrfach und bekomme etwas Übung in der Bedienung der Praxissoftware.
Jeden Morgen fragt Dr. Blüml mich, ob ich selbst mit den PatientInnen anfangen oder mich mit in ihre Sprechstunde setzen möchte. Mir macht beides sehr viel Spaß – auf der einen Seite die Selbstständigkeit und der direkte Kontakt zu den PatientInnen und auf der anderen ist es sehr bereichernd, die Arbeitsweise von Dr. Blüml kennenzulernen.
Auch wenn sich das Tertial dem Ende neigt, gibt es immer wieder Vorstellungsgründe, die mir bisher noch nicht untergekommen sind. So stellt sich diese Woche eine Patientin nach Katzenbiss bei uns vor. Die Bissstelle befindet sich am Handrücken und obwohl das Ereignis noch keine Stunde her ist, hat sich schon eine starke Schwellung gebildet und die Patientin ist in der Beugung der Finger eingeschränkt. Zu meiner Überraschung gibt sie kaum Schmerzen an. Dr. Blüml erklärt der Patientin (und mir), dass man so einen Biss durchaus auch mal ohne Antibiotikum behandeln kann, aber in diesem Fall verordnen wir doch prophylaktisch eine Antibiose.
Eine für mich neue Blickdiagnose diese Woche ist das Atherom. Es zeigt sich als prall-elastische, halbkugelige und ca. 1-2 cm große Schwellung hinter dem Ohr eines Patienten. Dr. Blüml und der Patient entscheiden sich für die Exzision.
Auch eine blutige Angelegenheit ist der Patient, bei dem es nach der Dialyse zu einer Blutung aus dem Dialyse-Shunt am Unterarm gekommen ist. Als er sich bei uns vorstellt, hat die Blutung glücklicherweise schon wieder aufgehört. Und ich bekomme die Gelegenheit, das typische Schwirren über dem Shunt zu tasten und mit dem Stethoskop abzuhören.
Am Donnerstag in der Fallbesprechung sind wir nur zu dritt. „Eine kleine illustre Runde“, sagt Dr. Ammer, der außer mir und Alicia noch im Zoom Meeting dabei ist. Als er uns nach spannenden Themen aus unserer Woche fragt, kommen wir recht schnell auf die Anaphylaxie zu sprechen. Er fragt uns, welche die potentesten Allergene sind, wie das Vorgehen bei einer allergischen Reaktion in der Hausarztpraxis ist und wie wir das Adrenalin verabreichen würden. Im Anschluss gehen wir noch ein paar andere Notfälle in der Hausarztpraxis durch.
Woche 15: 28.08. – 03.09.2023
Diese Woche beginnt mal wieder mit einer Hospitation. Um 8 finde ich mich in Deggendorf bei der Zentrale der SAPV für die Landkreise Deggendorf, Regen, Freyung-Grafenau und Dingolfing-Landau ein.
Nach einem kurzen Kennenlernen des Palliativ-Teams beginnt der Tag mit der Teambesprechung. Es werden die PatientInnen aus dem Landkreis Deggendorf vorgestellt und über ihre aktuelle Situation berichtet. Im Anschluss machen wir uns zu dritt (ein Arzt, eine Pflegekraft und ich) auf, um zwei Neuaufnahmen zu besuchen. Man merkt schnell, dass die Palliativmedizin ganz anders abläuft als die kurative Medizin: Man nimmt sich mehr Zeit, um die PatientInnen kennenzulernen und auf sie einzugehen, und es stehen andere Bedürfnisse und Therapieziele im Vordergrund. Auch die Angehörigen werden intensiv mit einbezogen und es wird großer Wert auf die Zusammenarbeit mit HausärztInnen, Pflegediensten und Pflegeheimen gelegt.
Zentraler Bestandteil der palliativen Medizin ist die Kontrolle und Linderung von Symptomen, die die PatientInnen belasten. Zu den häufigsten Symptomen gehören Schmerzen, Fatigue, Dyspnoe, Obstipation, Übelkeit und Erbrechen. Die Bandbreite an Medikamenten, die man in der Palliativmedizin einsetzt, ist also überschaubar. Eine wichtige Medikamentengruppe in der Schmerztherapie sind Opioide und bei einer der Neuaufnahmen kann ich direkt zuschauen, wie eine Morphinpumpe subkutan gelegt wird.
Die letzten Tage von meinem Tertial verbringe ich dann wieder bei Dr. Carlberg und Dr. Scholz in Grafenau. Da sich das Team am Montag trifft, um schon mal den liegengebliebenen Papierkram aus den letzten Urlaubswochen zu erledigen, finden erst ab Dienstag wieder Sprechstunden statt.
Direkt zu Beginn der Sprechstunde stellt sich ein Patient vor, den wir kurz vor dem Urlaub mit einem ausgedehnten Abszess am Unterschenkel in die Klinik geschickt haben. Heute ist der Patient zum Fadenzug da und ich bin gespannt darauf, die Wunde jetzt zu sehen. Die Rötung und Schwellung sind stark zurückgegangen, aber das Wundgebiet ist noch handtellergroß. Der Patient hatte sich gegen ein Hauttransplantat entschieden und so muss die Wunde jetzt sekundär heilen.
Ansonsten sehe ich diese Woche noch viele StammpatientInnen, führe unter Aufsicht von Dr. Carlberg ein DMP für Diabetes durch, mache eine Narkosevoruntersuchung und fahre zum letzten Mal in diesem Tertial mit auf Hausbesuch.
Woche 16: 04.09. - 10.09.2023 Fazit
Jetzt ist das erste Drittel des PJs also schon vorbei. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht!
Ich wollte das Tertial gerne am Anfang des PJs machen, weil ich die Hoffnung hatte, hier noch ein bisschen mehr „an die Hand genommen zu werden“ und einen angenehmen Einstieg in das zukünftige Berufsleben zu bekommen. So war es auch.
Sowohl mit Dr. Blank, als auch mit Dr. Carlberg und Dr. Scholz in meiner Praxis in Grafenau hatte ich mehrere Ansprechpartner, an die ich mich jederzeit wenden konnte. Ich hatte das Gefühl, wertgeschätzt zu werden und wurde immer wieder gefragt, wie es mir geht und was ich mir für mein Tertial noch wünschen würde.
Ich habe ausreichend Zeit bekommen, Anamnese und Untersuchungen zu üben und Dr. Carlberg war sehr bemüht darum, alle Anforderungen aus meinem Logbuch zu erfüllen. Besonders dankbar bin ich für die ausführlichen Sonografie-Kurse bei Dr. Carlberg und die vielen Gelegenheiten, PatientInnen vor- oder nachzuschallen.
Auch das restliche Team in der Praxis in Grafenau ist sehr herzlich und alle teilen geduldig ihr Wissen und ihre Erfahrungen. Neben der Arbeit bleibt immer mal wieder Zeit für ein bisschen Plauderei und man fühlt sich als StudentIn definitiv als Teil des Teams.
Was ich auch sehr geschätzt habe, sind die vielen Möglichkeiten der Hospitation. Man wird überall lieb empfangen und bekommt viel gezeigt und erklärt.
Die Unterkunft in Grafenau ist wirklich wunderbar. Jeder hat sein eigenes Zimmer mit Bad, die Küche ist urgemütlich und es gibt einen großen, schönen Garten. Ich hatte auch das Glück, das Haus mit meiner Mit-PJlerin Alicia teilen zu können. Die Zeit in Grafenau wäre alleine nicht halb so schön gewesen.
Auch die Freizeitgestaltung im Bayerischen Wald ist super, besonders wenn man gerne in der Natur unterwegs ist.
Das einzige „Manko“: Die Wochen sind wirklich gut gefüllt. Für das Selbststudium bleibt neben der Nachmittagssprechstunde 3x/Woche, dem wöchentlichen Teaching in Cham in den ersten Monaten, den Fallbesprechungen und der Montagsbesprechung nicht viel Zeit.
Wer sich davon nicht abschrecken lässt, dem kann ich das Tertial im Bayerischen Wald nur wärmstens empfehlen!
Julia Kleber
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Woche 1: 22.05. – 28.05.2023
Schon aus der Ferne begrüßte mich die mir inzwischen aus Famulatur und Blockpraktikum vertraute Kirchturmspitze und wies mir den Weg zu meiner Bleibe für die nächsten vier Monate. Die nächsten vier Monate – das erste Tertial meines PJs in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald. Ähnlich wie bei vielen Studentinnen und Studenten vor mir, war die Rezidivwahrscheinlichkeit nach einem erstmaligen Aufenthalt in dieser Gemeinschaftspraxis extrem hoch – und so hatte es auch mich wieder hier her verschlagen für den neuen Studienabschnitt, in welchem ich mich auf bekannte und neue Gesichter gleichermaßen und insbesondere auf viele praktische Erfahrungen im Umfeld eines familiären Teams bei der Arbeit unmittelbar am und mit dem Patienten freute. Trotz oder gerade wegen der hohen Rezidivwahrscheinlichkeit versprach die Prognose für den Lernzuwachs aber äußerst positiv auszufallen.
So startete ich am Montag um 8.00 Uhr mit großer Begeisterung und Vorfreude in der Praxis in Auerbach. Es wartete eine gut besuchte Sprechstunde und nach einer kurzen (Wieder-)Einarbeitungsphase durfte ich schnell mit ärztlicher Unterstützung durch Dr. Kalmancai eigene Patientinnen und Patienten betreuen – selbstständige Anamnese und klinische Untersuchung, Entwicklung einer eigenen Therapiestrategie, gemeinsame Besprechung des weiteren Vorgehens im Trio aus PJ-ler, Arzt und Patient. Ich bin immer wieder fasziniert, wie hier Praxisalltag und Lehre Hand in Hand gehen. Die Patientinnen und Patienten sind zudem Studenten gegenüber sehr aufgeschlossen und lassen geduldig eine zweite Otoskopie, Auskultation oder auch Sonographie über sich ergehen. Das Wartezimmer hielt eine breite Palette an Behandlungsanlässen bereit. Es gibt viel zu tun bei Erstvorstellungen, Impfungen, Check-Ups, Verlaufskontrollen und und und. Neben den Tagen in Auerbach mit Dr. Kalmancai fuhr ich auch noch für einen Vormittag mit Dr. Blank nach Grafenau und verbrachte einen Nachmittag direkt in Kirchberg. Ergänzend zur Sprechstunde fand zusätzlich am Montag eine internistische Besprechung zur neuen NVL Hypertonie statt. Die immer dienstags und donnerstags stattfindenden Fallbesprechungen bieten die Möglichkeit, eigene Fälle mit den Ärzten aller Praxisstandorte zu diskutieren und so neue Anregungen und wertvolle Ratschläge zu erhalten. Am Mittwoch Nachmittag begaben wir vier PJ-ler uns gemeinsam nach Cham ins Klinikum zu einem Nahtkurs, den der Chefarzt der Chirurgie persönlich mit viel Enthusiasmus hielt und bei dem wir unter seiner Anleitung die verschiedenen Knoten- und Nahttechniken für das noch anstehende Chirurgie-Tertial auffrischen konnten.
Ich konnte mit der Zeit in dieser Woche beobachten, dass der Blutdruck von 150/90 oder der HbA1c von 7,9 des einen, nicht gleich dem des anderen Patienten entspricht – ganz nach dem Motto: „Wir behandeln hier keine Werte, sondern Menschen.“ Ein beruhigendes und zugleich aufregendes Gefühl. Einerseits erinnert es nach 100 Tagen Examenslernplan daran, dass Medizin weit mehr ist als auswendig gelernte Grenzwerte und Symptomkomplexe. Andererseits stellt sich mir die Frage, anhand welcher Parameter man dann also eine ganz individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmte Behandlung konzipieren soll. Im Verlauf der Woche erkenne ich schon immer deutlicher, dass es wohl nicht die eine Diagnostik und Therapie für das eine Krankheitsbild gibt. Als magisches Wort von Dr. Kalmancai kristallisierte sich in diesem Zusammenhang die „Dynamik“ heraus. Zuallererst gilt es, den akuten Fall mit dringendem Interventionsbedarf zu identifizieren. In anderen unklaren, aber nicht unmittelbar zeitkritischen Fällen kann hingegen eine Stufendiagnostik oder -therapie angestoßen werden. Bei all diesen Entscheidungen muss man zudem den Handlungsspielraum des hausärztlichen Settings und darüber hinaus eben die Notwendigkeit einer notfallmäßigen Einweisung oder fachärztlichen Konsultation berücksichtigen. Damit tun sich für mich auch schon wieder die nächsten spannenden Fragen auf: Was, wenn sich das Erscheinungsbild der betreffenden Krankheit einmal atypisch präsentiert? Was, wenn der zeitliche Verlauf eine andere Wendung nimmt, als typischerweise anzunehmen gewesen wäre? Muss man als Mediziner also nicht nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen, sondern auch noch in die Zukunft schauen können?
Es scheint mir, es sind vor allem zwei Dinge, die insbesondere die hausärztliche Tätigkeit auszeichnen: ein fundiertes anwendungsbezogenes Wissen und viel Gespür für jeden einzelnen Patienten. In der Rückschau war diese erste Woche meines ersten PJ-Tertials ein absolut gelungener Auftakt und ich blicke erwartungsfroh auf die kommenden Wochen mit hoffentlich vielen Antworten und noch mehr neuen interessanten Fragen.
Woche 2: 29.05. – 04.06.2023
Meine zweite Woche wurde durch den freien Pfingstmontag zwar um einen Arbeitstag gekürzt, erwies sich jedoch deshalb nicht als minder gehaltvoll.
Für mich standen mit jeweils 2 Tagen die Praxen in Lalling und Schöfweg auf dem Programm. Aufgrund der verschiedenen Praxisstandorte hat man den großen Vorteil, verschiedene strukturelle Abläufe und persönliche Arbeitsweisen kennen zu lernen.
Zu meiner Erkenntnis von letzter Woche, dass es nicht nur die eine Diagnostik bzw. Therapie für das eine Krankheitsbild gibt, gesellt sich nunmehr auch diejenige, dass es nicht den einen Arzt für den einen Patienten gibt. Eine tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung muss gepflegt werden und natürlich spielen dabei auch persönliche Sympathien eine gewisse Rolle. Ein fundamentales Element stellt mit Sicherheit das gegenseitige Vertrauen dar. Der Patient muss sich darauf verlassen können, dass sein Arzt ihn nach bestem Wissen und Gewissen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft behandelt. Umgekehrt ist auch der Arzt darauf angewiesen, dass der Patient seinerseits die ihm verordnete Therapie korrekt anwendet – das berühmte Stichwort der Compliance, welches man im Studium allenfalls als theoretischen Begriff lernt. Insofern scheint es mir auch extrem wichtig, dass sich Arzt und Patient auf ein gemeinsames Therapieziel verständigen. Auffallend oft höre ich hier am Ende einer Konsultation die Frage seitens des Arztes ob der Patient mit dem Vorgehen einverstanden sei. Das also ist tatsächlich praktizierte partizipative Entscheidungsfindung, denke ich. Dr. Blank erklärt mir, dass in diesem Zusammenhang gerade im hausärztlichen Setting auch das häusliche Umfeld der Patientinnen und Patienten eine große Rolle spielt. Die Bedeutung wird mir vor allem bei älteren Patienten bewusst, da die Kommunikation sehr häufig unter Zuhilfenahme von Angehörigen und die unmittelbare Versorgung in Form von Hausbesuchen erfolgt.
Zwei Fälle sind mir in dieser Woche besonders im Gedächtnis geblieben, weil sie nochmals sehr eindrücklich die Bedeutung der Dynamik in Bezug auf die Entwicklung eines Krankheitsverlaufs verdeutlichten. Einer davon war bereits vergangene Woche in der praxisinternen Fallbesprechung vorgestellt worden. Innerhalb weniger Tage hatten sich nun aber bis zur geplanten Wiedervorstellung der Patientin deren klinischer Zustand und das suspekte Labor derart aggraviert, dass die unverzügliche Einweisung der Patientin in die Klinik unumgänglich wurde. Auch hierbei mussten die persönlichen Ressourcen der Familie rekrutiert werden, um die adäquate Betreuung der Patientin sicher zu stellen.
Die unzähligen Berührungspunkte der Allgemeinmedizin zu den verschiedensten Beteiligten an der Patientenversorgung machen die tägliche Arbeit zum einen sehr komplex, aber zum andern auch sehr reizvoll. Für mich als PJ-lerin ist es zwar durchaus eine Herausforderung, in diesem System meinen Platz zu finden, doch auf dem Weg zur Entwicklung einer eigenen ärztlichen Haltung erfahre ich hier schon bzw. noch als Studentin wertvolle Unterstützung.
Woche 3: 05.06. – 11.06.2023
Auch Woche drei hielt mit Fronleichnam am Donnerstag wieder einen Feiertag bereit. Die Ferienzeit machte sich deutlich bemerkbar, da viele der umliegenden Praxen Urlaub hatten und so auch zahlreiche Vertretungspatienten die Sprechstunde aufsuchten. In solchen Fällen ist es oft schwer, die Patientengeschichte in der Kürze der Zeit voll umfänglich nachzuvollziehen. Am einfachsten und schnellsten würde es gehen, wenn man den Patienten einfach das gewünschte Rezept ohne große Überlegungen ausstellen würde – aber zum Glück bekommt man hier als Student den Anspruch vermittelt, jede Verordnung kritisch zu hinterfragen. Die Wichtigkeit dieser Reflexion und auch Reevaluation von Indikationen zeigte sich mir häufig bei Patientinnen und Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen worden waren. In diesem Zusammenhang wurde mir erneut bewusst, dass der Hausarzt nicht nur ausführendes Organ für die Anordnungen anderer Fachärzte ist, sondern die wohl wichtigste Schnittstelle zwischen Patientinnen bzw. Patienten und dem soz. weiterführenden medizinischen System – und zwar sowohl anterograd im Sinne von Überweisungen als auch retrograd bei der Anwendung der ausgesprochenen Therapieempfehlungen. Die Überwachung der Pharmakodynamik und -kinetik obliegt oftmals regelmäßigen Kontrollen gerade im hausärztlichen Setting.
Neben medikationsbezogenen Kontrollen konnte ich diese Woche in der Praxis in Schöfweg auch einige Wundkontrollen sehen. Außerdem sind mir vor allem auch die hausärztlichen Gesprächstermine mit psychopharmazeutisch eingestellten Patientinnen und Patienten im Gedächtnis geblieben. Diese führten mir vor Augen, wie viele Dimensionen der Verlaufskontrollen es gibt. Da das Studium mit seinen kurzen Blockpraktika in jedem Fach jeweils nur Momentaufnahmen von einzelnen Fällen bereit hielt, finde ich den Gedanken sehr schön, nun wenigstens für ein paar Wochen bzw. Monate an der etwas längerfristigen medizinischen Betreuung von Patientinnen und Patienten teilnehmen zu dürfen.
Insgesamt ist es ein tolles Gefühl, hier auf Augenhöhe in die Praxisarbeit einbezogen zu werden. Man kann und darf sich eigene Gedanken machen. Besonders hilfreich finde ich dabei die Frage: „Was erwartest du dir davon?“ – ist also das angedachte Vorgehen sowohl in diagnostischer als auch therapeutischer Hinsicht überhaupt sinnvoll. Ich bemerke auch mehr und mehr, wie stark in diesem Zusammenhang tatsächlich systembedingte Einflussfaktoren wirken. Wann gibt es den nächsten Facharzttermin? Welche Maßnahme wird von der Krankenkasse übernommen? Ist das gewünschte Medikament aktuell lieferbar? Die letzte Frage hat mich besonders schockiert, da es mir unbegreiflich erscheint, dass ein Medikament wie beispielsweise Penicillin aktuell nicht zur Verfügung steht. Überspitzt formuliert fühlt es sich so an, als würde man ganze Dekaden zurück katapultiert – aber zum Glück gibt es inzwischen entsprechende Ausweichpräparate. Ich merke, dass mit jedem Tag mein Erfahrungsschatz wächst und ich hoffe sehr, all diese Co-Variablen eines Tages in meiner eigenen ärztlichen Tätigkeit berücksichtigen und sie in meine Entscheidungsfindung zum Wohle der Patientinnen und Patienten adäquat einfließen lassen zu können.
Woche 4: 12.06. – 18.06.2023
Auch die vierte Woche verging mit der Kombination aus 3 Tagen Kirchberg und 2 Tagen Auerbach wie im Flug. In Kirchberg scheinen mir die tägliche Anzahl an Patienten und damit notwendigerweise das Arbeitstempo am höchsten zu sein. Nicht selten erledigen Dr. Machac oder Dr. Blank 2 bis 3 Konsultationen, während ich in derselben Zeit gerade einmal mit einem einzigen Fall befasst bin. Glücklicherweise bekommt man hier als PJ-Studentin diesen Luxus an Zeit eingeräumt. So dauert mein Check-Up gut und gerne einmal 30 Minuten, während der übrige Praxisalltag dank der organisatorischen Meisterleistung der MFAs auf der Überholspur an mir vorbei zieht. Ich bewundere diese Symbiose aus Effizienz und Tiefgang. Mir schwant also bereits, dass ich meinen Dreisatz aus Befunderhebung – Diagnosestellung – Therapieentscheidung langfristig werde noch merklich beschleunigen müssen. In diesem Zusammenhang wird mir im Gespräch mit Dr. Blank nochmals der begriffliche Unterschied zwischen Befund und Diagnose verdeutlicht und ich merke mir diesen für die Zukunft u. a. zur korrekten Anwendung bei der Verfassung eigener Arztbriefe vor.
Die Montagsbesprechung behandelte diese Woche das Thema SGLT2 Inhibitoren. Am Mittwoch fanden zudem nachmittags das Online Teaching des Landkreises Cham zum Thema Schmerztherapie und abends der bayernweite Journal Club statt. Die Fortbildungsformate und ihre Inhalte sind extrem vielfältig und ermöglichen praxisbezogenen Austausch und Wissenszuwachs.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir in dieser Woche ein Gespräch zwischen Dr. Blank und einem jugendlichen Patienten, der die notwendigen Medikamente für seine schwerwiegende Rheumaerkrankung vor einem halben Jahr eigenständig abgesetzt hatte. Als Grund gab er die für ihn nicht mehr tolerierbare Übelkeit als Nebenwirkung der Tabletten und die Abneigung gegenüber der regelmäßigen Applikation von Spritzen an. Diese Faktoren würden den langfristig therapeutischen Effekt auf rheumatische Gelenkbeschwerden überwiegen. Es hat mich nachhaltig beeindruckt, mit wie viel Geduld und Verständnis Dr. Blank im Beisein der Mutter die Konsequenzen dieser Entscheidung dem jungen Patienten nochmals vor Augen geführt, aber nie mit erhobenem Zeigefinger versucht hat, ihn zu bekehren bzw. umzustimmen. So wurde ich einmal mehr an den notwendigen Respekt vor individuellen Entscheidungen von Patientinnen und Patienten erinnert. Die Akzeptanz fiel mir zwar in diesem konkreten Moment zugegebenermaßen noch etwas schwer, aber die Herangehensweise leuchtete mir durchaus ein – Vorwurf und Druck würden vermutlich gerade in diesem Alter nur noch stärkeren Unmut und Widerstand hervorrufen.
Am Freitag Mittag fragte mich Dr. Blank, ob ich mit der Woche zufrieden sei und alle Patientinnen und Patienten guten Gewissens ins Wochenende entlassen habe können. Zufrieden bin ich in jedem Fall, aber dann durchzuckt mich ein kurzer Zweifel – nicht, dass doch ein abwendbar gefährlicher Verlauf durch die Lappen ging… Bei vielen Patientinnen und Patienten kann ich diesen Zweifel schnell ausräumen. Bei anderen bin ich zum jetzigen Zeitpunkt doch noch sehr froh, dass mein Gewissen durch ärztliche Supervision entlastet wird. Insofern freue ich mich nach einem ¼ meines ersten Tertials auf ein schönes Sommerwochenende und bin gespannt, was die neue Woche bringen wird.
Woche 5: 19.06. – 25.06.2023
In der vergangenen Woche kam man in den Praxisräumlichkeiten ob der sommerlichen Temperaturen ordentlich ins Schwitzen. Genau der richtige Anlass, um die Patientinnen und Patienten auf die Erkenntnisse aus der Hitzeschutzfortbildung hinzuweisen und ihnen den neu entworfenen Flyer mit dem „A und O an heißen Tagen“ und vielen praktischen Tipps für den Hitzeschutz im Alltag an die Hand zu geben. Insbesondere für ältere Patientinnen und Patienten ist Flüssigkeitsmangel in diesen Tagen extrem gefährlich. So suchte beispielsweise eine Dame Rat in der Sprechstunde, deren Mutter aufgrund einer Exsikkose sogar delirante Symptome entwickelt hatte und akut ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
In der Montagsbesprechung beschäftigten wir uns diese Woche mit der Thrombozytopenie und Thrombozytose. Dr. Machac erläuterte uns, was potenzielle Ursachen und Auswirkungen dieser Blutbildveränderungen sein können und wann im Rahmen des sog. Hämoblastose Programms an eine maligne Erkrankung gedacht werden muss.
Am Mittwochnachmittag begaben wir uns zudem in die urologische Praxis von Dr. Maurer nach Falkenstein. Dr. Maurer brachte uns dort die im allgemeinmedizinischen Setting relevanten urologischen Krankheitsbilder sowie die dazugehörigen Diagnose- und Therapieverfahren näher. Natürlich durfte in diesem Zusammenhang auch die obligatorische Diskussion über die umstrittene Aussagekraft des PSA-Wertes nicht fehlen.
Für diese Woche hatte ich mir die Erarbeitung einer strukturierten Herangehensweise an die Sichtung der Laborwerte vorgenommen. Jeden Tag erfolgen unzählige Blutabnahmen durch die MFAs in der Praxis. Gerade, wenn man die Anforderung der einzelnen Werte nicht selbst erstellt hat, war es für mich durchaus eine Herausforderung, die Auswertung zu kontextualisieren und vor diesem Hintergrund zu interpretieren. Handelt es sich um eine regelmäßige Kontrolle im Zuge der DMPs oder liegt der Verdacht auf einen akuten Infekt bzw. eine Entzündung zugrunde? Können bestimmte Laborwertveränderungen durch Medikamenteneinnahme bedingt sein oder erfordern sie ihrerseits eine Umstellung der Therapie beispielsweise durch Absetzen bestimmter Präparate bei Niereninsuffizienz oder Dosisanpassung der Hormonsubstitution bei Hypothyreose. Ich stelle abermals fest: auch hier eröffnet sich mir ein sehr weites und komplexes Feld – gerade unter Berücksichtigung von Multimorbidität, Polypharmazie und Co. Zur Vertiefung des Teilbereichs der DMPs mit Schwerpunkt Diabetes und KHK merke ich mir in jedem Fall vor, den diesbezüglich entsprechend geschulten Kolleginnen bei Gelegenheit noch genauer über die Schulter zu schauen.
In der kommenden Woche steht nun aber zunächst eine 3-tägige Hospitation in der orthopädischen Reha-Klinik Schaufling auf dem Programm, worauf ich schon sehr gespannt bin.
Woche 6: 26.06. – 02.07.2023
Diese Woche durften Andreas und ich eine dreitägige Hospitation in der orthopädischen Abteilung der Reha Klinik Schaufling verbringen. Oberarzt Dr. Buvar und seine Assistentin hatten ein buntes Programm für uns zusammengestellt, so dass wir den Fachbereich der Rehabilitation, welcher im Studium nur wenig Beachtung findet, besser kennenlernen konnten. Morgens fand von 8 bis 9 Uhr die Frühbesprechung statt, in welcher die tags zuvor neu aufgenommenen Patientinnen und Patienten besprochen wurden. Im Anschluss durften wir an verschiedenen Anwendungen teilnehmen: Elektrotherapie, Rückenschule, Arbeitstherapie, Koordinationstraining und vieles mehr. Allen gemeinsam war ein konservativer Therapieansatz mit dem Ziel, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowohl privater als auch beruflicher Natur wiederherzustellen. Chefarzt Dr. Czauderna erläuterte uns dies vor dem Hintergrund der ICF, welche in der rehabilitativen Medizin als Pendant zur ICD angewendet wird. Die International Classification of Functioning, Disability and Health deutet bereits in ihrem Namen darauf hin, dass in diesem Kontext nicht in Diagnosen, sondern in Funktionalitäten gedacht wird. In der Orthopädie spiegelt sich dies vor allem in Bezug auf den muskuloskelettalen Apparat wider. Zudem erinnerte ich mich dort immer wieder an das bio-psycho-soziale Modell, denn die Patientinnen und Patienten wurden nicht nur wegen etwaiger Gelenkprobleme behandelt, sondern erfuhren auf Wunsch auch psychologische und sozialdienstliche Betreuung. Am Nachmittag durften wir dann jeweils die Aufnahmegespräche und -untersuchungen durchführen. Die Patientinnen und Patienten – da fällt mir ein, eigentlich müsste man korrekterweise von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden sprechen – füllten bereits vorab einen Fragebogen aus, welcher dann nochmals ausführlich besprochen wurde. Im Anschluss erfolgte die körperliche Untersuchung:
- Inspektion: Ist das Muskelrelief gut ausgebildet? Gibt es äußerlich erkennbare Fehlstellungen? Liegen Schwellungen, Hämatome oder Narben vor?
- Palpation: Ist das Gelenk überwärmt? Gibt der Patient Druckschmerz oder Sensibilitätsstörungen an? Sind alle Pulse tastbar?
- Funktionstestung: Hat der Patient eine Kraftminderung? Liegt eine Einschränkung des Bewegungsausmaßes vor? (Die perfekte Gelegenheit, um das 1x1 der Orthopädie im Sinne der Neutral-Null Methode nochmals intensiv zu üben.)
Alle gewonnenen Erkenntnisse wurden schließlich in einem Arztbrief zusammengeführt, welcher in seiner endgültigen Form bei Entlassung als sozialmedizinisches Gutachten zu werten ist. Von besonderer Relevanz ist dies gegenüber der Rentenversicherung in Bezug auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit.
Für das Knie- und Schultergelenk im Speziellen führte Dr. Buvar mit uns einen separaten Untersuchungskurs einschließlich Gelenksonographie durch. Außerdem durften wir einer Orthopädietechnikerin bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen: Fersenkeil bei Beinlängendifferenz bis 1 cm, Einlagen, Schienen und Bandagen, Verbandsschuhe – eine breite Palette an Hilfsmitteln stand zur Auswahl.
Rückblickend empfand ich die Hospitation in Schaufling als sehr interessante und lehrreiche Zeit. Das gesamte Team war sehr aufgeschlossen und engagiert, sodass wir in der Kürze der 3 Tage einen vielfältigen ersten Eindruck vermittelt bekamen.
Von Donnerstag auf Freitag stand für mich dann noch ein besonderes Highlight auf dem Programm: meine erste Nachtschicht. Ich durfte Dr. Kalmancai bei seiner Arbeit als Notarzt begleiten. Kaum hatte ich eine kurze Einweisung in die Ausstattung des Einsatzfahrzeugs erhalten, kam es auch schon zu unserem ersten Einsatz: Sturz vom Baum aus über 3m Höhe – eine Schockraumindikation, wie ich sogleich lernen durfte. Glücklicherweise war die Patientin kreislaufstabil und zeigte keine neurologischen Ausfallerscheinungen. Nach einem ersten Bodycheck und der Verabreichung von Fentanyl zur Linderung der Schmerzen wurde sie mit dem Spineboard nach draußen transportiert und dort auf die Vakuum-Matratze umgebettet – besonders wichtig bei der Lagerung von Patienten vor allem nach Trauma: der Kopf gibt Kommando. Dann ging es mit dem Rettungswagen ins Klinikum, wo die Patientin vor allem mit bildgebender Diagnostik zur Abklärung von Frakturen und inneren Verletzungen untersucht werden sollte. Ich war aus der Perspektive des Beobachters schon allein mit der Erfassung all dieser Abläufe gut beschäftigt, geschweige denn, dass ich in gewinnbringender Form aktiv hätte partizipieren können. Umso mehr beeindruckte es mich, dass in einer solchen Notfallsituation im wahrsten Sinne des Wortes von den Kolleginnen und Kollegen auch noch tatsächlich Lehre betrieben wurde: parallel zur laufenden Versorgung der Patientin wurden mir die Medikationen, das Monitoring, die Dokumentation und die strukturellen Abläufe zur Einlieferung in die Notaufnahme erläutert. Ich versuchte, all diese Informationen vor dem Hintergrund meines studentischen Wissens bestehend aus ABCDE-Schema, Glasgow Coma Scale und glücklicherweise nicht benötigtem Reanimationsalgorithmus einzuordnen. Mitten in der Nacht dann ein weiterer Einsatz: Patient mit akuter Dyspnoe – aufgrund des Alters mit einigen Vorerkrankungen und einer ansehnlichen Liste an Medikamenten. Die Ehefrau berichtet von Fieber am Vorabend. So kristallisiert sich der Verdacht auf eine Pneumonie mit kardialer Dekompensation heraus. Unter Sauerstoff, Salbutamol und Atrovent bessert sich die Sauerstoffsättigung langsam. Zudem wird dem Patienten Furosemid verabreicht und nicht zu vergessen Morphin, um die extrem belastenden Erstickungsängste zu lindern. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist dem Patienten sichtlich anzumerken, wie anstrengend und erschöpfend diese vermehrte Atemarbeit trotz bereits erfolgter medikamentöser Behandlung ist - für mich ein sehr eindrücklicher internistischer Notfall.
Aus der Besorgnis heraus, womöglich eine Alarmierung zu verpassen, habe ich in dieser Nacht natürlich nicht besonders viel und gut geschlafen. Dennoch bin ich selbst überrascht, dass die Sprechstunde am Freitagvormittag ohne größere Ermüdungserscheinungen vonstattengeht. Ich durfte sogar eigenhändig ein Muttermal exzidieren und anschließend nähen. Zum Abschluss noch ein letzter Hausbesuch, bevor eine sehr ereignisreiche 6. Woche meines Allgemeinmedizin-Tertials zu Ende geht.
Woche 7: 03.07. – 09.07.2023
Der Blick in den Kalender sagt mir, dass wir inzwischen den Monat Juli schreiben. Für den Praxisalltag bedeutet dies den Beginn eines neuen Quartals. Für mich ganz persönlich bedeutet es hingegen das Ende meiner bereits 7. Woche hier im Bayerischen Wald - unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht.
In der vergangenen Woche habe ich sehr viel Zeit mit dem Ultraschall verbracht und langsam stellt sich eine gewisse Routine ein. Die Umstellung vom Quer- zum Längsschnitt über einem Schilddrüsenknoten klappt immer flüssiger, die Vermessung der Pfortader und des Gallengangs gelingt immer genauer und auch von Pankreas oder Aortenabgängen erhasche ich immer häufiger eine adäquate Darstellung. Zum ersten Mal ist mir letzte Woche ein einseitig gestautes Nierenbecken begegnet – ein eindrückliches Bild, das von den bisherigen Normalbefunden deutlich abwich und mir sicher im Gedächtnis bleiben wird. Passend zum sonographischen Schwerpunkt dieser Woche erhielten wir beim Teaching am Mittwochnachmittag eine Einführung in die Echokardiographie. Chefarzt Prof. Dr. Buchner aus der kardiologischen Abteilung des Sana Klinikums Cham gab uns zunächst einige theoretische Hintergrundinformationen zur Darstellung der Vorhöfe und Ventrikel in Bezug auf die verschiedenen Schnittebenen. Im Anschluss durften wir uns selbst an der Echokardiographie versuchen. Die erste Herausforderung lag darin, die richtige Position auf der Brustwand zu finden, um das gewünschte Blickfenster auf das Herz einzustellen. Im nächsten Schritt galt es dann, diese Position möglichst exakt zu halten, um zum Beispiel Flussmessungen über den einzelnen Herzklappen durchführen zu können. Ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen und vor allem eine sichere Auge-Hand-Koordination scheinen mir hier noch wichtiger zu sein als beim Sono Abdomen oder Schilddrüse, zumal sich das Herz ungleich mehr bewegt als alle übrigen Organe. Ich bin wirklich begeistert von der Feinheit der Strukturen und von der Ästhetik der Bewegung. Prof. Buchner wies allerdings explizit darauf hin, dass dies der glückliche Fall von jungen, gesunden Patientinnen sei. Im Krankenhausalltag biete sich ansonsten häufig ein anderes Bild. Die Echokardiographie wird vornehmlich zur Diagnostik von Wandbewegungsstörungen und Klappenvitien genutzt. Außerdem lassen sich auch Flüssigkeitsansammlungen wie bei einem Perikarderguss, entzündliche Veränderungen wie bei einer Endokarditis oder thrombotische Ansammlungen im Rahmen eines Vorhofflimmerns sehr präzise identifizieren.
Zum Ende des Teachings berichtete uns Prof. Buchner noch bereitwillig und detailliert, welche Erwartungen er seinerseits als Chefarzt im Hinblick auf theoretisches Wissen und praktische Fähigkeiten an Bewerberinnen und Bewerber für eine Assistenzstelle hegt. Als unmittelbares Barometer für Fortschritte innerhalb der ersten Wochen und Monate nennt er das Dienstende, welches sich doch mit zunehmender Routine merklich nach vorne verlagern sollte. Abschließend gibt Prof. Buchner uns noch den Tipp, sich nach einem langen Tag nicht einfach klammheimlich in den Feierabend zu verabschieden, sondern sicherheitshalber nochmals auf Station vorbeizuschauen – auch auf die Gefahr hin, dass man dann doch zum Beispiel noch eine Braunüle legen müsse, würde es wertvolle Sympathiepunkte im Hinblick auf die kollegiale Zusammenarbeit insbesondere mit der Pflege einbringen.
Eine besondere Erfahrung durfte ich zudem diese Woche machen, als ich Dr. Kalmancai in der Mittagspause zu einer Leichenschau begleitet habe. Eine langjährige Patientin war im Alter von 92 Jahren verstorben. Dr. Kalmancai erzählte mir, dass er 2 Tage zuvor noch zum Hausbesuch bei ihr gewesen sei und bereits den Eindruck gewonnen hatte, dass sie sich in einer finalen Phase befinde. Er habe dies auch mit den Angehörigen besprochen und gemeinsam wurde basierend auf dem Willen der Patientin die Entscheidung getroffen, sie nicht mehr etwa zur Ergreifung fraglich lebensverlängernder Maßnahmen ins Krankenhaus einzuweisen, sondern sie unter entsprechender medizinischer Betreuung zu Hause im Kreise der Familie während ihrer letzten Stunden zu begleiten. Für mich war dies ein durchaus beeindruckender Entschluss. Ich hatte das Gefühl, dass die Angehörigen natürlich traurig darüber waren, ihre Mutter, Schwiegermutter oder Oma verloren zu haben, aber zufrieden damit wirkten, auf diese Weise von ihr Abschied nehmen zu können.
Woche 8: 10.07. – 16.07.2023
Die vergangene Woche habe ich hauptsächlich bei Dr. Kalmancai in Auerbach verbracht. In der Sprechstunde gab es wieder eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten zu versorgen und zusätzlich haben wir auch einige Hausbesuche absolviert. Außerdem durfte ich erneut im Notarztdienst hospitieren und tatsächlich kam mir die Beschreibung der nächtlichen Alarmierung mit akuter Dyspnoe bei COPD aus der ersten Schicht bereits bekannt vor, sodass ich mich über einen kleinen erkennbaren Lerneffekt im Hinblick auf die medikamentöse Versorgung der Patientin freute.
Am Mittwochnachmittag hatten wir einen sehr informativen Vortrag von Frau Dr. Prasser, Chefärztin des Zentrums für Psychiatrie in Cham. Nach einem allgemeinen Überblick über verschiedene psychische Erkrankungen und deren epidemiologische Relevanz legte sie den Fokus insbesondere auf den Umgang mit Depressionen im hausärztlichen Setting. Hierzu lernten wir das WHO 5 Punkte Screening kennen und Frau Dr. Prasser zeigte uns, wie die diagnostischen Haupt- bzw. Nebenkriterien einer Depression je nach Schweregrad in sinnvolle Fragestellungen an den Patienten umformuliert werden können. Außerdem klärte sie über organische Differentialdiagnosen einer depressiven Symptomatik auf und stellte uns die Depression als Post-Infarkt oder Post-Stroke Komplikation vor. Die Corona Pandemie hatte zudem gezeigt, dass auch virale Infektionen in hohem Maße derartige psychische Folgen nach sich ziehen können. Frau Dr. Prasser gab uns darüber hinaus die STOP-Regel an die Hand, welche die Entscheidung über eine stationäre Einweisung erleichtern soll. Im Zuge dessen sprach sie uns auch nochmals Mut zu, das für Suizidalität stehende S offen anzusprechen und die verschiedenen Ausprägungsformen konkret abzufragen. Für die Orientierung im Wirrwarr der Antidepressiva erläuterte sie uns die symptomorientierte Verordnung anhand des rezeptorbezogenen Wirkprofils. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie wurde außerdem auf die Relevanz eines multimodalen Ansatzes allem voran in Kombination mit Psychotherapie verwiesen. Insgesamt eröffnete uns Frau Dr. Prasser ein äußerst hilfreiches und vor allem praxisbezogenes Teaching zu einem zumindest für mich persönlich mangels Erfahrungen noch sehr heiklen Themengebiet.
Zwei Fälle sind mir aus der Praxis in der vergangenen Woche besonders im Gedächtnis geblieben. Beiden gemeinsam ist der potenzielle Zusammenhang mit einer Krebsdiagnose – insofern für mich zwei geeignete Lehrstücke zur strukturierten Abklärung eines abwendbar gefährlichen Verlaufs.
Gleich zu Beginn der Woche stellte sich ein Patient mit diffusen Symptomen, bestehend aus allgemeiner Müdigkeit/Abgeschlagenheit, Gelenkschmerzen und Gewichtsverlust von 6 kg in den letzten 3 Wochen vor. Außerdem beschrieb er einen neu aufgetretenen Hautausschlag. Bei der Inspektion des Integuments fiel eine Art subkutane Maserung auf. Lokale Entzündungszeichen in Form von Schwellung, Rötung oder Überwärmung ließen sich an den Gelenken nicht feststellen. Subjektiv führte der Patient seine Beschwerden auf einen Insektenstich am Schienbein zurück, welcher nach wie vor noch eine leichte Verhärtung aufwies. Allergien seien keine bekannt, die Raucheranamnese erwies sich mit etwa 40 pack years als positiv. Vor dem Hintergrund des rapiden Gewichtsverlusts wurde die Frage nach weiteren B-Symptomen verneint. Noch am selben Tag wurde eine Blutabnahme durchgeführt und der Patient für den übernächsten Tag zur CheckUp Untersuchung einbestellt. Die Laborwerte ergaben keine Auffälligkeiten und auch die klinische Untersuchung sowie das Sono von SD und Abdomen blieben vorerst ohne pathologischen Befund. Auf eigenen Wunsch des Patienten sollte nunmehr eine FSME Grundimmunisierung begonnen werden, sobald sich seine grundlegende Konstitution etwas gebessert habe. Zur akuten Behandlung der Gelenkbeschwerden wurde der Versuch einer Cortison Stoßtherapie eingeleitet. Da der Patient auf genauere Nachfrage angab, nur sehr unregelmäßig zu essen und trotz der gegenwärtigen Hitzeperiode außer Kaffee kaum etwas zu trinken, wurde ihm außerdem eine regelmäßige Nahrungsaufnahme und die Zufuhr von ausreichend Flüssigkeit, am besten Wasser nahegelegt. Mit der Bitte um zeitnahe Wiedervorstellung sollte die weitere Entwicklung zunächst engmaschig beobachtet werden, bevor weitere diagnostische Schritte wie etwa eine CT-Aufnahme zur Abklärung eines Lungen CA eingeleitet werden.
Am Mittwoch wurde zudem eine Dame mit schmerzlosem Ikterus vorstellig. Die perfekte Gelegenheit, um potenzielle Differentialdiagnosen dieses Beschwerdebildes zu wiederholen. Als hilfreich erwies sich dabei die Erinnerung an die Einteilung in prä-, intra- und posthepatische Ursachen eines Ikterus. Ich bemerkte allerdings, dass die Flexibilität meiner differentialdiagnostischen Überlegungen durch die maligne Übermacht in meinen Gedanken, allen voran Pankreaskopf CA, deutlich getrübt wurde. Dr. Kalmancai führte ein Sono Abdomen durch. Bei eingeschränkter Beurteilbarkeit wegen hochgradiger Adipositas konnten zunächst insbesondere im Bereich von Pankreas und Leber keine besorgniserregenden Auffälligkeiten festgestellt werden. Da die Patientin einer Krankenhauseinweisung eher kritisch gegenüber stand, sollte eine Blutabnahme bis zum nächsten Tag weitere Erkenntnisse liefern. Wie zu erwarten waren Bilirubin und Leberwerte stark erhöht. Mit den Laborwerten als Argument konnte die Patientin nunmehr von der Dringlichkeit einer Krankenhauseinweisung überzeugt werden.
Ich bin gespannt, wie sich die beiden Fälle weiter entwickeln und versuche, mich in der Zwischenzeit gedanklich auf weniger schwerwiegende Diagnosen zu besinnen.
Woche 9: 17.07. – 23.07.2023
Gleich zu Beginn der vergangenen Woche wurde es für mich insofern aufregend, als dass ich meine ersten zwei „eigenen“ Hausbesuchspatienten kennen lernen durfte. Dr. Blank stellte uns gegenseitig vor und kündigte an, dass ich für den Rest meines Tertials nun wöchentlich bei Ihnen vorbei schauen würde. Im Zuge dessen unterhielten wir uns auch nochmals über den besonderen Wert der regelmäßigen Hausbesuchstouren, bei denen neben den medizinischen Bestandsaufnahmen vor allem auch die soziale Interaktion mit den Patienten und ihrem familiären Umfeld eine wichtige Rolle spielt. Hinter dem Gespräch mit der alten Dame, bei welchem Dr. Blank ihre Hand hielt, glaubte ich zum Beispiel eben diese zweierlei Komponenten beobachten zu können: zum einen ging es darum, was die Patientin subjektiv über ihr aktuelles Befinden berichtete – zum anderen konnte Dr. Blank zeitgleich quasi unbemerkt ihren Puls als relevanten objektiv klinischen Indikator tasten. Es war wirklich beeindruckend, wie viel Freude und Dankbarkeit die Menschen in diesem Fall Dr. Blank ob seines Besuchs entgegenbrachten – sicherlich ein Faktor, der die hausärztliche Tätigkeit im Speziellen auszeichnet. Ich freue mich also schon sehr auf diese neue verantwortungsvolle Aufgabe!
Vor dem Hintergrund der damit verbundenen einprägsamen sonographischen Befunde sind mir vor allem 2 Patientenfälle der letzten Woche im Gedächtnis geblieben:
> Gleich am Montag stellte sich ein Patient vor, der von sich aus die Verdachtsdiagnose eines Leistenbruchs äußerte. Er habe seit dem Wochenende Schmerzen und eine merkliche Vorwölbung im Bereich der linken Leiste beobachtet. Selbiges kenne er bereits von der Gegenseite, wo eine operative Versorgung mittels Netzeinlage erfolgte. Sowohl im Liegen als auch im Stehen jeweils mit deutlicher Verstärkung bei Erhöhung des intraabdominellen Drucks durch Husten ließ sich der Befund einer Herniation objektivieren. Neben der klinischen Untersuchung eröffnete sich mir zudem die Gelegenheit eines Ultraschalls und es zeigte sich das sehr eindrückliche Bild einer Bruchpforte mit hindurchtretender, peristaltisch aktiver Darmschlinge. Dr. Blank entschied sich zusammen mit dem Patienten für eine Überweisung in die Chirurgie aufgrund des akut schmerzhaften Beschwerdebildes.
> Am Donnerstag kam ein Patient zur Kontrolle seiner Schilddrüse bei bekanntem M. Basedow. Zwar lag keine ausgeprägte Hypervaskularisation vor, doch zeigte sich bei einem mutmaßlichen allein linksseitigen Drüsenvolumen von 30ml ein enormer Knoten von etwa 4 x 3,5 x 3 cm. Die Vermessung gestaltete sich bei räumlicher Ausdehnung bis unter die Clavicula äußerst schwierig. Für mich blieb es bei diesem Befund absolut erstaunlich, dass der Patient weder ein Druckgefühl noch Dysphagie oder Atembeschwerden angab. In diesem Zusammenhang war für mich darüber hinaus das anschließende Gespräch zwischen Frau Dr. Kleudgen und dem Patienten gerade ob seines frustranen Ausgangs aufschlussreich. Frau Dr. Kleudgen erklärte dem Patienten wohl schon zum wiederholten Male, dass das in seinem Falle notwendige Medikament vor allem bei derart langfristiger Einnahme ein durchaus riskantes Nebenwirkungsprofil aufweisen würde – ich erinnerte mich an die zwar seltene, aber sehr gefährliche Agranulozytose unter Carbimazol Gabe. Der Patient hielt seinerseits dagegen, dass er das Medikament eben nun schon so lange einnehme und nach wie vor keine Komplikationen aufgetreten seien – weshalb er die ebenfalls wiederholte Empfehlung zur Durchführung einer OP oder bei glücklicherweise euthyreoter Stoffwechsellage zumindest einer Radioiodtherapie abermals strikt ablehnte. Nichtsdestotrotz galt es nun, den Willen des Patienten zu akzeptieren und immerhin einen Termin zur nächsten Blutbildkontrolle zu vereinbaren.
Ein weiteres sehr lehrreiches Teaching erhielten wir wieder am Mittwochnachmittag: dieses Mal ging es um „schwierige Patient*innen“. Frau Dr. Weinhold gab uns viele hilfreiche Tipps sowohl in Bezug auf die allgemeine (haus-)ärztliche Tätigkeit als auch in Bezug auf den speziellen Umgang mit einzelnen Patientinnen und Patienten. Es wurden Aspekte wie Zeitmanagement, Rollenbilder, Schutz vor Gegenübertragung von Emotionen, Gefahr der iatrogenen Chronifizierung und vieles mehr thematisiert. Frau Dr. Weinhold plauderte aus dem Nähkästchen bzgl. ihrer eigenen Erfahrungen mit Patientinnen und Patienten in ihrer Praxis; sie berichtete von lehrreichen Ratschlägen, die sie selbst bei verschiedenen Fortbildungen oder im Rahmen ihrer Balint Gruppe erhalten hatte und sie ermutigte uns vor allem auf unserem Weg zur Findung „einer Art Freundschaft“, wie sie die Beziehung zwischen Arzt und Patient bezeichnete.
Woche 10: 24.07. – 30.07.2023
Ich kann es selbst kaum glauben, inzwischen bin ich bei meinem 10. Wochenbericht angekommen – sozusagen ein „Runder“. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht. Die Arbeit im Team sowie der Umgang mit den Patientinnen und Patienten machen mir unheimlich viel Spaß. Zudem merke ich, wie sich langsam aber sicher gewisse routinierte Abläufe etablieren. Meine Anamnesen weisen immer mehr Struktur und immer weniger Lücken auf, auch die Verlässlichkeit der Befunderhebung in der körperlichen Untersuchung wächst. Außerdem nimmt die Übereinstimmung zwischen meinen eigenen Überlegungen und dem tatsächlichen diagnostischen und therapeutischen Vorgehen stetig zu. Kurzum: die Lernkurve steigt kontinuierlich.
In der vergangenen Woche standen meine ersten beiden selbständigen Hausbesuche auf dem Programm. Bei der ersten Patientin gab es keine Besonderheiten. Aber der zweite Patient hielt sogleich eine herausfordernde Überraschung für mich bereit: er hatte sich auf dem Boden eines nach antibiotischer Therapie gerade in Abheilung befindlichen Erysipels eine Kratzwunde zugezogen. Die Ehefrau hatte die Wunde zwar mit einem Verband abgedeckt, dieser war allerdings völlig durchnässt und mit dem Untergrund verklebt. Bei diversen vorbestehenden Risikofaktoren im Hinblick auf Wundheilungsstörungen und der erschwerenden Tatsache, dass mit der unzureichenden Wundversorgung zudem seit 3 Tagen keine Kompressionsstrümpfe mehr angelegt werden konnten, beschloss ich, die Wunde zu fotodokumentieren und mit einer der Wundmanagerinnen zu besprechen. Ich traf sie glücklicherweise trotz Mittagspause noch in der Praxis an und wir entschieden gemeinsam das weitere Vorgehen: geeignetes Verbandsmaterial wurde rezeptiert, die Ehefrau hinsichtlich der Durchführung des korrekten Verbandwechsels instruiert und statt der Kompressionsstrümpfe sollte vorübergehend eine Wicklung mit elastischen Binden erfolgen. Ich bin gespannt, wie sich die Wunde übers Wochenende bis zu meinem nächsten Besuch entwickeln wird. Da der Patient außerhalb des Hauses kaum mobil ist, somit nicht in die Praxis kommen kann und der reguläre Hausbesuchsturnus ihn normalerweise erst in 2 – 3 Wochen wieder vorgesehen hätte, hatte sich sozusagen meine Feuertaufe gleich für beide Seiten ausgezahlt.
Es ist mit Sicherheit ein Luxus, praxisintern auf derart spezialisierte Fachkräfte zurückgreifen zu können. Insofern versuche ich mir von ihnen in jedem Fall die Grundprinzipien einer korrekten Wundversorgung anzueignen. So habe ich beispielsweise gelernt, dass hauptsächlich zwei Formen des Debridements angewendet werden: einerseits die chirurgische und andererseits die autolytische Entfernung von nekrotischen oder fibrinösen Belägen zum Zwecke der Sanierung des Wundbettes. Eindrücklich blieb mir dies anhand eines Patienten im Gedächtnis, dem wegen eines Mundbodenkarzinoms ein Stück der Fibula zum Zwecke der Verpflanzung des Knochenmaterials in den Unterkiefer entnommen wurde. Leider blieb der erfolgreiche primäre Wundverschluss aus. Dank der Wundmanagerinnen konnte der Patient trotz seines Befundes unter engmaschigen Kontrollen ambulant geführt werden. Für den Patienten bedeutete dies angesichts seiner schwerwiegenden malignen Grunderkrankung ein erhebliches Stück Lebensqualität – wieder ein beeindruckender Beweis für den besonderen Wert der Allgemeinmedizin.
Am Freitagmittag um kurz vor 12 Uhr kam schließlich noch ein Patient, vermeintlich nur, um seine Krankschreibung vor dem 2-wöchigen Urlaub der Auerbacher Praxis verlängern zu lassen. Ich befragte ihn nach seinem aktuellen Befinden. Zunächst berichtete er mir lediglich über die fortbestehende muskuloskelettale Schmerzsymptomatik, einhergehend mit psychischer Belastung am Arbeitsplatz. Einem Impuls folgend erkundigte ich mich explizit, ob ansonsten neuerliche Beschwerden aufgetreten seien. Daraufhin erzählte mir der Patient etwas zögerlich von Schwindel und Atemnot bei bereits leichter körperlicher Belastung seit nunmehr einer Woche. Er beschrieb ein diffuses Unwohlsein und erwähnte, dass ihn dieses Gefühl an eine Episode vor einigen Jahren erinnere, bei welcher schlussendlich in der Notaufnahme Vorhofflimmern diagnostiziert wurde. Es sei damals eine erfolgreiche Kardioversion durchgeführt und daher keine medikamentöse Dauertherapie eingeleitet worden. In der klinischen Untersuchung schien die Lunge frei, allerdings fiel mir bei der Auskultation des Herzens ein deutlich beschleunigter und unregelmäßiger Herzschlag auf. Zusammen mit Dr. Kalmancai entschieden wir uns für ein EKG: der Befund zeigte eine Tachyarrhythmia absoluta mit fehlenden P-Wellen, wodurch sich unser Verdacht eines erneuten Vorhofflimmerns bestätigte. Der Patient wurde umgehend ins Krankenhaus eingewiesen. Die Medizinerin und die Musikerin in mir freuten sich, dass auf mein Gehör offenbar Verlass war und ich startete zufrieden ins Wochenende.
Woche 11: 31.07. – 06.08.2023 / Woche 12: 07.08. – 13.08.2023
Die letzten beiden Wochen waren mit zwei externen Hospitationen, dem Einsatz an zwei verschiedenen Praxisstandorten (Lalling + Schöfweg) und Hausbesuchen sehr ereignisreich.
Die erste Hospitation verbrachte ich bei Herrn Dr. Werner in Regen, Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie im MVZ Arberland. Dr. Werner behandelt dort ein breites Spektrum an internistischen Erkrankungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Schlafapnoe Syndrom sowohl im Sinne der ambulanten Diagnostik mittels Polygraphie als Vorstufe zur Polysomnographie im Schlaflabor als auch im Sinne der Therapie durch die nächtliche Versorgung mittels CPAP Maske. Sehr häufig kommt darüber hinaus als diagnostisches Instrument bei kardiologischen Fragestellungen das Herzecho zum Einsatz – die ideale Gelegenheit zur Vertiefung der Inhalte des entsprechenden Teachings in Cham vor ein paar Wochen. Der psychotherapeutische Hintergrund von Dr. Werner spiegelte sich in seiner gesamten Gesprächsführung wider – sein warmherziger und verständnisvoller Umgang mit den Patientinnen und Patienten beeindruckte mich sehr. Dr. Werner bestätigte mir, dass der Anteil an psychischen oder psychosomatischen Krankheitsbildern stetig zunehme. In diesem Zusammenhang sprachen wir auch über die Herausforderungen im ärztlichen Umgang mit funktionellen Störungen, welchen im Gegensatz zu strukturellen Störungen kein morphologisch detektierbares Korrelat zugrunde liegt. Insofern sind die beschriebenen Symptome nicht durch Veränderungen etwa in Labor oder Bildgebung erklärbar und somit durch therapeutische Ansätze sehr schwer adressierbar, die Patientinnen und Patienten medizinisch insgesamt häufig schwer führbar. Ich bin äußerst dankbar, von Dr. Werners reichem Erfahrungsschatz im Zuge dieser Hospitation profitiert haben zu dürfen.
Die zweite Hospitation war in der Praxis für plastische bzw. ästhetische Chirurgie und Handchirurgie bei Frau Dr. Ishida-Gück in Plattling – für mich insofern ein Novum, als dass ich zum ersten Mal die chirurgische Tätigkeit in der Niederlassung erleben durfte. Frau Dr. Ishida-Gück erklärte mir das speziell in der Handchirurgie angewendete Anästhesieverfahren WALANT (wide awake local anasthesia no tourniquet), welches unter Zusatz von niedrigdosiertem Adrenalin zum Lokalanästhetikum eine Vasokonstriktion vermittelt. Somit wird neben der lokalen Betäubung im OP Gebiet gleichzeitig eine periphere Ischämie erwirkt, was den operativen Eingriff durch gebesserte Sichtverhältnisse bei weniger Blutverlust erheblich erleichtert und vom Patienten wesentlich problemloser toleriert wird als ein Stauschlauch am Oberarm. Häufige handchirurgische Beschwerdebilder sind vor allem das Karpaltunnelsyndrom, die Dupuytren Kontraktur sowie der sog. Schnappfinger bedingt durch eine Tendovaginitis stenosans. Darüber hinaus wird auch eine Vielzahl von dermatologischen Erscheinungsbildern operativ behandelt. Sind die Läsionen klein, können sie mit einer spindelförmigen Exzision entfernt und einander gegenüberliegende glatte Wundränder unmittelbar adaptiert bzw. miteinander vernäht werden. Zur Deckung größerer Defekte hingegen sind ausgefeilte Schnittführungen oder gar Hauttransplantationen notwendig. Frau Dr. Ishida-Gück verriet mir außerdem, wann bzw. wie eine Narbe „schön“ werde – insofern besonders relevant, als dass die Qualität der chirurgischen Intervention von Seiten des Patienten allein an der Optik dieses äußerlich erkennbaren Relikts bemessen werde. Mindestens genauso wichtig wie das Operieren an sich sei gerade in der chirurgischen Niederlassung die Nachsorge im Hinblick auf Verbandstechniken und Wundkontrollen. Jeder handchirurgische Patient wurde zudem mit der Devise „Hochlagern und bewegen“ entlassen, was der Vorbeugung von Schwellungen und der frühfunktionellen Mobilisation dienen soll. Frau Dr. Ishida-Gück appellierte insofern an die aktive Beteiligung der Patientinnen und Patienten an ihrer Gesundung und warnte umgekehrt vor der Erwartungshaltung, ohne eigenes Zutun passiv durch die Ärzteschaft gesund gemacht zu werden.
Der Hausbesuchspatient mit der Kratzwunde auf dem Boden eines Erysipels wartete bei meinem zweiten Besuch nunmehr mit flächiger Krustenbildung im Wundgebiet und weiterhin immens ödematös geschwollenen Beinen auf. Neu hinzu kam eine prall gefüllte Blase an der Ferse, welche sich spontan eröffnete und klare Flüssigkeit sezernierte – vermutlich eine Folge der enormen punktuellen Druckbelastung bei überwiegender Immobilisation im Rollstuhl. Ich erinnerte mich daran, dass eine der Wundmanagerinnen mir eingeschärft hatte, Krusten so weit als möglich vorsichtig zu entfernen, da sie ansonsten die intrinsische Säuberung der Wunde behindern und somit unter ihrer Oberfläche Eiterbildung begünstigen würden. Gedacht, getan hieß es also und ich freute mich ein weiteres Mal über den sichtbaren Zuwachs an praktischen Fähigkeiten, was hoffentlich in diesem konkreten Fall die Wundheilung unterstützen und meinem Hausbesuchspatienten zu einer Besserung seines Befunds verhelfen wird.
Woche 13: 14.08. – 20.08.2023 / Woche 14: 21.08. – 27.08.2023
Die letzten beiden Wochen glichen einer Abschiedstour durch die einzelnen Praxen. Dabei wurde mir erneut bewusst, wie viele verschiedene Personen in den unterschiedlichsten Funktionen an diesem Gesamtkonstrukt der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald beteiligt sind. Ich erinnere mich in Zusammenhang damit an das 25-jährige Praxisjubiläum von Dr. Blank im Juli, bei welchem er die Entwicklungsgeschichte hat Revue passieren lassen. Unzählige Zahnräder müssen nahtlos ineinander greifen, damit der Praxisbetrieb Tag für Tag läuft – und wenn es doch an der ein oder anderen Stelle einmal klemmt, muss schnellstmöglich eine Lösung gefunden werden. Als Praxisinhaber ist man plötzlich nicht mehr nur Arzt, sondern auch Unternehmer. Man muss sich mit Fragen der Personalführung sowie der Buchhaltung auseinandersetzen. Und man muss vor allem auch eine Position als Chef gegenüber sich selbst und gegenüber den Mitarbeitern finden. Damit wären wir wieder beim persönlichen Umgang mit den Menschen, der dann schlussendlich natürlich in den unmittelbaren Patientenkontakt mündet. Die Erkenntnis, dass der Teamgeist und damit das Arbeitsklima geprägt von Respekt, Wertschätzung und Kollegialität hier einen wohl einzigartigen Charakter aufweisen, wird sich vermutlich mit meiner Rückkehr in den oftmals eher barschen Umgangston der internistischen Station oder des chirurgischen OPs einer Uniklinik nachhaltig manifestieren. Ich bin sehr dankbar, in den letzten Wochen ein kleiner Teil dieses großen Gefüges gewesen sein zu dürfen. Ich habe menschlich und fachlich wahnsinnig viel gelernt. Dr. Blank nannte es bei unserem Abschlussgespräch den Zuwachs an Wissen und an Fähigkeiten, welche im Idealfall Hand in Hand gehen. Auch ohne nennenswerte ökonomische Kenntnisse meinerseits kann ich in jedem Fall festhalten, dass die Bilanz meines Allgemeinmedizin Tertials durchweg positiv ausfällt: ich denke an die Sprechstunden in den verschiedenen Praxen, an die Hausbesuche, Teachings, Fallbesprechungen, Journal Clubs, Hospitationen, Notarztdienste und so vieles mehr. Es wird noch einige Zeit dauern, bis ich die Erlebnisse verarbeitet habe und möglicherweise wird mir auch vieles in seiner tatsächlichen Bedeutung erst in einigen Wochen, Monaten oder gar Jahren bewusst. In jedem Fall aber nehme ich ein mit vielen Fakten gefülltes Notizbuch und einen mit noch viel mehr Erinnerungen gefüllten Kopf bzw. gefülltes Herz mit nach Hause.
Vielen lieben Dank nochmals an das gesamte Praxisteam, dass ich hier wieder so herzlich aufgenommen wurde, dass ihr mich auf meinem Weg zum Ärztin-sein begleitet habt, dass ihr mich unterstützt und ermutigt habt, dass ihr mich gleichermaßen gefordert und gefördert habt, dass ihr mich erstaunt habt, dass ihr mich begeistert habt, dass ihr mich schockiert, fasziniert und inspiriert habt - kurz um, dass ihr mir eine in jeglicher Hinsicht wunderbare, unvergessliche Zeit hier im bayerischen Wald beschert habt. Wie ich schon in meinem ersten Wochenbericht vermutet hatte, hat sich die vielversprechende Prognose meines PJ Tertials in der Allgemeinmedizin durchweg bewahrheitet. Es war ein fulminanter Verlauf mit für mich persönlich überwältigendem Outcome.
Andreas Hierl
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Woche 1: 13.03. – 19.03.2023
Am Sonntagnachmittag ging es für mich los in den Bayerischen Wald. Nach 4 Monaten Krankenhausalltag und einer lehrreichen, aber auch mühsamen Zeit in der Chirurgie bin ich gespannt, was mich in den nächsten Monaten hier erwarten wird. Irgendwie freue ich mich darauf, jetzt in einem anderen Setting als in einem Krankenhaus lernen und arbeiten zu dürfen.
In meiner ersten Woche lerne ich zunächst die Praxen in Schöfweg, Grafenau und Kirchberg, sowie einen Großteil des Ärzte- und Praxisteams kennen. Sofort werde ich überall herzlich aufgenommen und ich merke, dass jeder motiviert ist, mir etwas zu zeigen und beizubringen. An meinem ersten Tag laufe ich erstmal mit und schau zu, doch schon nach ein paar Stunden darf ich bei den ersten Patienten die Anamnese erheben, voruntersuchen, dokumentieren und anschließend berichten. Es ist schön, dass man hier schon nach kurzer Zeit das Vertrauen der Ärztinnen und Ärzte bekommt und ermutigt wird, selbstständig vorzuarbeiten und im Anschluss daran auch Feedback erhält. Bei Unsicherheiten ist es auch immer möglich, Hilfe zu bekommen oder doch erstmal nur zuzuschauen.
Es war in den ersten Tagen durchaus anstrengend, so viel neue Praxen mit teils unterschiedlichen Abläufen und verschiedene Ärztinnen und Ärzte mit einer jeweils etwas anderen Arbeitsweise kennenzulernen, doch ich merke auch, dass sich überraschend schnell eine gewisse Grundroutine einstellt.
Jeden Tag werde ich mit den unterschiedlichsten Fällen konfrontiert. Von ziemlich eindeutig, im Sinne einer klaren Blickdiagnose bis hin zu komplexen und uneindeutigen Fällen ist alles dabei. Für die erste Woche habe ich mir jedoch vorgenommen, erstmal den Fokus auf den „grippalen Infekt“ zu legen und davon gab es auch in dieser Woche den ein oder anderen.
Zusätzlich zu dem Praxisalltag war ich noch bei weiteren Fortbildungen dabei, wie Fallbesprechungen und dem Journal Club, sowie einem sehr interessanten Teaching für Studierende des Exzellenten Winters, in dem Dr. Blank anhand einer Fallbesprechung die Denk- und Herangehensweise eines Allgemeinmediziners vermittelt hat.
Am Ende dieser Woche bin ich aber schon auch froh, erstmal 2 Tage frei zu haben, um die ganzen Eindrücke sacken zu lassen und mich ein bisschen zu erholen. Denn diese Woche war auf jeden Fall auch herausfordernd und die Tage teilweise recht lang, aber man ist auch immer mit dem guten Gefühl belohnt worden, wieder ein Stück schlauer geworden zu sein.
Woche 2: 20.03. – 26.03.2023
Und schon ist auch meine zweite Woche wieder zu Ende. In dieser Woche habe ich die meiste Zeit in Lalling verbracht. Und hier gab es wieder viele unterschiedliche Fälle zu sehen. Selbstverständlich wieder einige grippale Infekte. Aber auch einige orthopädische, dermatologische und psychiatrische Probleme. Mir wird nochmals bewusst, dass sich in der Praxis ein Fall selten so schön eindeutig und klar präsentiert, wie es an der Uni in diversen Falldiskussionen immer gelehrt wird. Mal sind es unklare diffuse Bauchschmerzen die schon Monate andauern; mal Müdigkeit und allgemeine Leistungsminderung; mal Pusteln an der Hand, die immer mal wieder auftreten und dann wieder verschwinden, und so geht es immer weiter. Oft können gefährliche Verläufe ausgeschlossen werden, aber trotzdem ist es manchmal schwierig, den Patienten eine direkte zielgerichtete Therapie anzubieten, die für beide Seiten zufriedenstellend ist. Oftmals ist es einfach nicht möglich, eine genaue Ursache für bestimmte Beschwerden zu erkennen und zu benennen, sodass manchmal auch nur Abwarten bzw. eine symptomatische Therapie sinnvoll ist. Ich finde es diese Woche aber auch interessant zu sehen, wie sich Frau Dr. Takacs bei zunächst unspezifischen Beschwerden Zeit nimmt und den psychosozialen Hintergrund der Patientinnen und Patienten erfragt und in die Überlegungen miteinbezieht. Dadurch kamen auch Aspekte zum Vorschein, die ich zunächst nicht in meine differentialdiagnostischen Überlegungen miteinbezogen hatte.
Neben Lalling verbringe ich diese Woche auch einen Tag in Kirchberg und lerne dann am Freitag auch noch die Praxis in Auerbach kennen. Insgesamt merke ich, wie ich zunehmend sicherer werde in der Befunderhebung und meine Anamnesefragen schon gezielter stellen kann, als noch ganz am Anfang. Und Schritt für Schritt wage ich mich auch an die nächsten Herausforderungen, wie Check-Up-Untersuchungen oder Schilddrüsensonographie. So will ich mir jetzt für jede Woche ein bestimmtes Organ oder Thema zum Üben und gezielten Nachlesen aussuchen.
Neben dem Praxisalltag gab es auch wieder die praxisinternen Fortbildungen und Fallbesprechungen. Hier fand ich v.a. die Fortbildung am Montag zum Thema Hämochromatose interessant. Durch die praktische Herangehensweise und Diskussion dieses Themas ist mir nochmal klarer geworden, wie und wann ich an eine Hämochromatose denken muss.
Am Ende dieser Woche haben dann auch meine beiden Mit-PJlerinnen Mira und Chiara ihr Tertial hier in Kirchberg beendet, sodass ich jetzt erstmal allein in der WG wohnen werde. So starte ich dann erstmal ins Wochenende und will die freie Zeit nutzen, um endlich mal den Bayerischen Wald zu erkunden.
Woche 3: 27.03. – 02.04.2023
Meine dritte Woche verbringe ich wieder überwiegend in Lalling. Wieder gab es einiges an spannenden Fällen zu sehen - von suspekten EKG-Veränderungen bis hin zu unklaren Beinschmerzen. Diese Woche sehe ich auch einige Patienten bereits zum zweiten Mal, meist zur Wundkontrolle. Hier finde ich es interessant und auch hilfreich, wenn man nicht nur den aktuellen Stand, sondern auch den Zustand von letzter Woche in seine Überlegungen miteinbeziehen kann. Meist zeigten sich die Wunden gebessert, aber einmal kam es auch bei anfangs unauffälligen Wunden nach einer Woche nochmal zu einer deutlichen Schwellung und Schmerzen.
Neben dem Praxisalltag habe ich mir diese Woche vorgenommen, einen Plan zu erstellen, was ich in den nächsten Wochen lernen und üben will. Das ist durchaus eine Herausforderung, da es gerade am Anfang gefühlt unendlich viel gibt, was man nachlesen oder üben könnte. Irgendwie schaff ich es aber, für mich selbst ein System zu erstellen - mit bestimmten Zielen für jede Woche. So will ich mir wöchentlich ein oder zwei der häufigsten Beratungsanlässe raussuchen und systematisch durcharbeiten. Und ich beginne diese Woche gleich damit, die Leitlinien für Husten und Rhinosinusitis durchzulesen, merke dabei aber auch, dass das ziemlich zeitintensiv werden kann. Und natürlich gibt es auch in dieser Woche genug Gelegenheiten, die neuen Erkenntnisse in der Praxis anzuwenden. Zusätzlich will ich noch jede Woche das Sonographieren eines bestimmten Organs bzw. die Untersuchung eines Gelenks gezielt trainieren, sowie die Beratung zu einem bestimmten Thema wie Krebsprävention oder Impfungen üben.
Ich bin mal gespannt, wie und ob dieses System funktionieren wird. Aber bisher habe ich das Gefühl, dass es hilfreich ist, sich immer wieder kleine Ziele zu setzen und darauf dann gezielt hinzuarbeiten. So hat man im besten Fall dann auch immer wieder kleine Erfolgserlebnisse und wird sich über den eigenen Lernfortschritt manchmal überhaupt erst bewusst.
Woche 4: 03.04. – 09.04.2023
In dieser Woche war ich die meiste Zeit in der Praxis in Auerbach. Mittlerweile übernehme ich auch schon die Check-Up-Untersuchungen, von denen es auch in dieser Woche einige gibt. Neben einem ausführlichen Gespräch über Risikofaktoren und Präventionsangebote, habe ich die Möglichkeit in Ruhe eine ausführliche körperliche Untersuchung und eine anschließende Sonographie der Schilddrüse und des Abdomens durchzuführen. Das ist eine gute Gelegenheit, um verschiedene Untersuchungstechniken gezielt zu üben. Am Ende schaut auch Dr. Kalmancai immer darüber, wodurch ich auch gleich Feedback bekomme, was ich evtl. übersehen haben könnte. Ich bin auch sehr dankbar, dass fast alle Patienten so viel Geduld und Zeit haben, mich so ausführlich (und langsam) untersuchen zu lassen.
Ansonsten waren meine Lernziele für diese Woche die strukturierte Anamnese und Untersuchung bei Rückenschmerzen (inklusive Leitlinie Rückenschmerz), das Sonographieren der Nieren, sowie die Beratung zum Thema Krebsvorsorge. Insgesamt bin ich in meinem Lernplan gut vorangekommen, wenngleich ich aber auch nicht alles geschafft habe. Denn am Donnerstagmittag starte ich bereits in meinen kurzen Osterurlaub.
Woche 5: 10.04. – 16.04.2023
Diese Woche verlief ähnlich wie bereits die Woche zuvor. Da ich mir nach dem Osterwochenende auch noch den Dienstag freigenommen hatte, startete ich erst am Mittwoch zurück in den Praxisalltag.
Die drei Tage verbrachte ich wieder größtenteils bei Dr. Kalmancai in Auerbach. Und wieder warteten einige Checkup-Untersuchungen auf mich. Hinzu kommen mehrere grippale Infekte, Rückenschmerzen und Wundkontrollen. Neben solchen eher häufigen Fällen, die ich schon zunehmend besser einschätzen kann, gab es aber natürlich wieder einige Patienten mit für mich eher unklaren Beschwerden: Hautausschläge, juckende Beine, Ohrenschmerzen, Z.n. Krampfanfall, Fettstühle, Gelenkschmerzen, usw.
Nach dieser kurzen Woche konnte ich dann das Wochenende nutzen, um endlich einmal einige der Wanderwege in der Umgebung kennenzulernen. Auf dem Königsstein konnte ich bei strahlendem Sonnenschein (was aktuell leider nicht allzu häufig vorkommt) den Ausblick über den Bayerischen Wald genießen und auch die Gegend um Lalling samt Feng-Shui Garten hat – wie ich finde - einen besonderen Charme.
Woche 6: 17.04. – 23.04.2023
Mittlerweile ist schon meine 6. Woche zu Ende. Und wie immer habe ich auch in dieser Woche einige neue Erfahrungen machen können.
Am Montag war ich mit Dr. Blank in Grafenau und Rinchnach und den Rest der Woche verbrachte ich mit Frau Dr. Kleudgen und Frau Quaderer in Schöfweg. Und an gefühlt jedem Tag gab es einige Routinefälle, aber auch ebenso viele Patientinnen und Patienten mit Beschwerden, die ich nicht so ganz einordnen konnte.
So hat mich diese Woche ein Fall besonders beschäftigt. Eine jüngere Patientin leidet schon seit mehreren Wochen unter diffusen Bauchschmerzen. Zudem habe sie Nachtschweiß und könne schon seit längerem nicht mehr normal Essen. Privat und beruflich sei die Gesamtsituation aktuell auch sehr belastend. Sofort schießen mir zahlreiche mögliche gefährliche Diagnosen in den Kopf… Aber was und wie soll man jetzt weitermachen? Ist das eher psychisch bedingt? Wie intensiv sollte eine somatische Abklärung erfolgen? Um das weitere sinnvolle Vorgehen zu bestimmen, stelle ich dann erstmals auch einen Fall in der gemeinsamen Teambesprechung vor und frage nach der Meinung der anderen Ärztinnen und Ärzte. So bekomme ich dann eine Einschätzung und Hinweise, was sinnvoll wäre und was eher nicht. Mir wird dabei auch bewusst, dass ich noch zu oft dazu tendiere, sofort an irgendwelche seltenen „Spezialdiagnosen“ zu denken, dabei aber die häufigen Diagnosen aus den Augen verliere. Denn in der Allgemeinmedizin gilt schließlich… Häufiges ist häufig und Seltenes ist selten.
In der nächsten Woche werden wir das weitere Prozedere dann mit der Patientin besprechen. Ich bin gespannt, wie sich der Fall weiterentwickeln wird.
Woche 7: 24.04. – 30.04.2023
Mittlerweile ist meine 7.Woche zu Ende, die ich wieder in Schöfweg verbracht habe. Gleich zu Beginn begegnen mir einige orthopädische Fälle. Eine gute Gelegenheit, um die Untersuchungstechniken diverser Gelenke zu üben. Rückenschmerzen, Knieschmerzen nach Trauma, Ellenbogenschmerzen, Bursitis, Nackenschmerzen, …; gefühlt war diese Woche alles einmal dabei. Die eigentliche Herausforderung aber ist nicht das Untersuchen an sich, sondern vielmehr die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen. Und da liegen meine Einschätzung und die der ÄrztInnen doch manchmal deutlich auseinander. Das Gute ist, dass wir das alles immer danach gemeinsam diskutieren können und ich so von der Erfahrung der ÄrztInnen profitieren kann.
Zudem ist mir diese Woche ein Patient in Erinnerung geblieben, der plötzlich am Fuß eine große Wunde mit Blasen bekommen hatte, ohne dass wir eine gute Erklärung dafür finden konnten. So musste die Wunde erstmal aufwändig versorgt und dann täglich kontrolliert werden. Und jeden Tag konnte man sehen, dass es dann glücklicherweise immer ein kleines Stückchen besser wurde.
Neben dem Praxisalltag gab es diese Woche wieder einen Journal Club. Mit verschiedenen HausärztInnen aus der Region wurden wieder spannende neue Studien zu verschiedenen Themen diskutiert. Von Antikoagulation über DRU als Krebsprävention bis hin zur Impfung gegen Herpes Zoster waren wieder viele interessante Themen dabei.
Woche 8: 01.05. – 07.05.2023
Jetzt bin ich schon 8 Wochen hier im Bayerischen Wald; das heißt die Hälfte meines Tertials ist vorbei und es wird Zeit für ein kleines Zwischenfazit: Mittlerweile kann ich sagen, dass ich die Praxisabläufe gut verinnerlicht habe und auch die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Ärztinnen und Ärzte kenne.
Nach dieser Zeit habe ich zudem einerseits das Gefühl, schon viele verschiedene Krankheitsbilder einmal gesehen zu haben und andererseits bin ich doch jeden Tag aufs Neue überrascht, wenn es wieder Krankheitsbilder gibt, die ich so noch nicht gesehen habe. Die Standardfälle kann ich inzwischen -denke ich- relativ routiniert abarbeiten und ich habe auch das Gefühl, dass es mir zunehmend besser gelingt einzuschätzen, ob jeweils ein gefährlicher Verlauf vorliegt oder ob man lieber erstmal abwarten sollte. Und rückblickend kann ich auch sagen, dass ich meine medizinisch-praktischen und kommunikativen Fähigkeiten auf jeden Fall weiterentwickeln konnte und auch einen neuen differenzierten Blick darauf gewonnen habe, was eigentlich gute, patientennahe Medizin ausmacht. So zeigt die Lernkurve bei mir fast jeden Tag aufs Neue nach oben und immer wieder bietet sich die Gelegenheit, noch gezielt spezielle Sachen zu üben.
Jetzt bin ich dann gespannt, was die zweite Hälfte meines Tertials noch so bringen wird. Auf jeden Fall muss ich die verbleibenden Wochen noch nutzen, um endlich mehr vom Bayerischen Wald zu entdecken.
Woche 9: 08.05. – 14.05.2023
Wieder ist eine Woche in Lalling zu Ende und wieder begegneten mir viele verschiedene Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Beschwerden. Seien es grippale Beschwerden und Halsschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen, Hautausschläge, Blutdruckkontrollen, Wunden, Schwindel und Tinnitus, allergische Beschwerden oder doch eher was Exotisches. Hinzu kamen natürlich Check-Up-Untersuchungen und Impfungen.
Es gab also wieder die gesamte Bandbreite der Allgemeinmedizin zu sehen. Insgesamt war es also wieder eine rundum gelungene und erfahrungsreiche Woche.
Woche 10: 15.05. – 21.05.2023
Diese Woche war ich aufgrund des Feiertages und eines Urlaubstages nur 3 Tage in den Praxen in Lalling und Auerbach.
Mittlerweile erhebe ich nicht nur die Anamnese und führe die Untersuchungen durch, sondern immer öfter überlege ich mir auch das weitere Vorgehen und das zunehmend auch bei weniger eindeutigen Krankheitsbildern. Ich finde es gut, wenn man vom betreuenden Arzt bzw. der betreuenden Ärztin gefragt wird, was denn die eigene Einschätzung sei bzw. was man weiter machen würde. So muss ich mir jetzt immer öfter überlegen: Welche Therapie sollte man beginnen? Antibiose ja oder nein? Abwarten oder sofort handeln? evtl. sogar einweisen oder überweisen? Falls ja, wohin?
Dadurch wird einem auch bewusst, wie herausfordernd der Arztberuf ist. Die eine „Standardtherapie“ gibt es einfach nicht, man muss immer wieder abwägen und dann die für den jeweiligen Patienten passende Entscheidung treffen.
Insgesamt ist das alles natürlich herausfordernd, doch hier in den Praxen bekommt man auch die Chance, genau das zu lernen und in den Arztberuf hineinzuwachsen. Man wird ermutigt, sich eigene Gedanken zu machen, kann diese diskutieren und all das geschieht natürlich immer unter enger Supervision.
Woche 11: 22.05. – 28.05.2023
Diese Woche begann am Montag gleich mit einem übervollen Wartezimmer in Lalling. Viele Patientinnen und Patienten mit teils recht komplexen Anliegen oder Beschwerden kamen relativ zeitgleich am Morgen in die Praxis und man konnte direkt zusehen, wie die Patientenliste immer länger wurde. Doch es bleibt natürlich erstmal nichts anderes übrig, als einen nach dem anderen zu behandeln; an diesem Tag natürlich nicht ohne etwas längere Wartezeiten, was wiederum teils zu leichter Verärgerung führte. Frau Dr. Takacs hat es mit ihrer sehr empathischen Art aber jedes Mal wieder geschafft, die Leute zu beruhigen, sodass sie meist wieder zufrieden die Praxis verlassen konnten. Und tatsächlich ist es uns dann doch gelungen, alle Patienten bis um kurz nach 12Uhr zu behandeln. Mir ist dabei wieder Mal klar geworden, dass der Stresslevel in einer Hausarztpraxis dem im Krankenhaus – zumindest an bestimmten Tagen - in nichts nachsteht.
Neben dem Praxisalltag startete diese Woche auch eine Teachingreihe des Landkreises Cham extra für Medizinstudierende. Los gings am Mittwoch mit einem Nahtkurs im Krankenhaus Cham. Auch wenn ich mein Chirurgietertial schon hinter mir hab und das ein oder andere Mal nähen konnte, wars nochmal eine gute Übung mit dem sehr engagierten chirurgischen Chefarzt Dr. Stadler in Ruhe und ohne wachsame Blicke und Kommentare seitens des OP-Personals an Schweinebäuchen nähen zu können.
Zudem bin ich seit dieser Woche nicht mehr der einzige Student in der Praxis. Drei PJ-Studentinnen haben ihr Tertial hier im Bayerischen Wald begonnen. Gleich am Sonntag ist Julia hier in Kirchberg miteingezogen und am Mittwoch beim Nahtkurs konnten wir dann noch Tabea und Alicia kennenlernen, die beide in Grafenau untergebracht sind. Nach dem Teaching haben wir dann die Zeit gleich noch genutzt, um uns beim gemütlichen Abendessen beim Italiener in Regen auszutauschen und besser kennenzulernen.
Woche 12: 29.05. – 04.06.2023
Auch diese Woche begann wieder nach dem Feiertag am Montag mit einem gut gefüllten Wartezimmer am Dienstag. Einige der umliegenden Praxen hatten zudem noch Praxisurlaub, sodass zusätzlich noch einige Vertretungspatientinnen und -patienten kamen. Es gab also wieder einiges zu tun und vor allem am Dienstag war das Arbeitstempo dementsprechend hoch. In meiner 12. Woche komme ich damit aber gerade im Vergleich zum Anfang wesentlich besser zurecht. Im Laufe der letzten Wochen habe ich gelernt, zunehmend selbstständiger zu arbeiten. Nicht jeder Untersuchungsbefund muss nochmal kontrolliert werden und gerade bei Patientinnen und Patienten mit unkomplizierten Beschwerden reicht es meist aus, diese nur noch kurz zu besprechen. Dadurch lernt man auch, wie es ist, schrittweise Verantwortung zu übernehmen – dies geschieht freilich nur so weit, wie man sich auch sicher und kompetent fühlt. Gerade am Anfang war das aber noch ziemlich ungewohnt, da ich bisher selten so eigenständig gearbeitet habe. Man merkt aber schnell, dass das wesentlich lehrreicher und interessanter ist, als immer nur der stille Zuschauer zu sein :D
Neben dem Praxisalltag gabs auch diese Woche wieder am Mittwoch ein Teaching in Cham. Diesmal zum Thema Notfallmedizin. Neben einer Besichtigung der Fahrzeuge des Rettungsdienstes durfte natürlich auch das Üben der strukturierten professionellen Reanimation nicht fehlen. Ein Thema, das man wahrscheinlich nicht oft genug üben kann:)
Nach interessanten und wieder intensiven Tagen in den Praxen rundet am Wochenende ein Kurztrip nach Passau schließlich eine gelungene Woche ab.
Woche 13: 05.06. – 11.06.2023
Meine 13. Woche ist zu Ende und langsam realisiere ich auch, dass mein Tertial hier im Bayerwald nicht mehr allzu lange dauern wird. Das Team, die Praxen, die Studentenwohnung und die ganze Gegend hier sind mir mittlerweile recht vertraut geworden. Vieles hier werde ich bestimmt bald schon vermissen. Aber noch ist es nicht so weit, denn ich hab ja noch drei volle Wochen vor mir, die ich wieder nutzen werde, um meine hausärztlichen Fertigkeiten weiter zu schärfen.
Auch diese Woche habe ich drei interessante Tage in Auerbach verbracht. Anhand der Krankheitsbilder hat man auch gemerkt, dass der Frühsommer auch hier endgültig angekommen ist. Der „grippale Infekt“ wird zunehmend seltener, wohingegen allergische Beschwerden auf Pollen, Bindehautentzündungen und Zeckenstiche in dieser Woche mit zu den häufigsten Beschwerden zählten. Zudem darf ich Dr. Kalmancai wieder bei Hausbesuchen begleiten. Wir besuchen einen älteren Herrn mit multiplen schweren Vorerkrankungen, der erst vor kurzem wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ich bin erstaunt, wie fit er auf mich wirkt, gerade in Anbetracht seiner Diagnosen und seines Alters. Wir besprechen die aktuelle Medikation und die anstehende Reha mit ihm und kontrollieren schließlich noch seine Wunde. Im Anschluss geht es wieder zurück in die Praxis und für mich dann schließlich ab ins verlängerte Wochenende.
Woche 14: 12.06. – 18.06.2023
Woche 14 ist zu Ende und ich hätte eigentlich gedacht, inzwischen einen Großteil der hausärztlichen Beratungsanlässe schon einmal gesehen zu haben. Doch ich wurde in den letzten Tagen eines Besseren belehrt. Diese Woche war so, als würde mich jemand jeden Tag absichtlich vor neue Herausforderungen stellen wollen.
Einmal gings darum, Geschlechtskrankheiten abzuklären, dann darum eine gefährliche Ohrenerkrankung auszuschließen, an wieder einem anderen Tag fiel eine verdächtige runde Raumforderung in der Abdomensonographie auf. Jeder Tag hatte für mich wieder neue Erkenntnisse parat und ich bin mittlerweile fest überzeugt, dass man auch nach 10 oder 20 Jahren in diesem Beruf immer wieder Neues und Unbekanntes sehen wird.
Zudem bin ich in dieser Woche auch vermeintlich einfache Fragestellungen wesentlich differenzierter angegangen als zuvor. Es geht ja schließlich nicht nur darum, mit welchem Medikament begonnen oder welche Maßnahme empfohlen werden sollte. Sondern auch um Fragen wie beispielsweise, wie schaffe ich bei dem Patienten oder der Patientin ein Bewusstsein für die jeweilige Grunderkrankung, wie kommuniziere ich die Vor- und Nachteile einer bestimmten Maßnahme am besten, was macht für die betreffende Person überhaupt Sinn in Hinblick auf die jeweiligen Lebensumstände. In diesem Zusammenhang fand ich auch den Journal Club am Mittwoch wieder sehr interessant, denn auch dort wurden bestimmte Kontroversen diskutiert, wie die Darmspiegelung als Krebsvorsorge oder etwa das altbekannte wie auch stets aktuelle Thema der Cholesterinwerte bzw. -therapie.
Zum Wochenende hat mich Dr. Blank dann noch zu einer Wanderung auf den Rachel eingeladen. Frühmorgens zu dritt (Paddington war auch noch dabei) hoch auf den Gipfel - einfach nur schön. Das war auch eine gute Gelegenheit, um sich einmal abseits des Praxisalltags kennenzulernen.
Woche 15: 19.06. – 25.06.2023
Meine vorletzte Woche war wieder sehr abwechslungsreich. Ich war in den Praxen in Schöfweg, Kirchberg, Grafenau und Lalling. Als kleine Besonderheit durfte ich am Dienstag zudem einen Tag bei dem Internisten Dr. Werner in Regen hospitieren. So konnte ich auch mal für einen Tag die nächste Versorgungsstufe nach dem Hausarzt erleben. Die meisten Patientinnen und Patienten, die kamen, hatten schon einige Vorerkrankungen und kamen dementsprechend zur Verlaufskontrolle. So konnte ich an diesem Tag viele verschiedene internistische Krankheitsbilder sehen; von der Beinvenenthrombose bis hin zu sämtlichen Herzklappenfehlern mit den entsprechenden Komplikationen. Zudem ist mir aufgefallen, dass Dr. Werner sich weitaus mehr Zeit für seine Patienten nimmt, als es in einer Hausarztpraxis üblich ist. Mich hat hierbei vor allem die unglaubliche Ruhe beeindruckt, die Herr Dr. Werner während seiner Sprechstunde ausstrahlt. Er lässt die Patienten zunächst geduldig ausreden, beantwortet sämtliche Fragen und lässt auch Raum für die Sorgen und Ängste der Patientinnen und Patienten.
Am Donnerstag durfte ich dann in Grafenau die Sprechstunde zunächst allein beginnen, da Herr Dr. Blank erst eine dreiviertel Stunde später kam. Zu meiner Erleichterung kamen in diesem Zeitraum nur zwei Patienten – einmal mit grippalem Infekt und einmal zur Schilddrüsenkontrolle. Beides Sachen, die ich ja mittlerweile recht gut beherrsche. Und beide haben dann glücklicherweise auch noch sehr geduldig bis zur Ankunft von Dr. Blank gewartet
Woche 16: 26.06. – 02.07.2023
Zu Beginn meiner letzten Woche durfte ich noch gemeinsam mit Julia drei Tage in der Rehaklinik in Schaufling hospitieren. Wir wurden gleich zu Beginn sehr herzlich von Herrn Dr.Buvar in Empfang genommen. Gemeinsam mit seinem Team hatte er für die drei Tage extra ein Programm für uns zusammengestellt, sodass wir vormittags an den verschiedenen Therapieangeboten teilnehmen konnten (von Elektro-/ Hydro- oder Wärmetherapie über Bogenschießen bis hin zu Arbeitstherapie war alles dabei) und nachmittags bei Aufnahmegesprächen dabei waren. Zusätzlich hat uns Dr. Buvar geholfen, unsere orthopädischen Fertigkeiten zu verbessern, indem er mit uns sehr intensiv die Untersuchung von Knie und Schulter samt Gelenksonographie geübt hat. Es waren sehr interessante Einblicke und Erfahrungen, denn bisher hatte ich selbst noch keine Berührpunkte zur „Reha-Medizin“. Und auf jeden Fall habe ich einiges lernen können, was ich auch im hausärztlichen Alltag wieder brauchen kann.
An den letzten beiden Tagen hieß es dann schließlich noch Abschied nehmen von meinen beiden „Stammpraxen“ in Auerbach und Lalling und letztlich auch vom gesamten Team. Mein zweites Tertial ist jetzt zu Ende und wenn ich zurückblicke, waren die vergangenen 16 Wochen für mich eine unglaublich lehrreiche, intensive und schöne Zeit. Sowohl fachlich als auch menschlich durfte ich vom ganzen Team lernen und diese Zeit hat mich mit Sicherheit geprägt und mir geholfen, nach und nach in den Beruf als Arzt hineinzuwachsen. Vielen Dank nochmal für so viel Geduld, Offenheit, Engagement und Herzlichkeit.
Mira Woll
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Woche 1: 26.12. – 30.12.2022
Weihnachten ist fast vorüber und direkt geht es Schlag auf Schlag weiter. Mein letztes PJ-Tertial beginnt und ich mache mich am 2. Weihnachtsfeiertag auf den Weg in den Bayerischen Wald. Gut erholt und mit vollem Magen fahre ich durch den nebligen Wald Richtung Kirchberg. Ich als geborenes Landei sollte ich mich doch direkt im Bayerischen Wald wohlfühlen – Hügel und Berge, kleine und große Dörfer, ländliches Leben – das kenne ich schon alles aus meiner Kindheit, dachte ich mir. Nach fast sechs Jahren Großstadtleben freue ich mich schon sehr auf vier Monate auf eine etwas ländlichere Gegend mit der Nähe zur Natur. Auf dem Kirchenbuckel bei der PJler*innen-WG ist direkt viel los, überall Autos und Menschen, die zur Kirche strömen.
Angekommen in der wunderschönen Wohnung treffe ich kurz später auf meine Freundin und PJ-Kollegin Chiara, die ich schon im Exzellenten Sommer 2020 kennengelernt habe. Wir richten uns in der Wohnung ein und machen es uns in noch weihnachtlicher Stimmung gemütlich. Auch in der Großstadt hatte ich einen schönen Ausblick aus meinem Zimmer im 7. Stock – der Blick vom Kirchenbuckel Kirchbergs, als die Sonne morgens über den Wäldern am Horizont aufgeht, steht dem in nichts nach. Tag 1 und die Glücksgefühle schnellen in die Höhe. Eine kurze Woche zwischen den Jahren sollte doch schnell um sein, nach den Weihnachtsfeiertagen gibt es bestimmt einiges zu tun, dachte ich mir. Mit einem guten Gefühl startete ich am ersten Morgen in der Praxis in Auerbach bei Dr. Kalmancai.
Da viele Praxen im Umkreis gerade im Urlaub sind, fanden wie erwartet viele Patient*innen mit teilweise langer Anfahrt den Weg zu uns und es gab sofort viel zu tun. Mit den unterschiedlichsten Beratungsanlässen strömten die Patient*innen am ersten Tag nach den Weihnachtsfeiertagen in die Praxis. Eine geschwollene Hand, Verstopfung, ein blockiertes ISG-Gelenk, Schwindel, ein Ulcus cruris, Schlaflosigkeit, eine Krankenhausentlassung mit neuen Medikamenten – hier nur einige Beispiele genannt. Gerade an den Weihnachtsfeiertagen boten sich einige Gelegenheiten, sich mit Influenza und anderen grippalen Infekten zu infizieren. Trockener Husten, Fieber und Gliederschmerzen seit heute Nacht bei einem jungen Mann in Zimmer 1; eine laufende Nase, Ohrenschmerzen und Müdigkeit bei einem kleinen Mädchen seit einer Woche in Zimmer 2; Schluckbeschwerden, Lymphknotenschwellung und Dysphagie seit drei Tagen bei einer erwachsenen Frau in Zimmer 3; Heiserkeit, Kopfschmerzen und Müdigkeit seit vorgestern bei einem alten Mann in Zimmer 4 - es gibt viel zu tun: Anamnese, körperliche Untersuchung mit Rachen- und Trommelfellinspektion, Lymphknoten tasten, Lungen abhören - gleich bekomme ich einen Eindruck, wie vielfältig Erkältungskrankheiten und deren Behandlung sein können.
Abends sitze ich an unserem Tisch im Wohnzimmer mit Blick über Kirchberg und lasse den ersten Tag Revue passieren. Zwei Seiten auf meinem Notizblock kann ich spontan mit unterschiedlichen Patientenfällen füllen und dies wird sich auch an den restlichen Tagen dieser Woche so fortführen.
Die restlichen Tage verbringe ich überwiegend in der Praxis in Kirchberg bei Dr. Machac und Dr. Kunzendorf. Hier durften weiter fleißig Lungen abgehört werde, die Feiertage hatten es anscheinend in sich – hier ein Brummen, da ein Giemen, hier eine Spastik, da ein normales Atemgeräusch, war das gerade ein Rasselgeräusch? Die Erkältungswelle ist noch in vollem Gange. Kritische Patient*innen sehe ich diese Woche sogar schon zum zweiten Mal zur Kontrolle und bekomme dabei direkt die Möglichkeit Patient*innen in ihrem Verlauf beobachten zu können und die Befunde zwischen den einzelnen Tagen vergleichen zu können. Eine Patientin hatte zum Beispiel inzwischen schwere Atembeschwerden mit Luftnot entwickelt, wir müssen sie in ein Krankenhaus einweisen.
Nach der Sprechstunde am Freitag schließe ich die erste Woche und auch das Jahr 2022 zufrieden und voller Vorfreude auf das Jahr 2023 ab. Ich bin gespannt, welche spannenden Fälle mir nächste Woche begegnen werden.
Woche 2: 02.01. – 08.01.2023
Neues Jahr, neue Woche, neue Praxen, neue Lehrärzt*innen.
Diese Woche darf ich in die mir bisher noch unbekannten Praxen in Lalling und in Schöfweg hineinschnuppern. Die erste Wochenhälfte verbringe ich mit Dr. Blank und Dr. Hill in Lalling. Dr. Blank erzählt mir einiges über die Arzt-Patienten-Beziehung und gibt mir Tipps zur ärztlichen Haltung. Die ganze Woche habe ich die Gelegenheit meine kommunikativen Fähigkeiten unter Aufsicht weiter zu verbessern und bekomme dabei wertvolles Feedback.
Nach der Weihnachts- und Ferienpause beginnen nun auch für mich die Fortbildungen. In der Mittagszeit stehen praxisübergreifende Fallbesprechungen per Online-Liveschalte auf dem Programm. So diskutieren wir am Dienstag mit Dr. Hill einen spannenden Patientenfall in großer Runde, den wir am Vormittag zusammen gesehen hatten. Am Donnerstag informiert Dr. Hill uns darüber, wie es mit dem Patienten weiterging und welcher unserer diskutierten Therapiewege eingeschlagen wurde.
In der zweiten Wochenhälfte darf ich Dr. Kleudgen und Dr. Quaderer in Schöfweg begleiten. Auch hier bin ich sofort in den Praxisalltag integriert und mache fleißig Anamnesen und präsentiere diese den Ärztinnen. Ich darf Vorschläge machen, welche Therapie ich für sinnvoll erachte, und bekomme dazu wertvolles Feedback. Gemeinsam schauen wir bei einem etwas komplizierteren Fall nach, was in den Leitlinien empfohlen wird.
Immer wieder müssen wir uns auch mit dem kritischen Einsatz von Antibiotika auseinandersetzen. Manche Antibiotika sind zurzeit nicht lieferbar, dennoch haben wir Patienten, die dringend ein Antibiotikum bekommen müssen. Hier gilt es nun ein lieferbares und ebenso hilfreiches Antibiotikum zu finden.
Vollgepackt mit vielen Ereignissen und spannenden Patient*innenfällen geht eine erneut kurze Woche zu Ende. Ich erhole mich mit Freunden und Familie bei einem langen Wochenende und bin schon gespannt auf die nächste Woche.
Woche 3: 09.01. – 15.01.2023
Woche 3 – ich verbringe die ganze Woche mit Dr. Takacs und Dr. Hill in Lalling. Mehr und mehr nehme ich mich auch etwas komplizierten und ausführlichen Beratungsanlässen an. Im Anschluss bespreche ich die Fälle mit meinen Lehrärzt*innen durch und kläre offene Fragen. Ich mache Vorschläge zum weiteren Vorgehen, zur weiteren Diagnostik und zur möglichen Therapie. Oftmals werde ich gefragt, warum ich mich für bestimmte diagnostische Mittel oder Medikamente entscheiden würde. Dabei muss ich meine Ideen gründlich hinterfragen und logisch begründen. Die Beratungsanlässe mit grippalem Infekt haben etwas nachgelassen und diese Woche begegneten mir einige interessanten Auffälligkeiten der Haut und Schleimhäute und Hautkrankheiten, von denen ich gerne berichten möchte. Ein Kontaktekzem, Erythema ad igne, mehrere Patient*innen mit Psoriasis vulgaris mit unterschiedlichen Befallsmustern, eine atopische Dermatitis, eine aktinische Keratose, eine Pityriasis rosea, ein Erythema migrans, eine unklare Schwellung in der Axilla, eine Mundwinkelrhagarde, eine Aphte, Scabies, … – und immer stelle ich mir die Frage, gibt es eine Ursache oder Grunderkrankung, welche abwendbar gefährlichen Verläufe muss ich bedenken und wie sieht die Therapie aus?
Wie bin ich eigentlich auf das PJ in der Allgemeinmedizin gekommen und warum ausgerechnet im Bayerischen Wald? Durch meine Famulatur im Krankenhaus Viechtach im Exzellenten Sommer 2020 durfte ich die Umgebung und einige Ärzte aus der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald bereits kennenlernen. Vor allem die Professionalität, das große Team mit vielen verschiedenen Facetten und Expertisen und das Lernen im Team und durch das Team hat mich begeistert. Allgemeinmedizin im PJ – immer mehr spielte ich mit dem Gedanken. Ein Probetag gab schlussendlich dann den Ausschlag – ich hatte an nur einem Tag so viele Patient*innen mit den unterschiedlichsten Beratungsanlässen gesehen, dass ich überzeugt war, dass mir das auch auf längere Zeit hin große Freude bereiten würde. Und auch diese Woche bestätigt mich sehr in meiner Wahl. Die Patient*innen in unserer Sprechstunde sind sehr vielfältig. Gerade die Kinder und Jugendlichen, mit denen ich bisher aus medizinischer Sicht noch recht wenig Berührungspunkte hatte, sind eine spannende Herausforderung für mich. Ich lerne, wie ich auch mit Kindern umgehe, die keine Lust auf eine Untersuchung oder sogar Angst vor einer Untersuchung haben. Gerade im Umgang mit Heranwachsenden, die in Begleitung ihrer Eltern kommen, gibt es besondere Herausforderungen, die ich diese Woche gut meistern konnte.
Woche 4: 16.01. – 22.01.2023
Meine vierte Woche darf ich nochmals bei Dr. Takacs in Lalling verbringen. Außerdem darf ich an einem Tag die Praxis in Grafenau mit Dr. Blank kennenlernen, in der ich bisher noch nicht gewesen bin. Eine spannende rheumatologische Erkrankung bei einer jungen Frau beschäftigt uns diese Woche sehr, vielleicht ist es ein sogenanntes „Kolibri“ – eine seltene Erkrankung, die man in seinem „Ärztinnenleben“ nur wenige Male zu Gesicht bekommen wird? Wir machen eine rheumatologische Labordiagnostik und untersuchen sie gründlich. Wir recherchieren in Lehrbüchern und Onlinenachschlagewerken und diskutieren mögliche Differenzialdiagnosen. Eine Überweisung zu einem Rheumatologen ist erfolgt und wir sind gespannt, was dieser uns berichten wird.
Außerdem lerne ich diese Woche einiges über die Schilddrüsensonographie. Mir bereitet es große Freude, die Patient*innen schonmal vorab zu sonographieren und beispielsweise das Volumen der Schilddrüse auszumessen oder mögliche Pathologien zu entdecken und meinen Lehrärzt*innen zu präsentieren. Durch die gemeinsame Überprüfung mit meinen Lehrärztinnen bekomme ich sofort Rückmeldung, ob ich die Strukturen richtig ausgemessen habe und ob ich die möglichen Pathologien richtig erkannt habe.
Jeden Tag sehe ich viele Patient*innen mit unterschiedlichen Beratungsanlässen. In schnellem zeitlichem Wechsel brauche ich Grundwissen aus den Fächern Innere Medizin, Dermatologie, Neurologie oder Psychiatrie. Und im nächsten Moment habe ich einen Patienten mit einem orthopädischen Problem vor mir sitzen. Oftmals haben die Patient*innen mehrere verschiedene medizinische Fragen und Probleme. Ich merke, dass meine Anamnesen immer strukturierter werden und ich schneller zu meiner Verdachtsdiagnose komme. Ein multimorbider Patient, den wir letzte Woche in das Krankenhaus eingewiesen hatten, stellte sich wieder bei uns vor. Im Krankenhaus wurde unsere Verdachtsdiagnose Urosepsis bestätigt und er wurde mit Antibiotika therapiert. Ich freue mich sehr, dass es ihm besser geht, auch wenn noch weitere medizinische Fragestellungen in den nächsten Tagen und Wochen geklärt werden müssen. Eine unklare, malignomverdächtige Raumforderung in seinem Bauchraum muss noch weiter abgeklärt und untersucht werden. Den Patienten vom Symptombeginn, über die Diagnostik und bis zur Therapie zu begleiten ist für mich sehr lehrreich und interessant. Ich bin gespannt, was die weitere Diagnostik ergeben wird.
Dieses Wochenende bekomme ich Besuch von meiner Familie. Auch sie staunen über die schöne Natur. Wir spazieren gemeinsam durch das inzwischen etwas winterliche Kirchberg und besuchen den Nationalpark.
Woche 5: 23.01. – 29.01.2023
Diese Woche darf ich in die Praxis in Auerbach zu Dr. Kalmancai rotieren und es gibt wieder einige spannende Patient:innenfälle. Außerdem stehen einige Hausbesuche auf dem Nachmittagsprogramm.
Mit Dr. Kalmancai mache ich einige Hausbesuche bei Patient:innen, die nur noch eingeschränkt mobil und schwer krank sind. Den ersten Patienten treffen wir gerade beim Mittagessen an. Er erzählt uns von seinen zu hohen Blutdruckwerten. Wir lassen uns die Werte zeigen, die er fleißig über die letzten Wochen aufgeschrieben hatte, und sprechen mit ihm über die Vor- und Nachteile von weiteren Medikamenten. In einem weiteren Haushalt besuchen wir gleich zwei Patient:innen. Beide klagen über verschiedene schmerzhafte Gelenkbeschwerden. Wir untersuchen sie und erklären ihnen unseren Befund. Für eine genauere Untersuchung und Diagnostik müssen sie sich in der Orthopädie-Praxis vorstellen. Bis dahin versorgen wir sie mit einem Schmerzmittel und vereinbaren einen weiteren Besuch in einer Woche. Und schon sind wir auf dem Weg zu dem nächsten Patienten.
Die Patient:innen in ihrem häuslichen Umfeld zu besuchen, gibt mir einen ganz besonderen Einblick in deren Lebensalltag. Hier erfahren wir, wie die Patient:innen von ihren Angehörigen und vom Pflegedienst versorgt werden und ob beispielsweise die Medikamente alle so eingenommen werden können, wie von uns angeordnet wurde.
Einen Vormittag verbringe ich in Grafenau bei Dr. Blank. Nach der Sprechstunde besuchen wir rund um Grafenau verschiedene Patient:innen. Wir fahren beispielsweise zu einer Patientin, die gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Letzte Woche beim Hausbesuch hatte sie so schlecht Luft bekommen, dass sie ins Krankenhaus eingewiesen werden musste. Wir fragen die Patientin, wie es ihr im Krankenhaus ergangen ist und wie sie nun zuhause zurechtkommt. Wir schauen nach, welche Medikamente sie neu verordnet bekam und veranlassen entsprechende Rezepte. Da wir gerade in der Gegend sind, schauen wir noch bei einer weiteren Patientin vorbei. Sie freut sich sehr über unseren Besuch. Freudig erzählt sie uns, dass es ihr gut geht und sie aktuell sehr zufrieden mit ihrem Gesundheitszustand ist. Wir lösen mit ihr schnell das Kreuzworträtsel fertig und schon sind wir wieder auf dem Heimweg Richtung Kirchberg.
So schnell ist mein erster Monat im Bayerischen Wald vorbei. Dieses Wochenende muss ich unbedingt den Schnee genießen. Ich bin schon gespannt auf die nächste Woche mit spannenden Patient:innenfällen und noch mehr Schnee, schließlich möchte ich meine Langlaufski endlich ausführen.
Woche 6: 30.01. – 05.02.2023
In Woche sechs bin ich erneut bei Dr. Kalmancai in Auerbach. Einige Patient*innen kenne ich bereits aus der Vorwoche und ich freue mich schon, sie wiederzusehen. Ein Teil der Patient*innen leidet an langwierigen Infekten, bei anderen führen wir Verbandswechsel und Wundkontrollen durch oder verlängern bei weiter bestehenden Beschwerden die AU. Dabei ist es schön zu sehen, wie es den Patient*innen im Verlauf immer besser geht und unsere Therapie anschlägt.
Diese Woche steht ganz unter dem Thema Fortbildungen. Jeden Montag bilden wir uns zusammen mit unseren Lehrärzt*innen fort. Diese Woche ist das Thema neurologische Notfälle mit spannenden Beispielen von Dr. Kalmancai dran. Direkt im Anschluss nutzen wir die Mittagspause, um unsere Sonographie-Fertigkeiten mit uns selbst als Übungsprobandinnen zu verbessern. In aller Ruhe können wir zusammen mit Dr. Hill einzelne Schnitte durchgehen, die Strukturen benennen, diese richtig ausmessen und uns die besten Tricks von ihr abschauen. Nahezu täglich führe ich unter Supervision Gesundheitsuntersuchungen (sogenannte „Check-Ups“) mit Sonographie der Bauchorgane und der Schilddrüse durch, wo ich weiter an meinen Sonographie-Fertigkeiten feilen kann. An einem weiteren Tag hören wir einen spannenden Vortrag zu den neuesten Änderungen in der Diabetes-Leitlinie mit verschiedenen Ärzt*innen aus der Region.
Am Mittwochnachmittag haben wir immer „praxisfrei“, um Zeit für unsere eigene PJler*innen-Lerngruppe zu haben. Wir haben uns eine Liste mit allgemeinmedizinischen Themen erstellt, die uns besonders interessieren und auch möglicherweise prüfungsrelevant für das letzte Staatsexamen sein könnten, welches wir beide nach dem Tertial ablegen werden. Jeden Mittwochnachmittag arbeiten wir davon einige Themen zusammen durch, fragen uns gegenseitig ab und spielen fiktive und echte Patient*innenfälle aus unserem Praxisalltag durch. Chiara und ich tauschen uns dabei nicht nur mittwochnachmittags, sondern auch bei jedem Spaziergang oder Abendessen über die spannendsten Fälle des Tages aus und fachsimpeln über die Diagnostik und mögliche Therapien. So lernen wir jeden Tag auch voneinander, das Reden über die spannendsten Fälle des Tages deckt die ein oder andere noch vorhandene kleine Wissenslücke auf, die dann nochmal zusammen nachgeschlagen wird.
Mein Wunsch von letzter Woche nach mehr Schnee wurde mir prompt erfüllt. Von Mittwoch auf Donnerstag gibt es ca. 40cm Neuschnee. Den Donnerstag verbringe ich in der Praxis in Kirchberg und darf dort einen etwas ruhigeren Tag mit Dr. Machac und Dr. Kunzendorf verbringen. Viele Patient*innnen haben ihre Termine abgesagt, da sie bei diesem außergewöhnlichen Wetter lieber keine Fahrt in die Praxis riskieren wollten. Wir nutzen die Zeit und besprechen die Diabetes-Fortbildung vom Vortag nach und einen spannenden Fall zu Hypothyreose. Zum Abschluss dieser Woche höre ich am Donnerstag noch eine spannenden Online-Vortrag über Kindernotfälle, der von meiner Heimatuniversität angeboten wurde.
Am Wochenende können Chiara und ich bei herrlichem Winterwetter endlich unsere Langlaufski testen und genießen die winterliche Aussicht vom Kirchberg.
Woche 7: 06.02. – 12.02.2023
Es ist meine dritte Woche bei Dr. Kalmancai in Auerbach. Die Arbeit in der Praxis und mit den Patient:innen macht mir große Freude und ich merke, wie ich zunehmend sicherer und eigenständiger arbeite. Viele Patient:innen kenne ich schon aus vorherigen Konsultationen und kann den Verlauf und die Fortschritte in ihrer Therapie sehen.
Diese Woche kann ich wieder einige mir bereits bekannte Patient:innen betreuen. So stellen sich unter anderem folgende Patient:innen diese Woche vor. Eine Patientin mit einer unklarer Handschwellung bekam von uns Cortison und kühlende Verbände. Darunter ist die Schwellung rasch rückläufig. Ein Patient kam zu uns mit erhöhten Blutdruckwerten. Wir haben ihm ein neues Medikament verschrieben und zur Kontrolle wieder einbestellt. Fleißig hat er jeden Tag seinen Blutdruck protokolliert. Wir konnten eine deutliche Senkung sehen und sind zufrieden mit dem Ansprechen der Therapie. Ein weiterer Patient kam zu uns mit erheblichen Rückenschmerzen, mit welchen er nicht zur Arbeit gehen konnte. Wir verschrieben ihm Schmerzmittel und Physiotherapie und zeigten ihm verschiedene Eigenübungen. Nach gut zwei Wochen stellt er sich wieder bei uns vor und berichtet, dass es ihm deutlich besser gehe und die Physiotherapie wirke. Er könne nun wieder in die Arbeit gehen. Auch zwei Hausbesuchspatient:innen, die ich bereits aus der Vorwoche kannte, besuchen wir erneut.
Nun ist es voll geworden in unserem Studentinnendomizil. Ein Famulant und ein Blockpraktikant sind zu Beginn der Woche bei uns mit eingezogen. Am Abend tauschen wir uns über die Erfahrungen in der Praxis aus und erzählen uns die spannendsten Fälle des Tages. Mit leckerem Gemüsechilli lassen wir den Abend zusammen ausklingen.
Am Mittwochabend dürfen wir am Journal Club im Online-Format teilnehmen. Mit verschiedenen Hausärzt:innen aus der Region diskutieren wir spannende neue Studien zu verschiedenen Themen.
Wir sind richtig im Langlauf-Fieber und sind am Wochenende wieder auf den Loipen des Bayerischen Walds unterwegs. Optimale Bedingungen und gutes Wetter zaubern ein Lächeln auf unsere Gesichter.
Woche 8: 13.02. – 19.02.2023
Diese Woche bin ich in die Praxis nach Kirchberg rotiert. Mit Dr. Machac und Dr. Kunzendorf sehe ich viele Patient:innen mit unterschiedlichen Beratungsanlässen. Gerade am Montag kommen viele Patient:innen zum Verbandswechsel und zur Wundkontrolle. Auch einige Krankschreibungen müssen ausgestellt oder verlängert werden. Nach jedem/r Patient/in habe ich die Möglichkeit meine Fragen zu stellen und mit Dr. Machac und Dr. Kunzendorf den Fall kurz zu diskutieren.
Am Dienstag darf ich bei Dr. Werner in Regen hospitieren. Ich kenne ihn schon aus dem Exzellenten Sommer. Dort hatte er für uns ein Teaching zum Thema Balintgruppe und zum Thema Depression gehalten, das mich sehr beeindruckt hatte. Dr. Werner ist Internist und kennt sich zusätzlich in der Psychiatrie und Psychosomatik sehr gut aus. Der Tag bei ihm ist für mich sehr lehrreich. Er ist sehr geduldig und erklärt viel zu seinen Patient:innen und seiner Arbeitsweise.
Am Donnerstag darf ich bei Dr. Blank in der Grafenauer Praxis sein. Mit bunten Kostümen und Hüten, Luftschlangen und frischen Krapfen feiern wir den „unsinnigen Donnerstag“. Für gute Laune in der Praxis ist gesorgt.
Am Freitag bin ich bei einer Kindervorsorgeuntersuchung/U9 eines Kindergartenkinds dabei. Wir überprüfen u.A. die Grob- und Feinmotorik, die Sprache mit unterschiedlichen Lauten, soziale Interaktion. Auch eine komplette körperliche Untersuchung führen wir im Rahmen dessen durch. Das Thema Prävention von Unfällen und Zahnprophylaxe wird auch mit den Eltern besprochen.
Mein Tertial ist jetzt zur Hälfte vorbei, 8 von 16 Wochen liegen bereits hinter mir und es wird Zeit für ein Zwischenfazit. Die letzten 8 Wochen sind wie im Flug vergangen.
Zu nahezu jeder der vielen medizinischen Fachrichtungen kann ich inzwischen einen Fall aufzählen. Viele Fälle haben aber auch Bezüge zu mehreren Fachrichtungen und müssen interdisziplinär betrachtet werden. Ich bin begeistert, wie vielfältig und abwechslungsreich die Allgemeinmedizin ist. Immer wieder sehe ich Patient:innen mit Symptomen oder Krankheiten, die ich bisher nur aus dem Lehrbuch kenne. Oftmals präsentieren sich Fälle der Patient:innen aber nicht wie es im Lehrbuch beschrieben ist und es gilt über gezielte Anamnese und Diagnostik die korrekte Diagnose zu stellen.
Das Wochenende verbringe ich in München und treffe Freund:innen aus dem Studium. Wir tauschen uns über unsere Erfahrungen im PJ, den aktuellen Studienabschnitt oder die ersten Wochen in einem neuen Job als Ärztin aus. Es ist spannend zu hören, wie es ihnen in ihren neuen Lebensabschnitten geht.
Woche 9: 20.02. – 26.02.2023
Diese Woche bin ich nochmals in der Kirchberger Praxis eingeteilt. Wir haben viel zu tun, da wegen der Faschingsferien einige Praxen im Umkreis geschlossen haben.
Diese Woche werden auch wieder einige Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Ich darf die Patient:innen schonmal vorab schallen und präsentiere Dr. Machac und Dr. Hill, was ich sehen konnte. Das Sonographieren ist eine Tätigkeit, die in der Hausarztpraxis eine wichtige und schnelle (oftmals Ausschluss-) Diagnostik bietet. Nicht nur bei der Abdomensonographie, sondern auch bei der Schilddrüsensonographie kann ich aus den Ultraschallbildern immer mehr Erkenntnisse ziehen. Inzwischen geht es für mich in der Sonographie nicht mehr nur rein um das Erkennen der Strukturen und Organe, sondern auch immer mehr um das Erkennen einer Pathologie und um die Quantifizierung derselben. Die Tasten und deren Funktionen auf dem Sonographiegerät kenne ich inzwischen in- und auswendig und kann sie sinnvoll einsetzen. Die Sonde wechseln, die Schalltiefe einstellen, die Bilder speichern, das Ausmessen von Strukturen und den Doppler über das Bild legen, gehen mir gut von der Hand.
Eine kurze Woche geht für mich bereits am Mittwoch zu Ende, bevor ich für ein langes Wochenende in meine Heimat fahre.
Woche 10: 27.02. – 05.03.2023
Zu Beginn meiner 10. Woche bin ich nochmals in Lalling bei Dr. Takacs.
Unsere volle Aufmerksamkeit fordert ein Mann mit unklarer Leistungsminderung seit ein paar Tagen und Atemnot bereits bei leichter Belastung. Er war kürzlich erst erkältet, aber die Erkältung ist schon seit ein paar Tagen abgeklungen. Wir machen eine gründliche körperliche Untersuchung und führen einige diagnostischen Untersuchungen durch, um mögliche AGVs auszuschließen. Trotz dieser Untersuchungen konnten wir keine eindeutige Ursache für die Beschwerden identifizieren. Wir sprechen mit ihm über eine Einweisung ins Krankenhaus, die er aber erstmal ablehnte und vereinbaren eine zeitnahe Kontrolle und Wiedervorstellung mit ihm.
Ab Mittwoch sind Chiara und ich für die restliche Woche bei Dr. Buvar in der Asklepios Rehaklinik in Schaufling für eine Hospitation. Dr. Buvar und sein Team haben extra für uns ein spannendes und abwechslungsreiches Reha- und Seminarprogramm zusammengestellt. Wir bekommen Einblicke in die verschiedenen Therapien, die in der Klinik angeboten werden. Direkt nach einer Hausführung und der Morgenbesprechung mit allen Ärzt:innen der orthopädischen Abteilung dürfen wir am Koordinationstraining teilnehmen. Bälle zuwerfen, Farben nennen und dabei noch gegenläufige Bewegungen in Arme und Beine durchführen – direkt werden wir gefordert. Am restlichen Vormittag und Nachmittag dürfen wir u.a. die Elektrotherapie, die Wärmetherapie, die Motorschienen und Lymphomaten und verschiedene weitere Trainingseinheiten kennenlernen.
Spannend für uns ist auch die Schuh- und Prothesensprechstunde. Ein Patient bekommt für seinen amputierten Unterschenkel eine Prothese angepasst. Der Orthopädietechniker erklärt uns dabei, wie er die Prothese bauen wird. Am darauffolgenden Tag dürfen wir dabei sein, wie der Patient seine neue Prothese zum ersten Mal anlegt und den ersten Belastungstest begeistert durchführt.
Am Freitag nimmt sich Dr. Buvar viel Zeit für uns und erklärt uns ausführlich die verschiedenen orthopädischen Untersuchungsmethoden und die manuelle Therapie. Wir üben an uns gegenseitig die orthopädische Untersuchung, insbesondere von Knie und Schulter. Auch mit dem Ultraschall dürfen wir die Gelenke untersuchen und lernen dabei viel Neues. Wir sind bei einer Aufnahmeuntersuchung eines Patienten in der Klinik dabei und sehen dabei, wie ganzheitlich der Patient betrachtet wird und wie individuell auf seine Beschwerden eingegangen werden, sowie entsprechende Therapiepläne erstellt werden.
Das Wochenende verbringe ich in München. Beim „Tag der Allgemeinmedizin“ meiner Heimatuniversität erfahre ich mehr zu den neuesten Leitlinienupdates zum Thema Asthma und COPD und höre einen spannenden Vortrag zum Thema Antibiotikaeinsatz in der Allgemeinmedizin. Im Seminar zur ärztlichen Kommunikation in der Hausarztpraxis üben wir in Rollenspielen unsere Kommunikationsfähigkeiten.
Chiara-Sophia Kutz
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Woche 1: 26.12. – 30.12.2022
Es ist so weit: mit einem Bauch voller Plätzchen und großer Vorfreude und Spannung mache ich mich am 2. Weihnachtsfeierabend auf den Weg in mein letztes PJ-Tertial: Allgemeinmedizin im winterlichen bayerischen Wald. Allein die Anreise nach Kirchberg im Wald hält schon die ersten Abenteuer bereit. Nachdem ich die dicke Nebelsuppe auf den letzten 10 km Landstraße hinter mir gelassen habe und mein Auto nach erschwerter Parkplatzsuche am vollgeparkten Kirchberg – ganz Kirchberg hatte sich wohl zum Weihnachtssingen in der Kirche verabredet – abgestellt ist, begrüßt mich bereits meine Mit-PJlerin Mira in unserer PJ-Wohnung in Kirchberg. Da wir uns schon aus einem Exzellenten Sommer Projekt 2020 kennen, haben wir zwei uns ganz besonders auf die gemeinsame Zeit in der WG in Kirchberg gefreut. Zusammen beziehen wir unser neues Zuhause für die kommenden Monate und machen es uns mit einem Tee gemütlich. Am ersten Tag geht’s für mich gemeinsam mit Dr. Blank in die Praxis nach Grafenau. Da zwischen den Jahren einige der umliegenden Hausarztpraxen geschlossen haben, sammeln sich im und vorm Wartezimmer schon einige praxisbekannte PatientInnen, aber auch PatientInnen, welche die Praxis in Vertretung aufsuchen. Heute laufe ich für den ersten Einblick in den Grafenauer-Praxisalltag mit Dr. Blank mit und schaue ihm über die Schulter. Sehr schnell merke ich, wie wertvoll gerade in solch unplanbaren Tagen zwischen den Jahren ein eingespieltes Praxisteam ist, um das Patientenaufkommen nicht nur bewältigen zu können, sondern auch jedem Einzelnen genug Zeit einräumen und damit eine angemessene medizinische Versorgung gewährleisten zu können.
Nachdem alle PatientInnen versorgt werden konnten, was heute deutlich länger als die normale Sprechzeit in Anspruch genommen hat, fahren Dr. Blank und ich auf dem Rückweg nach Kirchberg noch zu einem Hausbesuch. Zuhause angekommen, wird kurz etwas gegessen und dann geht’s auch schon zur Nachmittagssprechstunde in die Kirchberger-Praxis. Hier zeigt sich im Wartezimmer ein ähnliches Bild wie am Vormittag. Beim Mitlaufen mit Frau Dr. Kleudgen bietet sich mir noch einmal ein anderer medizinischer Blickwinkel auf Krankheitsbilder und ein inspirierender Umgang mit PatientInnen. Abends geht’s noch schnell einkaufen und dann machen Mira und ich uns schon ans erste gemeinsam gekochte Abendessen. Neben dem Kochen erzählen wir uns von all den neu gewonnen Eindrücken und Erfahrungen des ersten Tages, besprechen Fälle und fallen nach dem Abendessen todmüde, aber schon mit großer Vorfreude auf den nächsten Tag ins Bett. Der zweite Tag (Mittwoch) startet mit einem wunderschönen Sonnenaufgang, der mir mein Frühstück versüßt und es geht erneut mit Herrn Dr. Blank nach Grafenau. Hier erwartet uns ein ähnlich volles Wartezimmer wie am Vortag. Da ich den groben Ablauf und das Praxissystem nun schon kennengelernt habe, vertraut mir Herr Dr. Blank die Voranamnese und -untersuchung erster Erkältungs-PatientInnen an. Hierdurch habe ich die Möglichkeit, durch ein häufig wiederkehrendes und in den meisten Fällen sehr harmlos verlaufendes Krankheitsbild, erste Anamnesen und Untersuchungen durchzuführen, mir eine Therapieempfehlung zu überlegen, diese Herrn Dr. Blank vorzustellen und unter Rücksprache den Fall zu dokumentieren. Schnell kann ich durch die direkte Rückmeldung von Herr Dr. Blank mein Vorgehen verbessern, den Blick für wichtige abwendbar-gefährliche Verläufe schärfen und ich lerne wie man trotz eines sich wiederholenden Krankheitsbildes, PatientInnen mit einem höheren Risiko für schwere Verläufe, von denen mit unkompliziertem Verlauf trennt und richtig weiter betreut. Diese Erfahrungen und Einschätzungen kann ich am Nachmittag in Kirchberg gemeinsam mit der Assistenzärztin Stella Kunzendorf und Frau Dr. Takacs weiter ausbauen und vertiefen.
In den darauffolgenden Tagen lerne ich noch die Arztpraxis in Auerbach mit Herrn Dr. Kalmancai und einigen spannenden Fällen kennen.
So geht mit der ersten, etwas turbulenten, aber sehr sehr interessanten und lehrreiche Woche ein wirklich spannendes PJ-Jahr 2022 zu Ende. Schon jetzt habe ich das Gefühl, dass mich die kommenden Monate im neuen Jahr 2023 hier nicht nur fachlich, sondern auch menschlich sehr bereichern werden. Mit diesem Gedanken im Kopf freue ich mich schon sehr, in der kommenden Woche die Arztpraxen in Lalling und Schöfweg mit allen MitarbeiterInnen kennen lernen zu dürfen.
Woche 2: 02.01. – 08.01.2023
Das neue Jahr beginnt und damit auch eine Woche mit neuen Praxen, neuen ÄrztInnen und MitarbeiterInnen, neuen Fortbildungen, neuen Krankheitsbildern und neuen Herausforderungen.
Zunächst geht es für mich zwei Tage nach Schöfweg und gemeinsam mit Fr. Dr. Kleudgen und den Assistenzärztinnen Sofia Quaderer und Jenny Hill lerne ich die 4. Praxis im Bunde kennen. Wie erwartbar hält sich als einer der Hauptkonsultationsgründe weiterhin der grippale Infekt. Nach dem hohen Patientenaufkommen mit derartigen Symptomen in der vergangenen Woche merke ich, wie ich in der Anamnese und Untersuchung sicherer werde, die abwendbar gefährlichen Verläufe durch gezielte Nachfrage und strukturierteres Untersuchen mehr und mehr ausschließen und mich bei der Vorstellung vor den ÄrztInnen auf eine strukturierte Übergabe konzentrieren kann. Langsam, aber sicher habe ich die ersten 40-50 Lungenauskultationen zusammen und kann ein spastisches Atemgeräusch von feinblasigen Atemgeräuschen und Rasselgeräuschen zunehmend sicher unterscheiden. Daneben sehe ich hier aber noch ganz andere interessante Krankheitsbilder, hausärztliche Konsultationsgründe und Wundversorgungen. Ich anamnestiziere und untersuche zum Beispiel meine ersten Knieschmerzen in einer allgemeinmedizinischen Praxis und bin hierbei froh, dass ich auf die Erfahrungen aus der Unfallchirurgie bei der orthopädischen Untersuchung zurückgreifen und diese mit neuen Aspekten ausbauen kann. Ebenfalls bin ich bei den ersten Check-Up-Untersuchungen des neuen Jahres dabei und sammle Erfahrungen im Ablauf, um diese in den kommenden Wochen selbst unter Rücksprache durchführen zu können. Ein weiteres spannendes Feld eröffnete mir die Wundexpertin Bea. Zum einen erklärt sie mir bei ihren Wundversorgungen in der Praxis, mit welchen Salben/Gelen/Cremes und Verbandsmaterialien sie im jeweiligen Fall arbeitet. Zum anderen darf ich sie zu Wundversorgungs-Hausbesuchen begleiten und lerne u.a. wie sie mit einer recht großen Verbrennungswunde am Oberschenkel umgeht. Durch sie erhalte ich einen neuen Blick auf das Regime der Wundversorgung, besonders das der chronischen und Verbrennungswunden und mich fasziniert ihr erfahrener Blick und ihr Verständnis für die einzelnen Heilungsphasen und das jeweils passende Hilfsmittel aus ihrem Wundversorgungs-Schränkchen.
An den zwei darauffolgenden Tagen geht’s für mich in die noch fehlende Praxis Nr. 5: Standort Lalling. Hier erweitert sich mein Repertoire gesehener Krankheitsbilder unter anderem um dermatologische Konsultationsgründe, wie unklare Hautausschläge - teils juckend, teils trocken und schuppig -, um Augenerkrankungen/-entzündungen und vieles vieles mehr.
Erneut geht eine spannende Woche zu Ende. Gemeinsam mit Mira lassen wir bei einem mystischen Spaziergang durch den nebelverhangenen Todtenauer Moor am Feiertag die Woche Revue passieren und genießen den Austausch über den Praxisalltag, einzelne medizinische Fälle und die Idylle des bayerischen Walds. Darüber hinaus rundet ein Ausflug ins sonnige Passau am Samstag die Woche wunderschön ab und ich freue mich schon sehr auf alles, was mich in den bevorstehenden Tagen erwarten mag.
Woche 3: 09.01. – 15.01.2023
Nach einem langen Wochenende geht es für mich in die erste komplette Woche in der Praxis in Auerbach bei Dr. Kalmancai.
Ich freue mich sehr darauf, einige PatientInnen nun im Wochenverlauf beurteilen und reevaluieren zu können, um so ein Gefühl für den individuellen Krankheitsverlauf zu erhalten.
Beispielsweise ist gleich zu Beginn der Woche am Montagmorgen ein Patient mit zwei großen Wunden am linken Kniegelenk zur Wundkontrolle in der Praxis angemeldet. Diese habe er sich in der vorherigen Woche im häuslichen Umfeld zugezogen und sie mussten in der Notaufnahme versorgt und genäht werden. Aus dem Notaufnahme-Bericht kann ich unter anderem entnehmen, dass der Patient bei verschmutzten Wundverhältnissen bereits im Krankenhaus ein Antibiotikum verschrieben bekommen hat. Diese Informationen wappnen mich also schon einmal für den ersten Blick auf die Wunden. Insgesamt sieht die Wunde sehr gut versorgt aus und der Patient gibt an, dass sowohl die Schwellung als auch das Spannungsgefühl seit der Verletzung zurückgehen würden. Es fällt uns allerdings eine flächige Rötung um die Wundränder auf. Da wir auf keine Fotodokumentation der Tage vorher zurückgreifen können, haben wir keinen Vergleich und wir überlegen, wie wir diese Situation bewerten können. Da es dem Patienten subjektiv besser gehe, er kein Fieber oder sonstige Zeichen einer systemischen Infektion hat und bereits seit 5 Tagen ein Antibiotikum einnimmt, entschließen wir uns im Gespräch mit dem Patienten zu einer Kontrolle der Entzündungsparameter im Blut und einer kurzfristigen Wiedervorstellung am nächsten Tag. Am Dienstag können wir uns nun ein eigenes Bild vom Verlauf der Wundheilung machen und obwohl der Wundrand immer noch gerötet ist, können wir insgesamt einen Rückgang feststellen. Dem Patienten geht es weiterhin gut und auch im Labor zeigen sich rückläufige Entzündungswerte im Vergleich zum Krankenhaus-Labor. Im Zusammenspiel sind dies also alles Hinweise auf einen aktiv-voranschreitenden Heilungsprozess, der erst im Verlauf als ein solcher gewertet werden konnte. Am Montag war uns diese Einschätzung noch nicht möglich gewesen.
Insgesamt zeigte sich die Rötung im Wochenverlauf zunehmend rückläufig und falls sich dies übers Wochenende fortsetzt, steht dem Fadenzug am kommenden Montag nichts mehr im Weg.
Weitere Fälle bekräftigen im Verlauf der Woche noch einmal die Vorteile der Verlaufskontrolle im Rahmen der hausärztlichen Tätigkeit, aber eine Beschreibung all dieser würde sicherlich den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Ich nehme diese neue und lehrreiche Erfahrung mit ins Wochenende und bin schon sehr gespannt, wie sich der oben beschriebene Fall am Montag präsentiert.
Woche 4: 16.01. – 22.01.2023
Woche vier beginnt und als mein Wochen-Lernziel habe ich mir die Schilddrüsensonographie mit Volumenmessungen, typischen Befunden, Kriterien für gut- und bösartige Knoten, Krankheitsbildern und Kontrollintervallen vorgenommen.
In dieser Woche stehen in der Praxis in Auerbach und Grafenau (ein kleiner Ausflug in dieser Woche) einige Gesundheitsuntersuchungen („Check-Ups“), sowie Schilddrüsen-Kontrollen an. Demnach die perfekten Ausgangsbedingungen für eine Menge Schallmöglichkeiten bei unterschiedliche PatientInnen.
Zunächst schaue ich den erfahrenen Ärzten bei der Schilddrüsensonographie über die Schulter, bevor ich mich dann selbst bei darauf folgenden PatientInnen unter Aufsicht an den ersten Volumen-Messungen dieses spannenden Organs versuche. Am Anfang der Woche fällt es mir noch schwer, die Handhabung des Ultraschallgeräts mit der Darstellung der Schilddrüse in zwei Ebenen zu koordinieren. Mit jeder weiteren Schilddrüse merke ich allerdings die Fortschritte, die ich durch die Übung und regelmäßige Rückmeldung und Tipps der Ärzte innerhalb kürzester Zeit mache.
Von kleinen unauffälligen Schilddrüsen mit homogenem Schilddrüsengewebe ohne Knoten über einzelne solitäre oder multiple Knoten bis hin zu einem Struma multinodosa oder einer aufgelockerten und entzündlich veränderten Schilddrüse im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis ist diese Woche alles dabei. Diese Vielfalt ermöglicht es mir, sowohl einen Blick für häufige Veränderungen der Schilddrüse zu erhalten als auch die Dokumentation der unterschiedlichen Pathologien mithilfe der Sonographie zu üben. Hier profitiere ich ungemein von der jahrelangen Erfahrung der Ärzte, die bei einem Befund, den ich gedanklich als stark von der Norm abweichend und damit verdächtig einstufen würde, ruhig bleiben, die Harmlosigkeit der Veränderung bekräftigen und PatientInnen bei kontrollwürdigen Befunden zu einer Kontrolle in definierten Zeitabständen (meist 6 Monate oder 1 Jahr) einbestellen.
Somit geht eine sehr spannende vierte Woche zu Ende und mit der Sicherheit, die ich bei der Schilddrüsen-Sonographie in dieser Woche erhalten habe, freue ich mich schon sehr auf alle weiteren Möglichkeiten, um mein Wissen in dieser Hinsicht auszubauen. In Zukunft wird wohl kein Schilddrüsen-Patient oder keine Patientin vor mir sicher sein.
P.S.: Für all diejenigen, die sich noch an den Patienten mit Wunde am Kniegelenk von vergangener Woche erinnern und sich fragen, wie sich die Wunde übers Wochenende entwickelt hat: Der Patient stellte sich am Montagmorgen in gutem Allgemeinzustand und mit weiterhin rückläufigen Wundverhältnissen in der Praxis vor. Somit konnten wir den Fadenzug problemlos durchführen.
Woche 5: 23.01. – 29.01.2023
Ich kann es ehrlich gesagt noch gar nicht glauben, aber traut man dem Kalender (und den vier bereits verfassten Wochenberichten) ist der erste Monat schon vorbei. Wie schnell die Zeit vergeht …
Nachdem ich in den letzten Berichten vor allem auf den Praxisalltag und die Erfahrungen aus der direkten Patientenversorgung eingegangen bin, will ich dieses Mal den Fokus auf all die weiteren spannenden und lehrreichen Lernquellen außerhalb der Praxis legen.
Jeden Montag Mittag in der sprechstundenfreien Zeit trifft sich das ärztliche Team zu einer virtuellen Fortbildung. Die Themen sind hierbei vielfältig, wie die Allgemeinmedizin eben ist. Zum einen wird die Auswahl von Schwerpunkten des jeweils vortragenden Arztes/der vortragenden Ärztin, zum anderen aber auch durch offene Fragestellungen aus der täglichen Praxis inspiriert. Beispiele hierfür sind die Fortbildungen zum Thema chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) oder zum Umgang mit Digitalisglykosiden in der Hausarztpraxis von Herr Dr. Machac. Nicht nur aus dem Vortrag selbst, sondern auch aus der sich anschließenden Diskussion innerhalb der Gruppe kann ich viele hilfreiche Informationen, Tipps und Herangehensweisen für den täglichen Alltag in der Praxis mitnehmen.
Außerdem findet in gleicher Konstellation jeweils dienstags und donnerstags eine Fallbesprechung statt, bei der im Team schwierige Patientenfälle vorgestellt und diskutiert werden können. Ich finde es sehr inspirierend, wie durch die Präsentation im Team neue Blickwinkel und Sichtweisen auf teils verzwickte oder komplizierte Patientenfälle gewonnen werden können und damit eine optimierte Beratung und Betreuung der PatientInnen gewährleistet werden kann. Dieses Format und damit die Möglichkeit, sich gegenseitig zu helfen und zu beraten, gibt mir als angehende Ärztin einen Einblick in gutes Teamwork und was dies möglich machen kann.
Außerdem nehmen meine Mit-PJlerin Mira und ich uns jeden Mittwochnachmittag Zeit, um gemeinsam wichtige Themen und Patientenfälle durchzusprechen. Dies hilft uns nicht nur dabei häufige Beratungsanlässe von PatientInnen in der Praxis besser zu verstehen, unsere Anamnese und körperliche Untersuchung zielgerichteter zu strukturieren und einen besseren Überblick über die therapeutischen Möglichkeiten zu erhalten, sondern es dient ebenfalls der Vorbereitung auf das anstehende mündliche Staatsexamen. Gemeinsam lernt es sich einfach besser, weil man sich gegenseitig motivieren kann. Motivierend ist ebenfalls, dass wir die erarbeiteten Inhalte direkt am nächsten Tag in der Praxis anwenden können. Bisher haben wir das Thema „arterielle Hypertonie“ mit dem Spezialfall der arteriellen Hypertonie in der Schwangerschaft und das vielfältige Symptom „Schwindel“ besprochen. Und die Liste der noch ausstehenden Themen ist – wie ihr euch sicher vorstellen könnt – noch sehr sehr lang. Zum Glück bleiben uns noch einige Wochen hier im bayerischen Wald.
Woche 6: 30.01. – 05.02.2023
Woche sechs beginnt und ich habe das Gefühl, dass sich meine Lernkurve immer noch im steilen Aufstieg befindet. Insgesamt konnte ich über die vergangenen Wochen bereits viel Sicherheit im Patientengespräch und -umgang erlangen und außerdem meine Struktur in Anamnese und körperlicher Untersuchung verbessern. Diese Grundlagen geben mir Sicherheit, mich den verschiedenen Krankheitsbildern zu nähern, auch solchen, die ich bis dato noch nicht in der Praxis gesehen habe. Damit darf ich mein medizinisches Repertoire jeden Tag aufs Neue erweitern und freue ich mich, eine weitere Woche in Schöfweg und Grafenau zu verbringen.
Als Schwerpunkt in Woche sechs habe ich mir die Abdomen-Sonographie ausgewählt. Mira und ich nutzen die Mittagspause am Montag nach der Montagsfortbildung (die ganz nebenbei über neurologische Krankheitsbilder wie Schlaganfall/Blutung und Status epilepticus in der Notfallmedizin von Dr. Kalmancai gehalten wurde) dafür, an uns gegenseitig die Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane zu üben, mithilfe eines Sonographie-Atlas in allen gängigen Schnitten Organe und Strukturen zu benennen und uns damit einen Überblick über einen physiologischen Befund zu verschaffen. Bis zu diesem Punkt haben wir beide bereits einige Ultraschalluntersuchungen der ÄrztInnen in der Praxis gesehen oder unter Supervision selbst durchführt. Es hilft jedoch sehr, ohne volles Wartezimmer im Nacken und mit Struktur diese Untersuchungstechnik noch einmal Schritt für Schritt durchzugehen. Die hierdurch vertieften Schnitte kann ich gleich bei einigen Patienten im Verlauf der Woche ausprobieren und stelle direkt fest, wie viel leichter mir diese Untersuchungen fallen und wie ich Tricks zur Anwendung bringen kann, um selbst bei schwierigen Schallbedingungen zu einem zufriedenstellenden Bild zu gelangen. Das absolute Schall-Highlight der Woche habe ich dann allerdings doch nicht selbst geschallt, sondern Herr Dr. Blank hat es bei einem Gesundheitscheck eines Patienten mit Ultraschall der Bauchorgane entdeckt. Ich war sehr dankbar, dass er mir das 6 cm große, bis dato unbekannte Aortenaneurysma – also eine Aussackung der Bauchschlagader, die mit dieser Größe auf jeden Fall weiter abgeklärt werden sollte und auch eine OP-Indikation darstellt – gezeigt hat. Dadurch, dass mir Herr Dr. Blank versichert, dass er diesen Befund zum ersten Mal in seiner langen Laufbahn als praktizierender Allgemeinmediziner diagnostiziert, wird mir bewusst, wie selten und damit besonders diese Erfahrung auch für mich ist. Außerdem zeigt es mir noch einmal die Wichtigkeit der Durchführung bestimmter Standardschnitte in der Abdomensonographie, durch die eine solche asymptomatische Pathologie überhaupt erst gefunden werden kann. Ich bin sehr gespannt, wie es in diesem Fall mit dem Patienten weitergeht.
Abseits dieser Erfahrungen in der Praxis gibt es aber noch viel mehr Highlights. Wenn ich dem Ende dieser Woche (Donnerstag und Freitag) einen passenden Titel geben sollte, dann wohl auf jeden Fall „Land unter“ - oder doch besser „Schnee unter“ im bayerischen Wald.
Bereits zu Beginn der Woche hat sich der Schnee angekündigt, doch in der Nacht zu Donnerstag verzaubert er Kirchberg im Wald und Umgebung in ein Wintermärchen. Auch wenn es mir an diesem Morgen sehr schwer fällt, meinen Morgenkaffee mit Blick auf Kirchberg aus der PJ-Wohnung zu beenden, weiß ich, dass draußen eine ganz andere Aufgabe auf uns wartet. Autos suchen und ausgraben. Der Morgen wird damit und mit der Tatsache, dass die abenteuerlich steile Straße zur PJ-Wohnung noch nicht geräumt worden ist, zu einer ganz besonderen Erfahrung. Zum Glück habe ich einen kleinen Zipflbob von zu Hause mitgenommen und Mira und ich können zur Nachmittagssprechstunde in der Praxis in Kirchberg rodeln. Wer kann das schon von seinem Arbeitsweg erzählen?
Mit all dem Neuschnee starten Mira und ich gleich nach der Freitagssprechstunde mit einer ersten Skating-Runde ins Wochenende. Für mich ist es das erste Mal auf Skating-Skiern und neben der Praxis sicher mein persönliches Highlight der Woche. Ich bin mir sicher, dass es nicht die letzte Runde an diesem Wochenende auf den Skating-Skiern sein wird und ich freu mich auf das Wochenende im Schnee.
Woche 7: 06.02. – 12.02.2023
Die siebte Woche wird mit einem strahlend-blauen Himmel und eisiger Kälte eingeläutet. Diese Wetterlage hält auch den Schnee der vergangenen Woche tapfer bis zum Wochenende und verlängert damit das bereits beschriebene Wintermärchen. Perfekte Ausgangsbedingungen, um die freie Zeit in der Mittagspause für eine kleine Skating-Runde oder einen Sonnenspaziergang im Schnee zu nutzen. Von der frischen Luft am Rusel oder in Klingenbrunn gestärkt und mit roten Bäckchen geht’s dann zurück in die Nachmittagssprechstunden in Schöfweg.
Neben diesen schönen Freizeitaktivitäten, die der bayerische Wald aktuell für uns bereithält, warten aber auch in der Praxis wieder viele spannende Fälle und Krankheitsbilder. In dieser Woche habe ich die Möglichkeit, die Ärztinnen und die Wundexpertin der Praxis bei einigen Hausbesuchen begleiten zu dürfen. Spannend und lehrreich ist dies vor allem deshalb, weil ich einige der PatientInnen nun schon aus der Praxis, von den Laborwert-Besprechungen im Team, den Fallbesprechungen oder vereinzelten Hausbesuchen bereits kenne und so im Verlauf die Entwicklung der Gesundheits- und Wundzustände besser beurteilen kann.
Hausbesuche sind ein essentieller Teil einer guten ambulanten hausärztlichen Versorgung. In ländlichen Regionen wie auch hier im bayerischen Wald ist es für einige stark in ihrer Mobilität eingeschränkte oder sehr kranke PatientInnen oft die einzige Möglichkeit einen regelmäßigen Arztkontakt zu erhalten. Die Wege zu einer hausärztlichen Praxis und die Möglichkeiten, diese selbstständig zu erreichen, sind oft zu weit oder zu schwerfällig, um selbst den Weg auf sich zu nehmen.
Hausbesuche bedeuten auf der einen Seite einen Mehraufwand für die behandelnden ÄrztInnen und Helferinnen durch den zusätzlichen Weg, bieten allerdings auf der anderen Seite auch einen großen Mehrwert: Ein Hausbesuch eröffnet unter anderem die Möglichkeit, sich ein Bild von der ganz individuellen häuslichen Situation und vom Alltag der PatientInnen zu machen um damit Ansatzpunkte zur Verbesserung der Gesundheitssituation oder der häuslichen Versorgung zu finden. Beispielsweise können Stolperfallen, Mobilitätsbarrieren wie Treppenstufen ohne Lift oder vermehrte Schwierigkeiten in der Haushaltsführung identifiziert und passende Hilfsangebote wie Treppenlifte, Putzhilfen oder Essen auf Rädern für die PatientInnen organisiert werden. Natürlich haben Hausbesuche auch den Vorteil, dass sehr kranke oder durch eine Demenz kognitive eingeschränkte PatientInnen ihr gewohntes Umfeld nicht verlassen müssen.
Gemeinsam mit der Wundexpertin Bea sehe ich zum Beispiel die bereits aus Woche zwei bekannte Verbrennungswunde am Oberschenkel einer Patientin. Insgesamt schreitet der Heilungsprozess der recht großen Wunde sehr gut voran, ich sehe aber auch wie langwierig und kleinschrittig sich die Versorgung dieser Wunde über nunmehr fünf Wochen zieht und wie wichtig eine geduldige und optimal an die Wundverhältnisse und Heilungsphase angepasste Wundversorgung für das Outcome ist.
Ein Highlight dieser Woche ist sicherlich der alle vier bis sechs Wochen angebotene Journal Club für ÄrztInnen der Region, in welchem über 1 ½ Stunden ausgewählte aktuelle Studien zunächst vorgestellt, anschließend gemeinsam im Plenum diskutiert und zum Schluss ein Fazit für die hausärztliche Praxis formuliert werden. Dies ist meine erste Teilnahme an einem Journal Club und ich finde das Format wirklich eine sehr gute Möglichkeit um neueste wissenschaftliche Studien und Erkenntnisse auf ihre Aussagekraft und Praktikabilität hin prüfen, ihre Praxistauglichkeit und -relevanz diskutieren und anschließend in den Praxisalltag und die Patientenversorgung integrieren zu können.
Woche 8: 13.02. – 19.02.2023
In meiner achten Woche habe ich die Möglichkeit, meine Erfahrungen in der ambulanten Patientenversorgung in der Region des bayerischen Walds um eine weitere Disziplin zu erweitern. Im Rahmen einer Hospitation bei Herrn Dr. Werner im MVZ Aberland Regen kann ich für einen Tag hinter die Kulissen eines ambulant tätigen Internisten blicken.
Herr Dr. Werner hat mit seiner Zusatzbezeichnung Psychotherapie und Naturheilverfahren und seiner langjährigen Berufserfahrung auf diesem Gebiet eine andere internistische Arbeitsweise, als ich sie bisher aus meiner Famulatur und meinem PJ-Tertial in der stationären Inneren Medizin kenne. Er nimmt sich viel Zeit für die gesundheitlichen Beschwerden seiner PatientInnen und bezieht hierbei sowohl die möglichen physischen als auch psychischen zugrundeliegenden Erklärungen in seinen therapeutischen Ansatz mit ein.
Neben der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie bietet er seinen PatientInnen ein breites Feld an internistischer Diagnostik an. Hierzu zählen u.a. Ultraschall-gestützte Verfahren wie Echokardiographie und Carotis-Ultraschall, eine Lungenfunktionsuntersuchung mittels Bodyplethysmographie, die Ergometrie und das Schlafapnoe-Screening. All diese Verfahren konnte ich auch an meinem Hospitationstag in der direkten Patientenversorgung miterleben und dadurch mein Verständnis für die genannten Untersuchungen ausbauen. Bis dahin kannte ich z.B. die Untersuchungen mittels Bodyplethysmograph oder das Schlafapnoe-Screening nur aus dem Lehrbuch und hatte keine konkrete Vorstellung zum Ablauf dieser Techniken in der alltäglichen Praxis.
Zufällig ist eine der Patientinnen, die sich an diesem Tag konsiliarisch bei Herrn Dr. Werner vorstellt, aus der Praxis in Auerbach überwiesen worden. Persönlich kannte ich ihren Fall noch nicht, es ist allerdings sehr spannend an dieser Patientin die zwei Seiten hinter dieser Überweisung kennen zu lernen und verknüpfen zu können. Zum einen kann ich mir durch den Praxisalltag aus Auerbach, wo ich einen Tag zuvor noch selbst mit Dr. Kalmancai solche Überweisungen ausgeschrieben habe, vorstellen, welche Überlegungen hinter der Überweisung stecken. Zum anderen erweitert sich durch die Hospitation mein Blick um die Seite, die hinter dem Brief steckt, den man als Hausarzt/ärztin anschließen erhält und mit den PatientInnen bespricht. Eine spannende neue Erfahrung, die mein Bild der interprofessionellen Zusammenarbeit in der ambulanten Patientenversorgung weiter vervollständigt. Ich freue mich schon darauf, gemeinsam mit Herrn Dr. Kalmancai in den kommenden zwei Wochen mit der Patientin in der Praxis in Auerbach das weitere Vorgehen zu besprechen und hierbei die Empfehlungen von Herrn Dr. Werner miteinfließen zu lassen.
Daneben zieht sich ein weiterer sehr schöner und leckerer roter Faden sowohl in der Praxis in Auerbach, als auch im MVZ bei Herrn Dr. Werner durch meine achte Woche: der tägliche Anblick bzw. Genuss eines frischen Faschings-Krapfens!!!! Als großzügige Spender entpuppen sich PatientInnen oder Praxis-MitarbeiterInnen, die früh morgens einen Abstecher zum lokalen Bäcker gemacht haben. Kann man sich eine passendere Zwischen-Stärkung vorstellen?
Woche 9: 20.02. – 26.02.2023
Diese Woche verbringe ich bei Dr. Kalmancai in Auerbach und Kirchberg. Bereits zu Beginn der Woche habe ich das Gefühl, dass sich zu den grippalen Infekten, die sich in den vergangenen zwei Wochen nun wieder vermehrt in der Praxis vorstellen, jetzt eine Reihe von Magen-Darm-Infekten gesellen. Als Lernziel in dieser Woche nehme ich mir somit die Einordnung der Symptome Bauchschmerz, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie die hierbei zu beachtenden Warnsymptome (Red Flags) und abwendbar gefährlichen Verläufe vor.
Mehrere PatientInnen stellen sich mit den oben genannten Symptomen in unterschiedlichen Konstellationen vor. Beim Einen stehen Übelkeit und Erbrechen im Vordergrund, bei Anderen dagegen liegt der Fokus auf einem plagenden Durchfall oder auf mäßig starken epigastrischen Bauchschmerzen. Trotz der großen Varianz können wir bei vielen PatientInnen nach einer genauen Anamnese, einer körperlichen Untersuchung und - je nach Schwere der Beschwerden - einer Ultraschalluntersuchung Entwarnung geben und die Symptome im Rahmen eines gastrointestinalen Infekts werten. Mit dem Hinweis zur Einhaltung einer Schonkost, ausreichender Flüssigkeits- und Elektrolytaufnahme und je nach Fall mit einer symptomatischen Medikation zum Beispiel gegen die Übelkeit können die meisten PatientInnen nach Hause entlassen werden. Wichtig ist uns hierbei aber immer zu betonen, dass sich die PatientInnen bei zunehmenden Beschwerden oder einem unguten Bauchgefühl jederzeit wieder in der Praxis vorstellen oder telefonisch melden sollen. Was zum Zeitpunkt der Konsultation in der Hausarztpraxis noch unauffällig aussehen kann, kann sich im Verlauf zu einem schwerwiegenden Krankheitsbild entwickeln, das eine sofortige weitere Abklärung oder stationäre Therapie erfordert. Warnsymptome, sogenannte Red Flags, auf die wir im Zusammenhang mit Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen besonders achten sind u.a. Fieber, progrediente Beschwerden, Gewichtsverlust, Hämatemesis, Blut im Stuhl, intermittierende Stuhlentfärbung, längere NSAR-Einnahme oder ein akutes Abdomen bzw. Abwehrspannung im Bauch. In dieser Woche haben wir glücklicherweise keine PatientInnen, die derartige Symptome berichten.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich allerdings an einen Fall von vor ca. zwei bis drei Wochen. Hier hatte sich ein 14-jähriger Patient mit seiner Mutter in der Praxis vorgestellt. Seit 4 Tagen habe er immer wieder Bauchschmerzen. Diese seien nicht immer da, aber doch konstant stark und in dieser Art und Ausprägung so nicht bekannt. Zunächst seien die Schmerzen vor allem im Epigastrium lokalisiert gewesen und mit Übelkeit und einmaligem Erbrechen einhergegangen. Am Tag des Praxisbesuchs läge das Schmerzmaximum aber eher im rechten Unterbauch. Fieber sei im Verlauf nicht gemessen worden. Diese Symptomkonstellation und der Krankheitsverlauf ließen uns aufhorchen. Als abwendbar gefährlicher Verlauf stand sofort die Appendizitis im Raum. Auch in der Praxis hatte der Patient kein Fieber und bis auf ein blasses Hautkolorit sah er recht gesund aus. Bei der darauf folgenden körperlichen Untersuchung konnten wir regelhafte Darmgeräusche und einen weichen Bauch feststellen. Durch Palpation war allerdings ein leichter Druckschmerz im rechten Unterbauch (über McBurney) auslösbar. Weitere klinische Zeichen für eine Appendizitis wie beispielsweise der kontralaterale Loslassschmerz (Blumberg-Zeichen) oder das Psoas-Zeichen waren negativ. In der anschließenden Ultraschalluntersuchung konnten wir den Appendix nicht darstellen, es zeigte sich kein Kokardenphänomen und keine freie Flüssigkeit oder Luft im Bauchraum. Aufgrund des recht guten Allgemeinzustandes des Patienten, des uneindeutigen Untersuchungsbefundes und der fehlenden Zeichen im Ultraschall vereinbarten wir im Einvernehmen mit dem Patienten und seiner Mutter eine Blutentnahme mit Abnahme einiger Entzündungswerte (CRP, Leukozyten) auf Notfall (Notfall bedeutet in diesem Kontext, dass die Laborergebnisse bis zum Nachmittag des gleichen Tages vorliegen). Außerdem gaben wir dem Patienten eine Einweisung für die Notaufnahme mit, falls sich die Beschwerden bis zum Vorliegen der Laborergebnisse verschlimmern sollten oder sich ein ungutes Bauchgefühl einstellen sollte bzw. Patient und Mutter eine weitere Abklärung wünschen. Zum Glück zeigte sich das Notfall-Labor am Nachmittag blande, also ohne einen laborchemischen Hinweis auf eine aktuell ablaufende Entzündung. Dies teilten wir der Mutter des Patienten telefonisch mit und im Zuge dessen berichtete sie uns, dass die Beschwerden ihres Sohnes bereits rückläufig seien. Bei einem erneuten Telefonat am darauffolgenden Tag, waren die Bauchschmerzen schon deutlich gebessert und am Tag danach komplett verschwunden.
Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, die abwendbar gefährlichen Verläufe im Kopf zu haben, diese zunächst auszuschließen und bei einem unguten Bauchgefühl auf Nummer sicher gehen.
Woche 10: 27.02. – 05.03.2023
Nach zwei Praxistagen in Auerbach wartet diese Woche eine dreitägige Hospitation auf Mira und mich. Voller Vorfreude machen wir uns am Mittwochmorgen gemeinsam auf den Weg in die Rehabilitationsklinik Schaufling. Hier sind wir in der orthopädischen Abteilung eingeteilt und können einen Blick hinter die Kulissen eines Reha-Aufenthalts werfen.
„Ein Blick hinter die Kulissen“ ist dabei aber eher untertrieben. Dr. Buvar und das Team der Orthopädie haben für uns ein umfangreiches Programm zusammengestellt, das sowohl physiotherapeutische und physikalische Anwendungen, als auch Trainingseinheiten und orthopädische Untersuchungen beinhaltet. Und hierbei ist nicht nur das Zuschauen, sondern auch die aktive Teilnahme gemeint.
An den ersten beiden Tagen stehen verschiedene Sportgruppen, wie Rückenschule, Rückenstabilisationstraining, Koordinationstraining und Gehschule unter physiotherapeutischer Leitung auf dem Programm. Außerdem erhalten wir bei Wärmebehandlungen mit Paraffin, Massagetechniken wie dem Hydrojet (= spezielle Massageliege, welche mit zahlreichen feinen Düsen den Körper pulsierend massiert), physikalischen Anwendungen mit Interferenzstrom, Ultraschall oder Magnetresonanz einen Einblick in die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten im Rahmen einer Rehabilitation. Neben den Anwendungen werden aber auch Vorträge z.B. im Bereich der Ernährungsmedizin oder Schulungen für den Umgang mit bestimmten Erkrankungen z.B. Diabetes oder Bluthochdruck angeboten. Es gibt ebenfalls Angebote für psychologische Gespräche oder Treffen mit dem Sozialdienst, um die RehabilitantInnen ganzheitlich zu unterstützen.
Außerdem kann ich an einem Aufnahmegespräch von Dr. Buvar teilnehmen. Hierbei finde ich es sehr beeindruckend, wie ausführlich hier das RehabilitantInnen-Gespräch sowie die orthopädische Untersuchung ausfällt. Der Fokus liegt nicht nur auf den medizinischen Aspekten, sondern auch auf der sozialen, beruflichen und persönlichen Situation der RehabilitantInnen.
Schön ist insgesamt zu sehen, wie individuell die TherapeutInnen und ÄrztInnen auf die einzelnen RehabilitantInnen mit unterschiedlichen Erkrankungen, Komorbiditäten und damit speziellen Bedürfnissen eingehen. Nicht jede Person mit z.B. einer Knie-TEP hat die gleiche Vorgeschichte, bringt die gleiche Fitness oder den gleichen Gesundheitszustand mit und jede Person steht nach der Operation/Erkrankung vor ganz anderen Herausforderungen. Interdisziplinär wird versucht, mit den RehabilitantInnen den aktuellen Stand komplett zu erfassen, ein realistisches Ziel zu formulieren und darauf mit einem individuellen Reha-Programm hinzuarbeiten.
Am letzten Tag haben Mira und ich die Möglichkeit, unsere Kenntnisse in den orthopädischen Untersuchungstechniken für das Schulter- und Kniegelenk zu erweitern und vor Ort zu üben. Außerdem zeigt uns Herr Dr. Buvar die Anwendungsmöglichkeiten der Gelenksonografie, welche ich im Gegensatz zu der Schilddrüsen- und Abdomensonografie noch nicht in der hausärztlichen Praxis durchgeführt habe. Abschließend erhalten Mira und ich einen Einblick in die manuelle Therapie, welche Herr Dr. Buvar bei einer Patientin mit chronischen oberen Rückenschmerzen anwendet.
Damit gehen drei sehr interessante, lehrreiche und vor allem bereichernde Tage in der Rehaklinik Schaufling zu Ende. Ich freue mich schon sehr darauf, all die neuen Erfahrungen und Eindrücke mit in den Praxisalltag am Montag zu nehmen. Der recht bürokratische wirkende Reha-Antrag aus dem Alltag einer allgemeinmedizinischen Praxis hat für mich nun eine völlig neue Bedeutung und Wichtigkeit erhalten und bei Bedarf kann ich den PatientInnen nun auch ein realistisches Bild von der Rehabilitation, ihren Stärken, Möglichkeiten und vielleicht auch Limitationen schildern.
Lisa Führlein
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Woche 1: 05.09. – 11.09.2022
Gemischte Gefühle begleiten meine Anreise in den Bayerischen Wald - Vorfreude, ein bisschen Nervosität, Erschöpfung von den zurückliegenden Tagen des Tertialwechsels und auch etwas Wehmut, weil das vergangene Tertial mir so gut gefallen hat. Doch spätestens nach Verlassen der Autobahn, als die kurvigen Steigungen des Bayerischen Waldes beginnen und ich die Leistung meines (eigens für mein Tertial hier angeschafften) Autos auf die Probe stelle, überwiegt die Vorfreude – habe ich doch schon nach meiner Famulatur im Exzellenten Winter 2020 den Entschluss gefasst, zum PJ wieder hierher zu kommen. Nach der Ankunft genieße ich erstmal die Ruhe und Aussicht in meinem neuen Zuhause. Ein kleiner Spaziergang durch den Wald rund um den Ort lässt mich entspannen, und in der Sonne habe ich die Hoffnung, dass der Sommer doch noch nicht ganz vorbei ist…
Die Woche startet für mich in der Praxis in Grafenau, wo ich Dr. Blank bei seiner Arbeit begleiten darf. Wie typischerweise an einem Montag ist das Wartezimmer voll und entsprechend schnell das Arbeitstempo. Trotzdem nehmen wir uns für jede Patientin und jeden Patienten die Zeit, die sie oder er braucht. Wenn deutlich wird, dass ein umfassenderes Gespräch oder eine ausführlichere Untersuchung nötig ist, wird dies dem Patienten erklärt und ein neuer Termin vereinbart. Schon an meinem ersten Tag erkenne ich, wie wichtig die offene und deutliche Kommunikation mit den PatientInnen ist. In diesem Tertial möchte ich nicht nur mein fachliches Wissen erweitern – sondern auch mehr Sicherheit im Patientengespräch bekommen.
Dass auch die fachliche Weiterbildung nicht zu kurz kommt, dafür sorgen die zahlreichen Themen- und Fällebesprechungen, bei denen ich gleich von meinem ersten Tag an dabei bin. Die Abklärung von erhöhten Leberwerten, ein unklarer Fall einer blasenbildenden Hauterkrankung, die klinische Unterscheidung von Asthma und COPD – auch die erfahrenen ÄrztInnen sind sich immer wieder unsicher. Dass auch sie nicht alles wissen, sondern dankbar für den Austausch und die Erfahrung von KollegInnen sind, beruhigt mich und zeigt die Vorteile einer engen Zusammenarbeit mehrerer Praxen, wie sie hier gelebt wird.
Nach Grafenau lerne ich in dieser Woche auch die Praxen in Kirchberg und Schöfweg kennen. Alle paar Tage die Praxis zu wechseln, ist anstrengend, insbesondere wenn man die unterschiedlichen Abläufe noch nicht verinnerlicht hat. Doch dadurch habe ich die Chance, gleich zu Beginn meines Tertials alle Praxen sowie Ärztinnen und Ärzte kennenzulernen, um so einen Überblick zu bekommen. Dann kann ich entscheiden, wo und mit wem ich gern längere Zeit zusammenarbeiten würde.
Nach einer Woche voller neuer Eindrücke starte ich nun ins Wochenende, es ist schon eine Wanderung mit den anderen PJlerinnen geplant und im Garten der Grafenauer WG müssen wohl einige Obstbäume abgeerntet werden…
Woche 2: 12.09. – 18.09.2022
"Und was hast du heute gelernt?" – so lautet die tägliche Frage von Dr. Blank, wenn wir nach einem vollen Praxistag auf dem Rückweg nach Kirchberg sind. Und jedes Mal wieder fällt mir die Antwort schwer. Die ganzen Eindrücke, Erfahrungen, Informationen des Tages… wie soll ich die in einem Satz zusammenfassen? Hilfreich ist da die Unterscheidung zwischen drei verschiedenen Elementen: Wissen, Fertigkeiten, Haltung. Mir Wissen anzueignen, das kenne ich aus der Uni. Die Behandlung eines akuten Gichtanfalls, die richtige Antibiotikatherapie, Definition und Symptome der Herzinsuffizienz – das fachliche Wissen wird selbstverständlich auch hier vermittelt, in der Besprechung mit den ÄrztInnen oder bei meiner Recherche zu Hause. Was in diesem PJ-Tertial eben so wenig zu kurz kommt, ist der Erwerb von Fertigkeiten. Ich weiß es sehr zu schätzen, wie viel ich hier schon jetzt selbstständig arbeiten darf. Ultraschall-Untersuchungen, Wundversorgung, das Entfernen von Fäden oder Klammern – diese Fertigkeiten erfordern praktische Übung, zu der ich hier ausreichend Gelegenheit habe. Das dritte Element, die ärztliche Haltung, ist etwas, was ich bisher meist unterbewusst wahrgenommen habe. Es steht in keinem meiner Notizbücher, es lässt sich nicht recherchieren – man muss es erleben. Der Umgang mit PatientInnen im Gespräch, die Einnahme einer gewissen Rolle in der ÄrztInnen-PatientInnen-Beziehung, das Aufnehmen der Anliegen der PatientInnen und die Vereinbarung mit den eigenen Überzeugungen, individuelle Entscheidungsfindung. Ich lerne durch Beobachten der ÄrztInnen, wie jede und jeder anders mit PatientInnen und Situationen umgeht – jede und jeder hat seine persönliche ärztliche Haltung gefunden. Und meine eigene zu entwickeln, ist ein genauso wichtiger Lernprozess wie das Pauken von Krankheitserregern und Medikamentendosierungen.
Als wäre die Woche mit der Rotation durch drei verschiedene Praxen nicht schon genug an neuem Input, gibt es dank des derzeit stattfindenden Exzellenten Sommers noch ein zusätzliches Angebot an Weiterbildung. Wir PJlerinnen nehmen am Wissenskurs teil, wo wir die Kleingruppen von Studierenden bei der Recherche unterstützen, wir betreuen den Ultraschall-Workshop und leiten einzelne Gruppen beim Untersuchungskurs. Es macht Spaß zu sehen, wie motiviert die Studierenden sind, die aus ganz Deutschland (und Österreich!) in den Bayerischen Wald gekommen sind, um hier ihre Famulatur zu absolvieren. Vor zweieinhalb Jahren war ich noch eine von ihnen, jetzt kann ich auf Seite der Tutorinnen mein Wissen weitergeben – und dabei natürlich auch selbst noch etwas dazulernen!
Woche 3: 19.09. – 25.09.2022
In Woche drei (kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergeht!) darf ich nun eine weitere Praxis kennenlernen und mit Dr. Kalmancai in Auerbach arbeiten. Das läuft in der Regel so ab: Ich spreche zuerst mit einer PatientIn, untersuche entsprechend, überlege mir einen geeigneten Therapievorschlag bzw. das weitere Prozedere und hole dann den Arzt dazu. Nachdem ich die PatientIn kurz vorgestellt habe, besprechen wir gemeinsam das weitere Vorgehen. Durch die Zeit, die ich für das Patientengespräch und die Untersuchung bekomme, kann ich in Ruhe Anamnese erheben und dabei meine Struktur durchgehen, um nichts zu vergessen. Im Laufe der Ausbildung lernt man, durch gezielte Fragen die Beschwerden der PatientInnen und deren mögliche Ursachen schnell einzugrenzen. Doch dazu ist viel Erfahrung nötig, und gerade jetzt am Anfang hilft es mir, den PatientInnen ausführlich zuhören zu können und viele Fragen stellen zu können. Fragen stellen – das kann tue ich auch in der anschließenden Besprechung mit dem Arzt, und umgekehrt. Beantworten kann ich nicht immer alle, aber genau dann lerne ich dazu.
Dazulernen kann ich auch im EKG-Kurs am Dienstag, der im Rahmen des Exzellenten Sommers stattfindet. Eigentlich sind wir PJlerinnen als Tutorinnen dabei, aber auch wir profitieren von der Wiederholung und erfahren immer wieder neues – wir sind beeindruckt, wie viel die Studierenden schon jetzt wissen! Und doch habe ich das Gefühl, ihnen etwas von meinem Wissen mitgeben zu können. "Kommt das im Alltag denn oft vor, hast du das schonmal in der Praxis gesehen?", "Wie merkst du dir das denn, gibt's da einen Trick?" – Das ist das, was viele der Studierenden interessiert und wo ich tatsächlich mein kleines bisschen mehr Erfahrung teilen kann.
Meinen schönsten Moment in dieser Woche habe ich bei der Nachkontrolle einer Schnittwunde, die ich in der Woche zuvor genäht hatte. Die Patientin freut sich total, mich zu sehen und bedankt sich für die gute Betreuung und Wundversorgung. Sie habe sich bei mir sehr wohl gefühlt, weil ich ihr so gut zugeredet hätte, das habe sie beruhigt. Ihre Dankbarkeit macht mich mindestens genauso glücklich wie zu sehen, dass die Naht wunderbar heilt. Für solche Momente liebe ich meinen zukünftigen Beruf!
Woche 4: 26.09. - 02.10.2022
In dieser Woche bekomme ich noch einmal die Gelegenheit, an einem Teaching für die Studierenden des Exzellenten Sommers teilzunehmen. Das Thema: Der Umgang mit depressiven PatientInnen. Es geht in diesem Kurs nicht um Faktenwissen und Leitlinien, sondern darum, uns Studierenden Tipps und Erfahrungswerte mit an die Hand zu geben, die die Kommunikation und das Management mit dieser Patientengruppe erleichtern sollen. Einige haben hierzu Fälle aus ihren Praxen mitgebracht, die wir dann gemeinsam besprechen. Wie unterschiedlich schildern PatientInnen depressive Symptome? Wie lässt sich die Schwere einer Depression einschätzen und wie sollte entsprechend gehandelt werden? Wie spricht man das Thema Suizidalität am besten an, wie reagieren PatientInnen darauf? Was tun, wenn in absehbarer Zeit kein Platz für eine ambulante Psychotherapie gefunden werden kann? Besonders letzteres Problem ist nicht zu vernachlässigen, dauert es momentan doch meist mehrere Monate, bis ein geeigneter Therapieplatz frei wird. In dieser Übergangszeit ist die Hausarztpraxis oft der einzige Ansprechpartner für die Betroffenen. Doch beim Versuch, ihnen diese so wichtige regelmäßige Anbindung zu ermöglichen, kommen Praxen schnell an ihre Grenzen. Zu wenig Zeit, die PatientInnen oft und lang genug zu sprechen – und doch eine Verantwortung, die man schwer abgeben kann, wenn vorübergehend keine psychotherapeutische Behandlung möglich ist. Eine Studentin berichtet von einem Arzt, der ihr während eines Praktikums im Gedächtnis geblieben ist: Seine PatientInnen, die Hilfe brauchen, aus ihrer Depression zurück ins Leben zu finden, bestellt er einmal wöchentlich ein. Maximal zehn Minuten bleiben ihm dabei pro PatientIn – nicht viel Zeit, um zuzuhören und Tipps für die Gestaltung des Alltags zu geben. Seine Idee: Er gibt eine Hausaufgabe, die Betroffenen sollen ein Bild malen – und es zum nächsten Besuch mitbringen. Ein genialer Gedanke, finde ich. Die PatientInnen haben eine verbindliche Aufgabe, sie können ihrer Kreativität freien Lauf lassen und erhalten dafür Wertschätzung (der Arzt fragt nicht selten, ob er das Bild behalten oder gar aufhängen dürfe). Kunst- und Verhaltenstherapie, Motivationscoaching – und das in zehn Minuten.
Für gerade solche Tricks und Erfahrungswerte lohnt sich der Austausch, der in diesem PJ-Tertial tatsächlich nicht zu kurz kommt. Ich erlebe hier so viele unterschiedliche ÄrztInnen und Persönlichkeiten und kann von jeder und jedem etwas für mich selbst mitnehmen.
In dieser Woche muss ich mich von Nicole und Sabine verabschieden, die PJlerinnen, mit denen ich meine bisherige Zeit in der WG in Kirchberg verbringen durfte. Schon in den wenigen Wochen, die ich jetzt hier bin, haben wir beim gemeinsamen Beisammensein, Essen und diversen Fachgesprächen oft zusammengesessen, was ich sicherlich vermissen werde… Einsam wird es auf dem Kirchberg bestimmt trotzdem nicht, schon für die kommende Woche hat sich eine Blockpraktikantin angekündigt, sodass die WG bald wieder Zuwachs bekommt.
Woche 5: 03.10. – 09.10.2022
Aufgrund des Feiertags am Montag hat die Arbeitswoche zwar einen Tag weniger, dafür ist das Patientenaufkommen in der Praxis am Dienstag gefühlt doppelt so hoch. Vor dem Empfangstresen der Praxis in Schöfweg tummeln sich die PatientInnen in Trauben, mich überkommt ein Gefühl der Überforderung. Doch nur ein Bruchteil der Wartenden erscheint auf unserer Behandlungsliste und wiederum einen Bruchteil davon bekommen die ÄrztInnen überhaupt zu Gesicht – einen Großteil der Anliegen der PatientInnen, die die Praxis aufsuchen, erledigen die "Mädels" am Empfang direkt. Rezepte, Überweisungen, Terminvereinbarungen, Befundmitteilungen – die MFAs behalten stets den Überblick, bringen Ordnung ins Chaos, halten den ÄrztInnen den Rücken frei und stehen für Fragen zur Abrechnung, Verordnungen etc. zur Verfügung. Mir war nicht bewusst, was für einen wichtigen Teil des Praxisablaufs sie darstellen und welche Wertschätzung ihre Arbeit verdient.
Neben Blutentnahmen und Untersuchungen übernehmen speziell ausgebildete Arzthelferinnen auch die Wundversorgung und die Betreuung von chronisch Kranken, z.B. im Rahmen von Diabetes- oder KHK-Programmen. In dieser Woche versuche ich, bei jeder Gelegenheit der Wundmanagerin bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Die Versorgung chronischer Wunden ist etwas, das im Studium so gut wie gar nicht besprochen, geschweige denn praktisch durchgeführt wird. Umso mehr kann ich hier dazulernen und von der Erfahrung der Spezialistinnen hier profitieren.
In der Mittagspause mache ich mit einer der Assistenzärztinnen eine kleine Wanderung auf den Brotjacklriegel, den Hausberg von Schöfweg. Bei sonnigem Wetter durch den immer bunter werdenden Herbstwald – eine wunderbare Art, die Zeit bis zur Nachmittags-Sprechstunde zu nutzen. Nach den überwiegend nass-kalten vergangenen Wochen zeigt sich mir der Bayerische Wald nun von seiner besten Seite. Ich freue mich, die Natur am Wochenende bei dem ein oder anderen Ausflug hier genießen zu können…
Woche 6: 10.10. – 16.10.2022
Manchmal werfe ich einen Blick in die Patientenkartei oder auf die Anmeldeliste, bevor ich PatientInnen aus dem Wartezimmer hole. Doch oft lasse ich mich einfach überraschen – das ist das tolle an der Allgemeinmedizin: Man weiß nicht, was einen erwartet – von Kopf bis Fuß ist alles dabei, von dringlichen oder sogar notfallmäßigen Beschwerden bis zur Vorsorge-Untersuchung.
Eine junge Patientin, die vor kurzem entbunden hat und ihre kleine Tochter voll stillt, quält seit Wochen ein unangenehmer Reizhusten. Laut Lehrbuch lässt sich dieser sehr gut mit Codein behandeln, doch in der Stillzeit? Opioide sollten hier wenn möglich vermieden werden. Ein nicht ganz einfacher Fall, gemeinsam recherchieren wir zu verschiedenen Wirkstoffen, deren Übergang in die Muttermilch und eventuelle Auswirkungen auf den Säugling. Embryotox, eine Website der Charité ist hier eine hilfreiche Informationsquelle. Denn auch als Ärztin gilt: Wissen heißt wissen, wo's steht! In Absprache mit der jungen Mutter verschreiben wir ihr ein Cortison haltiges Spray zur Inhalation und bitten sie, in den nächsten Tagen anzurufen, um uns die Entwicklung der Symptomatik mitzuteilen.
Eine weitere Besonderheit der hausärztlichen Tätigkeit: Die langfristige Begleitung der PatientInnen. Man sieht den Effekt einer Therapie und hat die individuelle Geschichte einer jeden PatientIn vor sich. Eine Patientin, die ich am Montag das erste Mal sehe, stellt sich mit starken Rückenschmerzen vor. Sie ist schmerzgeplagt, den Tränen nahe, ihre üblichen Schmerztabletten würden nicht mehr helfen. Wir nehmen uns Zeit für die Untersuchung, schließen abwendbar gefährliche Verläufe aus und tragen damit schon wesentlich zur Besserung ihres Befindens bei: Sie fühlt sich ernst genommen und ist froh, keine Sorge vor "etwas Schlimmerem" haben zu müssen. Wir erweitern die Schmerzmedikation und zeigen ihr Übungen zur Lockerung der Muskulatur. Am Freitag kommt die Patientin wieder, es gehe ihr schon viel besser und sie bedankt sich für die Hilfe. An ihre Hausarztpraxis sind die PatientInnen in der Regel viel enger angebunden als an Kliniken. Wer würde sich denn schon nach einer stationären Behandlung wieder im Krankenhaus vorstellen, wenn die Beschwerden nun besser sind?
Die Nähe einer Hausärztin zu ihren PatientInnen nehme ich in dieser Woche noch einmal ganz deutlich wahr. Eine ältere Dame betritt die Praxis, sichtbar verzweifelt und mit Tränen in den Augen. Frau Dr. Takacs versteht sofort, sie schließt die Tür zum Wartezimmer, um der Patientin ein bisschen Privatsphäre in der hektischen Stimmung am Empfangstresen zu gewähren. Ihr Mann sei am Tag zuvor verstorben, berichtet die Patientin. Die Ärztin zögert nicht, sie in den Arm zu nehmen und ihrer Trauer freien Lauf zu lassen. Später erzählt sie mir, wie sie den schwerkranken Ehemann der Frau lange ärztlich begleitet hatte und den beiden bis zum Schluss nahestand. Menschen langfristig und ganzheitlich zu begleiten, mit ihren körperlichen und auch seelischen Leiden, das ist das, was für mich die Hausarztmedizin ausmacht. Und was mich mit jeder Woche hier mehr überzeugt.
Woche 7: 17.10. – 23.10.2022
Nachdem ich nun alle Praxen kennengelernt habe und zudem aktuell die einzige PJlerin bin, habe ich bei der Entscheidung für meine erste Stammpraxis die Qual der Wahl. Die nächsten Wochen werde ich erstmal mit Dr. Kalmancai in Auerbach sein. Gleich am Montag sehe ich eine Patientin wieder, bei der wir vor drei Wochen zu einem notfallmäßigen Hausbesuch gewesen sind. Sie war bei der Apfelernte von der Leiter gestürzt und hatte starke Schmerzen im Unterschenkel. Wir konnten damals nicht viel tun, außer nach kurzer Untersuchung den Rettungsdienst zu alarmieren, es bestand der dringende Verdacht auf eine Fraktur. Beim heutigen Besuch sehe ich in den Befunden der Klinik, dass unser Eindruck richtig war, die kombinierte Tibia- und Fibulafraktur musste operativ versorgt werden. Nach der Klinikentlassung ist unsere Aufgabe jetzt, die Medikation zu überprüfen und die Patientin in ihrem Heilungsverlauf zu begleiten. Dazu zählt neben der Wundversorgung auch die Vereinbarung von Terminen für die Röntgenkontrolle und die Organisation einer Reha.
Hausbesuche stehen in dieser Woche fast täglich auf dem Programm. Einige PatientInnen erreichen wir fußläufig, zu anderen haben wir mit dem Praxis-Elektroauto teilweise bis zu einer halben Stunde Anfahrt. Morgendliche Beinschmerzen, zunehmende Luftnot, verschlechterter Allgemeinzustand, die jährliche Grippeimpfung – das sind nur einige wenige der Anlässe für einen Hausbesuch. Bei vielen PatientInnen fahren wir ohne konkretes Anliegen vorbei, um uns nach ihrem Befinden zu erkundigen. Ich finde es spannend, die PatientInnen in ihrem häuslichen Umfeld kennenzulernen. Der Duft von frisch gesammelten Schwammerln auf dem Herd, eine Geruchsfahne aus dem angrenzenden Kuhstall – was für ein abwechslungsreiches Arbeitsumfeld!
Am Mittwoch treffen wir uns zum zweiwöchentlichen Journal-Club, wo Ergebnisse aktueller Studien vorgestellt und diskutiert werden. Viel Gesprächsbedarf fordert mal wieder das Thema Covid – diesmal der Einsatz von Paxlovid. Scheinbar vielversprechende Studien und die daraus resultierende gesundheitspolitische Anpreisung des Medikaments in den Medien führen dazu, dass immer mehr PatientInnen danach fragen, manchmal die Verschreibung gar einfordern. Wir hören von einer Praxis, die Paxlovid bereits sehr großzügig einsetzt, andere Praxen lehnen die Verschreibung kategorisch ab. Für die HausärztInnen ein schwieriges Thema. Schwierig ist z.B. die Diskrepanz zwischen im Moment nur wenig kranken PatientInnen (Paxlovid muss gleich zu Beginn der Infektion eingesetzt werden) einerseits und den doch weitreichenden Wechsel- und Nebenwirkungen des Proteaseinhibitors andererseits. Schwierig ist auch die richtige Anwendung des Medikaments, die kompliziert ist und den PatientInnen genau erklärt werden muss. Die Studien, die wir uns ansehen, zeigen zwar eine gute Wirksamkeit von Paxlovid, allerdings muss eine Vielzahl von PatientInnen damit behandelt werden, um bei einem Fall einen schweren Verlauf bzw. Tod zu verhindern (die sogenannte Number needed to treat). Gemeinsam überlegen wir uns, wie wir die PatientInnen, die von einem Einsatz von Paxlovid vermutlich am meisten profitieren, identifizieren können. Am Ende des Abends haben wir Checklisten mit Risikofaktoren und Voraussetzungen, an denen wir uns orientieren können. Auf die weitere Entwicklung und die Umsetzung in der Praxis bin ich nun gespannt.
Woche 8: 24.10. – 31.10.2022
Nach einem Wochenende mit Wanderung auf den Rachel durch den wunderschönen Herbstwald (und Sicht bis zu den Alpen!) starte ich erholt in die neue Woche.
Eine nahegelegene Kinderarztpraxis scheint gerade Urlaub zu haben, was zu überdurchschnittlich vielen kleinen PatientInnen in unserem Wartezimmer führt. Ein Sechsjähriger mit einer Platzwunde am Kopf kommt zur Fädenentfernung, was erst einmal etwas Überzeugungsarbeit fordert. Am Ende sind die Fäden entfernt und der Junge ist glücklich. Ebenso wie die Mutter eines sechs Monate alten Säuglings, der seit einigen Tagen stark hustet. Wir hören in einem ruhigen Moment (gar nicht so einfach…) seine Lunge ab, diese ist frei und wir erklären der Mutter, wie sie den Kleinen Inhalieren lassen kann. Schwieriger wird es, eine Vierjährige mit Bauchschmerzen von der Harmlosigkeit des Ultraschall-Kopfes zu überzeugen. Da ist Geduld gefragt – doch schließlich können wir auch hier Entwarnung geben. Die Arbeit mit Kindern hat mir schon immer besonders gut gefallen und ich finde es sehr schön, dass man im hausärztlichen Alltag auch die kleinen PatientInnen mitbetreuen kann.
In dieser Woche wird mir eines der hausärztlichen Arbeitsprinzipien besonders deutlich: Der Ausschluss von abwendbar gefährlichen Verläufen (AGVs). Egal ob Bauch-, Kopf- oder Rückenschmerzen, ob Fieber oder Schwindel – in den allermeisten Fällen haben die Symptome der PatientInnen in der Hausarztpraxis harmlose Ursachen, doch hinter jedem Symptom kann auch eine Erkrankung stecken, deren gefährlichen Verlauf es zu erkennen und abzuwenden gilt. Dabei müssen HausärztInnen nicht unbedingt die genaue Diagnose stellen. Es geht vielmehr darum, Warnzeichen (sogenannte "Red Flags") zu erkennen und entsprechend zu reagieren, in der Regel bedeutet das, die PatientInnen in die Klinik zu schicken. Genau das hatten wir nach einem Hausbesuch in der vorigen Woche gemacht. Eine bettlägerige Patientin mit diversen Vorerkrankungen klagte über Übelkeit und Appetitlosigkeit, ansonsten aber sehr unspezifische Beschwerden, sie verneinte Bauchschmerzen oder Stuhlunregelmäßigkeiten, gab keinen Husten an. Wir stellten eine erhöhte Temperatur fest und nahmen Blut ab. Die Laborwerte zeigten stark erhöhte Entzündungsparameter, woraufhin wir die Patientin bei unklarem Infektfokus in die Klinik einwiesen. Der Bericht der Notaufnahme überrascht uns: Bei der Patientin wurde eine Harnwegsinfektion mit hochgradigem Harnstau und daraus resultierender Pyelonephritis sowie eine Pneumonie festgestellt. Bei unserem Hausbesuch hatten wir weder Anzeichen der Pyelonephritis noch der Pneumonie festgestellt. Aber wir hatten erkannt, dass aufgrund des Fiebers und der auffälligen Laborwerte ein relevanter Infekt für die Patientin die Gefahr eines gefährlichen Verlaufs darstellte – der durch die Klinikeinweisung abgewendet werden konnte. Bei unserem heutigen Hausbesuch geht es der Frau schon deutlich besser.
Ein weiteres Beispiel aus dieser Woche: Eine Patientin stellt sich mit Bauchschmerzen vor. Ich frage sie nach Schmerzintensität und -qualität, möglichen Auslösern, Vorerkrankungen, begleitender Übelkeit und Stuhlveränderungen – es klingt zunächst nach einer harmlosen Gastroenteritis, mit der ich hier nun schon bestimmt ein Dutzend PatientInnen gesehen habe. Doch bei der Untersuchung reagiert die Patientin anders, als ich es bisher gewohnt war. Der Druckschmerz im Unterbauch ist massiv, zwar sind die Appendizitis-Zeichen nicht eindeutig auslösbar, aber irgendetwas scheint nicht zu stimmen. Ich hole Dr. Kalmancai dazu und wir finden im Ultraschall des Bauches freie Flüssigkeit – ein klares Warnzeichen! Ob die Patientin nun eine Appendizitis hat oder ein gynäkologisches Problem, können und müssen wir nicht festlegen. Entscheidend ist, sie in die Notaufnahme zu schicken. Auch hier bin ich gespannt auf den Befund – wie gut, solche Verläufe nachverfolgen zu können.
Woche 9: 01.11. – 06.11.2022
Halbzeit meines Tertials im Bayerwald – die Zeit vergeht mal wieder wie im Flug. Wenn ich auf die vergangenen Wochen zurückblicke, kann ich jetzt schon sagen: Meine Lernkurve ist steil (fast so steil wie die Auffahrt zur Kirchberger Wohnung, vor der ich auch ohne Glatteis schon Respekt habe…). In meinem vorausgegangenen Tertial in der Chirurgie und auch in meinen Famulaturen hatte ich irgendwann das Gefühl, so ziemlich alles auf der entsprechenden Station einmal gesehen zu haben, alle relevanten Abläufe verinnerlicht zu haben – kurz: es war irgendwann doch immer das Gleiche. Das kann ich von meinem Tertial in der Allgemeinmedizin nicht behaupten. Bis heute kommen jeden Tag PatientInnen mit für mich neuen Beratungsanlässen. Und selbst wenn es die gleichen Symptome sind, präsentieren sie sich doch je nach PatientIn immer wieder anders, führen zu unterschiedlichen Untersuchungsbefunden, werden unterschiedlich therapiert.
Hinzu kommt, dass sich die Vorgehensweise auch je nach behandelnder Ärztin bzw. Arzt unterscheidet. Oft gibt es nicht den einen richtigen Weg, und im Team finden ÄrztIn und PatientIn eine individuelle Lösung. Natürlich gibt es auch in der Allgemeinmedizin Leitlinien und Lehrbücher, die eine hilfreiche Stütze bieten und Optionen aufzeigen. Letztendlich gibt es jedoch zahlreiche Faktoren, die berücksichtigt werden und das ärztliche Handeln beeinflussen. Es ist wie "zwischen den Zeilen lesen". Was, wenn die Medikamente der Wahl bei einer Patientin keine Option darstellen, weil Allergien, Interaktionen oder auch persönliche Vorbehalte bestehen? Und das Medikament der zweiten Wahl gerade nicht lieferbar ist? Was, wenn eine Darmspiegelung zwar formal nicht indiziert ist, ein Patient aber den Gedanken, Darmkrebs haben zu können, nicht loswird und vor Sorge nicht mehr schlafen kann? Was, wenn ein Patient starke Schmerzen angibt, aber der dringende Verdacht auf Missbrauch von Betäubungsmitteln besteht? Und was tun mit der multimorbiden 90-Jährigen, die kurz vor dem Nierenversagen steht, aber eine Krankenhaus-Einweisung strikt ablehnt? Und wenn ihre Tochter aber darauf besteht?
All diese Beispiele zeigen, wie individuell Entscheidungen getroffen werden müssen, was für ein feines Gespür die HausärztInnen hier haben müssen – und, warum für mich in diesem Tertial kein Tag wie der andere ist.
Woche 10: 07.11. – 13.11.2022
Die Woche beginnt spannend: Am Montag geht es in der praxisübergreifenden Themenbesprechung um Osteoporose – für die allermeisten unserer PatientInnen eine relevante Problematik, denn: Sie ist in hohem Alter so häufig, dass man fast eher von einer Alterserscheinung als von einer Krankheit sprechen könnte. In der Uni schien mir die Therapie ganz einfach: Calcium, Vitamin D, Bisphosphonate. Doch Vitamin D und Calcium helfen nur in Verbindung mit vermehrter Bewegung, was wir unseren PatientInnen unbedingt mitgeben sollten und uns bei bettlägerigen PatientInnen die Therapie überdenken lassen sollte. Bisphosphonate haben ernst zu nehmende Nebenwirkungen und die Indikation ist hierfür streng zu stellen. Eine eindeutige Lösung gibt es nicht immer, anhand von Fallbeispielen diskutieren wir die Therapie in bestimmten Situationen. Gerade für diesen Austausch und diese Diskussionen zu Fragestellungen, die eben nicht so einfach mit universitärem Wissen zu beantworten sind, finde ich die Besprechungen im Team hilfreich. Oft haben die KollegInnen nochmal andere Erfahrungen gemacht, beleuchten zusätzliche Aspekte, haben neuere Studienergebnisse parat.
Außerdem darf ich in dieser Woche für zwei Tage in der Klinik in Viechtach bei Dr. Jana Riedl, Chefärztin der Inneren Medizin, hospitieren. Kennengelernt hatte ich sie bei einem gemeinsamen Abendessen mit den Studierenden des Exzellenten Sommers, wo sie mir eine Hospitation angeboten hatte. 7:30 Uhr Visite, 40 Minuten Anfahrt… der Aufwand lohnt sich! Auch wenn zwei Tage eine sehr kurze Zeit sind, kann ich viel sehen. Im Herzkatheter-Labor, bei Herzechos, Pleurapunktion und in der Endoskopie, wo ich das Coloskop auch mal selbst in die Hand nehmen darf. Nicht nur Dr. Riedl erklärt mir ausführlich, auch die anderen ÄrztInnen haben sichtlich Spaß an der Lehre. Jetzt habe ich ein Bild vor Augen, was es für die PatientInnen bedeutet, wenn wir sie zur Magen-/Darmspiegelung oder zur Herzkatheter-Untersuchung schicken und wie es für sie weitergeht, wenn wir sie mit Verdacht auf Herzinfarkt oder dekompensierter Herzinsuffizienz ins Klinikum einweisen.
So gut mir die Tage in Viechtach auch gefallen haben, das Highlight der Woche bleibt der Donnerstagabend, als in Kirchberg und den umliegenden Dörfern das traditionelle Wolfsausläuten stattfindet. Der ohrenbetäubende Lärm lockt mich am Abend aus meiner Wohnung auf den Dorfplatz, wo die Menschen in Gruppen auf großen Glocken trommeln, die sie sich um den Bauch gebunden haben. Dieser Brauch ist mir völlig neu, fasziniert und ein wenig belustigt suche ich mir mit Marie, die gerade für ihr Blockpraktikum hier ist, einen Weg durch die Menschenmassen. Ich wusste gar nicht, dass es in Kirchberg so viele Menschen gibt… :D Weil wir leider nicht an einen Gehörschutz gedacht hatten (Anfängerfehler!), machen wir uns auf den Heimweg, als das Glockengeläut auch noch durch Peitschenknalle ergänzt wird. Was wir noch nicht wissen: geläutet wird die ganze Nacht hindurch bis zum nächsten Morgengrauen.
Woche 11: 14.11. – 20.11.2022
Nach mehreren Wochen in der Praxis in Auerbach kenne ich nun schon viele der PatientInnen, die regelmäßig kommen. So kann ich zumindest ansatzweise nachvollziehen, wie es ist, PatientInnen langfristig zu betreuen, und was dabei für ein Vertrauensverhältnis entstehen kann. Vertrauen seitens der PatientInnen, die bei uns offen über ihre Anliegen berichten und sich aufgrund unserer Beratung für eine Therapie entscheiden. Vertrauen auch auf ärztlicher Seite, dass die PatientInnen die verschriebene Therapie verantwortungsbewusst umsetzen. Hier hilft es, die jeweils andere Seite seit langem zu kennen. Der entzündete Unterschenkel eines Patienten macht mir Sorge, mein erster Gedanke ist, ihn zur Behandlung ins Krankenhaus zu schicken. Dr. Kalmancai kennt den Mann gut, er steht einem Klinikaufenthalt eher ablehnend gegenüber. Jedoch ist er eng an seinen Hausarzt gebunden, wohnt in der Nähe und versichert, das verschriebene Antibiotikum empfehlungsgemäß einzunehmen und täglich zur Kontrolle zu kommen. Hätten wir ihm einfach eine Einweisung in die Hand gedrückt, wäre der Patient wahrscheinlich weder in die Klinik gegangen noch in unsere Praxis zurückgekommen. So aber bleibt er angebunden und Dr. Kalmancai kann sich sicher sein, eine Verschlimmerung des Befundes nicht zu verpassen. Und sollte eine solche Situation doch eintreffen und eine Klinikeinweisung unumgänglich machen, reicht das Vertrauen des Patienten in seinen Hausarzt vielleicht doch aus, sich auf dessen ausdrückliche Empfehlung stationär behandeln zu lassen.
Ein weiterer Vorteil es, dass ich so den Verlauf von Behandlungsfällen verfolgen kann. Ich sehe Wunden beim Heilen zu, sehe die Änderung des INR nach der Anpassung der Marcumar-Dosis, höre die Veränderung des Atemgeräuschs im Verlauf der spasmolytischen Therapie. Außerdem sehe ich in dieser Woche die Patientin wieder, die wir wegen blutigen Durchfällen und einem starken Druckschmerz im rechten Unterbauch ins Krankenhaus eingewiesen hatten. Dort folgte die Erstdiagnose eines Morbus Crohn. Die Patientin wirkt noch geschwächt vom Klinikaufenthalt und vom Schock der Diagnose. Die Einstellung der Medikation wird in der gastroenterologischen Praxis erfolgen, zur Begleitung des gesamten Therapieverlaufs und als erste Anlaufstelle wird jedoch die hausärztliche Praxis da sein.
Woche 12: 21.11. – 27.11.2022
"Patient mit Ausschlag" – ein Beratungsanlass, bei dem ich sehr schnell an meine Grenzen komme. Die Anamnese bekomme ich noch hin: Gibt es einen Auslöser, sind Allergien bekannt? Juckt, brennt oder schmerzt es? Doch schon bei der Befundbeschreibung wird's schwierig: Makulös? Papulös? Oder doch eher Bläschen? Konfluierend? Erhaben? Schorf oder Kruste? Was die Therapie betrifft, sind Cortison-haltige Präparate meist eine gute Wahl – manchmal aber eben auch nicht. Um ein bisschen Ordnung in mein Dermatologie-Chaos zu bringen, habe ich mir für diese Woche eine Hospitation in der Hautarztpraxis von Dr. Sbornik in Deggendorf organisiert.
Los geht es mit der Notfall-Sprechstunde – heute sind es zwölf PatientInnen in 30 Minuten. Viel Zeit bleibt da nicht zum Erklären, aber es geht in der Dermatologie ja vor allem um das Anschauen. Und da wird mir wirklich eine ganze Bandbreite an Hautbefunden geboten. Ekzeme, Infektionen, Tumoren… Das Rezept für die richtige Creme ist schnell erstellt, für weitere Behandlungen werden die PatientInnen für einen regulären Termin wieder einbestellt.
In der Terminsprechstunde ist das Tempo etwas angenehmer, trotzdem ist auch hier nicht die Zeit für eine Anamnese oder eine ausführliche Befundbesprechung, wie ich sie aus der Hausarztpraxis kenne. Und das, obwohl die PatientInnen teilweise Monate auf einen Termin warten müssen. Zufrieden sind sie danach dennoch, gerade bei juckenden Hautbefunden ist der Leidensdruck oft hoch. Da ist eine gesicherte Diagnose schon der erste Schritt zur Besserung, und für den entsprechenden Therapievorschlag sind die Menschen dann mehr als dankbar. Einige störende oder entartungsgefährdete Hautveränderungen werden direkt entfernt, auch hier bekomme ich einiges zu sehen: Multiple kleine Hämangiome werden mittels Laser verödet, aktinische Keratosen mit einer Kürette abgetragen und ein Basaliom in einer kleinen Operation mit Skalpell großflächig entfernt und der Defekt mit einer Hautplastik gedeckt.
Gesehen habe ich in diesen zwei Tagen viel, gelernt auf jeden Fall auch – zum Beispiel, dass es doch eindeutig die Arbeit als Hausärztin ist, die ich mir für meine Zukunft vorstelle. Das ist die Art der Medizin, die mir Spaß macht und die mich erfüllt. Umso schöner ist es, nach zwei Tagen im Derma-Dschungel wieder mit Dr. Blank in Grafenau zu arbeiten. Mutig wage ich mich erneut an eine "Patientin mit Ausschlag und Schmerzen". Ich finde Vesikel und Papeln auf erythematösem Grund, teilweise konfluierend, begrenzt auf ein Dermatom des Brustkorbs. Dazu beschreibt die Patientin brennende Schmerzen – das muss eine Gürtelrose sein! Und die behandeln wir NICHT mit Cortison, sondern mit einem oralen Virostatikum :-) Mein Ausflug in die Dermatologie scheint sich also gelohnt zu haben…
Woche 13: 28.11. – 04.12.2022
Die Woche beginnt für mich wieder in der Praxis in Grafenau, wo es – wie für einen Montag üblich – ein hohes Aufkommen von PatientInnen gibt. Ganz besonders stark vertreten sind aktuell InfektpatientInnen. Während ich mich zu Beginn meiner Zeit als PJlerin hier eher zurückgehalten habe, ist der "grippale Infekt" für mich inzwischen ein dankbarer Beratungsanlass. Für die Anamnese und die körperliche Untersuchung habe ich ein festes Schema, ich höre unzählige Lungen ab, sehe Trommelfelle, gerötete Rachen und geschwollene Mandeln. Und durch die Vielzahl an verschiedenen Befunden sammle ich Erfahrung, kann vergleichen und letztendlich einschätzen, wann etwas auffällig ist und über eine gewöhnliche harmlose Erkältung hinausgeht.
Ein Patient, der mich in dieser Woche besonders beschäftigt, stellt sich vor mit Nachtschweiß seit einigen Monaten, zudem Husten und Luftnot bei Belastung. Angefangen habe die Symptomatik nach einem Atemwegsinfekt. Mein auf Schlagworte getrimmtes Gehirn lässt mich bei "Nachtschweiß" sofort an eine Tumorerkrankung denken. Doch der Patient hat weder Fieber noch an Gewicht verloren, und Dr. Blank erklärt mir, dass ein sogenanntes B-Symptom allein noch kein Hinweis darauf ist. Er denkt eher an eine Herzmuskelentzündung im Anschluss an einen Virusinfekt. Ich stelle den Patienten am nächsten Tag in der wöchentlichen Fällebesprechung vor. Nachdem im Labor und EKG keine Anzeichen für eine Entzündung oder eine Herzinsuffizienz zu sehen sind, werden wir uns einig, dass eine Niedrigdosis-CT-Untersuchung der Lunge für den Patienten zu empfehlen ist, zumal er langjähriger Raucher ist. Ausgeschlossen werden sollen dort eine chronische Entzündung sowie ein Tumor. Das Risiko hierfür ist gering, es geht nur darum, diese abwendbar gefährlichen Verläufe zu erkennen. Für mich macht das Sinn; kein Grund zur Sorge also, es geht nur um die definitive Abklärung. Doch als ich dem Patienten von unserem Vorhaben der CT-Untersuchung erzähle, will er natürlich wissen, was wir da suchen. Und in meiner ehrlichen Antwort komme ich um das Wort Tumor nicht herum – was beim Patienten schlagartig Verunsicherung auslöst. Zum Glück kommt uns Dr. Blank zu Hilfe und übernimmt das Gespräch. Am Ende ist der Patient zufrieden, er sieht, dass wir seine Beschwerden ernst nehmen und dass dazu auch der Ausschluss gefährlicher Diagnosen gehört, auch wenn wir diese im Moment für nicht wahrscheinlich halten. Ich wiederum sehe, wie wichtig und herausfordernd ärztliche Gesprächsführung sein kann.
Am Wochenende genieße ich die Vorteile der Region noch einmal in vollen Zügen – nach einer knappen halben Stunde Autofahrt stehe ich auf meinen Langlaufskiern in der Loipe. Bei strahlendem Sonnenschein und den Arber-Gipfel im Blick geht’s zur Chamer Hütte. Mit einer Übernachtung hier hat 2020 meine Famulatur im Exzellenten Winter begonnen…
Woche 14: 05.12. – 11.12.2022
Reha-Anträge ausfüllen gehört zu den alltäglichen Aufgaben in der Hausarztpraxis. PatientInnen nach der Rückkehr von der Reha zu betreuen, auch. Doch was passiert eigentlich während einer solchen Reha? Um mir davon einmal ein Bild machen zu können, hospitiere ich in dieser Woche drei Tage in der orthopädischen Abteilung der Rehaklinik Schaufling.
Tatsächlich kann ich mir dort mehr als nur ein Bild der Heilbehandlungen machen, ich darf einzelne Anwendungen sogar selbst ausprobieren. Dr. Buvar und sein Team haben mir einen eigenen Plan erstellt, auf dem eine breite Auswahl an physiotherapeutischen Behandlungen steht. Und so wird es für mich ein körperlich aktiver erster Tag mit therapeutischem Klettern, Koordinationstraining, Elektrotherapie und Lymphdrainage. Am Nachmittag bin ich bei einem Aufnahme- und Abschlussgespräch dabei. Besonders beeindruckt mich die ausführliche orthopädische Untersuchung und der umfangreiche Bericht, der danach erstellt werden muss. Die Rentenversicherung fordert als Kostenträger ein genaues Gutachten, da wird das Bewegungsausmaß jedes einzelnen Gelenks dokumentiert, die bisherige berufliche Tätigkeit analysiert und jede Treppenstufe im häuslichen Umfeld erfragt. Für mich eine gute Gelegenheit, die orthopädische Untersuchung zu wiederholen und eine erweiterte Anamnese zu üben.
Der nächste Tag startet im Freien: Bei -3°C mache ich mich mit einer Gruppe von RehabilitandInnen und der Therapeutin auf zum Waldbaden. Zwei Stunden verbringen wir im Wald rund um das Klinikgebäude, hören Geschichten über die Vergangenheit der Klinik als Lungenheilanstalt, finden Parallelen zwischen der vielfältigen Natur und unserem eigenen Leben, schärfen unsere Sinne, atmen Waldluft. Die Therapieeinheit spricht Körper, Geist und Seele gleichermaßen an und zeigt den ganzheitlichen Therapieansatz der Rehabilitation. Am Ende wirkt die Gruppe entspannt, die Zeit im Wald hat gut getan – auch mir. Ein bisschen durchgefroren sind wir doch, umso besser, dass als nächstes Wärmetherapie und Hydrojet-Massage auf meinem Plan steht. :-)
Am dritten Tag organisieren die KlinikärztInnen für mich noch einen Untersuchungskurs, indem ich die orthopädische Untersuchung von Schulter und Knie noch einmal üben kann. Außerdem zeigen sie mir die Grundlagen der Gelenk-Sonografie, an die ich mich (im Gegensatz zu Abdomen- und Schilddrüsen-Ultraschall) in der Praxis bisher nicht gewagt habe. Ich bin sehr dankbar für die lehrreichen Tage und die tolle Organisation meiner Hospitation in Schaufling und freue mich, das gelernte bald in der Hausarztpraxis anwenden zu können.
Woche 15: 12.12. – 18.12.2022
Urlaub
Woche 16: 19.12. – 23.12.2022
Nachdem ich mir in der vergangenen Woche Urlaub genommen habe, kommen meine letzten Arbeitstage als PJlerin hier plötzlich schneller als es mir lieb ist… In meiner letzten Woche bin ich nochmal in meinen Stammpraxen in Auerbach und Grafenau, wo ich inzwischen nicht nur die Arbeitsabläufe verinnerlicht habe und mich als Teil des Teams fühle, sondern auch viele der PatientInnen kenne. Mir wird bewusst, dass ich ihre Untersuchungsergebnisse und Behandlungsverläufe nun nicht mehr weiterverfolgen kann, auch deshalb fällt mir der Abschied schwer.
Etwa drei von fünf Ankömmlingen in der Praxis in Auerbach sind momentan Infekt-PatientInnen. Influenza, RSV, Covid – in der Behandlung unterscheiden sich die Viruserkrankungen nicht, sie orientiert sich am Zustand und den Symptomen der Erkrankten. Gefühlt ein weiterer der fünf Menschen am Empfangstresen kommt, um uns schöne Feiertage zu wünschen und sich für die gute Betreuung zu bedanken – der Stapel an Merci, Mon Cheri und Dosen mit selbstgebackenen Plätzchen wächst… Die Dankbarkeit der PatientInnen macht mich dabei noch glücklicher als die Schokolade selbst.
Vermissen werde ich die morgendliche Fahrt durch den verschneiten Bayerischen Wald im Sonnenaufgang, der jeden Tag anders schön ist. Ebenso fehlen werden mir die Ärztinnen und Ärzte sowie das Praxis-Team, ich bin dankbar für ihre Geduld, Motivation und Freude an der Lehre. Ich habe in den vergangenen Monaten hier viel gelernt und bin mir sicher, dass ich in mein nächstes Tertial nicht nur mit neuem Wissen, sondern auch mit mehr Selbstsicherheit durch die gewonnene Erfahrung im Umgang mit PatientInnen starten kann.
Franziska Roth
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- Woche 13 & 14
- Woche 15
- Woche 16
Woche 1: 27.06. – 03.07.2022
In mein letztes Tertial startete ich mit derselben leichten Nervosität, die ich am Anfang eines jeden Tertials hatte. Allerdings gab es einen kleinen Unterschied. Bereits durch die Hospitation und den engen Kontakt vorab mit Dr. Blank wusste ich, dass dieses Tertial viel persönlicher und intensiver werden würde als meine bisherigen Tertiale - und darauf freute ich mich. Im Haus in Grafenau empfing mich meine neue Mitbewohnerin Mirjam. Ich bin so dankbar, dass wir hier kostenlos wohnen dürfen. Wir haben sogar einen großen Garten. Ich fühlte mich von Anfang an wohl.
Meine Praxis liegt direkt in Grafenau, sodass ich entspannt zu Fuß zur Arbeit gehen kann. In der Praxis von Dr. Carlberg und Dr. Scholz wurde ich herzlich empfangen. Sicherlich werde ich von beiden viel lernen können. Beide haben ganz besondere Qualitäten und ihr Umgang mit den Patienten ist einfach toll.
Die erste Woche in der Praxis bot mir schon eine große Vielfalt an Eindrücken und Erfahrungen. Ich konnte EKGs befunden, impfen, Blut abnehmen, die Anamnese üben, körperliche Untersuchungen vornehmen, war bei einigen U-Untersuchungen dabei und ging bei Hausbesuchen mit. Außerdem konnte ich mich in der Schilddrüsen- und der Abdomensonografie üben. So war es mir möglich, ein breites Spektrum an Patienten kennenzulernen. In meinem zweiten Tertial in der Chirurgie vermisste ich, dass sich Ärzte Zeit für Gespräche mit den Patienten nehmen. Nun bin ich ganz froh, das hier anders zu erleben. Die Zeit ist zwar auch hier oft knapp, aber ich habe das Gefühl, dass das Zwischenmenschliche dennoch einen höheren Stellenwert hat. Es ist auch schön zu sehen, wie gut die Ärzte die Patienten im Laufe der Zeit kennen. Somit behandeln sie nicht nur ein einzelnes Symptom, sondern haben den ganzen Menschen im Blick.
Das den Praxisalltag begleitende Programm, auf das ich mich auch besonders gefreut hatte, war gleich in der ersten Woche super. Es gab eine Themenbesprechung zur Reisediarrhö, ein Teaching zum Nähen und Fädenziehen, einen Journal Club, sowie eine Fällebesprechung. In allen Treffen begegneten sich PJ-ler, Assistenten und Fachärzte auf Augenhöhe und alle trugen dazu bei, dass produktive und interessante Gespräche und auch wirklich fruchtbare Diskussionen zustande kamen. In dieser wertschätzenden Atmosphäre fällt es mir als Studentin leichter, mich einzubringen. Besonders gewinnbringend ist für mich auch das interne Treffen der PJ-ler. Dort werden wir nun anhand von Leitlinien jede Woche ein relevantes Thema besprechen und Fragen zusammentragen. Auch wurden wir von Dr. Blank zum Essen eingeladen - eine tolle Gelegenheit, sich besser kennenzulernen.
Das Begleitprogramm neben dem Arbeitsalltag ist eine Herausforderung, und ich merke, dass ich doch ganz schön platt bin am Ende dieser mit Eindrücken und Begegnungen vollgepackten Woche. Dennoch weiß ich, dass ich hier enorm viel lernen werde und so freue ich mich auf alles was kommt. Ich wünschte, schon während meines Studiums hätte es mehr solcher Formate gegeben, denn so macht Lernen wirklich Spaß.
Die Woche endete mit einem Aufzug der Vereine und Musikkapellen beim Grafenauer Volksfest, den Mirjam und ich gemeinsam anschauten. Es blieb in der ersten Woche noch keine Zeit, die schöne Natur des Bayerischen Waldes zu erkunden, die ich seit den Familienurlauben meiner Kindheit im Herzen trage. Umso mehr freue ich mich auf die kommenden Monate!
Woche 2: 04.07. – 10.07.2022
In dieser Woche war vor allem der Praxisalltag und das Patientenspektrum sehr spannend und es gab interessante klinische Befunde. Außerdem gab es einige Themen, die mich nach Feierabend noch beschäftigten.
An einem Morgen ging ich mit der Arzthelferin Gabi auf Hausbesuche. Sie machte auf mich einen sehr erfahren Eindruck und hatte eine wirklich herzliche Art. Über die Versorgung zu Hause wurde oft gesprochen. Mir fällt auf, dass hier die familiäre Unterstützung zu Hause noch viel häufiger gegeben scheint als in der Stadt. Oft wohnen mehrere Generationen in einem Haus oder auf einem Hof und unterstützen sich gegenseitig. Trotzdem ist die Versorgung oft schwierig und eine hohe Belastung für die Angehörigen.
In der Praxis sah ich viele verschiedene Patienten und spannende Krankheitsbilder. Unter anderem stellte sich ein junger Mann mit Luftnot bei leichter Belastung vor, die seit seiner Covid Infektion besteht. Er hatte bereits einen auffälligen Bronchospasmolysetest vor einigen Wochen, wurde mit einem Spray therapiert und kam nun zur Kontrolle. Für mich war dieser Fall Anlass, mich nochmals im Detail mit der Lungenfunktionsdiagnostik zu beschäftigen.
Es stellte sich außerdem eine Patientin mit einem prätibialen Ausschlag mit erhabenen, verhärteten, roten Effloreszenzen vor, die seit ihrer Covid Infektion bestehen. Wir vermuteten ein Erythema nodosum, veranlassten aber weitere Untersuchungen.
Ein junger Patient mit Migrationshintergrund stellte sich vor, der seit einigen Jahren im Asylbewerberwohnheim wohnt. Er erzählte mir von der schwierigen und belastenden Situation, die ihm zu schaffen mache. Er habe seit längerem regelmäßig Schmerzen in der Brust. Wir initiierten einen Ausschluss kardialer Ursachen. Der Patient selbst vermutete aber, dass die Beschwerden auch stressbedingt sein könnten. Außerdem kam ein kleiner Junge mit Hautausschlag in die Praxis. Dass auch kleine Patienten hier ab und zu vorbeikommen, macht für mich die Arbeit noch abwechslungsreicher.
Die Mutter eines Jugendlichen mit psychischen Problemen kam zum Gespräch über die belastende Situation und das weitere Vorgehen. Ich finde es spannend mitzubekommen, wie intensiv sich die Ärzte dieser Praxis dafür einsetzen, dass Prozesse und Therapien angestoßen werden.
Außerdem stellte sich eine Angehörige eines Patienten mit einem Karzinom im Endstadium vor, bei dem es darum geht eine palliative Mitbetreuung zu initiieren. Der Begriff „Palliativ“ scheint Patienten und Angehörigen oft Angst zu machen und man muss sich Zeit nehmen und einfühlsam erklären, wie hilfreich und Lebensqualität-verbessernd eine solche Mitbetreuung sein kann.
Bei den Hausbesuchen in dieser Woche visitierten wir unter anderem auch eine Intensivpflege-Wohngemeinschaft mit beatmeten Bewohnern. Unter anderem lebt dort ein Patient mit Hirnschädigung, bei dem ich zum ersten Mal die sogenannte Cheyne Stokes Atmung sehen konnte.
Auch habe ich in dieser Woche unter Anleitung meine ersten Akupunkturnadeln gesetzt. Das ist für mich ein neues Feld, da man während des Studiums mit diesem Thema kaum Berührungspunkte hat. Ich sehe aber, dass der Wunsch der Patienten nach komplementärer Medizin sehr groß ist. Es beschäftigt mich in diesem Zusammenhang schon seit längerem immer wieder, dass es für bestimmte Methoden keine, und zu manchen nur eine sehr unzureichende Evidenz gibt. Gleichzeitig merke ich in den Diskussionen der Themenbesprechungen und im Journal Club auch immer wieder, dass zu so vielen Themen, nicht nur in der Alternativmedizin, noch keine ausreichende Evidenz existiert. So muss die Sachlage immer wieder neu bewertet werden. Und auch ich werde meinen eigenen Mittelweg finden müssen und mich weiter zu neuen Erkenntnissen auf dem Laufenden halten. Was ich aber wirklich wichtig und spannend finde ist, dass sich in Studien gezeigt hat, dass sich die Wirksamkeit alternativer Heilmethoden unter anderem auf die intensive Zuwendung durch den Behandler zurückführen lässt. Das sollte uns wirklich zum Nachdenken anregen. Ich hoffe es werden in Zukunft im Gesundheitssystem mehr Kapazitäten geschaffen, sodass man sich die Zeit nehmen kann, die nötig ist.
Dass die Zeit oft viel zu knapp ist, bestätigte sich auch bei einem Patienten, der aufgrund von Vorhofflattern im Krankenhaus war und nun im Anschluss zur Kontrolle in die Praxis kam. Er hakte in der Sprechstunde mehrmals nach und ließ sich seine Erkrankung und die Therapie detailliert erklären. Während meiner Praktika in den Krankenhäusern hatte ich sehr häufig das Gefühl, dass Patienten ihre Erkrankung, und vor allem auch die Therapie, nicht oder nur sehr unzureichend verstehen. Das hat meiner Ansicht nach die unterschiedlichsten Ursachen, von mangelndem Interesse seitens des Patienten bis hin zu mangelnder Zeit beim Arzt. Jedoch könnte ich mir vorstellen, dass mehr Wissen und Aufklärung einen großen Einfluss auf die Compliance des Patienten und auch auf den Therapieerfolg haben können. Leider hat man für solch ausführliche Gespräche im Arbeitsalltag kaum Zeit. Ein Fazit meiner Woche ist also, dass Zeit und Zuwendung eine große Rolle spielen, wenn wir von guter Medizin reden.
Am Ende der Woche nahmen sich Dr. Carlberg und Dr. Scholz Zeit, mit mir gemeinsam zu besprechen wie es mir bisher geht was ich mir wünsche für die Zukunft. Ich fühle mich sehr wertgeschätzt und ernstgenommen.
Woche 3: 11.07. – 17.07.2022
Diese Woche konnte ich mich etwas intensiver mit dem Ultraschall der Schilddrüse beschäftigen. Dr. Carlberg zeigte mir nochmals den genauen Ablauf, den ich dann an zwei Patientinnen mit Raumforderungen in der Schilddrüse üben konnte. Es fällt mir immernoch schwer, Raumforderungen zu erkennen und von zum Beispiel inhomogenem Schilddrüsengewebe abzugrenzen, vor allem wenn die Raumforderungen isoechogen sind. Umso besser, dass ich jeden Tag mindestens einen Ultraschall durchführen kann. Außerdem sah ich diese Woche auch zum ersten mal einen Ultraschall zum Ausschluss einer Nierenarterienstenose bei neu aufgetretener arterieller Hypertonie.
In den Fallbesprechungen diese Woche konnte ich eine eigene Frage zu einer Patientin einbringen. Sie kam mit Magen-Darm-Beschwerden in die Praxis, wollte allerdings kurz bevor sie ging noch einen Rat von uns. Sie sagte, sie hätte eine akute Chlamydieninfektion, sei allerdings schon seit einigen Jahren in einer festen Partnerschaft. Nun wollte sie von uns wissen, ob Chlamydien nur sexuell übertragbar seien, da sie dann die Treue ihres Partners in Frage stellen müsse. Während sie davon erzählte, fing sie auch an zu weinen. In dieser Situation war es schwer für mich eine passende Antwort zu finden. Mir waren in diesem Moment keine anderen Übertragungswege bekannt, gleichzeitig wusste ich, dass diese Antwort für ihre Beziehung ernste Konsequenzen haben könnte. In der Themenbesprechung konnte ich einen Infektiologen zu dem Thema befragen und außerdem mit den Teilnehmern über meine Unsicherheit in der Kommunikation mit der Patientin sprechen. Das war wirklich sehr hilfreich.
Eine weitere Patientin kam mit entgleisten Blutdruckwerten zu uns, nachdem sie ihre Medikamente selbständig abgesetzt hatte. Sie waren akut so stark erhöht, dass sie in der Praxis eine Notfallmedikation bekam. Sie musste erneut über die Wichtigkeit der Medikation aufgeklärt werden.
Es kam außerdem eine Patientin in die Praxis, die die typischen Symptome eines Herzinfarktes beschrieb. Im EKG konnte allerdings eine akute Ischämie nicht bewiesen werden. Eigentlich hätte die Patientin mit dem Notarzt ins Krankenhaus fahren müssen, um dort einen NSTEMI, also einen Herzinfarkt ohne die typischen EKG Zeichen, ausschließen zu lassen. Die Patientin ließ sich aber unter keinen Umständen dazu überreden, obwohl ihr klar war, dass das im schlimmsten Fall ihren Tod bedeuten könnte. Sie hatte zu Hause einen pflegebedürftigen, an Demenz erkrankten Ehemann und ihre nahen Verwandten oder Bekannten wären nicht verfügbar. Wir nahmen eine Blutprobe ab, das Ergebnis würde allerdings erst ein paar Stunden später fertig sein. Außerdem behielten wir die Patientin noch eine Stunde in der Praxis, um sie überwachen zu können. Die Patientin versprach uns, sofort den Notarzt zu rufen, sollte sich ihr Zustand verschlechtern. Eine wirklich schwierige Situation.
Am Donnerstag gingen wir PJler und Famulanten mit Julia, einer der Assistentinnen, abends gemeinsam in einen Biergarten. Ein wirklich schöner Abend und eine gute Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich auszutauschen.
Woche 4: 18.07. – 24.07. 2022
Diese Woche war wieder vollgepackt mit Erlebnissen. Die Ärzte in meiner Praxis sind sehr bemüht darum, mich in meinem Lernprozess zu unterstützen und versorgen mich unter anderem mit zusätzlicher Lektüre. Dr. Carlberg brachte mir zum Beispiel einen interessanten Artikel zum Thema Insulintherapie mit, da dies noch ein sehr komplexes Thema für mich darstellt. Dr. Scholz gab mir ebenfalls hilfreiche Lektüre zum Thema Patientenverfügung und Naturheilkunde. Außerdem habe ich im Pausenraum einen Platz mit Computer und Büchern, wo ich in Ruhe recherchieren kann.
Ich durfte netterweise diese Woche an Dr. Carlberg üben, den Knöchel-Arm-Index mit Hilfe der Doppler-Sonographie zu bestimmen. Außerdem erklärte er mir ausführlich die Carotis-Sonografie.
Ich habe diese Woche gemerkt, dass ich nach und nach sicherer im Auskultieren werde. In der Klinik spielt dies oft nicht mehr eine so zentrale Rolle. Ich finde es wirklich toll, mein Gehör hier nochmal so intensiv trainieren zu können.
Wir waren diese Woche wieder gemeinsam im Seniorenwohnheim, wo wir einen Patienten in akut reduziertem Allgemeinzustand antrafen. Er war matt, kurzatmig und berichtete über Übelkeit und Luftnot. Der veranlasste Covid-Schnelltest war positiv. Aufgrund des schlechten körperlichen Zustandes, sowie in Zusammenschau mit den Vorerkrankungen und den schlechten Vitalzeichen (Blutdruck, Sauerstoffsättigung, Atemfrequenz), entschied sich Dr. Carlberg dafür, den Patienten ins Krankenhaus einzuweisen. Für mich war es spannend zu sehen, welch guten Blick man als Arzt mit der Zeit für kritisch kranke Patienten entwickelt und so bereits Situationen einschätzen kann, bevor man die entsprechenden Vitalparameter dazu erhoben hat. Außerdem konnte ich mir in dieser Situation den CRB-65 Score ins Gedächtnis rufen.
Auch neben dem Praxisalltag war diese Woche wieder einiges los.
Am Montag besprachen wir das Thema Reizhusten, was ich am folgenden Tag direkt bei einem Patienten mit Husten rekapitulieren konnte.
Am Mittwoch konnten wir an einem Vortrag zum Thema „Patienten mit Suchtproblemen in der Hausarztpraxis“ teilnehmen. Insbesondere die Kommunikation mit diesen Patienten wurde intensiv diskutiert. Außerdem lernte ich neue Screening Fragebögen kennen und lernte Neues zum Thema Substitution.
Nach dem Vortrag am Mittwoch war bei uns im Haus ein Termin mit der Presse. Der Landkreis unterstützt unsere Ausbildung hier finanziell, worüber es einen Artikel mit Foto in der lokalen Presse geben sollte. Ich bin immer wieder verblüfft, wie hier in unsere Zukunft investiert wird und wie ernst wir genommen werden. Auch in der Praxis freuen sich die Patienten immer wieder, dass junge Leute aufs Land kommen, um dort zu lernen - und einige von uns kommen ja sogar auch wieder. Am Ende ist dieses Projekt wirklich für alle Seiten gewinnbringend.
Am Donnerstagnachmittag trafen wir uns mit der Assistenzärztin Julia am See für ein Teaching zum M3, also zum 3. Staatsexamen. Sie gab uns nützliche Tipps und wir konnten unsere Fragen loswerden. Da ich vor mündlichen Prüfungen besonders großen Respekt habe, war dies wirklich hilfreich. Am Ende machte sie sogar noch eine Prüfungssimulation mit Mirjam und mir. Es war wirklich unglaublich hilfreich, denn ich bekam gutes, konstruktives Feedback von den anderen und weiß jetzt, wo in der Kommunikation noch meine Schwächen sind und woran ich arbeiten kann, um mich selbst wohler zu fühlen in einer solchen Situation.
Am Freitag traf ich mich online mit Dr. Blank, der mich neben der Praxis während meines PJs als Mentor begleitet. Ich konnte mit ihm darüber sprechen, was meine Gedanken, Probleme und Wünsche sind. Außerdem besprachen wir mein Curriculum, welches mir dabei helfen soll, ein Lernkonzept während meiner Zeit hier zu verfolgen. Der Input, den man hier bekommt, ist wirklich enorm und ich hoffe mit Hilfe des Curriculums eine bessere Struktur zu bekommen und meine Lerninhalte so besser ordnen zu können.
Die Woche wurde durch durch ein gemeinsames Wandern mit der Praxis gebührend abgerundet. Wir wanderten auf den Lusen und kehrten dort gemeinsam ein. Es war ein wirklich schöner Tag und ich war glücklich, hier so nett mit ins Team aufgenommen zu werden.
Woche 5: 25.07. – 31.07.2022
Diese Woche habe ich mir vorgenommen, mich ausführlicher mit orthopädischen Untersuchungen zu beschäftigen. Passenderweise kam am Montag gleich ein sehr netter und geduldiger Patient mit Schulterschmerzen in die Praxis. Ich führte an ihm mit Hilfe meines Untersuchungsbuches die Schulteruntersuchung im Detail durch. Ich bekam unterstützend ein sehr gutes Buch als Lektüre von Frau Scholz.
In dieser Woche fand auch wieder ein Journal Club statt. Es gab sehr spannende und relevante Themen, unter anderem ging es um die Therapie von Gürtelrose. Spannend war für mich, dass die antivirale Therapie noch immer keinen nachgewiesenen Effekt in der Vorbeugung einer Post-Zoster-Neuralgie hat. Diese Woche sah ich auch zwei Patienten mit Gürtelrose. Beide berichteten über quälende Schmerzen und mussten in ihrer Schmerzmedikation angepasst werden. Im Journal Club sprachen wir auch über die unzureichende Evidenz zum Thema Sport nach Covid-Infektion, wo es noch keine klaren Empfehlungen gibt. Weitere Themen waren Onychomykosen sowie die Anwendung von Apps bei Patienten mit Depression.
Auch diese Woche sah ich wieder viele verschiedene Patienten, konnte bei einigen U-Untersuchungen mit dabei sein, die Ultraschalluntersuchungen üben und auf Hausbesuche mitgehen. Bei den Hausbesuchen fiel wieder einmal auf, welch ein zentrales Thema Hitze und Exikkose bei geriatrischen Patienten, vor allem im Sommer, ist. Im Altenheim wurden wir notfallmäßig zu einer Patientin mit akutem Schwindel gerufen, welche nach Ausschluss anderer Ursachen vermutlich bei körperlicher Anstrengung zu wenig getrunken hatte. Auch ein Patient mit Demenz in schlechtem Allgemeinzustand schien unter Flüssigkeitsmangel zu leiden. Die Angehörigen berichteten über die Schwierigkeit, dem Patienten genügend Flüssigkeit zu verabreichen.
In den Fallbesprechungen diese Woche ging es unter anderem um die verzögerte Gabe von Antibiotika bei unkomplizierter Divertikulitis. In der Themenbesprechung am Montag ging es um den Umgang mit Medikamentenabhängigen. Wir konnten die Inhalte aus dem Vortrag in der Woche zuvor nochmals vertiefen. Wir Studenten beschäftigten uns diese Woche bei unserem PJler internen Treffen mit dem Thema Osteoporose. Wir merkten, wie viele Lücken wir bei diesem Thema noch hatten und es half uns allen, uns genauer damit zu beschäftigen. Wir haben auch die Möglichkeit beim Journal Club nächste Woche unsere Fragen dazu an die Ärzte zu stellen.
Woche 6: 01.08. – 07.08.2022
In der Montagsbesprechung ging es in dieser Woche um die Polymyalgia rheumatica - ein spannendes Thema und eine Diagnose, die man bei chronischen Schmerzen im Hinterkopf haben sollte.
Das Thema, mit dem ich mich in dieser Woche verstärkt beschäftigen wollte, war das EKG und vor allem auch die Auswertung von Langzeit-EKGs. Am Anfang der Woche befundete ich ein EKG von einem Kind, bei dem ich dann zum ersten Mal sogenannte U-Wellen sah. Diese sind anscheinend bei gesunden Kindern und Jugendlichen oft zu sehen und nicht pathologisch.
Außerdem sah ich mir das Langzeit-EKG eines Patienten an, bei dem viele ventrikuläre Extrasystolen zu sehen waren. Eine Patientin mit akuten Brustschmerzen kam in die Praxis und zeigte im EKG neu aufgetretene T-Negativierungen. Sie musste mit dem Rettungsdienst direkt in die Klinik befördert werden.
Es kam eine Patientin mit seit einer Woche neu aufgetretenen Beinödemen in die Praxis. Da die Patientin bei der körperlichen Untersuchung einen unregelmäßigen Puls hatte, machten wir ein EKG. Es zeigte sich ein Vorhofflimmern. In diesem Zusammenhang konnte ich mir dann den CHA2DS2VASc-Score sowie den HAS-BLED Score nochmals zu Gemüte führen.
Am Dienstag organisierten wir PJler für Wolfgang und die Ärzte aus unseren Praxen eine kleine Gartenfeier mit Buffet bei uns in Grafenau. Es war ein sehr schöner und geselliger Abend. Wir konnten uns so in Ruhe auch einmal privat austauschen. Außerdem traten wir in einer Partie Wikingerschach gegeneinander an.
Diese Woche fand auch wieder ein Journal Club statt, bei dem spannende Themen aufgegriffen wurden. Unter anderem ging es um die Trigeminusneuralgie (für mich als Neurologie-Begeisterte wirklich spannend), den neuen Lipidsenker Bempedoinsäure und dessen unzureichende Studienlage und über Thiamin-Substitution bei Alkoholabhängigkeit.
In der Praxis gab es wieder einige spannende Fälle. Unter anderem sah ich ein ganz klassisches Erythema migrans bei Borreliose, ein Patient mit stark geschwollenem und schmerzhaftem Lymphknotenpaket am Hals, einen Patienten im Altenheim mit symmetrischer Oligoarthritis in den großen Gelenken sowie eine Patientin mit diffusen Unterbauchbeschwerden. Außerdem kam eine Patientin mit Beschwerden, die mich zuerst an einen Reflux denken ließen, welcher auch bei der Patientin bereits bekannt war. Aufgrund einer etwas diffuseren Symptomatik mit atemabhängigen Schmerzen, sowie einem Schwächeanfall einige Tage zuvor, wurde noch ein EKG und eine Blutabnahme durchgeführt. Das EKG war unauffällig. Jedoch zeigten sich am nächsten Tag die D-Dimere erhöht und die Patientin hatte über Nacht auch Fieber entwickelt und hielt die Schmerzen kaum noch aus. Sie wurde dann ins Krankenhaus eingewiesen zum Ausschluss einer Lungenembolie oder anderen abwendbar schweren Verläufen.
Einige dieser Fälle sind noch offen, hoffentlich kann ich sie noch weiter mitverfolgen.
Die Woche endet wieder mit einem tollen Wochenende im Bayerischen Wald mit Wanderungen, einem Ausflug an den See sowie einem Mittelalterfest in Grafenau.
Woche 7: 08.08. – 14.08. 2022
Diese Woche war ich nur zwei Tage in meiner Praxis, da sie ab Mitte der Woche Urlaub hatten. Es waren nochmal zwei intensive und spannende Tage. Am Montag morgen erfuhr ich von einer Patientin, die sich in der vorherigen Woche in der Praxis vorgestellt hatte. Dr. Carlberg hatte sie zum Ausschluss einer Lungenembolie oder anderer schwerer Verläufe ins Krankenhaus eingewiesen. Wir erfuhren über ihren Ehemann, dass sie nun beatmet auf der Intensivstation liegen würde. Die Ursache seien Abszesse, für die man noch keine Ursache gefunden habe. Wir waren alle etwas mitgenommen von dieser Nachricht. Auch mich persönlich hat diese Nachricht doch getroffen. Mir wurde erneut bewusst, wie groß die Verantwortung als Ärztin ist, die Patienten richtig einzuschätzen und rechtzeitig eine intensivierte Diagnostik oder Therapie einzuleiten. Gerade im hausärztlichen Bereich ist dies eine knifflige Aufgabe, da man begrenzte Diagnostikmöglichkeiten hat und über den Tag verteilt viele eher ungefährliche Verläufe von Krankheiten mitbekommt. An den richtigen Stellen hellhörig zu werden und genauer hinzuschauen, finde ich zum Teil wirklich schwierig.
Ich führte am nächsten Tag noch einen Ultraschall bei einer Patientin durch. Wir hatten dabei ein sehr nettes Gespräch über ihre Erkrankung und ihre familiäre Situation und sie gab mir danach ein sehr positives Feedback. Ich genieße es in meinem PJ sehr, mir ab und zu noch viel Zeit für die Patienten nehmen zu können und keinen direkten Zeitdruck zu haben. Dabei entstehen oft interessante Begegnungen und Gespräche mit Patienten.
Außerdem kam eine Patientin in die Sprechstunde, die mir die typischen Symptome einer pAVK schilderte. Ich konnte dann den AB Index bestimmen, welcher auffällig war. In der Klinik hatte ich schon einige Patienten mit pAVK gesehen, aber noch nie bei neu aufgetretenen Beschwerden selbst diagnostiziert.
Am Mittwoch durfte ich einen Tag in der Neurologie in Freyung hospitieren. Morgens war ich mit im Krankenhaus, mittags dann im MVZ mit Dr. Motzek-Noé. Im Krankenhaus war ich mit auf Visite und sah einige interessante Patientenfälle. Wir waren auch auf der Intensivstation und der Stroke Unit. Auf Station visitierten wir unter anderem eine Patientin mit Verdacht auf Myasthenia Gravis. Außerdem durfte ich einen Patienten aufnehmen, der mit Verdacht auf Multiple Sklerose zur weiteren Abklärung kam. Ich konnte somit die gesamte neurologische Untersuchung an ihm durchführen, welche mir immer besonderen Spaß bereitet. Im Anschluss besprach ich den Fall, sowie das weitere Vorgehen, mit dem Oberarzt und wir schauten uns gemeinsam das MRT-Bild des Patienten an. Der Oberarzt zeigte mir im Anschluss weitere interessante Befunde und nahm sich Zeit, mit mir darüber zu sprechen und meine Fragen zu beantworten.
Am Mittag im MVZ war es dann spannend für mich, die Arbeit eines Neurologen in einem ambulanten Setting zu sehen. Dr. Motzek-Noé nahm sich auch die Zeit, mir zwischendurch immer wieder Dinge zu erklären und ich sah einige spannende Fälle. Zwischendurch führte er immer wieder Botox-Therapien bei verschiedenen Spastiken durch, u.a. nach Schlaganfall, bei Blepharospasmus, bei Torticollis spasticua, bei Hemispasmus facialis usw. Außerdem wurden auch Patienten mit z.B. Migräne, Hyperhidrose und dystonischem Kopftremor mit Botoxinjektionen behandelt. Die Patienten gaben an, mit den Therapieergebnissen zufrieden zu sein; es würde den Leidensdruck zumindest ein paar Monate reduzieren.
Ende der Woche durfte ich dann ein Palliativ-Team in Deggendorf begleiten. Auch dies war sehr spannend. Es war ein ganz anderes Arbeiten als man es sonst in der Medizin gewöhnt ist. Es war viel mehr Raum und Zeit für Gespräche, es lag viel Fokus auf der Kommunikation mit Patienten und Angehörigen. Sorgen und Ängste fanden einen angemessenen Raum. Es geht zentral um die bestmögliche Beschwerdefreiheit des Patienten, was für alle Beteiligten enorm wichtig zu sein scheint. Es war schön zu sehen, wie enorm eine solche Mitversorgung durch das Team die Familie entlastet, Bürokratie sowie Arztbesuche und vor allem auch Krankenhausaufenthalte ersparen kann.
Woche 8: 15.08. – 21.08. 2022
Nach einem schönen verlängerten Wochenende im Bayerischen Wald mit viel Wandern und Sport startete ich erholt in die neue Woche. Am Sonntag zog eine neue Famulantin in unser Haus in Grafenau. Wir freuen uns, dass noch mehr Leben in unser großes Haus kommt und konnten zur Begrüßung in unserem schönen Garten gemeinsam frühstücken.
Auch diese Woche konnte ich wieder auf verschiedene Hospitationen gehen. Begonnen hat die Woche mit HNO bei Dr. Träger in Grafenau. Mir wurde trotz der knappen Zeit und der hohen Patientenzahl viel erklärt. Ich bekam einige Schwindelabklärungen, Allergieabklärungen und Hörtestbesprechungen mit. Außerdem durfte ich auch selbst mit dem Mikroskop die Otoskopie durchführen, was garnicht so einfach war. Es kamen erstaunlich viele Patienten, die einen Hörsturz erlitten hatten. Ich konnte mich wieder einmal mit den verschiedenen Diagnostikmöglichkeiten der HNO auseinandersetzen, wie u.a. der Tympanometrie, der Stapediusreflextestung, des Rinne- und Weber-Versuchs, Nystagmus Testungen etc. Außerdem sah ich einige Ultraschalluntersuchungen des Sinus maxillaris.
Es kam eine Patientin mit deutlich geschwollener Parotis, die prall und überwärmt tastbar war. Im Ultraschall zeigte sich sogar eine beginnende Abszedierung. Interessant war für mich, dass sehr viele Patienten mit verringertem Hörvermögen es ablehnten, ein Hörgerät auszuprobieren. Laut Dr. Träger würden viele Patienten es sehr lange hinauszögern, bis sie dann schließlich einwilligten. Dann sei es aber oft schon schwerer, eine optimale Einstellung des Hörgerätes zu erreichen. Anscheinend scheint der Verlust des Hörvermögens noch mehr mit Stigma behaftet zu sein, als beispielsweise der Verlust des Sehvermögens.
Auch diese Woche konnte ich wieder bei dem Palliativteam in Deggendorf mitfahren. Ich war mit einer Onkologin unterwegs, sowie einer erfahrenen Intensivpflegerin. Das Team war so lieb, extra für mich an diesem Tag spannende Hausbesuche einzuplanen.
Es zeigte sich wieder, wie wichtig, aber auch schwierig die Kommunikation vor allem mit den Angehörigen oft ist. Der Angehörige einer Patientin verlangte die maximal mögliche parenterale Ernährung bei seiner Frau, damit sie besser zu Kräften kommen könne. Die Ärztin klärte über die Nachteile und Risiken einer solchen Therapie bei der Patientin auf und es wurde im Konsens mit den Angehörigen ein guter Mittelweg gefunden.
Außerdem war ich bei dem Einbau einer Morphinpumpe dabei. Da der Patient mit Pleuramesotheliom regelmäßig unter starker Atemnot und Schmerzen litt, sollte ihm diese die Schmerztherapie zu Hause erleichtern. Auch hier gab es wieder einige Sorgen und Ängste mit den Angehörigen zu besprechen.
Die Woche endete mit einer spannenden Hospitation bei der Dermatologin Dr. Friedl in Freyung. Der Tag begann mit der Notfallsprechstunde, wo es sehr zackig zuging. Da auch hier die Patientenzahl sehr hoch war, sah ich einige spannende Befunde, u.a. Aktinische Keratosen, Pilzinfektionen der Haut, Acne conglobata, Psoriasis vulgaris usw. Ich konnte auch selbst einige Hautkrebsscreenings durchführen und erkannte nach und nach immer deutlicher die Unterschiede zwischen suspekten und unauffälligen Befunden. Ich bekam die Therapie des Facharztes mit bei Befunden, die mir auch in der Hausarztpraxis ab und an begegneten und konnte zum Teil dazu Nachfragen stellen.
Außerdem führte Dr. Friedel einige kleine Eingriffe unter Lokalanästhesie durch. U.a. wurde eine Nachresektion durchgeführt bei Malignem Melanom.
Wir hatten zwischendurch auch Zeit uns zu unterhalten. Es war für mich sehr schön zu sehen, welche Perspektiven es für junge Frauen mit Kindern in der Medizin gibt. Dr. Friedl ist selbständig und hat sich schon in jungen Jahren eine eigene Praxis mit tollem Team, familiengerechten Arbeitszeiten, breitem Behandlungsspektrum und moderner Ausstattung aufbauen können.
Am Donnerstag bekamen wir wieder ein Teaching von der Assistentin Julia. Wir besprachen die INR-Einstellung bei Marcumartherapie. Außerdem besprachen wir die Therapie des akuten Asthmaanfalls.
Woche 9: 22.08. – 28.08. 2022
URLAUB
Woche 10: 29.08. – 04.09.2022
Erholt startete ich nach meinem Urlaub in die 10. Woche. In der Praxis war sehr viel los nach den 2,5 Wochen Urlaub.
Ich beschäftigte mich diese Woche etwas intensiver mit Marcumar Patienten und Gerinnungshemmung allgemein. Ich nahm selber die Quick/INR Werte ab und konnte mir überlegen, wie ich die Marcumar-Gabe weiterführen würde. Wo ich am Anfang meines PJs lediglich ein wildes Durcheinander aus Brüchen in den Marcumarausweisen erkennen konnte, erschloss sich mir so langsam eine Herangehensweise. Auch das Teaching mit Julia in der Woche vor meinem Urlaub half mir dabei. Bei einer Patientin war die Marcumareinstellung seit längerem so schwierig, dass sie auf ein NOAK umgestellt werden musste.
Obwohl es durch den Patientenansturm recht flott zuging, sah ich wieder einige spannende Patientenfälle.
Es kam unter anderem ein Kleinkind in die Praxis, das nach Angaben der Mutter den Stuhlgang über mehrere Tage zurückhalten würde. Es gab wohl in der Vergangenheit des Kindes ein traumatisierendes Erlebnis, was vielleicht damit in Zusammenhang stehen könnte.
Eine andere Patientin hatte mit Unwohlsein und Unruhe, sowie seit einigen Wochen Bauchschmerzen. Im EKG zeigten sich muldenförmige ST-Streckensenkungen, die schon an eine Intoxikation mit Digitalis denken ließen. Im Labor bestätigte sich schließlich dieser Verdacht.
Bei einer Ultraschalluntersuchung fiel mir bei einer Patientin als Zufallsbefund eine große Raumforderung in der Leber auf. Ich darf die Ultraschalluntersuchung immer vor den Ärzten durchführen, sodass ich als erste auf diese Raumforderung stieß. Mir fiel in dieser Situation die Kommunikation mit der Patientin schwer, da ich den Befund nicht verschweigen wollte, sie aber auch nicht verunsichern wollte. Da ich die Dignität der Raumforderung nicht einschätzen konnte und sie nicht zystisch aussah, konnte ich also keine Entwarnung geben. Ich denke jedoch, dass ich der Situation entsprechend angemessen ehrlich und trotzdem zurückhaltend kommuniziert habe. Herr Carlberg veranlasste eine rasche CT Untersuchung, um die Patientin nicht so lange im Ungewissen zu lassen. Ich bin auf den CT Befund gespannt.
An einem Vormittag kollabierte in der Praxis ein älterer Herr. Er hatte eine Kopfplatzwunde und niedrigen Blutdruck. Der Notarzt wurde gerufen. Da der Patient einige Vorerkrankungen hat, hoffe ich, dass es trotz allem nur eine orthostatisch bedingte Synkope war. Die Patienten im Altenheim, bei denen wir jede Woche zum Hausbesuch kommen, freuten sich sehr, uns wiederzusehen.
Es war auch ein neuer Patient dabei. Er hatte eine Stammganglienblutung und war nun unter anderem verlangsamt und hatte eine Hemispastik. Er ist relativ jung und Herr Carlberg betreute ihn auch davor schon länger als Patient. Ein tragischer Fall. Außerdem besuchten wir eine Patientin mit fortgeschrittener Demenz. Die Pflege berichtete über eine Sekretion aus der Brustwarze. Als wir es uns anschauten, sonderte sich blutiges Sekret ab und es ließ sich ein derber Knoten direkt unterhalb tasten. Ein Mamma-Ca war bei der Patientin bekannt. Die Aussicht auf einen eventuell noch schweren Verlauf mit einem exulzerierenden Karzinom ist nicht schön.
Am Donnerstagnachmittag traf ich mich mit Sabine, um gemeinsam Fälle aus dem Allgemeinmedizin-Fallbuch zu besprechen. Das näher rückende Examen sitzt uns im Nacken und es tat gut, das Formulieren und sich gegenseitig abfragen zu üben.
Am Mittwoch trafen wir uns mit den PJlern, Famulanten und Julia zum Abendessen im Burggasthof Weißenstein. Es war die letzte Woche für Anja und Mirjam, also auch ein Abschiedsessen. Es ist so schön, dass man hier so nette Leute kennenlernt. Und verrückt, wie schnell die Zeit vergeht. Mirjam wird mir im Haus fehlen. Zum Glück ist Caro gerade zur Famulatur da, mit ihr werde ich am Wochenende einige Wanderungen unternehmen.
Woche 11: 05.09. – 11.09.2022
Diese Woche zeigte mir Herr Dr. Carlberg bei einer Patientin im Detail den Carotis-Ultraschall, den ich netterweise im Anschluss an ihm üben durfte. Allerdings fiel es mir noch schwer, die richtigen Einstellungen hinzubekommen.
Am Mittwoch durften Caro und ich abends in die Praxis und Ultraschall an uns gegenseitig üben. Ich versuchte dann auch bei Caro die Carotis-Ultraschalluntersuchung durchzuführen, brauche aber definitiv noch mehr Übung darin. Mir macht Ultraschall wirklich viel Spaß und ich bin so dankbar, hier so viel üben zu können.
In dieser Woche begegneten mir einige Patienten aus vorherigen Wochen wieder.
Der Patient mit der ausgeprägten Lymphknotenschwellung stellte sich wieder zum Ultraschall vor. Er hatte zwischenzeitlich eine Antibiotikatherapie abgeschlossen und war auch beim HNO-Arzt und in einer Klinik zur weiteren Abklärung, bei der jedoch keine Ursache gefunden wurde. Die Lymphknoten waren im Ultraschall nun zwar deutlich kleiner, aber immer noch vorhanden. Der Patient hat außer den leicht schmerzhaften Lymphknoten keine Beschwerden. Es wird nun eine weitere Ursachensuche folgen. Ich hoffe, dass ich diesen Fall weiter mitverfolgen kann.
Die Patientin mit der Digitalis-Intoxikation war für ein Kontroll-EKG da. Die muldenförmigen ST-Senkungen waren nach der angeordneten Digitalis-Pause nun fast nicht mehr vorhanden.
Der Patient, der letzte Woche in der Praxis kollabiert war, wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Es wurde tatsächlich eine schwere 3-Gefäß KHK diagnostiziert. Eine Bypass-Operation steht nun an.
Außerdem kam ein Patient in die Praxis, um Überweisungen zu Kontrolluntersuchungen vor einer geplanten Mitralklappen-Operation zu holen. Er war relativ jung und sportlich. Vor einiger Zeit stellte er sich erstmalig wegen Leistungsminderung in der Praxis vor. Im Langzeit-EKG hatten sich dann 18000 ventrikuläre Extrasystolen gezeigt, woraufhin er schnellstmöglich beim Kardiologen vorstellig wurde. Dort stellte man eine Mitralklappeninsuffizienz und ein schon etwas umstrukturiertes Herz fest.
Ich hörte sein Herz ab und konnte ein deutliches Herzgeräusch über der Herzspitze hören. Das ist ein wirklich toller Lerneffekt für mich hier in der Hausarztpraxis, dass man anhand der klinischen Untersuchung schon sehr viele wichtige Hinweise auf Erkrankungen erlangen kann.
Zusätzlich stellte sich ein junger Patient mit Alkoholabhängigkeit vor. Es waren bei der Laboruntersuchung erhöhte Leberwerte aufgefallen und er kam zur Ultraschalluntersuchung. Das Lebergewebe zeigte sich echoreich. Er plante in naher Zukunft eine Entgiftung. Ich hoffe sehr, dass er dies schafft.
Zudem kam eine Mutter mit ihren beiden Töchtern in die Praxis. Es ging um die Kopfschmerzen der Tochter. Während des Gesprächs bekam die Mutter glasige Augen, was ich nicht sofort richtig deuten konnte. Im Verlauf des Gesprächs stellte sich heraus, dass das Mädchen vor einiger Zeit an ALL erkrankt war und die Mutter sich nun immer Sorgen mache, wenn es der Tochter nicht gut gehe.
Es ist eine für mich wirklich wichtige Erfahrung, hier Gesprächsführung zu üben und zu lernen, auf die Gefühle der Patienten einzugehen, ohne mitzuleiden. Eine zugewandte Professionalität ist vielleicht der richtige Weg, der nicht immer einfach zu finden ist.
Ein längeres Gespräch führte ich außerdem mit einem Ehepaar, wo die Frau eine rasch progrediente Carotisstenose diagnostiziert bekommen hatte, welche nun einer Operation bedurfte. Sie hatte große Angst und ich konnte mir Zeit nehmen, auf ihre Fragen und Bedenken einzugehen.
Ich unternahm unter der Woche und am Wochenende wieder einige Wanderungen und Läufe, auch mit Caro. Die Zeit hier rast und ich habe noch so viele Touren, die ich gerne schaffen möchte. Eigentlich wollte ich auch Tschechien noch etwas erkunden, dafür reicht allerdings die Zeit wahrscheinlich nicht mehr. Da muss ich wohl oder übel wieder hierher zurückkommen!
Woche 12 : 12.09. – 18.09.2022
In dieser Woche begann der Exzellente Sommer. Auch in unserer Praxis fing eine Famulantin an.
Ich wurde gleich voll eingespannt in die Teachings, die die Famulanten hier bekommen. Diese Position ist eher neu für mich, bisher war ich meist diejenige, die selbst an solchen Kursen teilnahm. Das Ganze von der anderen Seite zu erleben hat mich schon jetzt gestärkt.
Am Dienstag half ich beim Wissenskurs aus, wo die Studenten einiges zur evidenzbasierten Medizin lernten.
Am Mittwoch durfte ich mit Herr Carlberg zusammen den Ultraschallkurs halten.
Am Samstag fand in Regen ein Untersuchungskurs statt, wo ich die neurologische Untersuchung anleitete und eine Anamnesegruppe leitete.
Ich merkte schon bei diesen drei Veranstaltungen, wie sehr sich Wissen bei einem selbst vertieft, wenn man es anderen Studenten beibringen muss. Ich fühlte mich von Mal zu Mal sicherer und selbstbewusster. Auf Rückfragen von Studenten einzugehen und Dinge verständlich zu erklären, ist zugleich auch eine gute Übung für meine mündliche Prüfung.
Auch der Praxisalltag war wieder abwechslungsreich diese Woche. Bei einer Patientin sah ich im Ultraschall mehrere, größere Nierenzysten. Sie wurde zum Nephrologen überwiesen. Außerdem stellte sich ein Patient mit typischen linksseitigen Unterbauchschmerzen vor. Im Labor zeigten sich erhöhte Entzündungswerte, außerdem sah ich nun zum ersten Mal im Ultraschall die typisch verdickte Darmwand im Sigmabereich.
Zudem kam eine Patientin mit Z.n. Magenkarzinom zum Ultraschall. Bei ihr wurde eine Gastrektomie mit Roux-Y Anastomose durchgeführt und die Anatomie im Bereich der Leberpforte war nicht ganz eindeutig. Es war eine gute Übung, sich auch ohne die klassischen Standart Schnittbilder zurechtzufinden.
Ein weiterer Patient schilderte mir eine Nykturie seit einigen Wochen. Eine gute Möglichkeit, an die verschiedenen Differentialdiagnosen zu denken und nach möglichen weiteren klinischen Symptomen zu suchen und zu fragen.
Bei den Hausbesuchen diese Woche sahen wir den Patienten mit der Stammganglienblutung wieder. Er verweigerte seit kurzem Essen, sowie Tabletten, klagte über Übelkeit und Erbrechen und gab diffuse Schmerzen an, unter anderem auch im Thorax. Der Patient war schwer zu untersuchen, da er nicht klar äußerte, wie und wo seine Beschwerden genau waren. Wir wiesen ihn ins Krankenhaus ein.
Ich merke nun kurz vor Ende meiner Zeit hier, dass ich mich immer sicherer fühle. Sowohl in meiner inneren Haltung, als auch bei meinen Fertigkeiten scheine ich Fortschritte gemacht zu haben. Hier so viel Patientenkontakt zu haben, selbst Gespräche leiten zu müssen, so viele körperliche Untersuchungen durchzuführen und mir Herangehensweisen überlegen zu müssen, hat mir sehr gut getan. In diesem Umfang wäre dies im Krankenhaus vermutlich nicht möglich gewesen.
Woche 13 & 14: 19.09. – 02.10.2022
Meine letzten beiden Wochen vergingen wie im Fluge. Leider war ich nicht mehr ganz so oft in der Praxis, da ich drei Tage Strahlenschutzkurs hatte und 3 Tage Resturlaub genommen habe.
Der Strahlenschutzkurs war reiner Frontalunterricht und ich habe gemerkt, wie dankbar und froh ich darüber bin, nun endlich praktisch tätig zu sein. Dabei lernt man viel nachhaltiger und es macht auch viel mehr Spaß.
Am Wochenende war ich wieder beteiligt an einem der Teachings für den Exzellenten Sommer. Dieses Mal war das Thema Chronische Erkrankungen und ich leitete mit Lisa den Kurs zum Thema Herzinsuffizienz. Das kam mir sehr gelegen, denn für mein mündliches Examen war das eine sehr gute Übung. Das Thema Herzinsuffizienz ist ein sehr großes Thema und es hat mir gut getan, mich nochmals im Detail damit auseinanderzusetzen und es dann auch mit den 4 Kleingruppen mehrmals zu erarbeiten. In dieser Thematik fühle ich mich nun sehr sicher und das ist ein großer Gewinn.
Im Anschluss an das Teaching gingen Nicole und ich am Abend auf ein Konzert in Passau. Einer der Ärzte, Anton, spielte dort mit seiner Band. Es war ein schöner Abend. Neben uns PJlern waren auch andere Ärzte und Kollegen gekommen und wir waren ein großer Fanclub.
In der Praxis sah ich noch ein paar spannende Fälle, sah einen Carotis-Doppler mit Stenose, konnte meinen letzten Schilddrüsen Ultraschall durchführen.
Unter anderem kam auch eine jugendliche Patientin mit ihrer Mutter zum Gespräch. Bei der jungen Patientin bestand seit ihrer ersten Periode Dysmenorrhoe, Hypermenorrhoe sowie Menorrhagie. Ich fand es in dieser Situation schwierig, die eigentliche Patientin, also die Jugendliche, im Zentrum des Gesprächs zu lassen, da die Mutter das Gespräch sehr an sich riss. Das Thema Verhütung tat die Mutter schnell ab und meinte, das wäre noch kein Thema bei ihrer Tochter. Das war für mich eine schwierige Situation, da ich darüber mit der Tochter gerne allein gesprochen hätte.
In meiner letzten Themenbesprechung am Montag ging es um das Thema Multiple Sklerose. Ein Thema, welches mich wieder sehr interessiert hat. Zudem war es spannend, die Thematik aus Sicht des hausärztlichen Settings zu betrachten.
An meinen Urlaubstagen konnte ich die Sonne gut ausnutzen und so den Bayerischen Wald auch in seinem herbstlichen Glanz genießen. Ich werde die Natur hier sehr vermissen.
Mein letzter Tag in der Praxis war sehr schön, ich wurde von allen herzlich verabschiedet.
Ich bin unendlich dankbar für die Erfahrungen, die ich hier sammeln konnte und dankbar für die Mühe und Zeit, die sich alle genommen haben.
Diese Zeit hat mich nach einem sehr theoretischen Studium und nach wegen Covid online absolvierten Blockpraktika nachhaltig geprägt und mir sicherlich einen entscheidenden Schliff verpasst.
Auch die Begleitveranstaltungen, die Themen- und Fallbesprechungen, die Journal Clubs, die Teachings haben mich geprägt und mir gezeigt, wie wertvoll und gewinnbringend der Austausch unter Kollegen ist und wie wichtig es ist, sich stets fachlich auf dem Laufenden zu halten. Es war auch so angenehm, als Kollegin wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden.
Ich werde die Zeit hier nie vergessen und stets mit großer Dankbarkeit zurückblicken.
Woche 15: 03.10. – 09.10.2022
URLAUB
Woche 16: 10.10. – 16.10.2022
URLAUB
Anja Stadler
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Woche 1: 16.05. – 22.05.2022
…und plötzlich ist es so weit. Als ich vor fünf Jahren mein Studium der Humanmedizin begann und mich tierisch darüber freute, tatsächlich einen Studienplatz bekommen zu haben, schien die Situation, vor einem Patienten zu stehen und für diesen und dessen Behandlung mitverantwortlich zu sein, noch himmelweit entfernt. Als ich am Sonntagabend vor dem ersten Tag die letzten Jahre rekapitulieren lasse und mir dabei klar wird, dass es jetzt tatsächlich auf die Zielgerade geht auf dem Weg, Ärztin zu werden, ist mir doch ein bisschen mulmig zumute und ich bin doch ein bisschen nervös - obwohl ich die Praxis und einige der Ärzte und Ärztinnen dort schon kennenlernen durfte und mir die Praxis längst ans Herz gewachsen ist. Tatsächlich ist es jetzt so weit - am Montag steht der erste Patient in der Praxis in Auerbach vor mir. Der Einstieg in das PJ-Tertial gestaltete sich jedoch sehr sanft, da ich erstmal mit Dr. Kalmancai, dem Arzt vor Ort in Auerbach, mitlaufen durfte und beobachten durfte, wie er an Anamnese, klinische Untersuchung und Therapie herangeht. Was schon ein riesen Vorteil in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald ist: man lernt viele verschiedene Ärztinnen und Ärzte kennen, deren Verhaltensweisen gegenüber den Patienten und Patientinnen und ihre Arbeitsweisen, von denen man sich vieles abschauen kann und in seine individuelle Herangehensweise einbauen kann. Der erste Tag ging rum wie nix und am Ende des Tages habe ich zwar einen rauchenden Kopf, aber auch ein ziemlich gutes Gefühl in der Tasche, dass die nächsten vier Monate richtig gut werden könnten - mit diesem Gedanken falle ich in einen tiefen, wohlverdienten Schlaf.
Als der Wecker am nächsten Morgen um 6 Uhr klingelt brummt mir erstmal mein Kopf: die Umstellung vom doch sehr lockeren Studentenleben auf den knallharten Arbeitsalltag mit Beginn um 8 Uhr fällt mir die ersten Tage nicht allzu leicht - trotzdem freue ich mich schon wieder auf den Tag und bin gespannt, was er alles bringt. Dr. Kalmancai erklärt und zeigt mir ganz viel und heute darf ich auch zu Patienten vorgehen und schonmal vorab die Anamnese, klinische Untersuchung und Sonographie durchführen. Das Konzept, dass man zu den Patienten vorgeht und ein Arzt am Ende nachkommt und über alles nochmal drüber schaut und die Therapie mit einem bespricht finde ich ziemlich genial: man hat dabei die Chance, seinen eigenen Stil zu entwickeln, Verschiedenes auszuprobieren und dann nochmal zu gucken, was man vielleicht anders machen könnte. Mittags haben wir dann ein virtuelles Meeting mit den anderen Praxisstandorten - darin werden Patientenfälle besprochen, die die Ärztinnen und Ärzte aus ihrem Alltag mitbringen und nicht weiter kommen oder sich in manchen Sachen nicht sicher sind und sich ein Feedback von den KollegInnen einholen können - gerade für Anfänger, aber auch für erfahrenere ÄrztInnen eine wunderbare Möglichkeit, sich nochmal rückzuversichern und Verantwortung zu teilen. In der Mittagspause gehe ich dann ein bisschen im Park spazieren und stelle mal wieder fest, wie unglaublich schön es eigentlich im Bayerischen Wald ist - trotz der Tatsache, dass es meine Heimat ist, muss ich immer wieder feststellen, dass es einfach ein wunderbares Fleckchen Erde ist :) .
Die restliche Woche vergeht eigentlich wie im Flug. Wir sind immer gut beschäftigt mit Fortbildungen (Montagsfortbildungen, Fallvorstellungen, PJ-interne Fortbildungen und Mittwochsfortbildungen) - man kann davon unglaublich viel mitnehmen und langsam habe ich das Gefühl, einen Überblick über die ganzen Veranstaltungen zu bekommen - freue mich dann aber trotzdem, als es Freitag Mittag ist und ich bei Sonnenschein und 27 Grad Außentemperatur über die heimischen Berge nach Hause kurve.
Woche 2: 23.05. - 29.05.2022
Die zweite Woche in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald beginnt in Lalling, wo ich die ganze Woche verbringen werde. Am Montag ist den ganzen Tag über viel los und manche von den Patienten sehe ich bereits ein zweites Mal. An diesem Tag fallen viele Routinearbeiten an, doch immer wieder ist ein Patient/eine Patientin dabei, wo wir weiter nachforschen müssen, sei es durch eine ausführlichere Anamnese, den Austausch mit KollegInnen oder weiterführende Untersuchungen – das ist wohl auch die Kunst als Hausarzt: unter den vielen „harmloseren“ Fällen die Patienten rauszufinden, die akut Hilfe brauchen und die akut gefährdet sind - nicht immer ganz einfach, wie mir scheint. Was ich aber diese Woche unter anderem mitnehmen konnte, ist, dass gerade die teilweise jahrelange Betreuung der PatientInnen hier ein großer Vorteil ist: die ÄrztInnen kennen ihre PatientInnen und können daher die Lage oft auch aufgrund ihres Bauchgefühles besser einschätzen. Nicht nur eine Krankheit behandeln, sondern den Patienten dahinter sehen, seine familiäre Situation kennen und psychosoziale Aspekte seines Lebens in die Behandlung miteinzubeziehen und somit eine viel breitere Sichtweise auf körperliche oder psychische Gegebenheiten zu erhalten – das macht für mich den Beruf des Hausarztes so reizvoll und interessant. Die Möglichkeit, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, was über Jahrzehnte bestehen kann und stets ein wichtiger Begleiter im Leben der PatientInnen zu sein, das habe ich in meiner bisherigen Ausbildung so nur in der Hausarztpraxis gesehen. Am Montag nach der Sprechstunde ist dann noch eine Fortbildung zum Thema „Rotes Auge“ angesagt – spannend und unglaublich wertvoll, diese Mischung aus Lehrbuchwissen auf studentischer Seite, die gerade frisch gebacken aus dem Studium kommen und langjähriger Erfahrung der erfahrenen Ärzte, von denen wir als Studenten unheimlich profitieren können. Eine klassische Win-Win-Situation also.
Am Dienstag habe ich dann in der Sprechstunde öfter die Gelegenheit, eine Ultraschalluntersuchung durchzuführen – zugegebenermaßen an manchen Stellen noch etwas holprig, aber bekanntlich macht Übung den Meister, Dranbleiben ist hier also mein Motto und ich nehme mir vor, mich möglichst viel mit dem Ultraschallgerät auseinanderzusetzen und so viel zu üben, wie nur möglich. Hier bietet die Hausarztpraxis ein gutes Übungsfeld: man hat viele Patienten, die zum Check-up kommen und man darf dann auch als PJ’ler vorgehen und schonmal vorab schallen. Und zu meiner eigenen Überraschung merke ich tatsächlich, dass es von mal zu mal besser geht und das Ultraschallgerät und ich allmählich Freunde werden. Mittags ist dann wieder Fallbesprechung und danach geht’s erstmal in die Mittagspause.
Am Mittwoch haben wir dann nachmittags eine neue Fortbildungsreihe, die Herr Dr. Blank in Kooperation mit dem Krankenhaus in Cham ins Leben gerufen hat – hier dürfen wir Studenten spannenden Vorträgen von Experten lauschen, außerdem sind zwei Nachmittage vor Ort in Cham geplant. Die Themen reichen vom Umgang mit schwierigen Patienten bis hin zur Echokardiografie – tolle Möglichkeit, nimmt man natürlich gerne mit!
Die restliche Woche vergeht wie die erste mal wieder wie im Flug und ich muss feststellen, dass mir die Arbeit hier schon ziemlich gut gefällt und mir Freude macht. Man wird zwar ordentlich gefordert, dafür darf man aber auch viel selber machen, ohne alleine komplett verantwortlich zu sein, denn die Ärzte schauen immer nochmal drüber. Überhaupt kann man diesen immer und überall Fragen stellen – ein unglaublich nettes und engagiertes Team, das einen gleich zu Anfang total herzlich aufnimmt und einem wirklich was beibringen will, stets ein offenes Ohr hat und alles in allem einfach super ist.. ein großes Lob an dieser Stelle an das klasse Team aus ÄrztInnen und Arzthelferinnen!
Woche 3: 30.05. - 05.06.2022
Die dritte Woche beginnt in Schöfweg bei Frau Dr. Kleudgen, bei der ich Montag und Dienstag verbringen werde. Nachdem ich jetzt schon verschiedene Praxen und verschiedene Ärzte kennenlernen durfte stelle ich fest, dass jede Praxis ihren eigenen Rhythmus hat und jede irgendwie ihren Charakter hat. Als PJ’ler hier hat man die Gelegenheit, in jede Praxis mal hinein zu schnuppern und sich dann zu entscheiden, wo man vorrangig sein möchte – so ist jedenfalls der Plan. Man kann sich also die Standorte heraussuchen, die einem persönlich am besten liegen, was auf jeden Fall ein Pluspunkt ist. Ich laufe also in Schöfweg erstmal ein bisschen mit Frau Dr. Kleudgen mit, sehe, wie sie arbeitet und wie sie vorgeht. Danach darf ich mir wieder meine eigenen Patienten mitnehmen – dadurch lernt man wirklich unglaublich viel, weil man nicht nur passiv zusieht, sondern viel mehr in der Rolle des Arztes ist und viel aufmerksamer ist. Wenn dann der hinzukommende Arzt das gleiche feststellt, die gleichen Befunde erhebt und vielleicht sogar die Therapie vorschlägt, die man selber zu einem bestimmten Fall im Kopf hat, dann ist das immer ein kleines Erfolgserlebnis – genau so wie man dazulernt, wenn man sieht, wie es anders vielleicht besser gewesen wäre oder wie man dann tatsächlich in der Hausarztpraxis therapiert. Erste Lerneffekte stellen sich nun bereits bei mir ein – mit jedem Mal, dass ich selber „Arzt spielen“ darf, merke ich, wie ich selbstsicherer werde, v.a. im Umgang mit den Patienten. Das ist auch tatsächlich das, was in keinem der vielen Lehrbücher steht, die im Studium gebüffelt werden müssen: das Gefühl und die Empathie für den Patienten und auch der Umgang mit mal schwierigeren Patienten.
Und mal wieder sehe ich mich mit dem Ultraschallgerät konfrontiert – wo ich letzte Woche noch voller guter Dinge war, merke ich diese Woche, wieviel es noch zu lernen gibt und wie komplex das Thema eigentlich ist. Mich interessiert dieses diagnostische Tool einfach wirklich sehr, weil man damit in der Hausarztpraxis viel selber diagnostizieren kann, wenn man es denn gut beherrscht, deshalb laufe ich wann immer es geht bei Check-ups mit und schalle danach immer nochmal nach, wenn die Patienten denn noch Zeit haben für mich, was meistens der Fall ist – ich habe das Gefühl, dass diese das meistens ganz nett finden, wenn nochmal jemand draufschaut und sie zu einer guten Lehre beitragen können. Eigentlich ist das, was man ultraschalltechnisch erlernen könnte, ein Fass ohne Boden und ich nehme mir vor, sobald ich die Möglichkeit dazu habe, einen Sonografie-Kurs zu belegen und mich da mal richtig reinzuschmeißen.
Diese Woche gibt es wieder viele spannende Fälle zu betreuen. Die unter Studenten oftmals vorherrschende Meinung, der Hausarzt betreue sowieso nur Grippe- und Kreuzschmerzpatienten, kann ich einfach gar nicht bestätigen: es bietet sich mir hier in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald die volle Bandbreite der Medizin – vom Nagelpilz bis zur seltenen Autoimmunerkrankung. Es überrascht mich jedes Mal aufs Neue, mit was die Patienten zu uns kommen und was sie nebenbefundlich mitbringen. Im Studium dachte ich mir noch, von einem Morbus Sudeck werde ich wahrscheinlich bis auf die Vorlesung nie wieder was hören – fehl gedacht. Überhaupt wächst meine Liste an Sachen, die ich gerne nachlesen möchte, von Tag zu Tag mehr und ich komme kaum hinterher, das alles nach zu recherchieren. Ich behalte also einen kühlen Kopf und mein Motto der Woche ist: ein Schritt nach dem anderen, kein Meister ist vom Himmel gefallen. Die Woche ist viel los und am Freitagmittag schwirrt mir nun endgültig der Kopf – bei aller Freude, die ich in den Praxen habe, freue ich mich nun trotzdem tierisch aufs Wochenende: also Sonnenbrille auf, ab ins Auto und ab über die grünen Wiesenhügelchen nach Hause für zwei Tage Sendepause.
Woche 4: 06.06. – 12.06.2022
Kaum zu glauben, aber wahr: es ist tatsächlich schon ein Monat vergangen, seitdem ich mein Tertial in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald begonnen habe. Langsam habe ich das Gefühl, einen groben Überblick über die Praxisabläufe bekommen zu haben und in den Praxen „mitschwimmen“ zu können. Ich war die Woche viel bei Dr. Kalmancai, von dem ich aufgrund seines chirurgischen Hintergrundes etliche kleinchirurgische Sachen mitbekommen habe, was unglaublich viel Spaß gemacht hat. Das Gefühl, dem Patienten sofort helfen zu können und sofort die Konsequenz des eigenen Handelns zu sehen finde ich an der Chirurgie total schön. Umso besser, dass man auch als Hausarzt mal hi und da schneiden darf – so kann man als Hausarzt individuellen Interessen nachgehen und für sich auch Akzente und Schwerpunkte setzen.
Am Mittwoch durften wir PJ’ler dann noch Themen aus dem PJ-internen Teaching im bayernweiten Journal Club vorstellen – einem Format, in dem verschiedene Ärzte verschiedene Studien vorstellen, die sie interessieren und die dann gemeinsam diskutieren. So konnten wir uns zu den Themen „Harnwegsinfekt“ und „Müdigkeit“ wertvolle Tipps von den erfahrenen Ärzten holen, was unglaublich hilfreich und lehrreich war.
Donnerstag und Freitag war ich dann bei Dr. Machac in Kirchberg und konnte von seinem umfangreichen internistischen Wissen profitieren – egal was man fragt, ich bin mir sicher, er kann zu so ziemlich jedem Thema aus dem Stegreif einen Vortrag halten! Und wieder sehe ich Patienten ein zweites oder sogar ein drittes Mal. Von herausgeschnittenen Leberflecken, über Wundkontrollen, Impfungen und Herzechos ist diese Woche eigentlich alles dabei. Gleichzeitig das schöne, aber auch das herausfordernde an der Allgemeinmedizin: es ist das Wissen aus allen Fachrichtungen gefragt. Einerseits wird einem nie langweilig, andererseits frustriert mich diese Woche die Tatsache, dass das, was man wissen sollte oder könnte, ein Fass ohne Boden ist. Die Teachings und v.a. die Vernetzung der Ärzte untereinander ist hier eine große Hilfe und gibt auf jeden Fall Sicherheit. Diese Woche habe ich mich nochmal intensiver mit der orthopädischen Untersuchung der großen Gelenke auseinandergesetzt – die theoretischen Grundlagen aus dem Studium können nun endlich umgesetzt werden und ich bin überrascht, wieviel einem die körperliche Untersuchung zusammen mit der Anamnese weiterhelfen kann, wenn man beides gründlich und korrekt macht. An der Uni wird man doch eher auf die apparative Diagnostik getrimmt und lernt, alle möglichen Testergebnisse, apparativen diagnostischen Verfahren auszuwerten – dabei wird die Kommunikation mit dem Patienten, das aktive Zuhören, das Beobachten und die körperliche Untersuchung oft ein bisschen stiefmütterlich behandelt – so zumindest an meiner Uni. Das ist eine der Kernlehren, die ich hier gerade für mich mitnehme: durch Anamnese, genauem Beobachten und Befragen des Patienten, durch Aufbauen einer Beziehung zu diesem, allgemein durch Wahrnehmung des Patienten mit allem, was dieser mitbringt, hat man schon ganz viel geschafft und kann damit schon ganz viel anfangen, ohne gleich zu weiteren diagnostischen Schritten überzugehen – auch wenn diese natürlich dann in vielen Fällen trotzdem notwendig werden. So, jetzt geht’s wieder mal in das wohlverdiente Wochenende und ich sage Tschüss, bis zum nächsten Eintrag!
Woche 5: 13.06. – 19.06.2022
Diese Woche gibt es tatsächlich ein bisschen weniger zu berichten, da ich nur bis Mittwoch in den Praxen unterwegs bin. Da am Donnerstag Feiertag ist, habe ich mir Freitag einen Brückentag gegönnt und freue mich auf ein paar freie Tage – die ich trotzdem nutzen werde, um meine mittlerweile reichlich lange Nachleseliste abzuarbeiten. Trotzdem gab es auf die drei Tage wieder viele interessante Dinge zu sehen. Heute hatte ich z.B. eine Patientin, die nach einer Amoxicillin-Gabe im Krankenhaus ein Stevens-Johnson-Syndrom entwickelt hatte – für mich war das ziemlich eindrücklich zu sehen und ein Paradebeispiel dafür, dass wir als zukünftige Ärztinnen und Ärzte nicht immer nur helfen, sondern im schlimmsten Fall den PatientInnen auch schaden können mit unseren Therapien. Jedenfalls hat sich das Bild der Patientin bei mir sehr eingeprägt und mir gezeigt, warum man vielleicht nicht immer gleich mit der ganzen Therapiepalette der Medizin ankommen sollte, sondern sich genau überlegen sollte, ob man dem Patienten wirklich nutzt oder ihn nur unnötigen Risiken durch die Therapie aussetzt. Es wird schließlich nicht nur unsere Aufgabe sein, die Patienten stur nach Schema zu therapieren, sondern sie auch vor möglichen Schäden durch zu viele unnötige Therapien zu bewahren. Der Patientin in oben geschilderten Fall geht es zum Glück wieder gut und ist wohlauf.
Jetzt in der fünften Woche merke ich, dass man langsam aber stetig eine Bindung zu manchen Patienten aufbaut, die man nun schon häufiger gesehen hat – wenn diese fragen, ob man denn das nächste Mal auch wieder da sei, ist das schon ein sehr schönes Gefühl und ich merke, wie viel auch von den Patienten an Dankbarkeit und Wertschätzung zurückkommt. Ich fühle mich mittlerweile schon wie ein kleiner Bestandteil aus dem großen Ganzen der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald und fühle mich pudelwohl inmitten der Gesamtheit aus fleißigen Arzthelferinnen, lehrenden ÄrztInnen, herumwuselnden StudentInnen und einem nicht leer werden wollenden Wartezimmer voller PatientInnen, die gerade darauf warten, von uns voruntersucht zu werden. :-)
Am Mittwoch waren wir dann noch nach Cham zum Notfall-Teaching eingeladen, was nochmal eine gute Auffrischung unseres Notfallwissens mit sich brachte und wir auch nochmal Gelegenheit hatten, Reanimationen zu üben und uns die Sachen drum rum mal anzuschauen. Auch an Fragen unsererseits mangelte es nicht und ja, auch als Allgemeinmediziner ist man als Notarzt durchaus gefragt – nach einer Zusatzausbildung und einer Prüfung hat man die Möglichkeit, später neben der Arbeit in der Praxis auch als Notarzt zu fahren – spannend!
Nach einem langen Tag verabschiede ich mich und sage wieder Tschüss, bis zum nächsten Mal!
Woche 6: 20.06. – 26.06.2022
Mit neuem Schwung geht’s in die neue Woche und man merkt, dass letzte Woche ein Feiertag war – das Wartezimmer scheint immer voller und voller zu werden, die Ärzte sind am rotieren. Von unklaren Bauchschmerzen, über Schilddrüsenknoten bis hin zur seltenen Rheumaform ist an diesem Tag eigentlich irgendwie alles dabei – da freut man sich zwischendurch über den Patienten, der lediglich eine Krankschreibung braucht und somit eine kleine Pause von den vielen Fragezeichen bietet, die sich im Laufe des Vormittags bei mir hervor tun. Zum Glück habe ich eine sehr geduldige und kompetente Fachärztin an meiner Seite, die trotz voller Stube immer wieder zwischendurch die Zeit findet, mir kurz was zu erklären. Auch das Ultraschallgerät ist wieder in vollem Einsatz und ich freue mich, dass das immer besser klappt – jetzt kann ich auch endlich mal den PatientInnen auf dem Sono-Bildschirm zeigen, was in deren Bauch so los ist, worauf hin diese meistens nur nett nicken und lächeln, was mich unweigerlich an meine Reaktion erinnert, als mir ÄrztInnen zu Beginn meines klinischen Abschnitts erklären wollten, wie der Ultraschall funktioniert :-).
Am Dienstag steht dann meine Hospitation bei Dr. Werner im MVZ in Regen an, ein unglaublich netter Internist, der sich ganz viel Zeit für seine PatientInnen nimmt und sehr gründlich und strukturiert arbeitet – eine klare Empfehlung, sich mal dort um einen Hospitationstermin zu kümmern, falls man sich entschließt, sein PJ in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald zu absolvieren. An diesem Dienstag kommen viele Kardio-PatientInnen und ich kann mir einige Tipps abholen, wie man nochmal besser aufs Herz horcht und beispielsweise eine Aortenklappenstenose besser hören kann bei der Auskultation. Am Ende des Tages präsentiert sich noch ein dramatischer Patientenfall und ich merke, wie mich das die Tage drauf beschäftigt und mich nicht so recht loslassen mag – auch das gehört wohl einfach zum Beruf und man muss lernen, mit traurigen Patientenfällen umzugehen. Die restlichen Tage der Woche ist wieder vieles geboten und ich komme endlich ein bisschen dazu, meine Nachleseliste heranzuziehen und Sachen, die sich mir in der Praxis präsentieren, auch mal nachzuschlagen. Ich merke, wie sehr ich davon profitiere, die Sachen nicht nur stur auswendig zu lernen, sondern eine/n PatientIn dazu im Kopf zu haben, seine/ihre Geschichte selber zu hören, selber Befunde dazu zu erheben, sehen, wie die ÄrztInnen therapieren und dann nochmal Lücken mit dem Nachschlagen aufzufüllen.
Am Donnerstagabend gings dann noch mit den anderen PJ’lerinnen und zwei der Assistenzärztinnen zum Italiener – ein Abschiedsessen für Hannah und Caro, die uns leider diese Woche verlassen werden, worüber ich schon ein wenig traurig bin. Ich wünsche den beiden das Allerbeste für die Zukunft und hoffe darauf, dass sie vielleicht für die Weiterbildung nochmal zurückkommen in die Praxis im Bayerwald :-). Sooo für heute ists genug, ich verabschiede mich ins Wochenende und sage bis zum nächsten Mal!
Woche 7: 27.06 – 03.07.2022
Diese Woche begrüßen wir drei neue PJ’lerinnen bei uns: Franziska, Sabine und Nicole. Mirjam und ich freuen uns über diese Verstärkung und sind schon ganz gespannt auf die drei. Sie werden auf die beiden Unterkünfte in Kirchberg und Grafenau aufgeteilt, wo sich alle mittlerweile gut eingelebt haben – trotz Startschwierigkeiten mit einem kaputten Auto, das gerade noch die Strecke von Freising bis Kirchberg im Wald mitgemacht hat und dann beschlossen hat, hier den Geist aufzugeben. Mittlerweile ist auch das Problem glücklicherweise (fast) behoben, denn ohne Auto ist man hier echt komplett aufgeschmissen :-). Zur Not gäbe es auch noch das Praxisauto, das man auch mieten könnte, falls man doch ohne Auto anreist und es bieten sich auch immer verschiedene Fahrgemeinschaften mit den ÄrztInnen oder StudentInnen an.
Die drei haben gleich anfangs eine volle Woche mit Sprechstunden, Fallbesprechungen, Cham-Teachings und Journal-Club, der als Krönung der Woche am Mittwoch mit anschließendem Essengehen stattfindet. Ich mag diese Zusammenkunft verschiedener ÄrztInnen in der Region – man kann Fragen stellen, erfahren, wie diese ÄrztInnen die Dinge sehen und wie sie therapieren und knüpft nebenbei wichtige Kontakte. Die Runde ist einfach unglaublich sympathisch und die Diskussionen super interessant und auch wir als StudentInnen werden voll miteinbezogen in Präsentationen und Diskussion. Danach geht’s noch zum gemütlichen Beisammensein in eine Pizzeria direkt am Fluss Regen – ein schöner Abend mit netten Leuten an einem lauwarmen Sommerabend mit gutem Essen – was will man mehr :-).
Am Donnerstag begrüßen wir unsere drei neuen Mitstreiterinnen nochmal in persönlicher PJ’ler-Runde mit viel Kuchen und Kaffee – wobei man die Woche schon unter das Motto kulinarische Genusswoche stellen könnte, auch das muss sein! Frisch gestärkt machen wir uns erst an die ganze Organisation und verteilen unsere PJ’ler-Aufgaben untereinander, danach besprechen wir noch die Leitlinie zur akuten und chronischen Gicht. Gut gelaunt verabschieden wir uns um ca. 18 Uhr voneinander – das wird sicher eine gute Zeit mit dieser Truppe! Freitag Vormittag vergeht dann auch noch wie im Flug und dann ist die Woche auch schon wieder geschafft, denn Freitagnachmittag ist für uns Studentinnen frei, worüber wir nicht traurig sind :-). Alles in allem wieder eine schöne, lehrreiche Woche mit ganz vielen Eindrücken und ganz nebenbei stelle ich fest, dass ja schon Halbzeit ist. Verrückt, wie schnell hier die Zeit vergeht!
Woche 8: 04.07. – 10.07.2022
Der Montag dieser Woche startet wieder mit einem vollen Wartezimmer wie das montags irgendwie schon fast üblich ist. Die erste halbe Stunde bin ich allerdings damit beschäftigt, wegen eines Patienten einen Spezialisten aus der weiteren Umgebung zu erreichen. Als ich diesen telefonisch erwische, bin ich sehr angenehm überrascht, wie er sich ganz geduldig unsere Befunde anhört und versichert, dass er sich den Patienten so bald wie möglich anschauen wird. Dann gibt er noch Hinweise, wie wir den Patienten zur Überbrückung bis zum Termin bei ihm therapieren sollten. Für mich ist es eine sehr positive, wenn auch erstmal etwas ungewohnte Erfahrung, von einem erfahrenen Kollegen jetzt als PJ-Studentin tatsächlich auch einfach ernst genommen zu werden und schon als (fast) Ärztin wahrgenommen zu werden. So diskutiert er telefonisch mit mir die Ergebnisse aus bereits stattgefundenen weiterführenden Untersuchungen bei anderen Spezialisten und unserer Blutuntersuchung zusammen mit dem klinischen Bild und ich bin ganz überrascht, wie hier an der Stelle die Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Spezialist wunderbar funktioniert und nur zum Besten des Patienten agiert wird. Von dem Gefühl beflügelt, wirklich was Positives für den Patienten bewirkt zu haben, schwinge ich mich in die restliche Sprechstunde und auch wenn manches noch etwas unstrukturiert von Statten geht, kann mich heute irgendwie nichts aus der Ruhe bringen oder mir schlechte Laune machen :-).
Gerade jetzt, wo ich schon etliche Zeit viel an einem Standort verbringe, merke ich, wie spannend und interessant es ist, PatientInnen immer wieder zu sehen und den Verlauf ihrer Beschwerden unter Einfluss unserer Therapien zu verfolgen. Genau aus diesem Grund macht es lerntechnisch, zumindest für mich, Sinn, sich auf zwei Standorte (wie es auch im PJ hier vorgesehen ist) zu beschränken. Auch PatientInnen dadurch wiederzuerkennen und sich darüber zu freuen, dass man wieder da ist, macht schon Spaß und ich kann mir gut vorstellen, dass man eine richtige Bindung zu ihnen aufbauen kann, wenn man dauerhaft hier arbeitet.
Am Mittwoch findet dann das letzte Mal ein Cham-Teaching statt, was ich schon ein bisschen schade finde, denn diese Teachings, die wirklich ausnahmslos echt klasse waren und von wirklich engagierten ÄrztInnen abgehalten wurden, stellen für mich einen echten Zugewinn fürs PJ dar. Die Themen waren danach ausgewählt, was einem in der Hausarztpraxis fast tagtäglich über den Weg läuft und waren somit eine große Hilfe, etwas Ordnung in die große Bandbreite der hausärztlich relevanten Themen zu bringen. An dieser Stelle nochmal ein ganz großes Lob an Dr. Blank zusammen mit allen Mitbeteiligten, die sich große Mühe und großen Aufwand machten, das auf die Beine zu stellen und ganz herzlichen Dank an alle! Hoffentlich bleibt dieses Format auch für zukünftige PJ-Gruppen bestehen!
Das Thema der PJ-internen Fortbildung ist diese Woche Diabetes und wir stellen schnell fest, dass das quasi ein Fass ohne Boden ist – mir wird besonders bei diesem Thema klar, dass es oft nicht einfach ist, eine Grenze zwischen dem Aufgabenbereich der Hausärzte und dem der Spezialisten zu ziehen. Wie weit möchte man als Hausarzt/Hausärztin den Patienten auf eigene Faust therapieren und ab welchem Punkt schickt man diesen besser weiter? Wie weit möchte man alleine Verantwortung übernehmen und wo steckt man seine eigenen Grenzen? Auch das Erkennen und vor allem das Anerkennen eigener Grenzen ist ein ganz wichtiger Punkt in der hausärztlichen Tätigkeit und auch das diskutieren wir immer wieder mal in der Gruppe: dass ein Hausarzt/Hausärztin nicht alles können und wissen muss, sondern durchaus PatientInnen auch mal an einen Spezialisten oder eine Spezialistin abgeben darf - das Wohl des Patienten/der Patientin sollte schließlich stets immer im Zentrum des eigenen Handelns stehen!
Woche 9: 11.07. – 17.07. 2022
Die neunte Woche meines PJs in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald startet etwas anders als sonst - wir haben aufgrund der rasant ansteigenden Covid-Infektionen Personalmangel, was sich Anfang der Woche durch stressige und volle Vormittags-Sprechstunden äußert. Lediglich am Dienstag ist es etwas ruhiger und als wir in die Mittagspause starten, beschließe ich, Auerbach zu Fuß zu erkunden und entdecke einen wunderbaren Naturpfad durch die hiesigen Wälder samt Obstplantage und herrlichen Ausblicken auf die Auerbacher Umgebung. Anfangs gehts durch eine wilde Natur an einem Fluss entlang und ich beschließe, von meinem anfänglichen Plan, nur einen kleinen Spaziergang zu unternehmen, abzuweichen und daraus eine kleine Mittagswanderung zu machen - was bei knapp drei Stunden Mittagspause locker möglich ist. Leider mache ich unfreiwilligerweise noch einen kleinen Umweg, da mich mein Orientierungssinn wie schon so oft mal wieder im Stich lässt - aber auch das stellt sich im Nachhinein als ganz willkommen heraus, denn es erstreckt sich vor mir ein weiter Ausblick über die umliegenden Hügelchen und Ortschaften. Gestärkt von den schönen Eindrücken trete ich meinen Rückweg von meiner Auerbach-Expedition an und die restlichen zwei Stunden laufen wie geschmiert - was so eine kleine Pause nicht alles bewirken kann.
In unserer PJ-internen Fortbildung geht es diese Woche um das Leitsymptom Nackenschmerzen. Die Runden, in denen nur wir PJ-lerinnen zusammen kommen, bringen uns unglaublich viel, denn wir sind vom Wissen her alle auf einer Wellenlänge und alle motiviert, uns für das zukünftige Arbeitsleben und nicht zuletzt auch aufs mündliche Examen adäquat vorzubereiten. Wir machen also aus einer unliebsamen Tätigkeit, nämlich Leitlinien von vorne bis hinten alleine durchzuarbeiten, einen Nachmittag zusammen, der uns wirklich auch Spaß macht. Jeder bereitet in einer vorgegebenen Zeit ein Thema vor.. einer übernimmt beispielsweise alles zur Diagnostik, der andere alles zur Therapie und die anderen kümmern sich um die Differentialdiagnosen und noch ein anderer um die wichtigsten Medikamente mit Kontraindikationen zu einem bestimmten Thema. Danach stellt jeder sein Gebiet vor und wir notieren uns für zukünftige Journal Clubs Fragen, die wir an die routinierten ÄrztInnen stellen wollen. Nach 2-3 Stunden, die diese Treffen ca. dauern, raucht einem zwar der Kopf, aber man hat wirklich das Gefühl, ein Thema tiefer durchstiegen zu haben und etwas mitzunehmen und wer weiß, am Tag darauf kommt vielleicht ein Patient mit genau jenen Beschwerden und dann weiß man, was zu tun ist! :-)
Ende der Woche kommen dann weniger spektakuläre Fälle in die Praxis, sondern eher Routinesachen wie Verbandswechsel, Medikamentenumstellung, Blutdruckkontrollen und weiteres - trotzdem gilt es, bei jedem Patienten aufmerksam zu bleiben und auf Einzelheiten zu achten, denn kein Fall ist wie der andere. Und auch das gehört zum Job - Sachen abzuarbeiten und dabei immer konzentriert zu bleiben, egal, wie oft man dieses und jenes schon gemacht hat. So viel zu der neunten Woche meines PJs - am Freitag gehts dann wieder ins Wochenende und ich freue mich, zwei Tage, so gern ich die Medizin auch habe, mal abschalten zu können.
Woche 10: 18. – 24.07.2022
Die ersten drei Tage verbringen Mirjam und ich in der Rehaklinik in Schaufling zur Hospitation bei Dr. Buvar. Von meiner anfänglichen Skepsis und der Annahme, dass in einer Rehaklinik wohl nicht so viel spannende Sachen zu sehen sind, bin ich komplett vom Gegenteil überzeugt worden. Die interdisziplinäre Arbeit und Zusammenarbeit von ÄrztInnen aus verschiedenen Fachrichtungen, PhysiotherapeutInnen, ErgotherapeutInnen, PsychotherapeutInnen und Pflegepersonal ist total interessant, denn sie lässt eine Erkrankung aus verschiedenen Perspektiven betrachten und einschätzen. Dass man eine Erkrankung von mehreren therapeutischen Seiten angeht, sowohl psychisch als auch somatisch, und dafür genügend Zeit zur Verfügung steht, sich eingehend mit den PatientInnen zu beschäftigen, hat mir sehr gut gefallen. Auch, dass, anders als in der Akutklinik, der Fokus darauf gelenkt ist, die PatientInnen wieder fit für den Alltag nach einer OP zu machen und das Maximale aus ihnen rauszuholen, sodass sie sich möglichst eigenständig versorgen können und in ihrem Rahmen eine maximal hohe Lebensqualität zurückerhalten, hat mich sehr positiv gestimmt. Wo doch in der Akutklinik die PatientInnen gefühlt viel zu früh entlassen werden, nachdem sie einigermaßen stabil sind, war es schön zu sehen, dass es in Rehakliniken etwas anders läuft.
Auch die allgemeine Urlaubsstimmung, die stets in der Luft liegt und gegen die man sich bei diesem Ausblick aus der Klinik unweigerlich wehren kann, trägt zur allgemeinen Heiterkeit bei und ist im Team deutlich spürbar – aus dem klinischen Alltag kenne ich eher den stets vorhandenen Stress und Zeitdruck, das läuft in Schaufling deutlich anders. So dürfen wir unterschiedliche Therapien begleiten, so z.B. die Laufgruppe, Lymphdrainagen, Elektrotherapien und Ultraschalltherapien, Bogenschießen und vieles andere – wir laufen mit PhysiotherapeutInnen und Fachpersonal für physikalische Therapie mit und es offenbart sich uns eine Ecke aus der Medizin, mit der wir beide im Studium kaum in Berührung gekommen sind – die Ecke der physikalischen und rehabilitativen Medizin.
Am nächsten Tag dürfen wir dann mit zur Chefvisite und zu Patientenaufnahmen – wir stellen PatientInnen in der morgendlichen Teambesprechung vor und lernen die Arbeit als Arzt in einer Rehaklinik kennen – sicherlich hat dieser viel mit Dokumentation und Anträgen für die Rentenversicherungen zu tun, gleichzeitig begleitet er PatientInnen, die meistens während der paar Wochen Aufenthalt deutlich besser werden und große Fortschritte machen. Sicherlich ist das oft ein Erfolgsgefühl, wenn man direkt sehen kann, was die Therapien hier ausmachen und den Menschen helfen. Während der drei Tage bekommen wir noch einen Refresher-Kurs in orthopädischen Untersuchungstechniken und ich fühle mich die Woche darauf in der Praxis deutlich sicherer und besser, wenn OrthopatientInnen hereinspazieren – ich hau gleich mal alle Untersuchungen raus, die wir auf die drei Tage gelernt haben und da in die Hausarztpraxis viele OrthopatientInnen kommen, bietet sich mir ein optimales Umfeld, das aufgefrischte Wissen gleich zu vertiefen. Ich kann also ein Häkchen hinter dem Punkt „Orthopädische Untersuchung endlich richtig durchführen können!“ auf meiner To-do-Liste setzen.
Am letzten Tag kommen Orthopädietechniker in die Klinik und wir dürfen ausprobieren, wie es sich anfühlt, mit einer Beinprothese zu laufen, dürfen PatientInnen befragen und sehen, die eine Beinprothese nach Amputationen tragen und einen Patienten mit MS, der durch Elektrostimulation am Unterschenkel wieder richtig gehen kann, ohne dabei das Bein nachziehen zu müssen, weil er es nicht mehr heben kann. Fasziniert verfolge ich die Zusammenarbeit zwischen Orthopädietechnikern und Orthopäden, die Hand in Hand das Beste für die PatientInnen rausholen und bin begeistert, mit welch einfachen Mitteln den PatientInnen signifikant im Alltag geholfen werden kann. Zur Krönung der Hospitation haben uns die Ortho-Techniker noch Eis mitgebracht – bei 32 °C im Schatten die perfekte Abkühlung.
Froh darüber, die Hospitation gemacht zu haben und dankbar, dass man uns so ein tolles Programm zusammengestellt hat, verlasse ich am Mittwoch die Klinik und nehme mir vor, noch mehr über die Rehamedizin zu lernen und zu lesen. So fand ich z.B. total spannend, dass Wärme bzw. Kälte bei diversen Gelenkerkrankungen sehr viel bringen kann – wo wir doch schnell zu Medikamenten greifen, wäre es da manchmal nicht sinnvoller, v.a. bei Multimedikation erst auf nichtmedikamentöse Maßnahmen zu setzen? Sicherlich nicht bei jedem Patienten geeignet, aber vielleicht sollte man solche banal erscheinenden Dinge auch im Hinterkopf behalten. Am Donnerstag haben wir noch Assistenzarzt-Teaching in Eging am See, und damit meine ich, wir fahren tatsächlich an den See und sprechen den Nachmittag wichtige Dinge fürs M3 durch. Lernen und nebenher eine entspannte Atmosphäre genießen – so gehen die Sachen doch viel schneller ins Köpfchen (wo sie dann hoffentlich auch bleiben..)! Nach einer ereignisreichen Woche freue ich mich aufs Wochenende!
Woche 11: 25.07. – 31.07. 2022
Diese Woche war allgemein relativ wenig los in den Praxen, in denen ich eingesetzt war. Das kommt mir bei der Hitze nicht ungelegen und ich finde es zur Abwechslung mal nicht verkehrt, wenn zwischendurch Zeit ist, sich mit den ÄrztInnen zu unterhalten und von Erfahrungen im täglichen Arztdasein zu hören. Ich habe die Woche die Möglichkeit, mich länger mit den PatientInnen zu unterhalten, von ihren Lebens- und Krankheitsgeschichten zu hören und vielleicht manches auch besser zu verstehen, wieso manche PatientInnen verärgert oder traurig, ständig müde, matt oder schlapp sind. Ich freue mich über das Vertrauen, das mir die PatientInnen entgegenbringen und nehme mir vor, auch später als Ärztin stets großen Wert auf die Arzt-Patienten-Beziehung zu legen, da es manchmal auch die Diagnostik erleichtern kann. Mittwoch Abend ist dann unser praxisinterner Journal Club – die Themen reichen von Cholesterinsenkern bis Trigeminusneuralgie und es ist wieder mal sehr spannend, den erfahrenen ÄrztInnen zuzuhören und Fragen stellen zu dürfen. Auch wenn der Tag ziemlich lange ist, freue ich mich auf die abendliche Runde und verlasse sie mit dem Gefühl, wieder was gelernt zu haben und weitergekommen zu sein.
Am Donnerstag Nachmittag haben wir noch PJ-interne Fortbildung zum Thema Osteoporose, wo relativ schnell Fragen auftreten und wir uns vornehmen, das Thema beim nächsten Journal Club vorzustellen, um es nochmal mit den ÄrztInnen zu besprechen.
Freitag bin ich dann ziemlich platt und freue mich auf eine Studienfreundin, die mich im bayerischen Wald besuchen kommt – es steht Wandern auf dem Plan! Da sie auch gerade ihr erstes PJ-Tertial in der Inneren Medizin macht, bin ich gespannt, von welchen Erfahrungen sie mir berichtet und was es so zu erzählen gibt und als wir unsere Wanderung beenden, kommen wir beide zu dem Schluss, dass es einfach unglaublich ist, wie viel wir beide jetzt auf zwei Monate weitergekommen sind und wieviel mehr wir wissen/können als noch kurz nach unserem Examen - manchmal merkt man das erst, wenn man jemand anderem von seinen Erfahrungen und Erkenntnissen erzählt! Nach einem überschaubaren Bericht von dieser Woche entlasse ich mich ins Wochenende, in dem noch ein paar organisatorische Sachen anstehen, denn nächste Woche kommt uns eine Schülerin der elften Klasse besuchen, die sich ein Bild vom Arztberuf machen möchte und außerdem planen wir für Dienstag ein Gartenfest - ich freue mich, einen entspannten Abend jenseits des Praxisalltags mit den Studentinnen und ÄrztInnen zu verbringen!
Woche12: 01.08. – 07.08. 2022
Diese Woche war wieder gefüllt mit den unterschiedlichsten Fällen. Meine Woche startete in Kirchberg, wo ich eine Schülerin erwartete, die sich die erste Ferienwoche ein Bild vom Beruf des Hausarztes machen wollte und die ich die kommende Woche drei Tage mitnehmen durfte. Wir starteten pünktlich um 8 Uhr und ich habe gleich gemerkt, wieviel Spaß es macht, wenn man selber plötzlich nicht mehr der Lehrling ist, sondern auf einmal auf der anderen Seite steht und jemandem etwas erklären kann. Die Momente, in denen man FamulantInnen, BlockpraktikantInnen oder andere StudentInnen dabei hat, sind die Momente, in denen ich immer feststelle, wieviel ich eigentlich auf das ganze Studium hinweg gesehen mit all den Praktika, die man im Verlauf abgeleistet hat, gelernt habe. Im Praxisalltag sehe ich die allermeiste Zeit über nur das, was ich noch nicht kann, was ich noch besser machen sollte, was ich noch nachlesen müsste, was es noch zu lernen gilt. Wenn man nun einen Schüler/eine Schülerin dabei hat, dem/der man erklären muss, warum man dies und jenes an Diagnostik macht, wie man eine Untersuchung macht, wieso man an eine bestimmte Diagnose denkt, wie sich Erkrankungen präsentieren, was dies und jenes Medikament macht, warum man in der Anamnese nach bestimmten Symptomen fragt, merkt man erst, wieviel man eigentlich selber doch schon weiß und während des Studiums mit all seinen Praktika gelernt hat - es tut gut, auch mal diese Perspektive einnehmen zu dürfen und am Ende des Tages feststellen zu dürfen, dass die letzten fünf Jahre Studium ja doch für was gut waren und man ja doch schon ein bisschen was kann! :) Natürlich sprechen wir auch viel über das Studium selbst, über die Möglichkeiten, einen Studienplatz zu ergattern (sicherlich eine der größten Hürden!), das Studium mit seinen schönen Seiten und ebenso die anstrengenden Phasen, die es zu bewältigen gilt.
Am Dienstagabend bereiten wir PJ’lerinnen dann ein gemütliches Beisammensein mit unseren Chefs in der Grafenauer WG vor - ein entspannter Abend abseits des Praxisalltags. Wir essen, reden über spannende Themen, spielen ein Spiel und genießen den lauen Sommerabend, bevor es am nächsten Tag wieder an die Arbeit geht. Das Highlight des Abends ist aber an einsamer Spitze Dr. Blanks riesiger Hund Paddy, ein riesiger Kuschelbär, der einen so schnell um den Finger, oder besser gesagt um die Tatze wickelt, so schnell kann man gar nicht schauen.
Am Mittwoch bin ich dann in Auerbach eingeteilt und wie immer habe ich dort einen schönen Arbeitstag - Dr. Kalmancai und ich führen sogar eine Mini-Operation durch, wir schneiden einem Patienten ein Fibrom raus und ich habe eine schier unglaubliche Freude daran! Es meldet sich die Chirurgin in mir mit dem Vorsatz, das auch lernen zu wollen und im anstehenden Chirurgie-Tertial den Fokus auf Nähen und kleine Eingriffe z.B. in der Notaufnahme zu lenken. Am Ende des Eingriffs sitzt ein gut gelaunter Patient vor uns, der froh ist, das nervige Ding, das ihn die ganze Zeit schon ärgert, endlich loszuhaben und gegenüber ihm steht eine glückliche PJ-Studentin, die gerade ihren Spaß an der Kleinchirurgie entdeckt hat :). Am Donnerstag bin ich dann in Rinchnach, wo sich uns eine junge Dame mit stechenden Schmerzen im Rücken präsentiert, die atmungsabhängig und nicht bewegungsabhängig sind. In der Gesamtschau und dann v.a. durch den positiven D-Dimer-Test braucht es zum Ausschluss einer Lungenembolie ein CT. Gespannt warten wir auf den CT-Befund, der dann im Verlauf zum Glück eine Lungenembolie ausgeschlossen hat. Dies zeigt mir wieder einmal, dass man im oft routinemäßigen Alltagsgeschäft immer aufmerksam und konzentriert bleiben muss.
Der Freitag vergeht dann noch wie im Flug, ich verabschiede unsere Schülerin und wünsche ihr auf ihrem weiteren Ausbildungsweg das Allerbeste - vielleicht trifft man sich ja später als Kolleginnen wieder. Nach einer vollen Woche mit vielen Eindrücken freue ich mich aufs Wochenende und meine anstehende Hospitation am Montag und Dienstag bei Dr. Kammerl, einem Nephrologen aus der näheren Umgebung, dessen Vorlesungen ich auch schon im Rahmen des Studiums beiwohnen durfte.
Woche 13: 08.08. – 14.08. 2022
Diese Woche stand ganz eindeutig unter dem Motto “Hospitationen”. Montag und Dienstag durfte ich in der nephrologischen Praxis bei Dr. Kammerl verbringen, der auch eine Dialysestation mitführt. Ich war sehr angenehm überrascht, wie aufgeschlossen die PatientInnen, die mitunter wirklich schwer krank sind, mir als Studentin gegenüber waren - so erzählten sie mir von ihren Leidenswegen, beantworteten geduldig Fragen meinerseits und diskutierten mit mir auch tiefgründige Themen wie Transplantation und Organspende etc.
Sehr dankbar bin ich für das Gespräch mit einer Patientin, die an einer seltenen genetischen Erkrankung leidet, die bei ihr letzten Endes zu einer terminalen Niereninsuffizienz geführt hat und die jetzt an die Dialyse gebunden ist. Sie erzählte mir von den Betroffenen in der eigenen Familie, von ihren Beschwerden, von der zunehmenden Einschränkung durch die Erkrankung, durch die emotionale Belastung, die sie dadurch erfährt und den täglichen Kampf, den sie mitunter führen muss gegen Sorgen, was wohl noch kommt. Hier wurde mir wieder einmal klar, wie oberflächlich die rein medizinische Sichtweise einer Erkrankung ist - viel zu oft gehen dabei die Emotionen und Sorgen der PatientInnen unter. Vielleicht sollte man sich als angehender Arzt/Ärztin auch öfter daran erinnern, was bestimmte Krankheiten, über die wir im fachlichen Kontext sehr nüchtern reden, für die Betroffenen tatsächlich bedeuten - dass es oft die scheinbar kleinen Dinge sind, die PatientInnen dann sehr belasten. Gerade im Gespräch mit solchen PatientInnen wird mir immer wieder bewusst, wieso ich mich für diesen Beruf entschieden habe. Ich kann mir nichts Erfüllenderes vorstellen, als später diesen PatientInnen zu helfen und ihnen ein Begleiter zu sein. Hinzu zu dieser Erfahrung kommt die angenehme und stets ruhige Art von Dr. Kammerl, der mir sehr viel erklärt und mich voll in die Anamnesen und Untersuchungen mit einbezieht - so klären sich mir ganz viele Fragen zum Thema Niereninsuffizienz und Medikamentengaben. Was darf ich bei Niereninsuffizienz überhaupt geben? Und wenn ich etwas geben darf, wie viel davon, wie sieht die angepasste Dosierung aus? Alles in allem waren es zwei wirklich wunderbare und lehrreiche Tage und ich bin sehr froh, diese Hospitation gemacht zu haben. Ich kann sie nur jedem empfehlen, der vorhat, in die Gemeinschaftspraxis im Bayerwald zu kommen.
Für Donnerstag bekomme ich schließlich noch ganz kurzfristig einen Hospitationstermin bei Frau Dr. Pfeffer in Regen, einer Kinderärztin in der Region. Auch an diesem Tag kann ich das ein oder andere Wissen für mich mitnehmen und bin dann am Freitag doch recht platt von den vielen Eindrücken dieser Woche. Als es Freitag Mittag wird, freue ich mich auf ein paar freie Tage und es fällt mir wie Schuppen von den Augen, dass es nun nur noch drei Wochen in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald sind. Es macht sich tatsächlich ein Hauch von Wehmut breit und gleichzeitig steigt die Neugierde, was wohl das anstehende PJ-Tertial in der Chirurgie für mich bereit hält…
Woche 14: 15.08. – 21.08. 2022
Urlaub
Woche 15: 22.08. – 28.08. 2022
Diese Woche ist geprägt von etlichen notfallmäßigen Abklärungen. Handelt es sich bei den atemabhängigen Schmerzen und Tachykardie begleitet von Atembeschwerden um eine Lungenembolie? Sind die gestern aufgetretenen Schmerzen über dem Brustkorb mit Übelkeit für 2 Minuten und Kurzatmigkeit ein Vorbote eines bevorstehenden Myokardinfarkts? Sind die Schmerzen im Bein, das doch ganz ordentlich geschwollen ist, Zeichen einer Beinvenenthrombose oder gibt der Ultraschall doch Entwarnung? Zwischen doch etlichen Trop-T-Tests, EKGs, Kompressionssonographien und dem Notfall-CT gibts dann zum Glück diese Woche bei allen Fällen ein Aufatmen, als sich alle Tests als negativ erwiesen und wir Entwarnung geben konnten. Auch das Notfall-Management gehört zur Allgemeinmedizin wie die Henne zum Ei und ich merke, dass auch dieser Bereich mir Spaß macht und ich da gerne noch mehr lernen möchte und vor allem Sicherheit erlangen möchte, falls später mal zu mir ein Patient in die Praxis kommt und ich dann verantwortlich bin. Diese Woche lese ich in paar ruhigen Minuten die Erstmaßnahmen bei einem bestätigten Myokardinfarkt, einer Lungenarterienembolie und eines Schlaganfalles durch und nehme mir vor, im bevorstehenden Chirurgie-Tertial die Möglichkeit so oft wie möglich zu nutzen, in die Notaufnahme zu gehen und dort viel über Notfälle zu lernen. Da die vorletzte Woche in der Praxis gerade voll im Gange ist, beschleicht mich auch schon ein Gefühl der Wehmut und des Abschieds und ich muss feststellen, dass ich tatsächlich traurig bin, die Praxis jetzt verlassen zu müssen. Frau Dr. Arbinger und ich sind mittlerweile ein eingespieltes Team und auch die MFAs in meiner “Hauptpraxis” sind mir richtig ans Herz gewachsen. Gerade jetzt nach 4 Monaten hat man erstmal das Gefühl, richtig eingearbeitet zu sein und schon geht’s wieder weiter zur nächsten Station. Aber so ist es - es gibt noch eine Menge zu lernen und dafür muss man eben nochmal ein paar andere Stationen durchlaufen und kennenlernen.
Am Ende der Woche läuft es wieder relativ normal nach dem actionreichen Start, insgesamt wieder eine Woche, die Spaß gemacht hat und mir gleichzeitig viel abverlangt hat, mich wieder vieles gelehrt hat und die ich wie alle anderen Wochen hier nicht missen möchte.
Woche 16: 29.08. – 04.09. 2022
Die letzte Woche vor meinem Abschied ist nun tatsächlich gekommen. Am Anfang der Woche verabschiede ich mich schon von den Leuten, die ich nicht mehr sehen werde und dadurch, dass es mehrere Praxen gibt, sind es eben auch mehrere Abschiede, was das ganze nicht einfacher macht. Ich backe also so viel Kuchen wie lange nicht mehr in einer Woche, genieße die letzten Tage hier und versuche, mir die letzten 4 Monate nochmal in Erinnerung zu rufen. Es war wirklich eine wunderbare Zeit hier - voller neuer Erkenntnisse und Erfahrungen, neuen Bekanntschaften, vielerlei Anstrengung, viel Spaß und Aha-Effekte, Hochs und genauso Tiefs, Förderung und Forderung. Für diese tolle und lehrreiche Zeit hier möchte ich mich nochmal ganz herzlich beim ganzen Team bedanken - ihr seid klasse! :-)
Mirjam Nissen
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Woche 1: 16.05. – 22.05.2022
„Bayerischer Wald – Das ist aber weit weg!“ - so die mittelhessische Perspektive meiner Freunde. Da „weit weg“ bei mir eigentlich schon immer vor allem Neugierde weckt, freue ich mich die letzten Monate schon sehr auf den Start hier bei Euch im Bayerwald. Der Umzug letzten Samstag von Gießen nach Grafenau, von Studentenstadt ins ländliche Städtchen, verspricht viele spannende Erfahrungen mit sich zu bringen. Und ich freue mich darauf, in den nächsten Wochen und Monaten nicht nur eine Menge gute Landarztmedizin zu lernen, sondern auch ein wenig von der niederbayerisch-ländlichen Kultur und der wunderschönen Region zu entdecken.
Meine erste Woche diente vor allem dem Ankommen und Kennenlernen: Ankommen in dem wunderschönen neuen Studentenhaus in Grafenau, das ich gemeinsam mit den Blockpraktikanten Sina und Christian frisch bezogen habe. Kennenlernen der anderen PJlerinnen und der Praxisteams in Grafenau und Schöfweg. Ankommen in meinem neuen Praxisalltag. Wie gut, dass ich hier noch völlig ohne Zeitdruck Patient*innen sehen kann und immer Rückmeldung von einem der Ärzte bekomme. Dies alles geschieht in einer unglaublich wertschätzenden Atmosphäre und ich staune, wie viel leichter mir diese erste Woche fiel, als ich das von ersten Wochen so gewohnt bin! Gut ist auch, dass meine Mit-PJlerinnen mir ein wenig „Sprachunterricht“ geben können – so hoffe ich, mich in den nächsten Wochen immer besser in den niederbayerischen Dialekt einhören zu können.
Unter den Patienten und Patientinnen, die ich diese Woche sehen durfte, waren die unterschiedlichsten Konsultationsanlässe vertreten: Migräne, Impfungen, Luftnot bei Belastung, Zeckenstiche, Medikamenteneinstellung, Ohrenschmerzen, Katzenbiss, Rückenschmerzen,... So vielfältig wie die Menschen einer Stadt, sind auch die Gründe, mit denen sie ihren Arzt aufsuchen. Einer der Aspekte, die mich am Hausarzt sein so faszinieren!
Immer wieder kommen Patient*innen auch mit Anliegen, die weit über die medizinischen Aspekte hinausreichen. Eigentlich klar – der Mensch ist ja nicht nur Leber oder nur Herz und weit mehr als die Summe seiner Teile. So können familiäre Umstände, Arbeitsplatzprobleme, Verluste oder Ängste Krankheit auslösen und verstärken. Andersherum betrifft Krankheit auch immer den ganzen Menschen und beeinflusst sein soziales Umfeld, schürt Ängste und Sorgen, schränkt Teilhabe an Lebensbereichen ein. Für mich stellt sich diese Woche nicht zum ersten mal die Frage: Was ist hier eigentlich meine Rolle? Welche Verantwortung möchte ich als Ärztin übernehmen, welche Möglichkeiten habe ich? An der Allgemeinmedizin fasziniert mich die Chance, oft viel ganzheitlicher mit Patienten und Patientinnen arbeiten zu können, als in anderen Fächern. Aber wie weit geht ganzheitlich? Wo fangen die Arbeitsbereiche Anderer an? Wo setzen das Leben, unser Wissen, das System, meine Kräfte, die Möglichkeiten der Patient*innen, Grenzen?
Ich bin gespannt, welche Antworten ich in den nächsten Wochen auch auf solche Fragen bekommen werde. Und ich freue mich darauf, nicht nur fachlich, sondern auch persönlich ein bisschen mehr ins Ärztin sein hineinwachsen zu dürfen.
Woche 2: 23.05. – 29.05.2022
Nach einer sehr schönen Wanderung mit Sina und Christian auf den kleinen Arber am letzten Samstag, und einem ruhigen, sonnigen Sonntag, durfte ich in meine zweite Woche starten. Diese verbrachte ich in der Praxis Schöfweg, wo ich an den verschiedenen Tagen mit unterschiedlichen Ärzt*innen zusammenarbeiten und mitlaufen durfte. Es war eine sehr lehrreiche und spannende Woche, die mit dem Feiertag am Donnerstag auch genug Zeit zum verschnaufen enthielt.Während meiner Examensvorbereitung in den letzten Monaten habe ich oft gedacht: „Ich brauche endlich Praxis zu all der Theorie!“ Leider ist das praktische Lernen gerade unter Corona-Bedingungen in den letzten Jahren recht kurz gekommen und umso mehr freue ich mich nun über all die Möglichkeiten, mein theoretisches Wissen in den Praxisalltag zu integrieren! Wenn ich mit Patient*innen zunächst selbstständig das Gespräch beginne, mich für Untersuchungen entscheide und diese durchführe und meine Ergebnisse und Therapievorschläge anschließend mit einer der Ärzte und Ärztinnen bespreche, dann bringt mir das einen unglaublichen Lerngewinn. So bemerke ich schnell, mit welchen Tätigkeiten ich mich sicher fühle und welche noch Übung brauchen. Ich bekomme Feedback dazu, wo ich mich in Details verliere oder Relevantes vergesse und wo ich schon den richtigen Blick für das Wichtige habe. Und die Dinge, die ich im Gespräch nicht weiß und anschließend nachschlage, bleiben gleich doppelt so gut hängen.
Die Mischung an Konsultationsanlässen war diese Woche wieder genauso bunt und abwechslungsreich, wie letzte Woche: Eine Frau mit Erysipel, welches unter Penicillin in der Verlaufskontrolle immer besser wurde. Der Patient mit Brustschmerz und nicht vorbekannten Blockbild, bei dem das negative Troponin Entwarnung geben konnte. Die Frau mit Schmerzen in den Händen, wo der Verlauf zeigen wird, ob die Tendovaginitis die richtige Diagnose darstellte. Bauchschmerz rechter Unterbauch, epigastrisch, linker Unterbauch – Verlaufskontrolle bei unspezifischen stressbedingten Beschwerden, PPI + Gastro bei V.a. Ulcus duodeni, Schonkost bei V.a. Divertikulitis. Eine Patientin, die nach einer schlaflosen Nacht unglaublich erleichtert war, dass wir in ihre Beschwerden keinen Grund zur Sorge vor Brustkrebs sahen – wie schön, wenn Zuhören und Erklären schon die ganze Therapie sind!
Mich hat in dieser Woche beeindruckt, welche Offenheit die Patient*innen mir gegenüber mitbringen. Obwohl sie wissen, dass ich Lernende bin, bringen sie mir das Vertrauen und die Offenheit entgegen, die für eine Arzt-Patienten-Beziehung nötig sind. Das ist unglaublich hilfreich und unterstützt mich sehr dabei, Stück für Stück in meine ärztliche Rolle hineinzuwachsen!
Hilfreich für mich war es diese Woche auch, mit Ärzt*innen recht unterschiedlichen Ausbildungsstandes unterwegs zu sein. So konnte ich mal wieder die für mich sehr wichtige Feststellung treffen: Ich darf Schritt für Schritt lernen! Auch noch nächstes Jahr und übernächstes Jahr und in 10 Jahren. Alles theoretische Wissen muss ergänzt werden durch die praktische Erfahrung und sich in der Routine festigen und bewähren. Und die Erfahrung wird mit der Zeit mehr und mehr kommen! Wie mir ein Patient diese Woche treffend sagte: „Es ist auch noch kein Arzt vom Himmel gefallen.“
Über ein Thema, das mich sicher noch mehr beschäftigen wird, bin ich diese Woche in dem Podcast eines schottischen Hausarztes gestolpert: In den britischen Leitlinien sind für die meisten Blutdruckpatient*innen ACE-Hemmer als Medikamente erster Wahl vorgesehen. Ausnahme bilden hier dunkelhäutige Menschen mit Afrikanischem oder Karibischem Hintergrund. Man geht aufgrund einiger Studien davon aus, dass ACE-Hemmer bei diesen Personen nicht gut genug wirken und daher lieber Substanzen mit besserer Wirksamkeit von Therapiestart an genutzt werden sollten. In meinem Studium wurde bei Therapien nur selten auf mögliche Unterschiede zwischen Menschen verschiedener Herkunft eingegangen. Eigentlich macht es Sinn, dass z.B. die Enzymausstattung und damit der Stoffwechsel nicht in der ganzen Weltbevölkerung gleich sind und es geographische oder ethnische Unterschiede gibt. Die Entwicklung von Medikamenten und die Studien, auf denen unsere Empfehlungen basieren, finden aber tendenziell oft in westlichen Ländern statt. Wie gut können die Studien amerikanischer Hersteller nach Pakistan übertragen werden? Sind Medikamente, die in China eine gute Wirksamkeit und Sicherheit zeigen in Nigeria genauso sinnvoll einsetzbar? Da mein Umfeld sehr international geprägt ist und der Kontakt zu ganz unterschiedlichen Ländern und Kulturen sicher auch in Zukunft mein Arbeiten prägen wird, ist dies ein umso spannenderes Thema für mich. Ich bin gespannt, was ich dazu noch so lernen darf!
Jetzt freue ich mich auf das Wochenende, darauf den Lusen zu erklimmen und den wunderschönen Bayerischen Wald zu genießen!
Bayerisch-Vokabeln der Woche:
Griaß Di’!- Grüße Dich!
Griaß Eich! - Grüße Euch!
Griaß Eana! - Grüße Sie!
schnaufn - atmen
Woche 3: 30.05. – 05.06.2022
Eine volle Woche, die wie im Flug vergangen ist, liegt hinter mir. Den Samstag begann ich mit einer Wanderung auf den Lusen – und staunte, wie viele Leute bereits früh morgens auf dem Lusen anzutreffen waren! Ich durfte den herrlichen Ausblick genießen und nebenbei ergab sich ein interessantes Gespräch über den Wandel der Erwartungshaltung an „den Arzt im Dorf“ über die letzten Jahrzehnte.
Wie anders das Ansehen, die Verantwortung und Verfügbarkeit eines Arztes im Dorf gegenüber der Stadt sein können, darüber bin ich auch in Fürstenstein diese Woche immer wieder mal ins Gespräch gekommen. Dort habe ich meine Woche in der Praxis Hackl mit Herrn Hackl und Herrn Dr. Bolla verbracht – und bin sehr herzlich in den dortigen Praxisalltag aufgenommen worden. Auch hier prägte mal wieder die bunte Mischung an Patient*innen und Konsultationsanlässen den Alltag. Von 4 Jahren bis 99 Jahren und alles dazwischen. Ob in der Praxis, im Altersheim oder beim Hausbesuch. Akute Mittelohrentzündung bis chronische pAVK Grad IV. Ein Patient, dem sein neu diagnostiziertes paroxysmales Vorhofflimmern ohne nennenswerte Risikofaktoren deutlich zu schaffen machte, und eine Patientin, die ihre TIA eigentlich nicht für erwähnenswert hielt.
Während ich von Herrn Hackl immer wieder an eine gründliche körperliche Untersuchung erinnert und darin geschult wurde, konnte ich bei Dr. Bolla zu jeder Gelegenheit intensive Sono-Kurse erhalten. Von Gallensteinen über Sigmadivertikulitis bis Raumforderung der Prostata – ich bin immer wieder begeistert, was für eine geniale diagnostische Ergänzung die Sonografie ist! Und ich habe eine Menge Spaß dabei, unter so guter Anleitung meine Sono-Skills weiter auszubauen.
Daran, wie wichtig die Grundfähigkeiten Anamnese und körperliche Untersuchung sind, wurde ich auch in unserer PJ-internen Lernrunde zum Leitsymptom Müdigkeit erinnert. Hier ist die Devise: Anamnese, Anamnese, Anamnese, gründliche körperliche Untersuchung und eine sehr kleine Auswahl an Laborwerten. Dies ist ausreichend, um die wichtigsten Ursachen für die Müdigkeit ausschließen bzw. erkennen zu können. Wir haben uns diese Woche zum zweiten mal als PJlerinnen in dieser Form getroffen. Ich profitiere enorm davon, auf diese Weise ein Thema mit Blick auf den praktischen Alltag zu erarbeiten und dabei keine Kataloge in Herold oder Amboss zu lesen, sondern in die sehr praxisorientierten DEGAM-Leitlinien zu schauen. Und mit drei so wunderbaren Mit-PJlerinnen macht das Ganze auch noch wirklich Spaß!
Zu meinen Highlights diese Woche gehörten ein Junge mit Windpocken (die man seit Einführung der Impfung nicht mehr so oft sieht) und eine sehr sympathische Patienten mit beeindruckend gutem Zustand nach Subarachnoidalblutung mit langem Klinikaufenthalt.
Absolutes Highlight war auch, jeden Tag von Ehepaar Hackl zum Mittagessen eingeladen zu werden – ein Luxus, den ich sehr genossen habe! Der Freitag schloss nach zwei Hausbesuchen mit einer kurzen Dorfrundfahrt mit Besuch des Schlosses von Fürstenstein.
Erschöpft aber zufrieden nach dieser gut gefüllten Woche, freue ich mich nun über ein ruhiges Pfingstwochenende mit Wanderungen in der Gegend, Gottesdienstbesuch in Passau und Zeit für Dinge wie Brotbacken und Gitarre spielen.
Bayerisch Vokabeln der Woche:
auf d'Nacht – abends
ois – alles
koa – kein
Pfia Gott – Gott befohlen = Tschüss
Woche 4: 06.06. - 12.06.2022
Schon wieder eine Woche vorbei? Verwundert darüber, wie schnell die Zeit verfliegt, versuche ich, die Woche mit ihren vielen Patientenkontakten zu rekapitulieren. Beim Nachdenken stelle ich fest: Das Leitthema der Woche könnte „Grenzen“ sein.
Diese Woche habe ich viele Patient*innen gesehen, bei deren Anliegen ich recht schnell an meine Grenzen gekommen bin: Da waren eine Vielzahl orthopädischer Probleme, wo ich doch recht schnell mit meinem Latein am Ende war. Eine Grenze, über die ich hoffentlich mit der Orthopädie-Hospitation noch hinauswachsen darf... Bei anderen Patient*innen kam ich sprachlich bald an meine Grenzen. Sprachbarrieren gehören überall in der Medizin zum Alltag und können durchaus problematisch werden: Bei einem älteren Herren konnte ich in der Anamnese AP-Beschwerden, deutlich zu hohen Blutdruck und Schwindel heraushören, konnte aber einfach kein vollständiges Bild des Patienten und seiner Beschwerden entwickeln. Wie gut, dass der Rest vom Team Bayerisch kann. ;-)
Ein anderes Thema, bei dem mir die Erweiterung meiner Wissensgrenzen immer wieder viel Arbeit abverlangt, ist die Pharmakologie. Bei einer älteren Dame ging es nach Krankenhausentlassung darum, die Medikation anzupassen: Herzinsuffizienz, aktuell deutliche Ödeme, die Diuretika waren aber gerade wegen Schwindel bei Exsikkose und Hyponatriämie vom Krankenhaus abgesetzt worden. Vielleicht könnten wir die Diuretika niedriger dosiert wieder einschleichen und eine Balance zwischen Ödemneigung und Exsikkosegefahr finden...? Als Dr. Hackl dann zielbewusst erst einmal das Amlodipin absetzte, hatte mein Kopf auch wieder parat, was ich doch letzte Woche gelernt hatte: Dass Amlodipin mit einer deutlichen Ödemneigung einhergehen kann! Ich bin gespannt, wie sich die Patientin am Montag zeigen wird und wie wir die Medikation dann weiter optimieren können.
Bei anderen Patient*innen kommt nicht nur mein Wissen, sondern auch die Medizin an ihre Grenzen: Der chronische Schmerzpatient, der seit 30 Jahren keine wirkliche Erklärung für seine Muskel- und Gelenkschmerzen gefunden hat. Die Diagnose Fibromyalgie erscheint mir immer wieder ein Eingeständnis zu sein, dass hier die Medizin an ihre Grenzen stößt.
Ein Thema, bei dem mich die Grenzen oft besonders frustrieren, ist die seelische Gesundheit von Patient*innen. Die WHO definiert Gesundheit als einen "Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens". Es ist recht offensichtlich, dass dies ein für uns Menschen in dieser Welt völlig utopischer Zustand ist. Die Medizin arbeitet viel an der körperlichen Gesundheit und bezieht das geistige und soziale Wohlbefinden erst immer mehr mit ein. Immer wieder frustriert es mich, wenn sich unsere Möglichkeiten im Wesentlichen auf das Körperliche beschränken, während die wirklich großen Baustellen viel tiefer zu liegen scheinen. Diese Woche bin ich mit dem ein oder anderen Patienten auf die emotionale oder psychische Komponente von Krankheit zu sprechen gekommen. Und ich merke, wie viel Freude ich an solchen Gesprächen habe und welch ein Privileg es ist, als (angehende) Ärztin ein enormes Vertrauen entgegengebracht zu bekommen. Auch dies ist ein Thema, wo es für mich immer wieder darum gehen wird, meine Rolle, meine Möglichkeiten und meine Grenzen auszuloten: Meine Rolle und meine Kompetenz sollen hier nicht die der Seelsorgerin oder Psychologin sein, sondern die der (angehenden) Hausärztin. Gleichzeitig wächst mein Vorhaben, in der Weiterbildung eine solide psychosomatische Ausbildung mitzunehmen, die für die hausärztliche Tätigkeit sicher sehr wertvoll sein kann!
Noch eine weitere Grenze macht sich diese Woche bemerkbar, die ich schon die Wochen davor befürchtet habe – dass das bisherige tagtägliche Pensum an Arbeiten und Lernen auf Dauer zu hoch ist für mich. Trotz Freude am Lernen und der Motivation, möglichst viel mitzunehmen, macht sich Müdigkeit breit und mein persönlicher Stressindikator sagt mir, dass ich zurückschrauben muss. Herausfordernd, wenn die eigenen Grenzen manchmal schneller erreicht sind, als man das gerne hätte. Herausfordernd, wenn es doch eigentlich noch so viel mehr nachzulesen, zu üben, zu lernen gäbe.
Aber ich muss sagen – so herausfordernd es auch ist, immer wieder an die eigenen Grenzen zu stoßen – ich finde es notwendig und wertvoll, dass wir uns auch damit beschäftigen müssen. Damit, dass wir Menschen begrenzt sind – in unserem Wissen, unseren Kapazitäten, unserer Kraft –, selbst wenn wir das so gern anders hätten. Damit, was es bedeutet innerhalb unserer Grenzen einen Beruf mit manchmal grenzenlosen Anforderungen und Verantwortung ausüben zu lernen. Damit, auch bewusst Grenzen zu setzen und mit manchen Grenzen Frieden zu schließen.
Jetzt freue ich mich auf ein Wochenende für das ich vieles von meiner “to-do-Liste” auf die “geht-auch-ohne-Liste” gesetzt habe und einfach in die Tage (und durch den Bayerischen Wald) spazieren darf. :-)
Woche 5: 13.06. – 19.06.2022
Nach einem deutlich entschleunigten Wochenende – mein Highlight war die Begegnung mit einer Kreuzotter auf einem wunderschönen Spaziergang – konnte ich wieder mit mehr Kraft in die neue Woche starten.
Es war eine wie immer bunte Woche mit einigen außergewöhnlichen und spannenden Konsultationen: Ein Kleinkind mit Hand-Fuß-Mund-Krankheit – eine Blickdiagnose, die ich zum ersten mal gesehen habe. Ein Teenager, der nach Oberschenkelfraktur wochenlang nicht mobilisiert worden ist und jetzt mit deutlich osteoporotischen Knochen und atropher Muskulatur nur mühsam das Gehen wieder lernt. Diese Problematik hätte ich so in Deutschland nicht erwartet. Ein anderes Thema, über das ich mir bisher nur während meiner Auslandsaufenthalte in ganz anderen Settings Gedanken gemacht habe, war die Frage nach einer Circumcision aus kulturell/ religiösen Gründen. Ein, wie ich im Gespräch mit Herrn Hackl festgestellt habe, gar nicht so einfaches Beratungsthema.
Am Freitag beschäftigte mich ein älterer Herr für etwas längere Zeit: Dieser brauchte nach Krankenhausentlassung noch eben Rezepte fürs Wochenende von uns, aber der Blick auf die Medikation des Entlassungsbriefes sorgte schnell für Skepsis. So war vom Krankenhaus anscheinend bei Neudiagnose NSTEMI und Z.n. Bypass-OP das ASS und Clopidogrel abgesetzt und ohne ersichtliche Indikation für eine Antikoagulation ein DOAK neu verordnet worden. Ein Telefonat mit dem zuständigen Oberarzt brachte die nötige Klarheit: Der im Arztbrief notierte NSTEMI war eigentlich gar keiner und eine Indikation zur Antikoagulation bestand auch nicht, während die Thrombozytenaggregationshemmung aber unbedingt fortgeführt werden sollte. Der Patient konnte von uns mit korrigierter Medikation ins Wochenende entlassen werden.
Neben vielen kleinen und größeren Konsultationsanlässen, durfte ich diese Woche auch wieder viel Sonografie üben. So ließ Dr. Bolla mich immer wieder die Untersuchungen durchführen oder holte mich dazu, wenn er spannende Befunde fand: Harnstau, Gallensteine, Leberhämangiom, Schilddrüsenveränderungen bei M. Basedow. Auch im Bereich der kleinen Chirurgie standen diese Woche einige Lehreinheiten an: Fäden ziehen, Lokalanästhesie nach Oberst, hygienisches Arbeiten bei Wundversorgungen, Assistenz bei Abszessspaltung und Hautnaht.
Bei unserem wöchentlichen PJler-Treffen haben wir uns diese Woche mit Fragen zur Weiterbildung in der Allgemeinmedizin beschäftigt. Ich fand es sehr hilfreich, mich mit den anderen PJlerinnen darüber auszutauschen und gemeinsam einige Fragen zu sammeln, die wir versuchen werden zu klären. Schon verrückt, dass bald wirklich das Bewerben für die erste Assistenzarztstelle losgeht...
Mittwoch waren wir dann gemeinsam in Cham an der Rettungswache des DRK und haben eine spannende Einführung in die Notfallmedizin bekommen. Da wir alle bisher keine Erfahrung im Rettungsdienst haben, war es hilfreich, einiges zu den Abläufen, der Ausrüstung und dem Arbeitsalltag im Rettungsdienst erzählt zu bekommen. Auch das Training an den Simulationspuppen war eine gute Auffrischung! Jetzt habe ich richtig Lust, mal einen Notarztdienst mitzufahren – mal schauen, ob das in der Zeit hier möglich wird!
Nachdem ich letzte Woche viel mit meinen Grenzen konfrontiert war, hat es Spaß gemacht, diese Woche in vielen Situationen die andere Seite zu sehen: Wie viel wir im Studium bereits gelernt haben, wie viel selbstverständlicher ich auf die Anliegen der Patient*innen eingehen kann, als noch vor 3 Jahren in meiner Hausarztfamulatur und welche Offenheit und Wertschätzung die Patient*innen mir als der „jungen Ärztin“ entgegenbringen. So habe ich mich besonders über eine junge Frau gefreut, die mir, obwohl schmerzgeplagt, zum Abschied ein herzliches Lächeln schenkte und sich mit einem gebrochenen „Dankeschön, Du bist sehr freundlich“ wirklich dankbar für unser Gespräch zeigte. Das tut gut und motiviert mich, diesen wunderbaren Beruf immer mehr einzuüben :)
Und jetzt sollte ich bei bestem Wetter bald in meine Wanderschuhe schlüpfen, da ich hier am Schreibtisch sonst fürchte, ein „Restless-leg-Syndrom“ zu entwickeln. Da hilft nur die Prävention und raus in den Wald! ;) Pfia Gott!
Woche 6: 20.06. – 26.06.2022
Was für eine spannende, intensive Woche! Es wundert mich, wie sehr sich eine Woche von der anderen unterscheiden kann und wie unterschiedlich die einzelnen Tage geprägt sein können! Gibt es in der Allgemeinmedizin überhaupt so etwas wie einen „normalen Alltag“?
An manchen Tagen in den letzten Wochen hat sich der Gedanke bei mir eingeschlichen, ob die hausärztliche Tätigkeit nicht manchmal eher einem „Verwalten“ von Patienten gleicht: Überweisung schreiben, Ergebnisse noch einmal erklären, die vom Facharzt verordneten Medikamente verschreiben, an den nächsten Facharzttermin erinnern. Begutachtung, Rentenantrag, Routine-Check-up, Vorsorgen abarbeiten. Das alles ist nicht immer so grau, wie es klingt und hat seine Notwendigkeit, trotzdem kam mir ab und an der Gedanke: Will ich das Tag ein Tag aus machen? Oder machen vielleicht doch die Spezialisten die „richtige Medizin“...? Nun, es mag Tage geben, an denen man sich mehr wie ein Verwalter oder Dienstleister fühlt. Und dann kommen auch die wunderbaren Momente, in denen die Allgemeinmedizin all ihre Vorzüge und Privilegien ausspielen kann: Nämlich solche Situationen, in denen ein Hausarzt seine Patienten auf eine Art begleitet, wie das fast kein anderer Bereich der Medizin leisten kann:
Eine Patientin mit neu aufgetretenen Gefühlsstörungen und latenten Paresen der Arme haben wir diese und letzte Woche einige Male gesehen und intensiv diagnostisch begleitet. Bisher ist es weiterhin unklar, was die diffuse Symptomatik ausgelöst hat. Funikuläre Myelose? Autoimmun? Doch die Neuroborreliose? Hauptaufgaben waren hier der Ausschluss abwendbar gefährlicher Verläufe und das Begleiten der stark verunsicherten Patientin. „Wir kümmern uns, wir schauen genau hin und Sie dürfen auch das 6. mal diese Woche kommen“ waren die nonverbalen Botschaften, die der Patienten etwas Ruhe vermittelt haben.
Einen Patienten mit schnell fortschreitendem Karzinom in nun palliativer Situation haben wir diese Woche wiedergesehen. Nach Krankenhausentlassung war es zeitintensiv, die etwas wirr anmutende Schmerztherapie des Krankenhauses zu sortieren und die nötigen Absprachen mit Onkologen und Palliativ-Team zu treffen. Plötzlich hat man Zeit - nimmt man sich die Zeit - mitten im Sprechstundenalltag. Um behutsam zu erklären, wo noch Klärungsbedarf ist. Um den Schmerz der Familie auszuhalten und Raum dafür zu geben. Um klar zu machen: Wir begleiten Euch und sind ansprechbar!
Einen anderen Patienten mit Morbus Parkinson haben wir zweimal Zuhause besucht. Die medikamentöse Einstellung zwischen motorischer Einschränkung und psychotischen Symptomen ist in der letzten Zeit immer schwieriger geworden und der Patient aktuell in deutlich schlechterem Zustand als noch vor drei Wochen in der Sprechstunde. Hier enthielt der Hausbesuch Fragen zur Medikation, Ausschluss Harnverhalt, kurze handwerkliche Unterstützung der Ehefrau, Besprechen der Unterstützung durch den Pflegedienst. Und wieder habe ich das Gefühl: Wir konnten die Sicherheit vermitteln, dass wir begleiten und unterstützen werden.
Ich nehme es als Privileg und wertvolle Aufgabe wahr, Patient*innen gerade in solchen Grenzsituationen des Lebens begleiten zu dürfen. Das sind Situationen, in denen ich nicht auf die Idee kommen würde, unsere Rolle als „Verwalter“ oder „Dienstleister“ zu sehen. Sondern hier dürfen wir als Ärzt*innen in intensive zwischenmenschliche Kontakte und in unglaublich fragile Lebenssituationen eintreten, um ein Stück Weg gemeinsam zu gehen und fachlich und menschlich zu begleiten. Was für ein Privileg!
Naheliegend ist für mich nach den Begegnungen dieser Woche mal wieder die Frage, wie man wohl den Balanceakt aus professioneller Distanz einerseits, und empathischem, authentischem Involviert-sein andererseits lernen kann. Und wie man der Realität und Intensität des Leids begegnet, und daran weder zerbricht noch abstumpft und zynisch wird. Da bin ich dankbar, dass ich auf verschiedenen Tagungen der ACM – einem Netzwerk christlicher Mediziner in Deutschland – in den letzten Jahren schon so einige hilfreiche Impulse zu dem Thema gehört habe. Und auch hier im Praxisverbund merke ich, wie wertvoll es ist, solche Fragen und Probleme mit erfahrenen Ärzt*innen und den anderen PJlerinnen besprechen zu können!
Während ich all das schreibe staune ich, wie tief ich in den letzten Wochen schon in der Rolle als Ärztin ankommen durfte und nicht mehr nur als Studentin daneben stehe. Das ist sicher zu einem guten Teil der unglaublich wertschätzenden Art im Team und dem großen Vertrauen der Patient*innen zuzuschreiben! Ich merke, wie gut ich mich mit der Rolle der Hausärztin identifizieren kann und denke: Wenn Hausarzt sein so aussieht wie diese Woche, dann ist das definitiv die „richtige Medizin“ und eine Arbeit, auf die ich große Lust habe! :-)
Woche 7: 27.06. – 03.07.2022
Nach einem sehr schönen Wochenende mit einer guten Freundin durfte ich in die nun schon siebte Woche starten! Diese Woche sind drei neue PJlerinnen angekommen und ich freue mich, mit Franziska jetzt zu zweit als PJlerinnen in Grafenau zu wohnen!
Diese Woche habe ich bemerkt, wie viel mehr Routine sich im Praxisalltag bei mir schon eingestellt hat. Bei einer morgendlichen Autofahrt durfte ich feststellen: Ich freue mich jeden Tag auf den Praxistag, auf das Team, auf die Patient*innen! Dafür bin ich sehr dankbar!
Eine Patientin, die für mich diese Woche recht spannend und lehrreich war, war eine junge Frau, die sich wegen Müdigkeit und Muskelschmerzen vorstellte. Nachdem wir vor 3 Wochen das Leitsymptom Müdigkeit mit den anderen Pjlern durchgesprochen hatten, hatte ich das Gefühl, das Gespräch recht zielsicher angehen zu können: Gründliche Anamnese, körperliche Untersuchung, Basislabor, im Erstkontakt schon die Frage nach möglichen psychosozialen Faktoren stellen. Die Leitlinie betont, dass ohne auffällige Befunde in dieser Basisdiagnostik keine weitere Diagnostik gemacht werden soll, und dass Müdigkeit in den meisten Fällen aus vielen Faktoren, darunter i.d.R. psychosoziale Aspekte, entsteht. Bei der Fällebesprechung hatte ich die Chance, mir noch einige wertvolle Tipps von erfahrenen Ärzt*innen zu holen, wie ich im nächsten Kontakt noch weiter die mögliche psychosomatische Komponente mit der Patientin besprechen kann, und welche möglichen Ursachen ich trotzdem im Verlauf nicht aus den Augen verlieren sollte. Das war wirklich hilfreich für dieses doch recht herausfordernde Beratungsthema!
Sehr spannend war für mich diese Woche auch der Journal Club. Dort hatten wir PJlerinnen noch einmal die Chance einige Fragen zum Thema Chronische Nierenerkrankung (CKD), welches wir in unserem PJ-internen Treffen erarbeitet hatten, zu stellen. Meine Take-home-messages zu Medikamentenverordnung bei CKD waren: Kenne deine Medikamente! Und: Kläre deine Patient*innen zu dem Problemfeld der NSAR bei Niereninsuffizienz auf! Interessant fand ich dabei die Frage, wie man denn nun praktisch vorgeht, wenn bei Gelenkschmerzen Metamizol und Paracetamol nicht ausreichend helfen, Tilidin eigentlich eine Nummer zu hoch gegriffen ist und NSAR wegen CKD nicht gegeben werden sollen. Hier gilt es wohl die verschiedenen Nebenwirkungen mit dem Patienten gemeinsam abzuwägen.
Besonders nachdenkenswert war auch die Diskussion zur Antibiotikaprophylaxe vor zahnärztlichen Eingriffen bei Patient*innen mit Prothesen wie Hüft-TEP. Hier braucht es die Abwägung zwischen Nebenwirkungen und Konsequenzen einer breit gestreuten Antibiotikaprophylaxe (Allergische Reaktionen, Resistenzentwicklung) gegenüber den Konsequenzen einer infizierten Prothese (Prothesenwechsel, Risiko septischer Embolien, etc). Da es hier derzeit keine guten Studien zu gibt, können Empfehlungen - wie noch immer so oft in der Medizin – im Wesentlichen aufgrund von Erfahrungen gegeben werden. Ein anwesender orthopädischer Kollege berichtete, dass ein großer Teil seiner Kollegen aufgrund ihrer Erfahrungen klar eine Antibiotikaprophylaxe bevorzugen würden. Der anwesende Infektiologe erklärte, wieso er aufgrund der bisherigen Daten, die eine recht hohe number needed to treat vermuten lassen, und der großen Problematik von Resistenzen dringend von einer solch breit gestreuten Antibiotikaanwendung abraten würde. Was empfehle ich nun meinen Patient*innen? Mal wieder so eine Frage, auf die es fürs erste keine richtig zufriedenstellende Antwort gibt.
Am Donnerstag konnte ich noch in ein für mich ganz neues Feld reinschnuppern: Mit Dr. Kalmancai zusammen durfte ich einen Notarztdienst machen! Leider (für mich) blieb es eine sehr ruhige Nacht mit nur einem kurzen Einsatz. Aber es war schon spannend, einen kleinen Eindruck vom Dienst auf der Wache zu bekommen (und mal mit Blaulicht durch die Nacht zu fahren :-) ) und ich bin gespannt darauf, bald einen zweiten Dienst mitzufahren!
Das Wochenende haben Franziska und ich mit dem Besuch des Grafenauer Volksfestes eingeläutet – die bunten Trachten, Pferdekutschen und Blaskapellen, die durch die Stadt gezogen sind, waren für uns zwei Nicht-Bayern schon ein kulturelles Highlight! ;-)
Woche 8: 04.07. – 10.07.2022
Halbzeit - 8 von 16 Wochen sind bereits vorbei! Verrückt, wie schnell die Zeit vergeht!
Die Woche begann mit zwei Tagen Hospitation bei Herrn Dr. Werner, einem niedergelassenen Internisten und Psychotherapeut in Regen. Die zwei großen Themen der beiden Tage waren Obstruktive Schlafapnoe und Herzerkrankungen – zwei so wichtige Themenkomplexe! Ich fand es spannend, ein Bild von der Schlaf-Apnoe-Diagnostik zu gewinnen, zu sehen, wie die ambulante Polygrafie ausgewertet wird und was dann Therapieoptionen für die Patient*innen sind. Außerdem haben wir viele Patient*innen mit kardialen Erkrankungen zur Diagnostik oder Kontrolle gesehen, wo ich bei den Echos über die Schulter schauen und mich auch selbst ein klein wenig im Einstellen der Standardschnitte üben konnte. Dabei war es sehr bereichernd, die den Patienten und Patientinnen so zugewandte und fachlich sehr präzise Art von Dr. Werner zu beobachten!
Besonders interessant für das hausärztliche Setting war es auch, einen kleinen Eindruck von den wichtigen Aspekte bei Patienten-Überweisungen an Fachärzt*innen zu bekommen. Mein Eindruck war, dass hier vielleicht manchmal das Verständnis und die Rollenvorstellung der verschiedenen Disziplinen aneinander vorbeigehen und dass eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit daher umso wichtiger sind. Ich merke mir: Ein Facharzt, der den Patienten nicht seit Jahren aus der Praxis kennt, muss in viel kürzerer Zeit ein Bild des Patienten entwickeln – und ist dafür natürlich auf gute Vorbefunde von hausärztlicher Seite angewiesen! So vermeidet man es auch, dass Untersuchungen doppelt oder dreifach durchgeführt werden. Ich muss mir außerdem eingestehen: Manchmal nehme ich die Spezialist*innen wie Dienstleister wahr, bei denen wir, ähnlich wie einen Laborwert, einen Hautbefund, ein Echo oder eine orthopädische Diagnose bestellen können. „Bitte um Mitbeurteilung“ lautet die oft knappe “Bestellung” auf dem Überweisungsbogen. Dabei verpasst man vielleicht, wie viel mehr die Patient*innen von der Expertise der Spezialist*innen profitieren könnten, wenn wir eine ordentliche Zusammenarbeit und guten Informationsaustausch initiieren würden. Ein Thema, für das mir der Blick von der anderen Seite geholfen hat und eine wichtige Take-home-message der Woche!
Nachdem ich Ende letzter Woche und Anfang dieser Woche für Hospitationen auswärtig unterwegs war, war es schön, Mittwoch wieder in „meine Praxis“ zurückzukommen. :-) Hier standen diese Woche einige Wundversorgungen und Verbandswechsel an. Einerseits fühle ich mich immer noch furchtbar unbeholfen im möglichst hygienischen Arbeiten und bei vielen praktischen Handgriffen (es ist unglaublich wie wenig Spritzen man in 5 Jahren Studium aufgezogen und wie wenig Verbände man angelegt hat...), andererseits habe ich einen guten Lehrer und Spaß daran, hier mehr Routine zu entwickeln!
Diese Woche war auch die Frage nach den nächsten Schritten ein Thema: Ich habe mich mit der weiteren Planung meiner anderen PJ-Tertiale beschäftigen müssen, die für mich leider immer noch nicht ganz feststehen. Ich merke, wie die Zeit hier eine gewisse Erwartung daran geprägt hat, dass ich im PJ möglichst praktisch und umfangreich Lernen möchte – was in vielen Häusern leider gar nicht so selbstverständlich ist. Umso dankbarer bin ich dafür, wie kollegial wir hier behandelt und gefordert und gefördert werden! Sicher wird es auch nützlich sein, dass ich eine recht konkrete Idee mit in die anderen Tertiale nehme, was ich dort gerne lernen und vertiefen würde. Am Mittwoch hatten wir außerdem ein spannendes Seminar der Uni Erlangen, aus dem ich einige sehr hilfreiche Infos zu den praktischen Schritten nach dem Examen und zur Weiterbildung Allgemeinmedizin mitnehmen konnte.
Nun freue ich mich auf den Beginn eines ruhigen, noch unverplanten Wochenendes!
Woche 9: 11.07. - 17.07. 2022
Wie unterstützt man eine Familie hausärztlich, die zunehmend überfordert ist mit der Pflege eines Angehörigen, diesen aber unter keinen Umständen „abgeben“ will?
Vorsorge ist besser als Nachsorge – Aber wie war das nochmal mit der number needed to treat, dem PPW und den falsch-positiven Befunden bei Screening-Untersuchungen?
Wie rede ich eigentlich mit einem 80-Jährigen über seinen Leidensdruck bei sexueller Dysfunktion?
Leitsymptom epigastrischer Schmerz - PPI ja oder nein und in welcher Dosis nochmal?!
Wie kommuniziert man einen noch nicht sehr klaren, aber womöglich ernsthaften Befund auf eine gute Art und Weise?
Wieso haben wir in der Orthopädie an der Uni eigentlich so wenig praktisches Wissen gelernt...?
Wie kommt man über Gewichtsabnahme, Rauchstopp und andere Maßnahmen zur kardiovaskulären Risikoprävention ins Gespräch ohne dem Gegenüber auf die Füße zu treten?
Und was war nochmal dieses Kawasaki-Syndrom...?!
Immer wieder stolpere ich über neue Fragen im hausärztlichen Alltag. Oder erneut über alte Fragen, die noch immer auf Antwort warten. Wer sich gerne möglichst schnell in einem abgesteckten, sicheren Terrain von Wissen und Erfahrung bewegen will, ist hier in der Allgemeinmedizin vermutlich nicht so gut aufgehoben... Oft ist das Gefühl naheliegend: Wie soll man all dem nur jemals gerecht werden?! Muss man wohl nicht. Und eine der vielen Kompetenzen, die man zum Arzt sein erwerben sollte, ist wohl die Geduld mit sich selbst.
Diese Woche dürfen die Fragen alle schon ein wenig eher ruhen, und müssen auch über das Wochenende ohne Antwort bleiben, da ich für einen kurzen Urlaub zu einer Freundin nach Österreich fahre! Zwischen Berggipfeln und wunderschönen Seen ist Zeit zum Abschalten und Auftanken – ich merke wie gut ein mal wieder etwas längeres Wochenende tut!
Woche 10: 18.07. – 24.07. 2022
Diese Woche durften Anja und ich mit drei Tagen Hospitation in der Orthopädie einer Reha-Klinik starten. Und was für eine Hospitation! Mit einem unglaublich gut durchdachten Programm in der Hand sind wir am Montag durch die verschiedenen Therapieabteilungen spaziert, wo wir die Anwendungen erklärt und gezeigt bekommen haben. Nachdem Reha in der Uni doch recht kurz gekommen ist, war das eine spannende Sache für uns! Montag fand auch ein kleiner Privatkurs Schulteruntersuchung statt, der für uns beide eine sehr hilfreiche Wiederholung war! Die zwei anderen Tage waren gefüllt mit Aufnahmen, Visiten, Kurs Knieuntersuchung und -sonografie und Wirbelsäulenuntersuchung. Dabei hat mich besonders auch die Visite beeindruckt, bei der es ganz viel um die Fragen ging: 1. Wie kommen die PatientInnen zu möglichst viel Beweglichkeit zurück? - Dies brachte gerade bei den älteren PatientInnen öfter mal die Diskussion mit sich, ob der Rollstuhl nicht endlich mal abgegeben werden könnte. 2. Was brauchen die PatientInnen im Anschluss im häuslichen Umfeld? Diese Befähigung und Unterstützung für die Alltagsbewältigung, die ich bei Entlassungen aus Akutkrankenhäusern so oft vermisse, war hier zentrales Thema.
Mittwoch Nachmittag folgte dann noch ein kleines Highlight: Zwei Orthopädietechniker waren im Haus, um Patienten und Patientinnen mit Hilfsmitteln wie Orthesen, Schuhe, Einlagen und Prothesen zu versorgen. Die zwei haben sich viel Zeit genommen, um Anja und mir einige spannende Techniken und Devises zu zeigen. So durften wir selbst eine Beinprothese – die extra für den Zwecke konstruiert ist – ausprobieren. Gar nicht so einfach! Faszinierend war auch ein Gerät, das sich ein junger Mann mit Fußheberschwäche anzog: Dieses konnte die Muskulatur koordiniert zum Bewegungsablauf so stimulieren, dass der Patient wieder annähernd normal gehen konnte! Insgesamt waren die drei Tage sowohl für meine Orthopädie-Kenntnisse als auch für den Einblick in eine Reha-Klinik ein großer Gewinn!
Unter uns PJlern ist diese Woche an verschiedenen Stellen mal wieder die weite Frage danach aufgekommen, welche Medizin eigentlich „richtige Medizin“ ist und welchen Stellenwert gute Evidenz in der Medizin hat. Welche Evidenz hat z.B. die Elektrotherapie als Anwendung in der Reha-Klinik? Wie umgehen mit dem immer wieder aufkommenden Thema Homöopathie, wo die Datenlage eigentlich ein so klares Urteil fällt? Wie bewerten wir die anthroposophische Sicht von Gesundheit und Krankheit, die durch ihr Weltbild und ihre Wissenschaftsdefinition von teils ganz anderen Bewertungskriterien ausgeht? Und wie gehen wir um mit einer Schulmedizin, die an manchen Stellen so sehr dogmatisch wird?
Dabei stellen sich für mich immer wieder auch die grundsätzlichen Fragen: Wie evidenzbasiert muss – und kann - Medizin eigentlich sein? Warum lassen wir nur ganz bestimmte Studientypen als wirklich wissenschaftlich gelten und was ist mit dem Erfahrungsschatz von Generationen vor uns? Wie bewerten wir diagnostische und therapeutische Methoden, die mit den üblichen Studientypen nicht evaluierbar sind? Funktioniert „evidenzbasiert“ nach unseren westlich-wissenschaftszentrierten Vorstellungen eigentlich universell oder nur in unserem Weltbild...? Ich bin ein großer Fan davon, wie hier in der Praxis die sogenannte Evidenz bestimmter Studien und Leitlinien kritisch hinterfragt wird und das Ziel immer ist, die Medizin nicht von Interessen wie Prestige oder Finanzen, sondern echten neutralen Erkenntnissen leiten zu lassen. Andererseits zeigt sich dabei oft, wie schwierig genau das ist. Es gibt so viele Themen, zu denen wir nur Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen können und wo die allgemeinen Statistiken dem Einzelnen nicht unbedingt gerecht werden. Auch wissen wir zum menschlichen Körper, zu Gesundheit und Krankheit so vieles noch nicht. Immer wieder bleibt das Ergebnis: Wir wissen, wie viel wir nicht genau wissen. Und während es für manche Themen gute, fundierte Handlungsanweisungen gibt, bleibt an anderen Stellen die Frage: Nach welchen Maßstäben berate und behandle ich denn nun? Eine Frage, die wohl oft ohne gute Antwort auskommen muss, sich aber lohnt, regelmäßig wieder zu stellen.
Ein Highlight der Woche, das noch erwähnt werden muss, war unser sehr motivierende M3-Teaching mit Julia mit Prüfungssimulation. Dass wir dieses gleich mit einem Ausflug an den See verbinden konnten, hat den Nachmittag perfekt gemacht! :)
Während ich diesen Eintrag schreibe, sitze ich im Garten und staune, mit wie viel Geduld Franzi unsere Rosen pflegt. Und ich freue mich auf ein Wochenende mit spannenden Gesprächsthemen, schönen Wanderungen und Zeit für alles andere, was unter der Woche so liegen bleibt. Pfiat Eich!
Woche 11: 25.07. - 31.07. 2022
Protokoll eines (richtig guten) Montags:
8.00 Uhr: Unsere erste Patientin stellt sich vor mit Schmerzen im Bein: „Vorgestern war der Unterschenkel plötzlich rot und geschwollen und schmerzhaft.“ Nun ist die Wade und der mediale Oberschenkel druckschmerzhaft, sonstige Klinik nicht richtungsweisend. Wells-Score von 1, D-Dimere abgenommen, Venenkompressionssonografie trotzdem gleich durchgeführt: völlig blande. Die TVT ist damit wohl ausgeschlossen, eine muskuloskelettale Ursache wahrscheinlich.
Es folgt ein geriatrisches Assessment – es wird Zeit, dass ich das heute mal vernünftig lerne. MMTS, Barthels Index und Sturzrisiko-Assessment. Anschließend noch einige gute Erklärungen zu anderen Tools und Tests.
Weiter geht es mit einem Kind mit Windpocken. Der Beginn ist nun eine Woche her, in den letzten Tagen sind keine neuen Effloreszenzen entstanden, die letzten Bläschen sind verkrustet – die kleine Patientin darf also wieder in den Kindergarten gehen.
Es folgt eine Patientin, die ich wieder einbestellt hatte, wegen.. warum nochmal...? Kurzer Blick in die Kartei: Ach ja, Blutzucker- und Marcumar-Kontrolle. Eine Anpassung der Diabetesmedikation scheint mal wieder angebracht. Daran schließen wir gleich noch die DMP-Untersuchung an. Auch eine LUFU ist bei der Patientin mal wieder nötig, eine gute Gelegenheit für mich, endlich mal selbst eine Spirometrie anzuleiten. Bei der Fußkontrolle fällt noch eine Druckstelle auf, der wir ein wenig Zeit schenken. Diese Patientin ist heute ausführlich versorgt worden!
Es folgt ein weiteres geriatrisches Assessment – doppelt geübt hält besser.
10:00 Uhr: Eine ältere Dame ist zum Sono einbestellt worden als Teil des Check-ups. Ich darf damit beginnen und freue mich über sehr gute Schallbedingungen. Sogar das Pankreas ist einfach und vollständig darstellbar! Ein völlig blandes Abdomen Sono.
Weiter geht es mit einem Mädchen mit Konjunktivitis, Schnupfen und leichten Halsschmerzen. Ich erkläre kurz den harmlosen Verlauf einer solchen, wahrscheinlich vorliegenden, Virusinfektion und gebe ein paar Tips zu Hygienemaßnahmen. Ach ja, den obligaten Corona-Abstrich hab ich noch vergessen...
Es folgen eine wunderschön verheilte Knie-TEP mit hervorragendem funktionelle Ergebnis, danach eine kurze Fadenzug-Revision, bei der sich wohl letzte Woche zwei Fäden zu gut versteckt hatten...
Beim Blick ins Verbandszimmer sehe ich ein von den letzten Wochen schon sehr bekanntes Gesicht, über das ich mich immer wieder freue: Ein Patient in palliativer Situation, der zur Wundkontrolle kommt. Dabei bemerkt ich schweren Herzens den deutlich zugenommenen Ikterus, der vom Fortschreiten seiner Erkrankung erzählt.
13:00 Uhr: Mittagessen! Doch nicht – Es kommt noch ein Notfall rein: Ein Patient mit größerer Schnittwunde an der Hand, die ich mit einigen Stichen nähen darf. DMS intakt, keine funktionellen Einschränkungen, Impfpass wird zur Kontrolle des Tetanusimpfschutzes morgen nachgereicht.
Jetzt ist aber Zeit zum Essen! Was für ein Luxus, dass das Ehepaar Hackl für mich mit kocht! Die Zeit zum Essen ist aber nicht lang, denn es geht weiter mit der Mittagsbesprechung online, heute zum Thema „Sucht und Medikamentenabhängigkeit“. Ein sehr spannendes Thema - und unglaublich herausfordernd!
15:00 Uhr: es ist noch Zeit für einen Hausbesuch, bevor die Sprechstunde weitergeht. Heute darf ich mal alleine los. Bei der Dame mit Ischialgie lassen sich die AGVs gut ausschließen und wir einigen uns auf leichte Dehnübungen und Metamizol bei Bedarf. Anschließend ist noch ein wenig Zeit, damit mir die Patientin ein bisschen von dem erzählt, was sie eigentlich so belastet. Als ich nach ein paar Minuten wieder aufbrechen muss, zeigt sich die Patientin sehr dankbar für mein Zuhören und die wertschätzenden Worte. Ich glaube, das war ein lohnenswerter Hausbesuch...
Zurück in der Sprechstunde ist schon wieder eine Naht zu setzen: Ein Junge mit Risswunde am Knie, die zwei Einzelknopfnähte braucht. Ein sehr tapferer Patient!
Mein letzter Patient des Tages wurde einbestellt, um die Histologie seiner Gastroskopie zu besprechen. Es wurde ein Helicobacter pylori festgestellt, der nun therapiert werden soll. Ich erkläre dem Patienten den Befund und in groben Zügen die Therapie. Soweit so kompetent... aber welche der Optionen nehmen wir jetzt? Und wie waren nochmal die Dosierungen? 7 Tage, oder...? Nein, doch länger. Das war eine gute, praktische Wiederholung, vielleicht bleibt das Schema diesmal ein wenig länger in meinem Gedächtnis!
18:15 Uhr: Herr Dr. Hackl und ich besprechen meine Hausbesuchspatientin von heute Mittag nach und danach noch einmal einige Patienten des Tages. Es folgt ein Blick in mein PJ-Logbuch und dann eine kurze Besprechung unserer Wanderpläne für nächstes Wochenende. :)
19:00 Uhr: Heimfahrt. Das war ein typischer, ganz schön langer Montag. „Aber ein richtig guter!“, denke ich.
Woche 12: 01.08. – 07.08.2022
Highlights der Woche:
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Gartenfeier in Grafenau: Am Dienstagabend haben wir als PJlerinnen einige der Ärzt*innen, mit denen wir viel zusammenarbeiten dürfen, zum gemütlichen Beisammensein in unserem schönen Garten eingeladen. Ein sehr schöner Abend mit spannenden Gesprächsthemen in sympathischer Runde!
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Antibiotika-Teaching mit Dr. Baloun: Dr. Baloun haben wir schon bei den bayernweiten Netzwerktreffen immer wieder als sehr begeisterten und begeisterungsfähigen Infektiologen kennengelernt. Diesen Mittwoch hatten wir die Chance, ihm einige unserer Fragen zum weiten Thema Antibiotikatherapie zu stellen. Wie viele andere Studenten wohl auch, verzweifel ich immer wieder an dem Versuch, die vielen Details zu den verschiedenen Antibiotika in meinen Kopf zu bekommen. - Da machte es Spaß, sich ein bisschen von der Begeisterung von Dr. Baloun für ein letztlich so enorm wichtiges Thema – für Gegenwart und Zukunft! - anstecken zu lassen. Eine meiner Take-home-messages: Fosfomycin Einmalgabe bei Harnwegsinfekt ist zwar schick weil einfach, aber ein gut wirksames Reserveantibiotikum der Intensivmedizin für einen Zweck zu verwenden, für den es gute Alternativen gibt, ist schon irgendwie fragwürdig...
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Hospitation Palliativteam: Am Freitag durfte ich mit Dr. Gion vom SAPV Team Passau unterwegs sein. Von Morgenbesprechung über Online-Konferenz bis zu den Hausbesuchen gab es super viel für mich mitzunehmen! Irgendwie beeindrucken mich immer wieder die Bereiche, in denen man Menschen in den ganz essentiellen Lebensthemen begleiten kann. Das Thema Sterben ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein solches Grenzthema des Lebens. Und was für ein Schatz, dass die Palliativmedizin mit Blick auf sämtliche Bedürfnisse – körperlich, seelisch, emotional, spirituell, zwischenmenschlich,... - eine intensive Unterstützung der Patient*innen und Angehörigen anbieten kann! In der Hausarztpraxis stellt sich mir öfter mal die Frage, was Menschen am Lebensende – in der Geriatrie, in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium, in einer palliativen Situation – brauchen können, und was auch nicht mehr. Es war hilfreich, einen kleinen Einblick zu bekommen, welche Schwerpunkte der Versorgung von dem SAPV-Team gelegt werden und einige meiner Fragen zum Thema zu stellen.
Das letzte Highlight war ein sehr schönes Wochenende mit Besuch von zwei Freundinnen aus München! - ein (fast) Medizin-freies Wochenende mit Besuch des mittelalterlichen Stadtfestes in Grafenau und schöner Wanderung, mal wieder zum Lusen! :)
Woche 13: 08.08. - 14.08. 2022
Dies war nun leider schon die letzte Woche in „meiner“ Praxis! Was für eine wertvolle Zeit in einem unglaublich sympathischen Team!! Da die Praxis für die nächsten drei Wochen im Urlaub sein wird, musste ich mich heute schon von meinem „ersten Arbeitsplatz“ verabschieden. Es war schön, diese Woche nochmal bei einem kleinen Betriebsausflug Zeit mit dem Team zu verbringen – ich werde die so familiäre Atmosphäre sehr vermissen!
Die letzten Wochen werde ich nun mit verschiedenen Hospitationen und vermutlich an den Standorten Grafenau und Schöfweg verbringen.
Eine Hospitation stand auch diese Woche an bei einer niedergelassenen Gynäkologin. Dort konnte ich einerseits ein wenig von dem, was ich in meinen Geburtshilfe-Famulaturen gelernt hatte, wieder rauskramen – so ein Schwangerschafts-Sono ist schon etwas schönes! :-) - und ich habe an diesem einen Tag so einiges gezeigt und erklärt bekommen. Besonders hilfreich fand ich die ausführliche Erklärung zur Verordnung der verschiedenen kontrazeptiven Pillen. Dieses Thema läuft in der Hausarztpraxis oft so nebenbei mit, ist aber aus gynäkologischer Perspektive berechtigterweise deutlich komplexer gedacht, erfordert gute Aufklärung und regelmäßige Reevaluation. Ein wenig war meine Frage auch: Ist die niedergelassene Gynäkologie eine realistische Alternative zur Allgemeinmedizin? Nach einem Tag kann ich das wohl nicht genügend beurteilen, ich habe aber die Ahnung, dass mir so einige Facetten der hausärztlichen Arbeit dort fehlen würden. Oder ich muss doch in ein Land umziehen, in dem Schwangerschaftsvorsorge eine hausärztliche Tätigkeit ist... ;-)
Der heutige Freitag war emotional nicht nur vom letzten Tag und dem „Tschüss“ und „Danke!“ sagen geprägt – es war auch ein normaler Arbeitstag mit der ganzen Breite des menschlichen Lebens, die so im hausärztlichen Alltag auf einen einprasselt. Am Morgen der Besuch einer verstorbenen Patientin im Altersheim zur Bescheinigung ihres Todes; später ein zuckersüßer, quicklebendiger Säugling, der voller Neugierde und Staunen versucht hat die Welt um sich herum wortwörtlich zu begreifen; nachmittags dann die Fahrt zu einem im Sterben liegenden Patienten, der noch immer um das Leben ringt. Wir haben im Studium mal etwas von professioneller Empathie gelernt. Das klang für mich immer auf eine Art hohl und unauthentisch. Ich möchte den Menschen und dem Leben gern ehrlich, offen und authentisch begegnen – ich will mich zutiefst über die Schönheiten freuen, ich will aber auch über den Schmerz und das Leid weinen dürfen. Natürlich braucht es für den ärztlichen Beruf eine professionelle Distanz, die in der Situation Souveränität behält, die eine gewisse Sicherheit bieten kann und emotional „Außenstehender“ bleibt. In allen Begegnungen bin ich aber nicht nur Ärztin, sondern auch ich selbst. Und dann darf und muss ich mich auch ehrlich mit dem beschäftigen, was mich bewegt, was in mir vor sich geht, wenn ich all diesen Lebenssituationen begegne.
Die Frage danach, wie professionelle Distanz und ehrliche, authentische Empathie zusammenpassen können, bewegt mich die letzten Jahre immer wieder. Ich glaube, dass es eine gesunde Balance aus Distanzfähigkeit und Berührbarkeit braucht, um den Patient*innen und sich selbst gerecht zu werden. So zumindest mein Eindruck, wenn ich Ärzt*innen um mich herum beobachte und mit meinen Fragen löchere... Jedenfalls stelle ich dankbar fest, dass ich mit der Praxis auch in diesen Themen immer etwas mehr Übung bekommen darf.
Mit dieser Reflexion verabschiede ich mich ins Wochenende. Franzi und ich planen heute eine Nachtwanderung unter den Sternen – mal schauen, welche spannenden Gespräche sich dabei noch ergeben werden!
Woche 14: 15.08. - 21.08. 2022
Urlaub
Woche 15: 22.08. - 28.08. 2022
Diese Woche war noch einmal ein etwas anderes Programm für mich dran: In einer Passauer Kinderarztpraxis durfte ich die Woche über bei den kleinen Patient*innen mitlaufen. Zahlreiche U-Untersuchungen, Impfungen und Infekte haben sich abgewechselt mit den fachärztlichen Konsultationen zur Kinder-Pneumologie und Neuropädiatrie. Die U-Untersuchungen waren für mich eine gute Chance, meine Einschätzung zum Entwicklungsstand der Kinder weiter zu trainieren. Spannend war es auch, die Kinderärzt*innen bei ihrem unglaublich geschickten Umgang mit Eltern und Kindern zu beobachten und daraus so einige Praxistipps mitzunehmen. Auch die vielen Asthma-Kontrollen waren eine gute Übung zu einem Thema, das mir in den letzten Wochen sonst eher selten begegnet ist. Selbst konnte ich diese Woche leider nicht sehr viel machen, was der doch oft größeren Anspannung von Eltern und Kindern in der Praxis geschuldet war. Trotzdem hat mir die Woche Spaß gemacht und hat meinen bisher insgesamt noch recht ungeübten Blick für Kinder und ihren Gesundheitszustand weiter trainiert.
In der Kinderarztpraxis spielen – sogar denke ich noch mehr als in der Hausarztpraxis – die Primärprävention und Früherkennung eine unglaublich große Rolle: Beratungen zum plötzlichen Kindstod, zu Ernährung, zu Impfungen, zu Unfallprävention, Neugeborenenscreening, Untersuchungen zum Entwicklungsstand, zur Sprache, zum Hören und Sehen. Zu Recht, denn so können viele Erkrankungen und Probleme verhindert oder abgefangen werden, die bis vor wenigen Jahrzehnten, und in anderen Teilen der Welt noch immer, zu einer deutlich höheren Sterblichkeit im Kindesalter führten. Meine ersten intensiven Kontakte mit der Pädiatrie hatte ich in Pakistan, einem Land, das in Bezug auf medizinische Versorgung für einen Großteil der Bevölkerung als Entwicklungsland zu betrachten ist. In einem solchen Setting wird deutlich, welchen enormen Wert verhältnismäßig einfache Maßnahmen – gerade der Prävention und Vorsorge! - haben können. Die Vergleiche zwischen den so unterschiedlichen Settings haben mich diese Woche immer mal wieder zum Nachdenken gebracht und ich bin dankbar für die vielen insgesamt so gesunden Kinder, über die ich mich diese Woche in der Praxis freuen durfte!
Übrigens: Bayerisch gilt hier (in)offiziell als Muttersprache vieler Kinder, Zweitsprache Hochdeutsch. ;-) Deswegen – für alle Hinzugezogenen wie mich – hier noch einmal ein kleines Update meiner Bayerisch-Vokabelliste (ohne Garantie ;-) ):
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Aufe – hinauf
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Oba – herab (Im Altersheim: „Frau XY? Da müssn Sie oba gehen“ - heißt nicht nach oben, sondern runter gehen)
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bessa – mehr/ stärker
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Schmier – Salbe, Creme
Woche 16: 29.08. – 02.09. 2022
Nun ist mein Tertial im Bayerischen Wald tatsächlich schon vorbei. Wenn ich auf die letzten vier Monate zurückschaue, würde ich sie wie folgt zusammenfassen: anspruchsvoll, aber wertvoll.
Vor vier Monaten bin ich mit der Erwartung in den „fernen Südosten“ gezogen, dass ich hier ein wirklich lehrreiches PJ verbringen kann. Ich versuche mal, ein wenig Resümee der Zeit zu ziehen:
Ich durfte meine Zeit in einem wunderbaren, sehr sympathischen Praxisteam verbringen. Dort hatte ich den Freiraum, mich in den verschiedensten Patientenkonsultationen zu üben und dabei zu beginnen, meinen eigenen Stil zu entwickeln. Ich konnte viele, viele Patientengespräche anfangen, mir eigene Gedanken zu den Anliegen machen, Untersuchungen durchführen und dann Therapien vorschlagen. Dabei hat mich die wertschätzende Art von Herrn Hackl und das offene Vertrauen der Patient*innen immer wieder darin bestärkt, selbstbewusst meine Ideen und Vorschläge zu teilen. Profitieren konnte ich auch von der praktischen Anleitung in der Sonografie, den vielen Chancen diese zu üben und von den gemeinsamen, und dann auch selbstständigen, Wundversorgungen und -kontrollen.
Vier Monate und viele viele Patientenkonsultationen später, kenne ich nun also nicht nur einige Bayerischvokabeln mehr. Dank der geduldigen und freundlichen Art der Patient*innen war die „Sprachhürde“ übrigens auch nie ein wirklich großes Problem. Und ein bisschen werde ich den Dialekt auch vermissen...
Vermissen werde ich auf jeden Fall auch meine Mit-PJlerinnen, die ich sehr gerne als Kolleginnen mitnehmen würde! Gerade von unseren PJ-internen Themenbesprechungen habe ich sehr profitiert. Dabei haben wir u.a. gelernt, wie Leitlinien zu nutzen sind und wo zuverlässige, an der Praxis orientierte Quellen zum Lernen und Nachschlagen zu finden sind. Und auch ansonsten war der Austausch und die gemeinsame Zeit mit den anderen PJlerinnen und jungen Ärztinnen wertvoll und bereichernd!
Neben unseren selbstorganisierten Thementreffen gab es eine Vielzahl an Fortbildungsmöglichkeiten: Die regelmäßigen Fallbesprechungen, in die wir PJler so selbstverständlich mit einbezogen wurden, habe ich immer wieder als hilfreichen Rahmen empfunden, um Feedback und Hilfestellungen zu praktischen Fragen zu bekommen. Die Montagsbesprechungen haben mir persönlich nur wenig entsprochen, dafür waren die Journal Clubs spannende Gelegenheiten, um tiefergehend über die Qualität von Evidenz an verschiedenen Stellen in der Medizin nachzudenken. Gerade durch die Journal Clubs, gemeinsam mit unserem PJ-internen Austausch über Leitlinien, habe ich nochmal einen wichtigen Soft Skills der Medizin lernen können: Wie ich Informationen in der Medizin kritisch bewerte und mir gezielt zuverlässige Quellen als Grundlage meiner Patientenversorgung suche. Stichworte: Evidenzbasiert, nicht Eminenzbasiert...
Zwischen den zum Teil langen Praxistagen, vielen Fortbildungen und Veranstaltungen, dem Schreiben von Erfahrungsberichten und organisatorischen Tätigkeiten rund um unser schönes Studierendenhaus, wurden die Wochen immer wieder sehr voll. Insgesamt arbeiten die Ärzt*innen der beteiligten Praxen mit einem hohen Selbstanspruch und auch das, was von uns Lernenden erwartet wurde, war anspruchsvoll und zeitintensiv. Dies ist einerseits genau das, was die Zeit hier so lehrreich gemacht hat, und andererseits immer wieder ein Übungsfeld gewesen: Es gilt hier, wie sicher auch später im ärztlichen Alltag, Prioritäten setzen zu können, sich manchmal von gefühlten oder tatsächlichen Erwartungen abzugrenzen und sich seiner eigenen Ressourcen – und Grenzen – bewusst zu werden.
Insgesamt habe ich in diesem Tertial einige große Schritte von Studentin-sein zu Ärztin-sein machen dürfen. Würde ich das Tertial wieder hier verbringen? Auf jeden Fall! Denn die Zeit hier war - in vielen Aspekten - anspruchsvoll, aber sehr wertvoll und lehrreich, so wie ich es mir von meinem Allgemeinmedizin-Tertial gewünscht hatte.
Ich wünsche dem Team und den Patient*innen weiterhin alles Gute! Und Euch zukünftigen PJler*innen viel Freude und Ausdauer beim Arbeiten und Lernen :)
Hannah Müller
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Woche 1: 07.03. – 13.03.2022
Hallo ihr Lieben, die ihr vielleicht hier auf dieser Seite gelandet seid, weil ihr grade dabei seid euch umzuschauen, auf welches Fleckchen Erde und vor allem natürlich in welche Fachrichtung es euch für das anstehende PJ verschlagen könnte.
Ich bin Hannah, grade 26 Jahre geworden und arbeite im Moment daran, eine gute Ärztin zu werden.
Wie ich hier gelandet bin? Ich liebäugle schon sehr lange mit der Allgemeinmedizin, weil ich das Konzept eines ersten Ansprechpartners, der seine Patienten mit ihrem sozialen Hintergrund und ihrer Lebensgeschichte kennt, einfach gesagt großartig finde. Außerdem interessiert mich zu viel, als dass ich mich auf ein eingeschränkteres Fachgebiet festlegen könnte - ich fand die Gyn-Vorlesungen ebenso spannend wie die Rechtsmedizin. Meine Vorstellung eines Allgemeinmediziners ist eine Person, zu der die Patienten Vertrauen fassen und der auf einem sehr breiten Wissensgebiet den Patienten ganzheitlich berät, Leiden und Sorgen physischer und psychischer Art lindert und ja, auch mal weiter überweist. Genau das ist, finde ich, kein Zeichen von Inkompetenz, sondern von Professionalität, seine Grenzen zu kennen und bei Bedarf jeweilige Spezialisten hinzuzuziehen, um den Patienten bestmöglich zu betreuen. Und nun bin ich hier, in Kirchberg im Wald, um genau diese Stärken zu erlernen und zu vertiefen.
Ich bin ehrlich gesagt kein großer Fan von „ersten Tagen“, und so bin ich, als ich am Sonntag vor Beginn des PJ-Tertials hier ankomme, trotz meines „Heimvorteils“ mal wieder mächtig aufgeregt, wie so immer, wenn etwas Neues ansteht. Als ich jedoch die Wohnung auf dem Kirchberg das erste Mal betrete, bin ich sofort verliebt und fühle mich, noch bevor alle meine Sachen ausgepackt sind, angekommen in diesen gemütlichen, einladenden vier Wänden.
Am gleichen Abend lerne ich auch noch meine Mit-PJlerin Caro kennen und habe auf Anhieb das Gefühl, dass die nächsten Monate gut werden.
In der ersten Woche im bayrischen Wald lerne ich die Praxisstandorte Kirchberg und Auerbach kennen. Die Tage stehen ganz unter dem Motto, das ich dem Tertial insgeheim schon vorher gegeben habe: „fördern und fordern“. Die Sprechstundenzeiten vergehen wie im Flug, ich lerne Dr. Machac, Dr. Kalmancai und Fr. Aicher sowie die medizinischen Fachangestellten kennen. Alle sind freundlich, nehmen einen herzlich ins Team auf und sind immer für alle Fragen offen. Auch an Gegenfragen mangelt es nicht, so dass meine Liste mit Stichpunkten, die ich auffrischen und nachlesen möchte, rasant wächst. Das Konzept, als Student zum Patienten vorzugehen, Anamnese und körperliche Untersuchung zu beginnen und nach einer Übergabe an den Arzt gemeinsam das weitere Procedere zu besprechen empfinde ich als sehr lehrreich und habe mit jedem Tag ein bisschen mehr das Gefühl, anzukommen und richtig mitzumachen. Gerade frisch aus dem Innere-Tertial stoße ich nun auch auf die Unterschiede zur Allgemeinmedizin. Hat in der internistischen Klinik kein Patient das Krankenhaus ohne EKG und Röntgenbild verlassen, lerne ich hier schnell, dass viel Diagnostik mit Erfahrung und „Kennen seiner Patienten“ ausgeglichen wird. Es gibt sogar eine Studie dazu, dass das Bauchgefühl eines Hausarztes in bestimmten Fällen besser ist als präklinische Diagnostik – spannend!
Neben den aufregenden Stunden in den Praxen dürfen wir diese Woche bereits in die ersten Besprechungen reinschnuppern. Dreimal pro Woche gibt es in der Mittagspause standortübergreifende Fortbildungen und Fallbesprechungen, in denen Wissen geteilt, interessante Fälle vorgestellt und über Fragestellungen diskutiert wird. Dieses geballte Wissen erfahrener Allgemeinmediziner zu erleben, macht richtig Lust darauf, sich weiterzubilden und die besprochenen Themen nachzulesen.
Gleichzeitig mit meinem PJ-Tertial beginnt auch der exzellente Winter 2022, ein Famulaturprojekt der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald. Neben der Arbeit in den Praxen erhalten die Famulanten Teachings zu den verschiedensten Themen und Fachrichtungen. Wir PJlerinnen sind auch dabei, teils als Tutoren, teils als Teilnehmer; so dürfen wir ebenfalls an Kursen zur Einführung in wichtige Recherchegrundlagen und Untersuchungstechniken teilnehmen und lernen auch die anderen Studenten kennen.
Rasend schnell geht die erste Woche vorbei und neben der natürlichen Vorfreude aufs Wochenende freue ich mich auch riesig auf den nächsten Montag und bin gespannt, was die kommende Woche bringen wird.
Mein Highlight der Woche
- Kompetenz, Wissen, Haltung, Wertschätzung
wichtige Werte, die vermittelt werden und einen guten Arzt von einem Arzt unterscheiden, sind bei jedem im Team erkennbar und machen den Einstieg hier sehr leicht.
- Die Selbstständigkeit,
mit der ich bereits in den ersten Tagen arbeiten durfte. Da ich mich diese Woche intensiver mit Grundlagen des Sono-Abdomen beschäftigt habe, weil es im Ultraschallkurs zu personellen Ausfällen kam und wir PJlerinnen als Tutoren eingesetzt wurden, hat es mir besonders Spaß gemacht, dieses aufgefrischte Wissen in der Sprechstunde in die Praxis umzusetzen und einige Patienten "vorzuschallen".
- Der bayerische Wald
zeigt sich die ganze Woche bei strahlendem Sonnenschein von seiner besten Seite, sodass wir den Sonntag für eine Runde Langlauf auf dem Bretterschachten nutzen und den Grundstein für den Sommerteint legen können. Der Bayerwald - einfach schee!
Woche 2: 14.03. – 20.03.2022
Zack, kaum einmal umgedreht, ist auch die zweite Arbeitswoche im bayrischen Wald schon rum. Ebenso ereignisreich wie Woche 1 fällt mir erst, als ich in Ruhe versuche meine Gedanken zu sortieren, auf, wie wohl ich mich schon fühle. Am Anfang der Woche bin ich erneut einige Tage in Auerbach bei Dr. Kalmancai, wo ich bereits einige Patienten kenne, die zur Wiedervorstellung kommen. So kann ich Wunden und Auskultationsbefunde im direkten Vergleich beurteilen und freue mich, den Patienten mitteilen zu können, dass es in die richtige Richtung geht. Patienten vor, während und nach einer Erkrankung zu sehen, den Verlauf zu beurteilen und deren Weg begleiten zu können, das bedeutet für mich Allgemeinmediziner und Hausarzt zu sein.
Den Rest der Woche verbringe ich in beim Team in Schöfweg. Auch hier beginne ich bereits Anamnese und körperliche Untersuchung und gebe Fr. Dr. Kleudgen dann eine kurze Übergabe. Immer wieder werde ich auch nach meinen Therapievorschlägen gefragt und erlange durch das gemeinsame Erörtern der Strategien auch mehr Selbstvertrauen, so dass ich bei häufigen Krankheitsbildern langsam beginne, bereits vorab mit den Patienten mögliche Therapiekonzepte zu besprechen.
Ich finde es sehr spannend, die Ärzte und Ärztinnen, denen ich zugeteilt bin, bei ihrer Arbeit zu beobachten. Alle sind super kompetent und wertschätzend im Umgang mit ihren Patienten und haben doch sehr unterschiedliche Arbeitsweisen, so dass ich versuche, mir möglichst viel abzuschauen und meine eigene Art dadurch etwas zu formen. Was ich an der Medizin so schön finde, ist, dass man mit allen Charakteren und Menschengruppen zusammenkommt, ob alt oder jung, männlich oder weiblich, mit oder ohne medizinischen Hintergrund; doch, dass diese Arbeit auch sehr fordernd sein kann, merke ich, als ich versuche, jedem Patienten gleichermaßen gerecht zu werden.
Auch außerhalb der Zeit in den Sprechstunden gibt es erneut viel zu lernen. War ich in der ersten Woche vom Konzept der ganzen standortübergreifenden Meetings in der Mittagspause noch etwas überfordert, macht es mir mittlerweile schon richtig Spaß bei kniffligen Fällen selbst zu überlegen, was ich noch machen würde. Einen Fall, den ich die Woche zuvor in der Praxis gesehen habe, stelle ich selbst kurz vor und bekomme postwendend einen detaillierten Therapievorschlag von einer Kollegin mit vertieftem dermatologischen Wissen.
Außerdem laufen auch die Teachings des exzellenten Winters 2022 weiter. Nachdem wir im EKG-Kurs als Tutoren mit dabei waren, setze ich das aufgefrischte Wissen in die Praxis um und schnappe mir in Schöfweg die EKGs, erstelle einen Befund und bespreche diesen im Anschluss mit Fr. Dr. Kleudgen. In den meisten Fällen funktioniert das auch schon gut, aber an der ein oder anderen Stelle bemerke ich doch noch Nachbesserungsbedarf. Da steht nun wohl der nächste Punkt auf meiner To-Do-Nacharbeiten-Liste für die nächsten Tage.
Neben der Fallvorstellung der Arztrunde, wo meist eher die weitere Diagnostik oder Therapieplanung im Fokus steht, gibt es auch für die Famulanten eine Fallvorstellungs-Runde, an der wir PJlerinnen ebenfalls teilnehmen dürfen. Ein Teilnehmer stellt einen Fall aus der Praxis vor und wir besprechen gemeinsam und strukturiert nach Ursachen (entzündlich, maligne, …), welche Krankheitsbilder zu den beschriebenen Symptomen passen könnten. Brauchen wir jetzt gemeinsam noch für jeden Fall eine gute halbe Stunde, ist das doch der Grundstein dessen, was später in der Sprechstunde und mit einiger Erfahrung blitzschnell im Kopf ablaufen wird.
Erwähnenswert sind auch die kulinarischen Genussmomente dieser Woche. Nach 4 Monaten in der Krankenhauskantine (und hierbei handelte es sich schon um eine recht ausgewogene Küche), wo coronabedingt die Tische einzeln gestellt waren, so dass jede Mahlzeit an eine Abiturprüfung erinnert hat, schmeckt das selbstgekochte und gemeinsame Essen umso besser. Ich finde es immer wieder inspirierend, welche Rezepte andere Personen aus dem Hut zaubern und so steuern wir beide etwas zu den gemeinsamen PJ-Kochabenden bei und genießen Erbsenrisotto, Quiche und selbstgemachte Pizza.
Mein Highlight der Woche
- Der Nahtkurs im Rahmen des exzellenten Winter 2022 im Krankenhaus im Zwiesel. Einmal die Scheu vor den Schweinefüßen überwunden, können sich die Knoten nach einiger Zeit sehen lassen und das Grauen vor dem gefürchteten Satz des noch anstehenden Chirurgie-Tertials „der PJler macht zu“ lässt langsam nach. Vielen Dank, dass wir dabei sein durften, die Nahttechniken zu üben hat riesig Spaß gemacht!
- Meine mittlerweile schon sehr lieb gewonnene Mit-PJlerin und WG-Nachbarin Caro, die das erste Mal einen Recyclinghof betritt und vor Freude über das grandiose System ganz aus dem Häuschen ist.
Woche 3: 21.03. – 27.03.2022
Die ersten Tage dieser Woche verbringe ich in Erlangen. Um später in der Klinik Röntgen und CT-Anforderungen ausstellen zu dürfen, bedarf es einer Teilnahme am Strahlenschutzgrundkurs. Da man im PJ dafür freigestellt wird und für Studenten die nicht irrelevante Anmeldegebühr erlassen wird, ist eine Teilnahme daran während des PJ empfehlenswert, der Kurs ansonsten: nennen wir es mal eine „Notwendigkeit“. Trotz der für mein Empfinden nicht unbedingt verfliegenden Stunden des Kurses genieße ich es doch, nachdem ich auch das erste Tertial bereits nicht in Erlangen verbracht habe, mal wieder ein paar Tage am Stück dort sein zu können. Trotzdem freue ich mich sehr auf den Rest der Woche und die damit verbundene Rückkehr in den Praxisalltag.
Die Vormittage verbringe ich in Kirchberg und dort ist es, wie bereits in den vorherigen Wochen, zackig und lehrreich. Dr. Machacs Ausführungen zu folgen ist sehr spannend, aber auch herausfordernd und die Antwort auf alle seine Fragen zu wissen so gut wie unmöglich.
In der wöchentlichen Fallvorstellung stelle ich den Fall einer Patientin vor, deren Finger aus heiterem Himmel blau geworden ist - kein Trauma, keine Durchblutungsstörung bekannt, kein Schmerz, voller Bewegungsumfang, quasi keine Vorerkrankungen. Von den Ärzten und Ärztinnen, sowie den Studierenden des Famulaturprojekts werden verschiedene Möglichkeiten in den Raum geworfen, die ich mir allesamt notiere. Mit diesen Ideen im Hinterkopf werde ich den Fall nun weiterverfolgen. Ihr könnt euch an dieser Stelle ja schon mal Gedanken machen, welche Ideen ihr so habt; wenn es spannende Neuigkeiten vom Finger der Patientin gibt, werde ich wieder berichten.
Auch in dieser Woche gibt es neben der Arbeit in den Praxen wieder verschiedene Teachings für die Famulanten und wir PJlerinnen sind natürlich wieder gerne mit dabei.
Einen Nachmittag widmen wir uns den Kleinsten unserer Patienten. Frau Dr. Pinker und Frau Dr. Schell-Waininger sind beide als Allgemeinmedizinerinnen auch viel pädiatrisch tätig und teilen auf sehr persönlicher Ebene ihr Wissen mit uns. Für mich, nachdem ich bereits zwei Famulaturen in der Pädiatrie verbracht habe und auch sonst immer ein großes Faible für die Medizin mit den kleinen Menschen hatte, ist es besonders spannend, die beiden sympathischen Ärztinnen auszuquetschen, wie genau die Voraussetzungen sind, um als Allgemeinmedizinerin auch Kinder zu behandeln. Im Anschluss kommen einige Kinder aus dem Ort mit ihren Mamas zu uns und lassen sich gegen eine kleine Bestechung mit Keksen und Kuchen von uns untersuchen. Einen großen Respekt an die Kleinen, die sich so furchtlos und ausdauernd von uns untersuchen haben lassen und einen ganz großen Dank an die Mamas, die uns diese Möglichkeit gegeben haben.
Am Samstag widmen wir uns dann den Ältesten unserer Patienten. Wir bekommen von ärztlicher, physiotherapeutischer, ergotherapeutischer und menschlich-sozialer Sicht Einblicke in die Versorgung im geriatrischen Bereich. Wir sortieren die Medikamente eines Patienten neu, erfahren wie ein geriatrisches Assessment abläuft und versetzen uns mit Hilfe von kleinen Tricks wie zusammengebundenen Schuhbändern, Verbänden und Schallschutzkopfhörern in die Situation von Parkinsonpatienten, Patienten nach Amputation und schwerhörigen Personen. Mit einfachen Hilfsmitteln ist es uns möglich, eine Ahnung davon zu bekommen, welche Schwierigkeiten im Leben unserer Patienten auftreten.
Zurzeit ist einer der Famulanten aus dem Famulaturprojekt ebenfalls in Kirchberg untergebracht und so machen wir nach einem Teaching gemeinsam eine Tour durch die wunderschöne Natur des Hochmoors Todtenau und lassen den Abend im Anschluss bei einem gelungenen Kochexperiment ausklingen.
Zwischen all den spannenden Praxiseinsätzen, lehrreichen Teachings und dem bayrischen Wald bei strahlendem Sonnenschein versuche ich mal wieder Zeit dafür zu finden meine To-Do-Recherche-Liste abzuarbeiten und ganz nebenbei würde auch noch eine Doktorarbeit darauf warten, weiter bearbeitet zu werden…nun ja, dafür wird es schon noch irgendwann Regentage geben. Solange der Frühling mit voller Kraft zurückkommt, zieht es mich vorerst eher nach draußen und so treffe ich mich zum Wochenabschluss mit einer Freundin zum Wandern und hole mir trotz Sonnencreme prompt rote Bäckchen.
Mein Highlight der Woche
- PJ-Unterricht der ganz besonderen Art
Bei selbstgekochten Paprika mit Quinoa-Feta-Füllung und Ofenkartoffeln besprechen wir mit Frau Aicher die wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen und die wesentlichen Aspekte des Check-Up 35, damit wir in Zukunft jeden Punkt im Patientenkontakt sorgfältig umsetzen können. So lernt es sich leicht, denn Wissen geht ja bekanntlich durch den Magen!
Woche 4: 28.03. – 03.04.2022
Zuerst dachte ich noch, ich werde diese Woche einsam und allein auf dem Kirchberg verbringen, da meine Mit-PJlerin ihren wohlverdienten Urlaub genießt, aber zum Glück falsch gedacht: zuerst leistet mir einer der Famulanten des Exzellenten Winters noch Gesellschaft, Ende der Woche stattet eine potenzielle zukünftige PJlerin Kirchberg einen Besuch ab und beschließt, gleich auch noch für das Wochenende hierzubleiben. Der Winter ist nochmal zurückgekehrt und zaubert eine wunderschöne Schneelandschaft und da gerade auch mein Freund zu Besuch da ist, erkunden wir die Gegend am Samstag zu dritt. Ich erzähle ein bisschen von meinen ersten Wochen hier und hoffe, Lisa endgültig vom PJ-Tertial Allgemeinmedizin hier überzeugen zu können, wobei das nach dem Probearbeiten am Freitag keine große Mühe mehr ist.
Die ersten Tage der Arbeitswoche verbringe ich in Auerbach, wo ich bisher am meisten eingesetzt war, weshalb es sich dort schon sehr heimelig anfühlt und ich mir gut vorstellen kann, noch mehr Zeit dort zu verbringen. Sobald wir durch alle Standorte rotiert sind, steht die Entscheidung an, wo wir hauptsächlich mitarbeiten wollen, damit wir uns dort gut einarbeiten, die Abläufe und vor allem die Patienten besser kennenlernen können. Ein bisschen werde ich mir aber auch die anderen Praxen noch ansehen, da alle Ärzte, die ich bisher kennengelernt habe, sehr sympathisch und motiviert zu lehren sind. Diese Woche lerne ich auch Dr. Purmann kennen und arbeite das erste Mal mit Dr. Blank zusammen. Beide haben eine sehr wertschätzende Art im Umgang mit Patienten und ich erhalte erneut einen Einblick in individuelle Arbeitsweisen erfahrener Ärzte, sodass ich sicher versuchen werde, mir das ein oder andere von ihnen abzuschauen. Die Arbeitswoche bringt auch wieder viele spannende medizinische Fälle und so werde ich an meinem Nachmittag mit Dr. Blank zur 1. OP-Assistenz befördert, als wir einen recht großen Nävus bei einem Patienten entfernen.
Auch im bayrischen Wald kommen mittlerweile ukrainische Geflüchtete an, darunter viele Kinder; allen gemeinsam sind die schrecklichen Ereignisse, die sie zum Verlassen ihres Heimatlandes gezwungen haben. Um den Menschen die bestmögliche Hilfe zukommen zu lassen, nimmt sich Dr. Ebner von der KJP Deggendorf eineinhalb Stunden Zeit für die Ärzte der Region und erklärt anschaulich und praktisch orientiert, wie man in der hausärztlichen Versorgung bestmöglich unterstützend tätig sein kann. Eine großartige Fortbildung, die den Umgang mit Patienten, denen Schlimmes widerfahren ist, auf jeden Fall positiv prägen wird.
Es ist die letzte Woche des Exzellenten Winters und damit finden auch die letzten Teachings in diesem Rahmen statt, darunter eines zum Thema Kreuzschmerz, das sicher einer der häufigsten Beratungsanlässe in der Hausarztpraxis ist. Orthopäde ist offen gesagt so gar nicht mein Steckenpferd, was ich gerne auf die nicht besonders gute Lehre meiner Heimatuni in diesem Fach schiebe. Ob faule Ausrede oder die Wahrheit hilft es trotzdem nichts, ich werde meine Kenntnisse in diesem Bereich ausbauen müssen und so folge ich gespannt den Erläuterungen von Dr. Buvar und versuche mir die Untersuchungstechniken einzuprägen und zu üben, damit ich bei der nächsten Vorstellung eines Patienten mit Rückenschmerzen direkt mit der körperlichen Untersuchung loslegen kann.
Weil die Lehre und vor allem das Famulaturprojekt hier so einzigartig sind, werden wir Studierende mit dazugehörigen Lehrärzten einen Abend von Vertretern des Landkreis Deggendorf auf ein Abendessen in geselliger Runde eingeladen. Herr Fischer ist sehr interessiert an den Berichten der Famulanten und am Projekt des Exzellenten Winters. Vielleicht kann die damit einhergehende Aufmerksamkeit ja dabei helfen, dieses bisher einzigartige Projekt auch an anderen Orten aufzubauen und damit noch mehr Studierenden die Möglichkeit zu solch außergewöhnlicher Lehre bieten.
Mein Highlight der Woche
- 1h Check-Up. Der Status als PJler, irgendwie noch Student, aber doch schon etwas an gesammelter Erfahrung und Wissen, irgendwie schon ein kleines bisschen Arzt, aber ohne die damit einhergehende Verantwortung; genau diese Zwischenstufe und die Zusammenarbeit mit Ärzten, die dies möglich machen, erlauben mir den Luxus, mir für die Patienten viel Zeit zu nehmen, die ich aktuell als unerfahrene angehende Ärztin noch brauche und wie ich sie im späteren Arbeitsleben wahrscheinlich leider nicht immer haben werde. Dank sehr geduldiger Patienten kann ich so viele Anamnesegespräche und Untersuchungen sehr ausführlich und selbstständig durchführen.
- Das Konzept einer Balint-Gruppe war für mich bisher eher ein nicht näher definierter Begriff- irgendwas mit „Gesprächsrunde“, irgendwas mit „schwierige Patientensituation“. Dieses Konzept in einer von Dr. Werner professionell geleiteten Runde mit den anderen Studierenden auszuprobieren und zu erleben, wie wir eine einzige kurze Situation, die eine Studentin schildert, eineinhalb Stunden bearbeiten und wie wir alle daraus viel für unseren individuellen Entwicklungsprozess lernen können, ist beeindruckend.
Woche 5: 04.04. – 10.04.2022
Manch einer von euch mag noch mit sich ringen, ob das PJ hier das Richtige ist. Vom Lerneffekt, der Betreuung und dem sozialen Aspekt, dürften euch die Berichte mittlerweile mehr als überzeugt haben, aber ich kann verstehen, dass der ein oder andere Großstadtmensch noch etwas zögern mag, in einen Ort Namens Kirchberg im Wald zu ziehen…Nun, ich kann nicht ganz verleugnen, dass in Kirchberg vielleicht nicht grade so viel los ist wie „zMinga am Stachus“, aber in Kirchberg aufm Kirchberg, soviel kann ich euch versichern, da „steppt diese Woche der Bär", wie meine Oma sagen würde. Zu uns beiden PJlerinnen gesellen sich die beiden Blockpraktikantinnen Nina und Caro und für einen kurzen Besuch kommt noch Andreas dazu, der ebenfalls fürs PJ Probearbeiten will. So verbringen wir recht gesellige Abende in unserer neu zusammengewürfelten WG und auch kulinarisch lassen wir es uns mal wieder gut gehen.
Die Arbeitswoche verbringe ich größtenteils in Lalling und lerne dort Fr. Dr. Takacs und Fr. Dr. Hill kennen, beide sehr sympathische Ärztinnen, bei denen man merkt, wie sehr ihnen das physische und psychische Wohl ihrer Patienten am Herzen liegt. Außerdem lerne ich noch Fr. Quaderer kennen, die gerade als neue Ärztin in der Praxis begonnen hat. Ich finde es sehr spannend, mich mit ihr über ihren bisherigen Studien- und Berufsweg zu unterhalten, da auch sie als PJlerin im Bayerwald war und nun zurückgekehrt ist. An Dr. Blanks Aussage, dass die Arbeit im Bayerwald süchtig macht, wie er immer wieder gerne betont, scheint wohl doch etwas dran zu sein, habe ich nun doch schon mehrere Ärzte und Studenten kennengelernt, die es immer wieder hierherzieht.
In dieser Woche habe ich auch den Fall der Patientin mit dem blauen Finger weiterverfolgt. Ich hoffe, ihr habt ebenfalls überlegt, welche Ursachen in Frage kommen. In der Fallvorstellung hatten wir im Brainstorming verschiedene Ideen von Trauma über Kollagenosen und Vaskulitiden. Tatsächlich kam es bei dieser Patientin zu einer Spontanremission und somit erfolgte keine weitere Diagnostik. Die Diskussion in der Fällebesprechung war trotzdem sehr spannend, da ich auch ein weiteres Krankheitsbild, das in die Runde geworfen wurde, kennengelernt habe- das Achenbach-Syndrom. Welche Diagnose es nun auch immer gewesen sein mag, der Lerneffekt für mich ist sicherlich, dass ich von nun an bei ähnlichen Beschwerdebildern schnell die möglichen Differentialdiagnosen im Kopf haben werde.
Meetings, Meetings, Meetings: da ich krankheitsbedingt diese Woche kurzzeitig in der Praxis ausfalle, habe ich die Möglichkeit, das ganze Spektrum der gebotenen Besprechungen mitzunehmen und ich bin begeistert. Wenn ich auch oft nicht viel beitragen kann, weil es mir an Erfahrung mangelt, finde ich es immer wieder beeindruckend, wie so viele erfahrene Ärzte und Ärztinnen die unterschiedlichsten Themen besprechen und versuche, so viel wie möglich aufzusaugen. In der Montagsbesprechung geht es diese Woche um Leberwerterhöhungen, in der praxisinternen, sowie in bayernweiten Fällebesprechungen werden spannende allgemeinmedizinische Fälle aufgearbeitet und das weitere Procedere besprochen. Außerdem komme ich in den Genuss, da in der internistischen Fallvorstellung nur wenige Teilnehmer sind, sozusagen eine Privatfortbildung über Blutgasanalysen zu bekommen. Weiterhin beschäftigt auch der Ukraine-Krieg in medizinischen Fragen, deshalb gibt es in einer Mittagspause einen 30 Min-Vortrag zu erwartenden Infektionen bei Geflüchteten und der Resistenzlage von Keimen in der Ukraine. Außerdem nehme an einem Abend das erste Mal am Format des Journal-Club teil; kurz gesagt geht es darum, einen Überblick über die Wichtigen der vielen, vielen täglich neu veröffentlichten Studien zu behalten; so kann jeder, der auf etwas Interessantes stößt, dieses vorstellen und alle profitieren von diesem Wissen, ohne dass ein Einzelner die ganze Flut der Neupublikationen durchforsten muss. Nach dem ganzen Input diese Woche schwirrt der Kopf bei der Aufgabe, sich alles zu merken und so hoffe ich ein bisschen drauf, dass sich das Wissen an einem entspannten Wochenende ganz von allein beim drüber schlafen festigt.
Mein Highlight der Woche
- Sonokünste
Ich würde mich nicht unbedingt als den größten Sono-Guru bezeichnen, aber langsam und sicher merke ich schon, wie ich durch die Übung hier etwas sicherer und routinierter im Umgang mit den Ultraschallsonden werde. Diese Woche hatte ich gleich zweimal das Erfolgserlebnis, dass ich pathologische Befunde bei Patienten gesehen, erkannt und richtig eingeordnet habe- zum Glück in beiden Fällen nichts sehr Ernsthaftes für die Patienten- aber für mich doch ein kleines Hochgefühl.
Woche 6: 11.04. – 17.04.2022
Nachdem Caro und ich mittlerweile fast alle Praxisstandorte und Praxismitarbeiter kennengelernt haben, haben wir nun die Qual der Wahl, wo wir von nun an mitarbeiten wollen. Um etwas mehr Kontinuität in den Alltag zu bringen und die Praxen noch besser kennenzulernen, gehen wir in einen 2-Wochen-Rhythmus über, den ich in der Praxis in Auerbach beginne.
Wie immer macht es sehr viel Freude dort mit Dr. Kalmancai und wechselnder Unterstützung durch Fr. Quaderer, Dr. Purmann, Fr. Aicher und Dr. Hill zu arbeiten. Auch an Patienten mangelt es nicht und so kann ich erneut die verschiedensten Krankheitsbilder anamnestizieren und mit der Therapieplanung beginnen- gleich am Montag früh steht auch ein Patient mit „verstopftem Ohr“ auf dem Plan. Fast freue ich mich ein bisschen, denn das bedeutet: Ohrspülung! Vom ein oder anderen Arzt schon dafür belächelt, sind Ohrspülungen trotzdem aktuell das absolute Highlights der Medizinerinnen-WG auf dem Kirchberg und es steht kurz davor, Strichlisten einzuführen, wer im Kopf am Kopf Rennen um die meisten Ohrspülungen vorne liegt. Der Hintergrund: auch wenn mir der Arztberuf sehr viel Freude macht, muss man doch manchmal ehrlich zugeben, dass es frustrierend sein kann, immer und immer wieder Medikamente oder Verordnungen zu verschreiben, die nicht die gewünschte Linderung erbringen. Bei so einer Ohrspülung nun aber, so banal es klingt, ist der eintretende Vorher-Nachher-Effekt enorm, was wohl der Grund für unsere -wie nebenbei angemerkt auch der Patienten- anhaltende Begeisterung sein dürfte.
Ansonsten beschäftigt mich diese Woche das Thema „ärztliches Bauchgefühl“. Gleich Anfang der Woche wird ein Patient antibiotisch behandelt, weil er auch ohne auskultatorisch klare Pneumoniezeichen für den erfahrenen Arzt zu krank für eine symptomatische Therapie war – ehrlicherweise hätte ich in dieser Situation anders entschieden. Im Anschluss unterhalte ich mit dem behandelnden Arzt lange über diese Entscheidung und über meine Angst, dass es mir an Bauchgefühl mangelt und mir so einmal kranke Patienten „durch die Lappen gehen könnten“. Dieser Fall und damit einhergehend die Unsicherheit, ob ich neben fachlichen Kompetenzen und evidenzbasierter Entscheidungsfindung auch über ein ärztliches Bauchgefühl verfüge, beschäftigt mich einige Tage, bis ein Patient in der Praxis erscheint, der gerne Medikamente gegen Übelkeit verschrieben bekommen würde. Als der Patient seine Beschwerden schildert und ich die Untersuchung durchführe, gehen bei mir alle Alarmglocken an und es widerstrebt mir, diesen Patienten lediglich mit einer Tablette nach Hause zu schicken. Der behandelnde Arzt sieht das ebenso und für den Patienten geht es leider ab ins Krankenhaus. Auch wenn dies keine besonders schöne Anekdote aus dem Praxisalltag ist, war es für mich doch eine sehr lehrreiche Situation, da ich erkennen konnte, dass ich, auch wenn er vielleicht noch trainiert werden muss, doch über den richtigen Riecher verfüge.
Auf dem Kirchberg geht bis auf einen Heizungszwischenfall alles seinen gewohnten Gang. Nachdem es letzte Woche nochmal ordentlich geschneit hatte und das Auto morgens freigekratzt und ausgebuddelt werden musste, kommt diese Woche der Frühling mit ganzer Kraft zurück und die dicken Jacken werden endgültig eingewintert. Das hebt bei allen die Stimmung und so starten wir gut gelaunt in ein langes Osterwochenende.
Mein Highlight der Woche
- Muskelkater vom Feinsten: ist die Motivation für den Arbeitsalltag noch so groß, ist der Ausgleich dazu doch ebenso wichtig. Deshalb ziehen wir diese Woche unser Sportprogramm konsequent durch und machen einen sehr herausfordernden und sehr lustigen Ausflug in die Boulderhalle, der sich auch an der Stärke des Muskelkaters gemessen sehr gelohnt hat
- Kleinchirurg: schon das ganze Studium über haben mich die internistischen Krankheitsbilder und die vielen Stoffwechsel- und Herzkreislauf-Zusammenhänge, die dahinter versteckt sind, mehr gefesselt als die großen chirurgischen Eingriffe. Doch an der Allgemeinmedizin fasziniert mich gerade die Vielseitigkeit der Krankheitsbilder und so merke ich diese Woche, als wir gerade einen Abszess eröffnen, wieder einmal, dass es mich doch sehr reizt, diese chirurgischen Fähigkeiten, wie auch kleine Nävi zu entfernen, einfache Platzwunden zu nähen etc., zu erlernen, um später im Praxisalltag ebenfalls als „Kleinchirurg“ arbeiten zu können.
Woche 7: 18. – 22.04.2022
Nach dem verlängerten Osterwochenende geht es voller Tatendrang zurück in den Praxisalltag - und den Tatendrang braucht es auch, denn es ist ein turbulenter Start in die Woche. Über die Osterfeiertage haben sich viele Beratungsanlässe bei unseren Patienten angesammelt und so ist bereits vor Sprechstundenbeginn das Wartezimmer voll; da ist es gar nicht so einfach, den Spagat zwischen kurzen Wartezeiten und ausreichend Zeit für die Beschwerden der Patienten zu meistern.
Auch diese Woche fällt mir die Vielfältigkeit auf, als ich direkt hintereinander Patienten mit dermatologischen, neurologischen und psychischen Fragestellungen mitbehandeln kann. Und wieder einmal wird mir bewusst, dass es gerade diese Vielfältigkeit ist, die die Allgemeinmedizin für mich so spannend macht. Doch natürlich ist das auch eine besondere Herausforderung, auf allen Gebieten gut ausgebildet zu sein. Um meine größten Lücken nacheinander aufzufüllen, habe ich mir deshalb für diese Woche vorgenommen, meine Fähigkeiten bei orthopädischen Untersuchungen und in der Wundversorgung auszubauen.
Nachdem ich am Wochenende zuvor ein Übungsobjekt geschnappt habe, kommen gleich am ersten Tag drei Patienten mit Hüft- und Knieschmerzen in die Sprechstunde, sodass ich mein aufgefrischtes Wissen gleich in die Tat umsetzen kann. Auch einen Patienten mit Schürfwunden nach einem Unfall nehme ich mit ins Sprechzimmer und versuche mich bestmöglich zu kümmern; „versuche“ trifft es tatsächlich ganz gut, denn habe ich mich grade noch drüber gewundert, dass mich der Patient fragt, was der Unterschied zwischen den stark brennenden und den weniger brennenden Desinfektionsmitteln ist, weist mich die Wundversorgungsexpertin leise drauf hin, dass ich statt der Wunddesinfektion das Hautdesinfektionsspray erwischt habe. Der Patient erhält von uns offiziell die Auszeichnung „hart im Nehmen“, da er, anstatt von der Liege zu hüpfen lediglich ein bisschen gezuckt hat. Er nimmt es mit Humor, als ich ihm erkläre, „dass schließlich auch nur scheußlich schmeckende Medizin gut hilft“ und ist mir zum Glück nicht böse, als er die Praxis schmunzelnd verlässt. 1:0 für die Wundversorgung – da werde ich meine Fähigkeiten noch ausbauen müssen.
Doch am Ende des Tages sind trotz einigem Trubel alle Patienten bestmöglich behandelt.
Um bestmögliche Behandlung geht es auch in einem Online-Seminar für Studenten der Universität Krems. Im Rahmen der Vortragsreihe „Werte in der Landarztmedizin“ bin ich als Tutor dafür zuständig, mit Studienanfängern schon zu Beginn ihrer Karriere zu erarbeiten, wo evidenzbasierte Informationen zu finden sind. Auch wenn der Weg bis zum ersten eigenen Patienten in der Sprechstunde gerade zu Studienbeginn noch sehr lange scheint, ereilt jeden Medizinstudenten auf dem Weg dorthin garantiert das Schicksal, auf einer Familienfeier oder im Freundeskreis um ärztlichen Rat gefragt zu werden. Und wenn dann am Geburtstag von Onkel Rudi Großtante Berta angewackelt kommt, weil sie mal wieder Problem XYZ hat und jetzt von uns, weil „quasi ja schon Arzt“ wissen möchte, was sie dagegen tun kann, dann möchten wir sie halt gerne trotzdem gut beraten und sie nicht mit dem erstbesten Google-Suchergebnis abspeisen. Am Ende der Veranstaltung hoffe ich den Studenten einen Leitfaden mitgegeben zu haben, wo sie gute Leitlinien finden, wie diese auch mal hinterfragt werden können und, welche Quellen man Patienten zur Eigenrecherche nennen kann, damit die interessierte Großtante Berta in Zukunft vorab auch schon mal selbst nachlesen kann.
Eine Wanderung zum Geißkopf und ein erneuter Besuch im Café Fledermaus rundet diese aufregende Woche ab. Den Rest des Wochenendes nutze ich, um ein paar Punkte zu recherchieren und Energie für die kommende Woche zu tanken.
Mein Highlight der Woche
- Nachdem ich mit Einwinterung der dicken Jacke beschlossen habe, dass nun endgültig Frühling ist und auch mein gutes Fahrrad nach Kirchberg transportieren konnte, eröffne ich abends mit einer kleinen Runde die Radlsaison. So ganz hat das Wetter meine Pläne noch nicht verinnerlicht und es doch noch ganz schön zapfig, als ich den Berg hinuntersause. Allerdings wird es mir spätestens, als ich den Kirchberg zu bezwingen versuche doch ganz schön warm und ich bin froh, als ich nach der schönen Runde durch die Umgebung ganz schön außer Puste wieder zuhause ankomme.
Woche 8: 25.04. – 01.05.2022
Diese Woche ist der Wurm drin. Weil Caros Arm, meine Brille, das Praxisauto (bzw. ein anderes Auto, weshalb das Praxisauto nicht verfügbar ist) und der Ärzteplan aufgrund Krankheit kaputt sind, ist auch unser Plan völlig im Eimer. Statt wie geplant in Lalling verbringe ich deshalb den Großteil der Woche in Auerbach, was keineswegs schlimm ist, denn auch diese Woche vergeht die Zeit dort wie im Flug und ich sehe viele verschiedene Krankheitsbilder. Mit der Zeit werde ich auch von den Patienten wiedererkannt und freue mich, wenn ich den Krankheitsverlauf nicht nur nachlesen, sondern aktiv mitverfolgen kann.
Bei eher durchwachsenem Wetter bin ich froh, als ich gemeinsam mit einer der Blockpraktikantinnen, die seit dem Wochenende mit uns in Kirchberg wohnen, die Mittagspause für einen ausgedehnten Spaziergang rund um Auerbach nutzen kann. Wir wandern vorbei am See und treffen die Auerochsen bzw. deren Nachfahren (eine Infotafel musste die Lücke in der Allgemeinbildung, dass Auerochsen schon vor langem ausgestorben sind, auffüllen), die sich leider so gar nicht für uns interessieren. Dafür gackern uns die Hühner, die ihr glückliches Leben inmitten von gelben Butterblumen sichtlich genießen, ganz aufgeregt hinterher. Das Mittagstief durch die frische Luft überwunden, starten wir motiviert in den Praxisnachmittag.
Zwischen den vielen, vielen Krankheitsbildern, die ich diese Woche sehe, verbirgt sich ein typischer Fallstrick der Allgemeinmedizin bzw. Kinderheilkunde. Und obwohl tausendmal in den Lehrveranstaltungen durchgekaut, obwohl tausendmal das richtige Kreuzchen in unzähligen Prüfungen gesetzt, ist es doch im Praxisalltag gar nicht so leicht, die Differentialdiagnosen zu unterscheiden: ein junger Patient (wirklich jung, nicht medizinisch jung), Teenageralter, stellt sich mit starken Halsschmerzen vor; der Allgemeinzustand ist außer schmerzbedingt nicht allzu sehr beeinträchtigt, der Rachenring hochrot, jedoch nicht eitrig. Trotz ausführlicher körperlicher Untersuchung und Zuhilfenahme des Center-Scores geht mir erst bei der Abdomensonographie und der Vermessung der Milz langsam ein Licht auf, weshalb das verordnete Antibiotikum nicht den erwarteten Effekt hatte…
Auch fortbildungsmäßig ist diese Woche wieder viel geboten: in der Mittagspause können wir einem Vortrag zu Klima und Gesundheit lauschen. Obwohl mir das Thema sehr am Herzen liegt, habe ich zuerst keine konkrete Vorstellung, wie man das Thema Klimaschutz im Gesundheitswesen, wo Hygiene und damit zwangsweise oft die Verwendung von Einmalprodukten im Vordergrund steht, integrieren kann. Das ändert sich mit dem Vortrag jedoch schlagartig. Angefangen beim Einsatz von E-Autos als Praxisfahrzeuge für Hausbesuche (die Praxis im bayrischen Wald hat hier bereits Vorbildfunktion) über Ökostromanbieter bis hin zu Medikamenten, gibt es Ansatzpunkte für aktiven Klimaschutz. Zum Beispiel wusste ich bisher nicht, dass bei Inhalativa, wie sie z.B. bei Asthma bronchiale verschrieben werden, die Pulverinhalatoren deutlich besser als Dosieraerosole sind, da dort keine Treibgase verwendet werden müssen.
Mein Highlight der Woche
- Vom Feinsten - diese Woche geht es uns kulinarisch gesehen mal wieder sehr gut. Essenstechnisch ist die aktuelle WG-Besetzung mit den neu angereisten Blockpraktikantinnen Katha und Chrissi voll auf einer Wellenlänge und wir genießen lecker Curry, Linsensalat, Gemüse mit Erdnussdip und Co.
- Gipfelglück - obwohl (fast) als Bayerwald-Kind aufgewachsen, hatte ich es bisher noch nicht auf den Lusen geschafft. Umso mehr freue ich mich, als wir uns am Wochenende auf den Weg dorthin machen. Mit seinem felsigen Gipfel und der steil ansteigenden Himmelsleiter dorthin hat der Berg einen ganz besonderen Charakter. Gestärkt mit leckerem Zwetschgendatschi meistern wir auch den Rückweg.
Woche 9: 02.05. – 08.05.2022
Ab dieser Woche kommt frischer Wind in den Arbeitsalltag – es stehen Hospitationen an. Im Rahmen des PJ bekommt man hier die Möglichkeit, für ein paar Tage bei Ärzten verschiedener Fachrichtungen reinzuschnuppern. Ich beginne mit zwei Tagen in der HNO-Praxis Dr. Metzler/Sailer in Vilshofen. So habe ich die Möglichkeit, den Spezialisten über die Schulter zu schauen und versuche mich an Ohrreinigungen „next level“ - nicht nur ein bisschen Spülen, sondern unter Mikroskopkontrolle mittels Sauger und Häkchen werden hier die Gehörgänge durchgeputzt. Außerdem kann ich mitverfolgen, wie Hörtests ablaufen, ab wann die Indikation für ein Hörgerät besteht und – für mich besonders interessant – wie Schwindel weiter abgeklärt wird. Denn genau darum geht es für mich bei den Hospitationen, die Schnittstelle Allgemeinmedizin/ spezifische fachärztliche Versorgung kennen zu lernen und einen Einblick zu bekommen, welche Möglichkeiten es in einer Facharztpraxis zur weiteren Diagnostik gibt und daraus resultierend, mit welchen Beschwerden die Überweisung eines Patienten zu fachärztlichen Kollegen überhaupt sinnvoll ist. Ich werde sehr freundlich in der Praxis aufgenommen und in den Praxisablauf integriert, darf überall mitschauen und einen Vormittag nimmt mich Fr. Sailer sogar mit in den OP, wo zweimal pro Woche HNO-Patienten operiert werden. An diesem Vormittag stehen zwei Punkte auf dem OP-Plan, eine Tonsillotomie bei einem Kind, dessen Atemwege durch die großen Mandeln eingeengt sind und die Entfernung eines Nasennebenhöhlenpolypen, die sich als sehr aufwendig und fordernd entpuppt, sodass die Spannung im Saal zum Greifen und das Erfolgsgefühl nach Beendigung des Eingriffs groß ist. Am Nachmittag sehe ich zum ersten Mal einen Patienten mit Nystagmus und finde, es bedarf einiges an Konzentration, die schnelle und die langsame Komponente voneinander zu unterscheiden.
Zurück in der Allgemeinmedizin verbringe ich den Rest der Woche in der Praxis in Lalling. Es herrscht wie immer voller Praxisbetrieb und ich versuche möglichst viel bei Anamnese und körperlicher Untersuchung vorzuarbeiten. Es gibt immer mehr Krankheitsbilder, von denen ich eine genauere Idee habe, wie vorzugehen ist und ich merke, wie im Verlauf des Tertials sowohl mein fachliches Wissen als auch mein Selbstvertrauen, Patienten gut betreuen zu können, wachsen.
Nach dieser ereignisreichen, aber aufgrund weiter Autostrecken bewegungsarmen Woche lautet die Devise am Wochenende: raus an die frische Luft! Davon kann auch das regnerische Wetter nicht abhalten. So erkunde ich eine neue Kurzwanderung, bei der man (fast) von der Haustüre aus loslaufen kann. Auch wenn die Runde eher weniger die sportliche Leistungsgrenze ausreizt, macht die Bewegung in der Natur Spaß und die Aussicht nach der Gipfelbesteigung des Plattensteins lohnt sich.
Mein Highlight der Woche
- Sonokurs: In der Mittagspause nimmt sich Fr. Dr. Krenn Zeit für eine Ultraschalleinheit. Wir üben strukturiert die Schnittebenen einzustellen, alle Strukturen zu benennen und die wichtigsten Pathologien abzuklären. In eineinhalb Stunden kann jeder mit ihrer Hilfestellung üben, üben, üben und gleich am nächsten Tag wird in der Praxis das Aufgefrischte in die Tat umgesetzt und ein Patient für einen Abdomenschall rekrutiert, um das Gelernte zu festigen.
- Gut Aiderbichl: Ob großer oder kleiner Tierfreund, das weitläufige Gelände mit den vielen verschiedenen Tieren, die einem teilweise freilaufend auf den Wegen entgegenkommen, hebt die Laune. Bei einem kurzen geführten Rundgang, bei dem die Besucher gleich einen Hund zum Gassigehen zugeteilt bekommen, erhält man viele interessante Informationen zum Gut.
Woche 10: 09. – 15.05.2022
Hospitationen Runde 2. Im Studium hatte ich in der Urologie-Vorlesung den wahrscheinlich größten Aha-Effekt – vor der Veranstaltungsreihe war die Urologie für mich „alte Männer mit Prostata“, dass dieses Fach aber so viele spannende Bereiche beinhaltet, hatte ich nicht erwartet. Von diesem Moment an hat es mich gereizt, etwas mehr Einblick in dieses Fach zu erhalten. Nachdem Corona-bedingt jedoch alle Blockpraktika von heute auf morgen auf Online-Formate umgestellt wurden und mit Beginn der Pandemie jegliche Hoffnung auf Einblick gewinnen außerhalb von Corona-Hilfsdiensten und Pflichtpraktika erstmal begraben war, bin ich nun doppelt froh, dass ich in der Urologie Bayerwald in Grafenau für zwei Tage reinschnuppern darf. Und das Warten hat sich gelohnt – von unerfülltem Kinderwunsch bis hin zu abgeschlossener Familienplanung, von Prostatakrebsvorsorge bis -nachsorge, von Harnverhalt bis ungewollter Urinverlust – an diesen zwei Tagen erhalte ich Einblicke in beinahe das ganze Spektrum der Urologie. Trotz voller Sprechstunde darf ich alle Fragen stellen, darf mich am Sonogerät probieren und gehe mit gestilltem Wissensdurst und rauchendem Kopf nach Hause.
Einen weiteren Tag verbringe ich bei Dr. Sbornik in Deggendorf. Der sympathische Dermatologe und sein Team begrüßen mich herzlich und ich bekomme die Gelegenheit, Hautbefunde systematisch zu betrachten. Ich diagnostiziere Psoriasis und ein Basaliom, darf die Hyphen eines Nagelpilzes unterm Mikroskop betrachten, bei kleinen Operationen störender Muttermale dabei sein und lerne sogar, welche Punkte für Botox- und Hyaluroninjektionen verwendet werden. Der für mich hinsichtlich meiner weiteren Zeit in der Allgemeinmedizin wohl am lehrreichste Punkt ist, ein Hautkrebsscreening beim Profi mitzuverfolgen, die Muttermale unterm Dermatoskop zu sehen und mitzuerleben, bei welchen Hautbefunden ein Dermatologe lieber zweimal draufschaut.
Diese Woche gibt es auch wieder einen Mittwochsvortrag, diesmal zum spannenden Thema LDL-Zielbereich in primärer und sekundärer Prävention. Da dies viele Patienten betrifft, gibt es in den verschiedenen Quellen viele Meinungen und ebenso viele Gegenmeinungen. Professor Chenot klärt über die Studienlage zu den LDL-Zielbereichen, verschiedenen Lipidsenker, deren Vor- und Nachteile, sowie Indikationen auf. Am Ende raucht auch hier der Kopf von den vielen Fakten und Studien, aber mal wieder haben wir dem Vortrag gebannt gelauscht und konnten viele wichtige Informationen gewinnen.
Den Rest der Woche verbringe ich erneut in Lalling und freue mich darüber, dass ich auch hier die Patienten mittlerweile wiedererkenne und den Krankheitsverlauf mitverfolgen kann.
Mein Highlight der Woche
- Sommer, Sonne, Mittagspause: wie bei allem gibt es auch am Praxisalltag Vor- und Nachteile. Der Nachteil der langen Mittagspausen ist, dass sich der Arbeitslange bis in den Abend zieht. Diese Woche überwiegen jedoch ganz klar die Vorteile. Bei strahlendem Sonnenschein verbringe ich meine Mittagspausen in Deggendorf an der Donau und im FengShui Park in Lalling und mein Vitamin-D-Spiegel freut sich mit mir.
- Stammcafe: mittlerweile durch das Studium ans Großstadtleben gewöhnt, ist ein gelegentlicher Café-Treff aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. In einer Gegend, wo es am Sonntag Schweiners bei da Oma gibt, ist es nun gar nicht so leicht, ein geöffnetes Café zu finden. Deshalb sind wir mittlerweile Stammgäste in der Fledermaus in Rinchnach und lassen uns auch diesem Wochenende den Kuchen beim neue-PJler-Kennenlern-Treff schmecken.
Woche 11: 16.05. - 22.05.2022
Diese Woche sind wir im wahrsten Sinne des Wortes ausgebucht. In der kunterbunten Kirchberg-WG sind wir diese Woche zu fünft, außerdem starten noch zwei neue PJlerinnen und zwei Blockpraktikanten, die zuhause bzw. in der neuen Unterkunft in Grafenau unterkommen. Das heißt nicht nur in der Wohnung zusammenrücken – das Matratzenlager auf dem Sofa wird aufgebaut und beim Essen müssen sämtliche Stühle zusammengetragen werden –, sondern auch in den Praxen.
Da trifft es sich gut, dass Caro und ich für drei Tage nach Schaufling ausgelagert sind. Dr. Buvar, der Dr. Blank schon lange bei den orthopädischen Teachings des exzellenten Sommers/Winters unterstützt, und sein Team laden uns zur Hospitation in die Asklepios Rehaklinik ein. Uns erwartet ein Rundum-Sorglospaket: wir dürfen zum Mitmachprogramm in die Therapieabteilung (Kohlensäure-Armbad, Lymphomat und Herzsportgruppe), nehmen an der Visite teil und dürfen selbstständig unter Supervision Patienten aufnehmen, bekommen vom Chef persönlich ein Sozialmedizin-Teaching mit Praxisanteil, üben Schulter- und Knieuntersuchungstechniken, dürfen mit zur Schuheinlagen- und Prothesensprechstunde der Firma Kraus und werden – nicht zu vergessen – auch noch in der Kantine verpflegt. Zuhause müssen wir die vielen Eindrücke erstmal sortieren und werden den ein oder anderen Patienten noch untersuchen müssen, bis die Techniken sicher sitzen, aber die Grundsteine dafür wurden uns in diesen drei Tagen mit viel Engagement und Herzblut vermittelt und wir sind dankbar für die Zeit.
Am Donnerstag hefte ich mich einer weiteren Expertin an die Fersen. Frau Weinmann kümmert sich in der Gemeinschaftspraxis um die Diabetes-Patienten und die Versorgung komplexer Wunden. Für ein paar Stunden darf ich ihr über die Schulter schauen, versuche mich in die Insulin-Spritzpläne einzudenken, assistiere bei der Wundversorgung und sauge so viel wie möglich des Wissens auf.
Auch ansonsten gibt es diese Woche wieder eine Menge Weiterbildung. Am Mittwoch startet eine Fortbildungsreihe in Kooperation mit dem Klinikum Cham. Trotz einiger technischer Schwierigkeiten dürfen wir eineinhalb Stunden zum Thema Umgang mit depressiven Patienten mit Fr. Dr. Prasser verbringen.
Direkt im Anschluss geht es weiter nach Regen zum Journal-Club-Jubiläum. Das Format geht in die 50. Runde und diesmal bin auch ich mit einer Studie zum Thema hormonelle Kontrazeption mit dabei. In der ersten Runde besprechen wir die Studie und die möglichen Diskussionspunkte in Kleingruppen, bevor die Diskussionsrunde mit allen Teilnehmenden eröffnet wird. Es ist faszinierend, wie interaktiv in der Runde die Erfahrungen der „Alten“ und das theoretischen Uni-Wissen der Studierendengruppe diskutiert wird. Zur Feier des 50. Geburtstag des Journal-Clubs werden die Gespräche anschließend ins Restaurant „La Gondola“ verlegt und der Abend klingt bei gutem Essen aus.
Im Gegensatz zum lang erprobten Journal-Club steht ein brandneues Format, das erst diese Woche geboren wird und das die liebe Caro unter ihre Fittiche genommen hat. Da im Praxistrubel oft wenig Zeit bleibt, Dinge nachzulesen und zu besprechen, treffen wir uns zum PJ-internen Selbststudium. Unser Ziel ist es, anhand eines konkreten Themas zusammenzutragen, was wir wissen, Lücken aufzudecken und uns, anhand Leitlinien evidenzbasiert für den Praxisalltag zur rüsten. Wir starten mit dem Thema Harnwegsinfekt und rasch entwickelt sich eine rege Diskussion und interessante Fragen werden gestellt, die wir anschließend nachlesen und klären. Wir befinden einstimmig, dass das Selbsterarbeiten eines Themas und offen gebliebene Fragen im Nachhinein mit Ärzten zu klären, ein sehr effizientes und nachhaltiges Format ist, das wir gerne weiterverfolgen werden.
Mein Highlight der Woche:
Nachdem ich nun schon 11 Wochen lang spannende Patientenfälle verfolgen konnte, Kontakte knüpfen konnte, gelernt habe, mich als angehende Ärztin zu fühlen und die Arbeitstage genossen habe, freue ich mich nun sehr auf eine verdiente Auszeit und mache eventuell sogar einen kleinen Freudenhüpfer, als ich am Freitag in den Urlaub starte.
Woche 13: 30.05. - 05.06.2022
Nach den letzten turbulenten Wochen vor unserem Urlaub mit Doppel- und Überbelegung, langen und lustigen Abenden in der WG, vielen Abendveranstaltungen der Praxis, Akrobatikübungen auf der Kuhweide und Co. ist nun wieder etwas Ruhe auf dem Kirchberg eingekehrt. Die Abende ein bisschen entspannter zu verbringen, passt nun auch sehr gut, denn wie immer gibt es auch nach der Sprechstunde viel zu organisieren und zu besprechen und langsam drehen sich die Gedanken auch um die Planungen zum Tertialende und das noch anstehenden Chirurgietertial.
Auch wenn es in der WG im Moment etwas ruhiger zugeht, geht es in der Sprechstunde wie immer hoch her. Wie überall ist auch in der Gemeinschaftspraxis Urlaubszeit und man merkt gleich, dass viele Patienten zum nächstgelegenen Standort kommen, wenn eine Praxis geschlossen hat. Ich arbeite die ganze Woche in Lalling mit, was den großen Vorteil hat, dass ich die Patienten direkt mitverfolgen kann, am nächsten Tag die Laborwerte kontrolliere und eine Patientin anrufe, die ich tags zuvor gesehen habe, um zu eruieren, ob eine Krankenhauseinweisung nun doch notwendig ist oder ob die verordnete Medikation bereits anschlägt.
Auch außerhalb der Sprechstundenzeiten ist wieder viel geboten, sogar so viel, dass ich leider gar nicht alles aufnehmen kann. So verpasse ich von einer interessanten Fortbildung aufgrund zeitlicher Überschneidungen sowohl den Anfang als auch das Ende, weil am selben Nachmittag das Teaching der Cham-Fortbildungsreihe in Präsenz stattfindet, was einiges an Vorlaufzeit braucht. Denn es dauert ein bisschen, bis wir in entlegenen Winkeln alle aufgesammelt haben und zu fünft ins Auto gekuschelt quer durch den bayrischen Wald zum Klinikum Cham gurken. Dort werden wir dann allerdings herzlich empfangen und nach einer theoretischen Einführung zur Herzechokardiographie schreiten wir auch direkt zur Tat. Professor Buchner nimmt sich viel Zeit für Erklärungen, rekrutiert sogar einen Patienten, der sehr geduldig mehrere eher lausige Herzechos über sich ergehen lässt, als wir der Reihe nach versuchen, die wichtigsten Schnitte einzustellen. Aber mit jedem Mal werden wir etwas routinierter, können uns anatomisch besser orientieren und die dargestellten Strukturen sicherer zuordnen. Im Anschluss besprechen wir noch das Krankheitsbild des Patienten und dürfen Professor Buchner, der sich weit über die geplante Fortbildungsdauer Zeit für uns nimmt, mit unseren Fragen löchern.
Nachdem unsere erste PJ-interne Fortbildung zum Thema Harnwegsinfekt für uns alle ein großer Erfolg war, gehen wir diese Woche in Runde II. Ein häufiger Beratungsanlass, der in unseren Köpfen sofort eine ganze Liste an Differentialdiagnosen ablaufen lässt, ist das Thema Müdigkeit. Neben vielen eher harmlosen Diagnosen, wodurch die Patienten trotzdem sehr belastet sein können, gibt es auch schwerwiegende Ursachen, die Müdigkeit verursachen können und bei denen man gerade als Berufsanfänger sehr hadert, diese nicht zu übersehen. Nach einiger Recherche haben wir einen Leitfaden für uns erstellt, welche wichtigen Fragen und welche Basisuntersuchungen für eine erste Einschätzung wichtig sind und die Wahrscheinlichkeit, etwas Arges zu übersehen, deutlich mindern. Die offen gebliebenen Fragen werden dann im Journal Club mit „den alten Hasen“ zur Diskussion gestellt, sodass für uns „Neulinge“ das erarbeitete Thema richtig abgerundet wird.
Wenn es auch nach wie vor immer wieder Situationen im Praxisalltag gibt, bei denen man im Nachhinein den Kopf über sich selbst schüttelt, weil eine wichtige Untersuchung vergessen wurde, eine Differentialdiagnose nicht bedacht wurde, einem Laborwert zu viel/zu wenig Beobachtung geschenkt wurde, werden es doch auch immer mehr Situationen, in denen ich das Gefühl habe, die Dinge einfach richtig zu machen. Vor allem wenn ich an meine erste Famulatur, die ich damals in der Allgemeinmedizin verbracht habe, zurückdenke, kann ich meine enormen Fortschritte im direkten Vergleich erkennen. Wenn auch es unglaublich wichtig ist, den subjektiven Krankheitseindruck und die Verdachtsdiagnose des Patienten mit zu berücksichtigen, bin ich damals doch auch einfach „darauf hereingefallen“, als ein Patient mir seinen schmerzhaften Daumen mit den Worten „ich habe da wohl Gicht“ präsentiert hat, sodass ich völlig vergessen habe, nach Differentialursachen wie Trauma etc. zu fragen. Damals hat sich der verdachtsmäßige Gicht-Daumen dann auch als Überlastungsreaktion geoutet. Mittlerweile gelingt es mir in vielen Fällen, die Patienten ihren Verdacht äußern zu lassen, diesen ernst zu nehmen und dann objektiv zu untersuchen. So diese Woche bei einer Patientin, die mit mutmaßlichem Zeckenstich in Sorge über ihre abgelaufene Zeckenimpfung in die Praxis kommt. Außer der Patientin ihre Sorge bezüglich der Impfung zu nehmen, schaffe ich es außerdem, ihr die Notwendigkeit des Tragens von Kompressionsstrümpfen bei Stauungsdermatitis nahe zu legen, denn dieses Mal konnte ich, trotz ernst nehmen der Verdachtsdiagnose der Patientin, die richtige Diagnose stellen.
Mein Highlight der Woche:
- 1. Erlebnis E-Auto: nachdem ich bisher im bayerischen Wald mit allen seinen Hügeln mit einem untermotorisierten Schnauferl, das liebevoll Tornado genannt wird unterwegs bin, ist es – obwohl ich kein Fan von Autos generell und schon gar nicht von schnellen Autos bin – ein spannendes Fahrerlebnis, als ich im Arbeitsauftrag unterwegs bin und das erste Mal in einem Elektroauto sitze und die Hügel nicht mehr im zweiten Gang hochgondele, sondern ganz easy Höhenmeter mache.
- So schön auch die umliegenden Berge im bayerischen Wald sind, gibt es auch rund um Kirchberg vieles zu entdecken und so mache ich mich eines Abends auf, einen der Rundwege, den ich bisher noch nicht kenne, zu erkunden. Ich marschiere strammen Schrittes die Wege entlang, bis mir, nachdem ich schon eine ganze Weile unterwegs bin, die Angabe 4km doch etwas komisch vorkommt. Ich weiß bis jetzt nicht, wie es passiert ist, auf jeden Fall befinde ich mich – als mir das Handynetz endlich zu Hilfe kommt und Google Maps lädt – 3km weg vom Kirchberg. Mit etwas Verspätung gelange ich – in Begleitung einer Zecke → Mistviech – wieder in Kirchberg an und das Résumé ist, dass auch dieser Rundweg, wenn man etwas Zeit einplant und einem nicht die anbrechende Dunkelheit im Nacken sitzt, wunderschön ist.
Woche 14: 06.06. - 12.06.2022
Diese Woche ist von meiner Hospitation in der Urologie geprägt. Ich darf für zwei Tage zwei Ärzte der urologischen Gemeinschaftspraxis in Grafenau begleiten. Es ist viel los in der Praxis, aber wenn es möglich ist, nimmt sich Dr. Haider Zeit und erklärt etwas. Außerdem darf ich auch mal die ein oder andere Niere schallen, Restharnmessungen machen oder die DRU üben. Mich interessieren vor allem Themen wie HWI, Hämaturie und Urolithiasis, die mir häufiger in der Allgemeinarztpraxis begegnen. Außerdem finde ich es toll, wenn sich die Ärzte Zeit nehmen und auch über Themen wie die Facharztwahl mit einem reden. Zwischen was haben sie damals geschwankt? Würden sie sich heute noch mal so entscheide? Was empfinden Sie als Vor- und Nachteile Ihres Facharztes? Dr. Haider ist jedenfalls begeistert von der Urologie, gibt aber auch zu, dass Allgemeinmedizin lange im Rennen war und seine zweite Wahl gewesen ist.
Am Wochenende genieße ich die Vorzüge des Bayerischen Waldes, denn bald geht es auch wieder in das Leben des Städters zurück. Eine Freundin von Hannah und mir ist zu Besuch und wir machen am Samstag den Tierpark Lohberg und den kleinen Arbersee unsicher. Am Sonntag geht es nach Miltach und wir paddeln bei strahlendem Sonnenschein mit Kajaks auf dem Regen. Zum Abschluss gibt es in Chamerau eine Bootsrutsche, bei der ein ins Boot schwappender Schwall Wasser zur willkommenen Abkühlung führt. :) Ein fantastisches Wochenende!
Woche 15: 06.06. - 19.06.2022
Aufgrund von Feier- und Fehltagen liegen zwei kurze Wochen hinter mir, was sich vor allem aufgrund des sommerlichen Wetters gut fügt und die freie Zeit direkt in Outdoor-Aktivitäten investiert wird. So erkunden wir die Wanderwege in der Gegend, machen einen Ausflug zum kleinen Arbersee und endlich bekommt auch mein Rad mal wieder genügend Auslauf bzw. Ausfahrt.
An den restlichen Tagen, also denen, die ich tatsächlich mit Arbeit verbringe, geht es für mich Back to Auerbach. Dort macht das Arbeiten wie immer Spaß. Sowohl die Hausbesuche – wir laufen mit dem Ohrspülungsköfferchen einmal quer durch Auerbach zu einer Patientin – als auch der Praxisalltag bringen wieder viel Abwechslung. In der Praxis stellen sich einige Patienten mit orthopädischen Problemen vor und während ich bei der orthopädischen Untersuchung immer sicherer werde, hadere ich noch immer etwas, wenn es darum geht, welche Patienten am besten orthopädisch-fachärztlich gesehen werden sollten. Und so liegen Dr. Kalmancais und meine Meinung bezüglich der 50/50-Entscheidung Überweisung/Nicht-Überweisung nicht selten genau entgegengesetzt, wobei es sich hier zu meiner Ehrenrettung meist nicht um reine schwarz oder weiß- Fälle handelt, sondern meist beide Wege akzeptabel sind. Der eindrücklichste Fall dieser Tage ist für mich eine Patientin mit einem ausgeprägten klinischen Bild einer Hyperthyreose – obwohl die Patientin die Symptome bereits einer früheren Episode entsprechend beschreibt, klären wir trotzdem auch die wichtigsten Differentialdiagnosen ab, was für mich eine gute Übung ist, die großen Kategorien von Erkrankungsursachen (entzündlich infektiös und nicht-infektiös, traumatisch, vaskulär, Tumor, Stoffwechsel/endokrin) zu wiederholen. Ein weiterer, nach wie vor häufiger Beratungsanlass sind die Folgen einer Covid-Infektion, von spezifischen Beschwerden wie Geruchsverlust hin bis zum schwer greifbaren Symptom von Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Gerade als Berufseinsteiger würde man gerne alle Patienten neurologisch vorstellen, was natürlich praktisch nicht umsetzbar ist und so bin ich einmal mehr froh um die Fallvorstellungsrunde, wo ich von den erfahrenen Kollegen zum einen beruhigt werden kann, dass auch diese Beschwerden meist selbstlimitierend sind und zum anderen auf red flags hingewiesen werde, bei denen eine akute weitere Diagnostik unverzichtbar ist.
Außerdem läuft noch immer die Cham-Teachingreihe, sodass wir auch hier breit gefächert Wissen vermittelt bekommen. Ein Online-Termin zu akutem und chronischen Nierenversagen gibt einen interessanten Überblick zum Thema und wie man in der Hausarztpraxis damit umgeht. Der zweite Termin findet vor Ort in Cham zum Thema Notfallmedizin statt. Wir dürfen einen Blick in einen Sanka (die Bezeichnung ruft bei den Nicht-Einheimischen PJ-lern erstmal ein paar Fragezeichen hervor) werfen, erfahren was damit und mit dem Notarzteinsatzfahrzeug alles zum Einsatzort transportiert wird, quetschen unsere Dozenten über die Ausbildung, die Notfallorganisation und Co. aus, wissen nicht genau, ob wir über die Aussage „ich bin kein Freund von Raserei auf der Straße“ eines Notarztes lachen oder weinen sollen und lernen abgerundet durch ein Atemwegs- und Reanimationstraining, an einem Nachmittag wahnsinnig viel, sodass für die ein oder andere aus unserer Truppe die Notfallmedizinausbildung gar nicht mehr so uninteressant erscheint.
Mein Highlight der Woche:
1. Ahoi! Als am Wochenende Besuch in den bayerischen Wald kommt wollen wir den Städtern natürlich die Gegend ein bisschen schmackhaft machen. Das Wetter macht es uns leicht und so wird der Kajak-Ausflug auf dem Regen mit Bade-Zwischenstopp zu einem echten Highlight.
2. Adäquate Vorbereitung! in Kürze geht die Zeit im bayerischen Wald zu Ende und das Chirurgietertial steht ins Haus: perfekt, dass ich mich in Auerbach am Wundverschluss nach Muttermal-Exzision mit Donati-Rückstichnähten versuchen kann – allerdings unter erschwerten Bedingungen – die sterilen Handschuhe sind auf Dr. Kalmancai angepasst und meine Hände entsprechen nicht ganz der Größe der vorliegenden 8er-Handschuhe. Dafür kann sich das Ergebnis sehen lassen!
Woche 16: 20.06. - 26.06.2022
Nun ist es tatsächlich so weit, die Zeit im bayerischen Wald geht zu Ende…
Und damit heißt es diese Woche: letzte Check-Up-Untersuchungen, letzte Patientengespräche, letzte Blutwertbesprechungen, letzte Hausbesuche, letzte Ohrspülungen, letzte Fortbildungen.
Aus der Natur der Sache heraus, stehen dementsprechend auch viele Abschiede von liebgewonnenen Menschen, dem Kirchberg und unserer auf-den-ersten-Blick-verliebt-Wohnung, den Patienten und Patientinnen und vor allem dem Team der Gemeinschaftspraxis an.
Was aber euch, wenn ihr bis hierhin gelesen habt, wahrscheinlich interessiert, ist eine Art Fazit und eine Info, ob ihr euch hier bewerben sollt:
Ich habe das Tertial zu Beginn mit der Erwartung „fördern und fordern“ angetreten und unter genau dieses Motto würde ich die letzten Wochen auch im Nachhinein stellen – Erwartungen vollstens erfüllt.
Fördern: Check!
Wenn ihr euch durch die ganzen Berichte durchgearbeitet habt, solltet ihr genauestens Bescheid wissen, wie umfangreich das Förderangebot ist. Um es nochmal zusammenzufassen:
1. Praxisalltag: die in die Sprechstunde integrierte Lehre ist wahrscheinlich am ehesten der Punkt, der auch in anderen Lehr-Praxen umgesetzt wird. Hier ist es wie immer und überall so, dass es mal einen stressigen Tag gibt und man einfach mitlaufen und funktionieren muss; die meiste Zeit aber ist jeder ansprechbar und offen für Fragen. Ich konnte außerdem lernen, wie ich richtig recherchiere und wo ich leitliniengerechte Infos finde, und, dass es in Ordnung ist, auch Dinge nachlesen zu müssen. Besonders dieses wertvolle Wissen wird mir meinen Berufseinstieg erleichtern. Das besondere an der „Sprechstundenlehre“ hier ist die Vielfältigkeit der Ärzte und Ärztinnen, von denen jeder eine andere Art der Patientenversorgung und einen anderen medizinischen Hintergrund hat. Auch, dass die studentische Lehre so in den Praxisalltag integriert ist – Mitarbeiter, Patienten und Patientinnen, für keinen ist es eine Neuigkeit, dass Studierende in den Praxen mitarbeiten - erleichtert einem das Ankommen und Einfinden sehr.
2. Praxismeetings: Montag, Dienstag und Donnerstag in der Mittagspause gibt es die Online-Meetings zu bestimmten Themen und Fallvorstellungen. Also selbst, wenn es in der Sprechstunde mal rund geht und noch Besprechungsbedarf besteht, kann man den Patientenfall in der Fallvorstellung vorstellen, hat dort als „Dienstjüngster“ auch immer den Vortritt und kann sich den Rat erfahrener Kollegen und Kolleginnen einholen.
3. Zusatzprogramm: in unserem Fall die Teachings des exzellenten Winters und – brandneu - der PJ-interne Selbststudiumstreff (PILEST alias Caros´ Baby); sonst: die Fortbildungsreihe in Zusammenarbeit mit dem Klinikum Cham, die Möglichkeit zur fachfremden Hospitation, der Journal Club, die Mittwochs-Vorträge zu bestimmten Themen, … dabei sind noch gar nicht die bayernweiten Fallvorstellungen, der Donnerstags-Abend-Internisten-Treff und Co. erwähnt…
Fordern: Check!
Wenn ihr euch von der Auflistung gerade erschlagen fühlt, habe ich vollstes Verständnis, aber genau das sind die Punkte, die das PJ hier so besonders machen. Die Lehre, die man hier bekommt, ist einzigartig und umfassend, die Zeit hier aber auch sehr intensiv. Denn, verständlicherweise, ist der Praxis daran gelegen, dass die vielen Angebote, die organisiert und angeboten werden, auch angenommen werden. Ich möchte gar nicht verschweigen, dass es Tage gab, an denen meine Leistungsgrenze erreicht, wenn nicht auch überschritten war, ich sehe aber auch den großen Entwicklungsschritt in Richtung Ärztin, den ich in den letzten Wochen gemacht habe. Außerdem habe ich in meiner Mitstreiterin Caro jemanden gefunden, der es einem sehr leicht macht, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen und der die Zeit hier unendlich positiv beeinflusst hat und so manche Hürde hier war gemeinsam einfacher zu meistern.
Viel mehr möchte ich an dieser Stelle dazu gar nicht sagen, ich habe versucht die letzten Wochen möglichst so zu beschreiben, dass ein guter Eindruck vom PJ hier entsteht.
Eine Weiterempfehlung?
- Gibt es von mir auf jeden Fall für alle, die sich ihrer Sache und der Allgemeinmedizin relativ sicher sind, die Motivation und Ausdauer haben, sich so richtig auszuprobieren und es wertschätzen können, wahnsinnig viel für ihren Einsatz zurückzubekommen.
- Gibt es von mir auch für jeden, der sich möglicherweise in der Allgemeinmedizin sieht oder in einer Fachrichtung, die damit eng einhergeht, dem es aber noch an Erfahrung mangelt, um eine Entscheidung zu treffen, der aber genauso viel Interesse hat und Energie aufbringen kann, die Menschen in der allgemeinmedizinischen Sprechstunde mit vielfältigen Beratungsanlässen, notfallmäßigen und Routinebesuchen und mit ihrer jeweiligen Geschichte kennenzulernen.
Mein Highlight der Woche
Von Zwieslerwaldhaus über das Höllbachgspreng auf den großen Falkenstein und über die Ruckowitzschachten zurück – traumhaft schön!
Sabine Pahl
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Woche 1: 27.06. – 03.07.2022
"Bayern, hast du da Familie oder kommst du da her?" - war immer die Reaktion in meiner nördlichen Heimat, als ich davon berichtete, mein PJ-Wahltertial in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald zu machen. Beides trifft nicht zu, aber ich hatte schon 2019, also vor meiner Famulatur, als ich die Homepage studierte, den Eindruck, dass ich nirgendwo eine bessere Lernatmosphäre werde finden können. Dies hat sich in der Famulatur bestätigt, so dass ich wusste: "Hier komme ich wieder her!" Obwohl ich mittlerweile meine Leidenschaft in der Chirurgie gefunden habe, verbringe ich mein Wahltertial in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald, weil ich mir keine bessere Lernumgebung vorstellen kann.
Und so machte ich mich vor einer Woche voller Vorfreude auf in den Bayerischen Wald. Nach siebenstündiger Fahrt kam ich auf dem Kirchberg an und konnte die gemütliche Studentenwohnung beziehen und habe mich gleich wieder wie Zuhause gefühlt. Die erste Woche habe ich in den Praxen Auerbach und Schöfweg verbracht. Ich wurde überall herzlich aufgenommen, fühlte mich direkt ins Team integriert und wertgeschätzt. Durch die Assistenzärzt*innen gibt es eine intensive Betreuung im Sinne eines Mentoring-Programms, welches individuell auf die Student*innen zugeschnitten werden kann und auch gemeinsame Aktivitäten wie Wandern umfasst. Man ist sowohl in der Praxis, als auch rundum sonst super betreut und aufgehoben.
Obwohl ich in der ersten Woche noch nicht so viele Voruntersuchungen der Patienten durchgeführt habe, um erstmal Anzukommen und mich in den Dialekt einzuhören, konnte ich bereits mehrmals eine Ohrspülung machen und Vor- oder Nachsonographieren. Dafür ein herzliches Dankeschön an die geduldigen Patient*innen! Ebenfalls konnte ich bereits das breite Spektrum der Konsultationsanlässe in der Hausarztpraxis kennenlernen und freue mich, spannende Fälle weiterzuverfolgen. Man spürt, dass den Ärzt*innen daran gelegen ist, Studenten individuell auf dem Lernweg zu begleiten, viele Hintergründe werden erklärt und immer wieder Studien als Entscheidungsgrundlage herangezogen. Hat man Fragen oder möchte eigenen Ideen einbringen, geschieht dies Gleichberechtigt auf Augenhöhe und nicht wie oft in einem Lehrer-/Schülerverhältnis. Neben dem Praxisalltag gibt es noch diverse Teachings und Onlinebesprechungen, dabei herrscht immer eine sehr angenehme Atmosphäre in der man ermuntert wird sich aktiv zu beteiligen.
Für mich waren die Highlights dieser Woche am Mittwoch zum einen der Nahtkurs im Sana Klinikum des Landkreises Cham, der fast nur für Studentinnen der Gemeinschaftspraxis Bayerwald durchgeführt wurde. Wir hatten die Gelegenheit an Schweineschwarten das Nähen und Knoten zu üben, ich habe viel gelernt und fühle mich nun viel sicherer im Umgang mit Nadel und Nadelhalter. Zum anderen der im Anschluss regional stattfindende Journal Club in Regen plus Online Teilnehmern. Durch die verschiedenen Teilnehmer*innen kamen viele Jahre Erfahrung auch aus anderen Fachgebieten zusammen, es war wahnsinnig lehrreich und es fanden inspirierende Diskussionen statt. Abschließend konnten wir den Abend gemeinsam bei einer Pizza ausklingen lassen.
Donnerstagnachmittag fand das wöchentliche Treffen der fünf PJlerinnen statt. Wir Neuen wurden von den beiden PJlerinnen, die schon ein paar Wochen hier sind erst einmal mit organisatorischen Informationen versorgt, die bei dem ganzen Programm und vielen Möglichkeiten, die uns Student*innen offen stehen, sehr hilfreich waren. Anschließend stellten wir ein Curriculum auf, welches wir in den nächsten Wochen zusammen durcharbeiten möchten.
Nach der eindrucksreichen Woche erholte ich mich in der gemütlichen Studentenwohnung und auf Spaziergängen in der wunderschönen Natur. Gleichzeitig freue ich mich schon auf die nächsten Monate hier im Bayerischen Wald.
Woche 2: 04.07. – 10.07.2022
Nach einem erholsamen, sonnigen Wochenende starte ich in die zweite Woche. Zwar beinhaltet diese weniger Programm als die vorangegangene, aber die Eindrücke und Erlebnisse reichen trotzdem für zwei.
Diesmal bin ich in Kirchberg und Lalling eingeteilt. Erstmal staune ich über die neu gebaute Praxis in Kirchberg, welche zu meiner Famulatur 2020 noch in Planung war. Sie ist einfach clever aufgeteilt,um einen reibungslosen Ablauf für die Patient*Innen zu gewährleisten. Diese Woche gehe ich meist alleine zu den Patient*Innen vor, werde immer sicherer im Patientengespräch und dokumentiere die Anamnese und Untersuchung. Allmählich werde ich bei häufigen Konsultationsanlässen wie Nacken- oder Rückenschmerzen auch geübter und kann den Patient*Innen etwas über die Ursache ihrer Beschwerden erklären und schon Tipps für Eigenübungen zu Hause geben.
In Kirchberg gibt es aufgrund der Expertise von Dr. Machac viele Patient*Innen mit kardiologischen Verdachtsdiagnosen oder Krankheitsbildern. Daher konnte ich in dieser Woche bei einem Belastungs-EKG und einer Echokardiographie zuschauen. Ich schätze sehr den umfassenden Blick auf den/diePatient*Innen in der Hausarztpraxis, denn in der Klinik hatte ich das Gefühl, dass nur ein definiertes Problem/Symptom der Patient*Innen behandelt wird. In der Allgemeinmedizin findet aber der ganze Mensch mit seinen Ängsten und Sorgen Berücksichtigung und ich bin dankbar, dass die Patient*Innen schon so viel Vertrauen in mich als Studentin haben, dass sie sich mir anvertrauen.
Montag durfte ich zum ersten Mal das Protokoll der praxisinternen Fortbildung führen, es ging um Infekte der oberen Atemwege. Das Thema wird nach einem festen Schema durchgearbeitet, so dass man nichts vergisst und immer ein besonderes Augenmerk auf die abwendbar gefährlichen Verläufe hat. Hat man dies verinnerlicht, kann man die Beschwerden eines Patienten sicher abchecken und schnell einordnen, ob die Gesundheit des Patienten bedroht oder ein abwartendes Offenhalten angezeigt ist.
In der praxisinternen Fallbesprechung habe ich meinen ersten Patienten vorgestellt, es ging um Nahrungsergänzungsmittel, ein Bereich, der im Studium viel zu kurz kommt, ich habe gute Tipps für den praktischen Umgang mit dem Thema bekommen.
Mittwochnachmittag gab es eine Fortbildung der Uni Erlangen, die uns eine Übersicht über den Berufsstart, alle wichtigen Unterlagen und die Struktur der Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner gegeben hat. Nun fühle ich mich etwas besser gewappnet für den Einstieg ins Berufsleben.
Die zweite Hälfte der Woche war ich in Lalling. Am Mittwoch war Impftag, so konnte ich mein Wissen über Impfschemata, Red Flags und Durchführung vertiefen. Das Team hat mich so lieb aufgenommen, dass ich am Freitag das Gefühl hatte, ich würde schon seit Wochen dazugehören.
Die ereignisreiche Woche haben meine Mitbewohnerin und ich mit einem Besuch beim Italiener ausklingen lassen, es war sehr lecker und wir werden auf jeden Fall wiederkommen.
Leider zeigt sich der Bayerwald am Wochenende von seiner nassen Seite, aber dies ist eine Gelegenheit mehr, Inhalte und Erfahrungen der letzten Woche noch einmal Revue passieren zu lassen.
Woche 3: 11.07. – 17.07.2022
Nach einem entspannten Wochenende und einer schönen Wanderung mit meiner PJ-Kollegin Nicole mit schönem Blick auf den Kirchberg beginnt die dritte Woche dort, wo die letzte geendet hat - in Lalling.
Diese Woche konnte ich zwei Patienten direkt nach einem Unfall untersuchen: einen kleinen Jungen nach Fahrradunfall sowie einen jungen Mann nach einem Autounfall. Zum Glück haben beide nur leichte Verletzungen erlitten. Dabei habe ich gelernt, auf Red Flags zu achten und worüber Eltern informiert werden müssen, um bei ihren Kindern die Symptome einer Gehirnerschütterung erkennen zu können. Frau Quaderer gab mir eine Lektion in strukturierter Dokumentation, besonders hilfreich, wenn mehrere Körperregionen betroffen sind. Frau Dr. Takacs vertraute mir die Laborwerte zur Vorkontrolle an. Eine wertvolle Übung und gute Möglichkeit, noch einmal nachzulesen, welche Laborveränderungen durch welches Krankheitsbild verursacht werden können.
Ein Fall, der mir diese Woche zu denken gegeben hat, war ein Familienvater, der kürzlich einen Suizidversuch begangen hat. Zuvor gab es den Versuch ihn psychiatrisch anzubinden, aber aufgrund von Kapazitätsengpässen war die Wartezeit auf eine ambulante Therapie so lang, dass sich seine Situation anscheinend in der Zwischenzeit so zugespitzt hatte, dass er den Suizidversuch beging. Schon bei anderen psychisch belasteten Patienten habe ich mitbekommen, dass es sehr schwierig ist, Therapieplätze zu bekommen. Ich hoffe, dass psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft bald kein Tabuthema mehr sind und genauso schnell und adäquat behandelt werden können wie ein Beinbruch. Umso erfreulicher war aber zu hören, dass es dem Patienten nach einem längeren Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik wieder besser geht, er gute Unterstützung von seiner Familie erfährt und er viele Gründe hat, die ihn im Leben halten.
Die Woche haben wir mit einem guten Essen im Feng Shui Park in Lalling ausklingen lassen. Dort kann man so richtig die Seele baumeln lassen und ausspannen. Hier komme ich, vielleicht mit einem spannenden Medizinbuch, bestimmt noch einmal hin.
Woche 4: 18.07. – 24.07.2022
Ich bin nun schon einen Monat lang im Bayerischen Wald - die Zeit vergeht wie im Flug.
Diese Woche stand unter dem Thema Hitze. Zu Beginn der Woche war ich in der Praxis in Auerbach eingeteilt. Schon am Montag mussten zwei Patientinnen aufgrund von Herzproblemen ins Krankenhaus eingewiesen werden. Die Hitze war nicht zwingend die Ursache, aber sie hat sicher ihren Teil beigetragen. Am Dienstag Nachmittag haben die Menschen den wertvollen Rat bei hohen Temperaturen befolgt und sind lieber Zuhause geblieben, dies hat uns einen ruhigen Nachmittag beschert. Die Zeit habe ich genutzt und mich mit der DEGAM Leitlinie - Hitzebedingte Gesundheitsstörungen in der hausärztlichen Praxis auseinandergesetzt. Außerdem habe ich gelernt, dass in der Hausarztpraxis nicht die Ursache für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes herausgefunden werden muss, sondern viel wichtiger ist, diesen Zustand zu erkennen und den Patienten in die Klinik einzuweisen.
Ein eindrückliches Beispiel habe ich am MIttwoch in Grafenau erlebt. Eine resolute ältere Dame, gut in der Praxis bekannt, hatte eine Entzündung. Schon bevor die Patientin die entzündete Stelle präsentierte, stellte Dr. Blank fest, dass die Patientin heute so matt und nicht so fit wie sonst erscheine. Ich hatte dies gar nicht so wahrgenommen, da die Patientin auf mich einen lebhaften Eindruck machte. Ein gutes Beispiel, wie wichtig die Beziehung zwischen Patient und Hausarzt und das Bauchgefühl ist. Da die Patientin alleine lebt und sie keine Hilfe bei der Medikamenteneinnahme und subkutanen Injektion hatte, konnte sie nur in der Klinik ausreichend versorgt werden. Dies war dann schon die dritte Krankenhauseinweisung in dieser Woche.
Passend zu diesem Wetter waren wir Studenten für ein Teaching am See. Frau Aicher hat uns auf die nächste große Prüfung, das dritte Saatsexamen, vorbereitet, indem sie eine Prüfung simuliert und wertvolle Tipps parat hatte. So konnte sie uns ein wenig die Angst vor dieser mündlichen Prüfung nehmen. Im Anschluss gab es eine Abkühlung im See und Schwimmbad-Pommes. Ein super Ausklang dieser Woche.
Woche 5: 25.07. – 31.07.2022
Mich erwartet eine kurze Woche im Bayerischen Wald, denn am Wochenende geht es in die Heimat. Zuhause fühle ich mich aber auch in der Praxis in Lalling, in welcher ich eingeteilt bin. Denn ich bin Teil des eingespielten Teams und habe meine eigenen kleinen Aufgaben.
Bei den Gesundheitsuntersuchungen habe ich Gelegenheit, meine Vorgehensweise in der Anamnese immer ein wenig weiter verbessern. Ich kläre über die altersentsprechend empfohlenen Impfungen und Krebsvorsorgeuntersuchungen auf. Ich versuche, meine Fragenstrategie bei den Themen Bewegung und Ernährung zu präzisieren, weil unter einer ausgewogenen Ernährung einfach jeder etwas anderes versteht. Dabei versuche ich Ernährungsfallen, wie z.B. zu häufiger Genuss von gesüßten Getränken aufzuspüren.
Überhaupt ist Ernährung ein wichtiges Thema, nicht nur bei der Verhinderung der Entstehung von Diabetes mellitus Typ II oder Krebserkrankungen, sondern auch bei so akuten Problemen wie der Obstipation oder dem Harnwegsinfekt. Allein eine ausreichende Trinkmenge kann bei den beiden letztgenannten Punkten schon einen Unterschied ausmachen. Ich hoffe, dass ich den Patienten vermitteln kann, dass sie durch ihre Ernährung, sowie deren Modifikation, manche Stellräder der Verdauung selbst ohne Medikamente anpassen können.
Außerdem habe ich bei den Gesundheitsuntersuchungen die Möglichkeit, eine Sonographie des Abdomens und der Schilddrüse durchzuführen. Dabei werde ich immer besser und kann dem Patienten auch einiges auf den Bildern aus seinem Inneren erklären.
Das Sonographiegerät ist mir dabei so vertraut geworden, dass ich es kurzerhand nutze, um einen Erguss proximal des Kniegelenks zu untersuchen.
Bei einem klassischen Bild einer Nierenkolik fällt es mir dann noch schwer, den vermuteten Harnstau von den vorhandenen Zysten im Nierenbeckenkelchsystem zu unterscheiden. Aber es war sehr wertvoll, diese Sonographiebilder gesehen zu haben, um in der Zukunft besser differenzieren zu können.
Am Mittwoch findet der praxisinterne Journal Club statt und es gibt spannende Diskussionen über den Einsatz von Bempedoinsäure bei Hypercholesterinämie und Thiamingabe bei Alkoholabusus. Außerdem gibt es von Dr. Kleudgen eine gute Zusammenfassung über die Trigeminusneuralgie mit wertvollen Therapiehinweisen für die Hausarztpraxis, falls die Wartezeit bis zum Termin beim Neurologen überbrückt werden muss.
Donnerstag Nachmittag mache ich mich dann auf den Weg nach Hause.
Woche 6: 01.08. – 07.08.2022
Nachdem ich vom Heimaturlaub aus der - im Vergleich zum Bayerischen Wald - turbulenten Großstadt zurück bin, starte ich am Dienstag in die Praxis-Woche.
Diese Woche gibt es drei besondere Termine. Zum einen laden wir PJ-ler die Praxisinhaber, als kleines Dankeschön für die lehrreiche Zeit und die wunderschönen Unterkünfte, zu einer kleinen Gartenfeier im PJ-ler Haus in Grafenau ein. Dort gibt es einen großen Garten, der einfach eingeweiht werden muss. Jeder von uns richtet Speisen her und Mirjam und Franziska haben den halben Tag geräumt und dekoriert und auf der Terrasse einen wunderbar gemütlichen Ort gezaubert. Es wird ein gemütlicher Abend mit leckerem Essen, an dem man sich auch mal privat austauschen kann.
Mittwoch wartet geballtes Wissen auf uns. Mittags haben wir PJ-ler ein exklusives Teaching mit dem Infektiologen Rudolf Baloun, der uns die wichtigsten Aspekte einer guten antibiotischen Therapie vermittelt. Abends ist der Journal Club mit Ärzten aus ganz Regen. Zusätzlich zu den Themen vom internen Journal Club stellt Dr. Blank noch das Thema “Sport nach COVID”-Infektion vor, brandaktuell, nun kann ich den Patienten zu diesem Thema fundiertere Antworten geben.
Neben dem ganzen Programm kommen die Patienten mit ihren diversen Konsultationsanlässen natürlich nicht zu kurz. Besonders in Erinnerung sind mir drei Patientinnen geblieben:
Zum einen ein junges Mädchen, dem plötzlich ein Auge zugeschwollen ist, nachdem sie einen blauen Sirup getrunken hat. Besonders im Gesichtsbereich ist man bei Schwellungen/allergischen Reaktionen besonders hellhörig, aber zum Glück war die Schwellung lokal am Auge und ist nicht weiter fortgeschritten. Nachdem sie ein Antihistaminikum von uns bekommen hat, zeigte sich die Schwellung schnell rückläufig. Spannend zu sehen war, wie schnell die Müdigkeit, eine Nebenwirkung des Medikaments, einsetzte.
Zum anderen eine Frau, welche in kurzer Zeit viel Gewicht verloren hat, fieberte, nachts stark schwitzte und schlecht Luft bekam - alles Anzeichen, die an eine maligne Erkrankung denken lassen. Letzte Woche hatte sie aber auch noch mit einer Erkältung zu kämpfen, wie deutet man nun in diesem Zusammenhang die Symptome? Der Gewichtsverlust ist immer noch kritisch, aber sind Fieber und Schwitzen vielleicht dadurch erklärbar? Die Patientin wird jetzt von diversen Fachärzten gründlich untersucht. Ich hoffe das Beste und verfolge den Fall weiter.
Als drittes kam eine ältere Dame mit einem Routine-Beratungsanlass, aber man merkte, dass es ihr nicht gut ging, sie war emotional stark belastet, weil ein junger Angehöriger vor kurzem verstorben ist. Für mich eine ganz neue Situation, mit einer trauernden Angehörigen konfrontiert zu sein. Ein schwieriges Thema, in das man hoffentlich langsam hineinwächst. Ich hoffe, dass sich die Patientin bei mir trotzdem wahrgenommen und gut aufgehoben gefühlt hat.
Woche 7: 08.08. – 14.08.2022
Diese Woche hatte ich die Gelegenheit, Dr. Blank mehrere Tage in der Praxis in Grafenau zu begleiten.
Einige Unterschiede zu den ländlicher gelegenen Praxen wurden deutlich: mehr alleinstehende ältere PatientInnen, bei denen man die Versorgung zuhause gut im Blick haben muss und die im Vergleich durch geringere Bewegung, wie Arbeit im Garten, auch weniger fit im hohen Alter sind, ein höherer Anteil an Urlaubsgästen, sowie ein generell internationaleres Klientel. Insgesamt eine sehr bunte Mischung an Konsultationsanlässen.
Im Speziellen ist mir dabei ein Patient aus Italien in Erinnerung geblieben, welchen ein rezidivierender starker Kreuzschmerz plagte. In der Heimat wurde er mit Injektionen in den Rücken behandelt, die ihm durch eine Krankenschwester verabreicht wurden. Hier wird aber (außer durch Fachärzte der Orthopädie oder Neurologie) auf Injektionen verzichtet, da eine orale Medikation die gleiche, teilweise sogar eine bessere, Wirkung durch einen länger anhaltenden Wirkspiegel erzielt und dabei viel geringere Risiken birgt. Außerdem wurden dem Patienten Übungen gezeigt, welche auf Grundlage wissenschaftlich gesicherter Informationen ausgesucht wurden, um die Rückenmuskulatur zu kräftigen, so den Rücken zu entlasten und den Schmerz zu lindern. So habe ich das Gefühl, dass der Patient eine sehr gute Beratung und Therapie erhalten hat und hoffentlich in Zukunft, mittels der Übungen mit weniger Medikamenten, seinen Kreuzschmerz in den Griff bekommt.
Außerdem verfolgte ich zusätzlich zu den praxisinternen Fallbesprechungen auch die des Guad-Netzes, welche von Dr. Blank geleitet werden. Dort nehmen Ärzte, auch anderer Fachrichtungen, aus der Region teil. So schaltete sich ein Notarzt auf dem Rückweg vom Einsatz dazu. Z. B. konnte bei dem speziellen Patientenwunsch nach längerer Antikoagulation nach Lungenembolie ein Facharzt der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde wichtige Tipps geben. Jeder hat sein eigenes Spezialgebiet, kürzlich eine Fortbildung besucht oder langjährige Erfahrungen, durch die die gesamte ärztliche Gruppe und am Ende der Patient profitieren kann. Einfach ein starkes Netzwerk und für jeden ein Gewinn.
Zum Wochenende besuchten wir am Samstag eine Glasmanufaktur, in der hunderte Glaskunstwerke für Haus und Garten zu bestaunen waren. Im Anschluss erklommen wir nach steilem Anstieg einen Berg, als Belohnung gab es eine erfrischende Abkühlung an Wasserfällen. Den ereignisreichen Tag ließen wir dann mit einem gemeinsamen Essen ausklingen.
Woche 8: 15.08. – 21.08. 2022
Diese Woche verging dank des gewonnenen Feiertags am Montag (den gibt es in meiner Heimat nicht) wie im Flug.
Ich war die ganze Woche in Lalling eingesetzt. Aus gegebenem Anlass habe ich mich in dieser Woche mit Asthma-Notfällen beschäftigt, welche laut Studien zum Glück über die Jahre seltener werden, aber kein Grund, nicht trotzdem für den Fall der Fälle gewappnet zu sein:
Denn am Dienstag kam ein kleiner Junge in die Praxis mit Atemnot, Lippenzyanose und Nasenflügeln und seine Sauerstoffsättigung war zu niedrig. Also wurde schnell die Indikation zur sofortigen Krankenhauseinweisung gestellt. Nach dem Alarmieren des Rettungswagens rief direkt eine Kindernotärztin in der Praxis an und unterstützte mit ihrer Expertise. Nach Einleiten der medikamentösen Therapie war auch schon der Rettungsdienst da und es ging zügig in die Klinik. Beeindruckt von dem raschen und reibungslosen Ablauf habe ich auf jeden Fall etwas für´s Leben gelernt und bin für den nächsten Notfall dieser Art gewappnet.
Eine spannendes Ereignis zwischen den, zum Glück, meist harmloseren Beratungsanlässen in der Hausarztpraxis.
Woche 9: 22.08. – 28.08. 2022
Diese Woche startete chaotisch, ein typischer Montag eben. Aufgrund von Krankheitsausfällen war eine Ärztin alleine in der Praxis eingeteilt und musste nun die Arbeit von zwei bewältigen, weil es Montagmorgen schlecht möglich war, einige geplante zeitaufwendigere Termine zu verschieben. Ich half so gut ich konnte und war dabei froh, in meiner Rolle als PJlerin noch etwas mehr Zeit für die PatientInnen zu haben. So widmete ich mich gerne denen, die etwas mehr Gesprächsbedarf haben, während die Ärztin gründlich aber flott die Patienten mit zeitlich überschaubareren Konsultationsanlässen abarbeitete. So kam eine Patientin zur Gesundheitsuntersuchung, ursprünglich nur, weil der “TÜV” mal wieder fällig war. Aber es stellte sich heraus, dass die Dame viele Päckchen zu tragen hatte, welche sie auch noch psychisch belasteten und ihr starke Zukunftsängste bescherten. Ich denke, es war gut, dass die Patientin genug Zeit bekommen hat, um alles, was sie plagt, zu erzählen. Denn während des Gespräches kamen immer mehr Themen auf, welcher einer Behandlung bedürfen. Unter Zeitdruck hätte die Patientin sich vielleicht gar nicht so öffnen können.
Eine andere Patientin ist mir ebenfalls im Gedächtnis geblieben, da sie diese Woche gleich drei Mal in die Praxis gekommen ist. Sie ist eine ältere Dame, deren Bewegungsradius altersbedingt etwas eingeschränkt ist, ansonsten macht sie aber einen fitten Eindruck. Zunächst kam sie mit einem schmerzenden Sprunggelenk. Donnerstag wurde sie mit einer schmerzenden Schulter vorstellig, welche sie sich in der Woche davor schon beim Recken nach dem oberen Fach des Regals leicht gezerrt und am Montag vergessen hatte, dies zu berichten. In der Nacht hat die Schulter dann wieder etwas geschmerzt, darum der zweite Besuch dieser Woche. In beiden Fällen konnte ich durch eine Untersuchung abwendbar gefährliche Verläufe ausschließen und sie damit beruhigen. Zufrieden konnte ich sie wieder in die fürsorglichen Hände ihrer Tochter entlassen.
Am Freitag war ich überrascht, den Namen der besagten Dame vom Donnerstag schon wieder in der Patientenliste zu lesen und nahm mich neugierig ihrer an, was mag nun heute der Anlass sein? Ihre Tochter hatte das Sprunggelenk mit Quark versorgt, so dass sie nicht aufstehen konnte. Und natürlich klingelte das Telefon, welches sie von der Fensterbank angelte und sich wieder leicht die Schulter zerrte, wegen der sie gestern da war. Also das gleiche nochmal von vorne. Ich befragte sie nach dem Schmerztyp und Ort, untersuchte sie gründlich und konnte wieder Entwarnung geben. Die Muskeln waren gereizt, würden sich aber bald wieder erholen. So kurz vor dem Wochenende wollte sie dies einfach nochmal abgeklärt haben. Ich bin froh, dass nichts Schlimmeres hinter den Schmerzen steckte und ich die Patientin mit ein paar Sätzen beruhigen konnte.
Und genau das mag ich so sehr an der Allgemeinmedizin: Zeit und die richtigen Worte sind für die PatientInnen Gold wert und ein nicht zu unterschätzendes Werkzeug von HausärztInnen.
Woche 10: 29.08. – 04.09.2022
Diese Woche ging es etwas ruhiger zu. Eine gute Gelegenheit Frau Marder über die Schulter zu gucken. Sie kümmert sich um das Disease Management Programm (DMP) - Koronare Herzkrankheit (KHK).
Ziel der DMP-KHK ist es, durch eine zugeschnittene und koordinierte Behandlung den Fortschritt und das Risiko der koronaren Herzerkrankung zu kontrollieren und korrekt einschätzen zu können. Dafür werden in regelmäßigen Abständen die Blutwerte kontrolliert, ein EKG geschrieben, die Medikamente überprüft und typische Symptome abgefragt.
Außerdem konnte ich sowohl in der Praxis als auch beim Hausbesuch geriatrische Basis Assessments begleiten, dabei werden bei Patienten ab 70 Jahren Tests zur Detektion motorischer Einschränkungen, Selbsthilfefähigkeit und Demenz durchgeführt. Das Ziel ist, dem Patienten ganzheitlich Hilfe zukommen zu lassen und eine den Lebensbedingungen angepasste Therapie der Erkrankungen durchzuführen.
So konnte ich feststellen, dass gerade Patienten, die im hohen Alter oder aufgrund von Vorerkrankungen besonderer Fürsorge bedürfen, gut aufgehoben sind, damit bei etwaiger Verschlechterung des Krankheitsbildes sofort interveniert werden kann, um lange die bestmögliche Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten.
Diese Woche hatte uns eine Patientin wieder Rätsel aufgegeben. Nachdem sie vor fünf Wochen unter einem grippalen Infekt mit starkem Husten litt, hatte sich das Beschwerdebild nun komplett verändert: die Patientin hatte Schmerzen von den Knien aufsteigend, eine taube Stelle am Oberschenkel und Schmerzen im Unterbauch. Aber keine anderen Symptome, die bauchschmerztypisch wären. Das Blutbild, der Urin und die Sonographie waren unauffällig. Ein paar Tage später kam die Patientin wieder, weil die Schmerzen noch weiter “hochgewandert” waren. Nun taten ihr der Oberbauch und die Rippenbögen weh, dabei ein leichtes pelziges Gefühl, in der Sonographie war nun der Pankreas etwas auffällig. Aber immer noch waren die Beschwerden sehr diffus und die Schmerzmittel halfen ihr leider nicht. Also geht die Diagnostik weiter…
In der sechsten Woche habe ich von einer Patientin berichtet, welche unter Atemnot und einem unerklärlichen Gewichtsverlust litt. Ich kann positives berichten: eine Neoplasie hat sich nicht bestätigt. Die Patientin hatte eine Lungenentzündung und hat sich mittlerweile gut erholt.
Nicole Neumair
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Woche 1: 27.06. – 03.07.2022
Jetzt bin ich also hier. Zum Glück – denn gleich nach meiner Ankunft hat mein Auto beschlossen, den Geist aufzugeben. Wie gut, dass ich es wenigstens noch bis zu meiner Unterkunft geschafft habe – und ziemlich blöd für die Planung der ersten Woche, denke ich. Schließlich ist man hier doch recht stark auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen. Aber meine Sorgen werden schnell beruhigt. Ein Tausch mit meiner PJ-Kollegin Sabine, die ebenfalls gerade frisch angekommen ist, und viel Entgegenkommen und Hilfsbereitschaft vom Praxisteam machen die ganze Sache halb so wild.
So starte ich also am Montag nicht wie ursprünglich geplant in Auerbach, sondern in Schöfweg, wohin mich Dr. Blank die ersten drei Tage dankenswerterweise mitnehmen kann. Eigentlich sofort wird mir klar, dass das kein Kindergarten-Aufenthalt wird. Obwohl ich in Bezug auf die Lehre auch in meinen ersten beiden PJ-Tertialen viel Glück hatte, ist hier doch nochmal deutlich mehr geplant und gefordert – im besten Sinne!
Den ersten Tag laufe ich erstmal noch mit Dr. Blank mit und kann mir einen ersten Überblick über die Praxisabläufe und die Arbeitsweise des Chefs verschaffen. Schon am nächsten Tag fange ich an, deutlich mehr selbstständig zu machen. Ich muss mich noch daran gewöhnen, denn das mit dem selbstständigen Arbeiten ist im Medizinstudium und auch im PJ so eine Sache. Aber gerade auch das war ja schließlich einer der Gründe, warum ich hierher kommen wollte.
Auch merke ich, dass man über die Zeit des Studiums doch das Eine oder Andere gelernt hat. Trotzdem bin ich froh, dass es noch nicht an mir ist, endgültige Entscheidungen über das weitere Vorgehen oder die Therapie der mannigfaltigen Anliegen der ebenso mannigfaltigen Patienten treffen zu müssen. Immer wieder passiert es, dass ich zunächst denke, einen Patienten und sein Problem ganz gut „abgearbeitet“ zu haben und dann doch nochmal wirklich relevante Fragen von den Ärzten gestellt oder Dinge gesagt werden und ich denke „Mensch, das hast du vergessen!“. Aber auch dafür bin ich hier.
Es gibt in dieser ersten Woche noch viel zu organisieren und es fällt mir schwer, einen Überblick über die verschiedenen Besprechungen und Lehrveranstaltungen zu bekommen. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass sich das bald bessert, auch weil wir viel Unterstützung von den „alten Hasen“ unter den PJlern, aber auch vom Team bekommen.
Der Mittwoch ist besonders ereignisreich. Vormittags Praxisarbeit, am Nachmittag ein Nahtkurs in Cham, der uns allen wahnsinnig viel Spaß gemacht hat, dann ein Journal Club am Abend in Regen mit anschließendem gemeinsamen Ausklingenlassen beim Italiener.
Pünktlich zum Freitag ist mein Auto repariert, sodass ich mich mit vielen Eindrücken in meine oberbayerische Heimat ins Wochenende aufmachen kann.
Woche 2: 04.07. – 10.07.2022
Hoppla - Woche zwei ist ja schon wieder rum! Das ging sehr schnell.
Was die Besprechungen und Teachings angeht, bekomme ich langsam einen Überblick. Ich lerne eine weitere Praxis kennen: Auerbach. Klein, ein bisschen alt aber irgendwie süß. Mit Dr. Kalmancai verstehe ich mich auf Anhieb sehr gut, seine ruhige und besonnene Art macht es mir leicht, mich auf seine Arbeitsweise einzulassen. Auch treffe ich zum ersten Mal so richtig auf meine Mentorin, die mir immer wieder mit Rat und Tat zur Seite steht.
Schon bald hole ich sie mir frühzeitiger als sonst üblich zu einer Patientin hinzu. Diese ist nach einem schweren Schicksalsschlag völlig am Boden zerstört und ich fühle mich noch lange nicht so weit, sie kompetent unterstützen zu können in ihrer Situation. Ob man überhaupt jemals an so einen Punkt kommt? Ich muss selbst mit den Tränen kämpfen, die Geschichte der jungen Frau berührt mich sehr. Es hilft mir zu sehen, wie meine Mentorin ruhig und sachlich, gleichzeitig aber auch empathisch mit der Patientin spricht. Ich lerne an diesem Tag viel über den Umgang mit Patienten, die eine schlimme Nachricht zu verarbeiten haben. Kein sehr schöner Aspekt unseres Jobs. Oder vielleicht doch? Zwar können wir nichts ungeschehen machen und das Leid muss trotzdem ausgehalten werden, aber in einem gewissen Umfang - wenn auch nur in einem ganz kleinen - können wir solchen Patienten helfen, wieder etwas Halt zu finden. Wir können ihnen helfen, etwas zur Ruhe zu kommen und vielleicht auch ihre Gedanken zu ordnen - manchmal mit Medikamenten, vor allem aber mit Gesprächen.
Ein weiteren Aspekt des Hausarztseins, insbesondere auf dem Land, lerne ich bei den ersten Hausbesuchstouren kennen. Ob ich für mich selbst daraus viel Kenntnisgewinn habe, kann ich noch nicht sagen. Der kommt vermutlich erst, wenn man die besuchten Patienten schon etwas kennt und regelmäßig sieht.
In Kirchberg treffe ich erneut auf Dr. Machac. Ebenfalls ein sehr netter Arzt, immer bemüht uns etwas beizubringen. Mit seinem sehr zielstrebigen Tempo mitzuhalten fällt mir allerdings etwas schwer. Ich hege die Hoffnung, dass ich zum Ende des Tertials die einzelnen Fälle auch etwas schneller gedanklich durcharbeiten und abhaken kann. Übung macht den Meister. Das merke ich auch beim Ultraschall. Obwohl noch meilenweit entfernt vom Profi-Niveau, stelle ich doch schon einige Verbesserungen an meiner Technik fest. Die Knopfologie - das Drücken der richtigen Knöpfe zum richtigen Zeitpunkt - wird mich noch ein Weilchen beschäftigen.
Am Wochenende habe ich endlich Gelegenheit, etwas mehr von der wunderbaren Gegend zu erkunden - der Lusen und das Moor rufen.
Woche 3: 11.07. – 17.07.2022
Woche 3 war fast so schnell um wie Woche 2. Dennoch habe ich immer noch ein bisschen das Gefühl, den Dingen hinterher zu laufen. Aber ich werde zuversichtlicher, dass sich das demnächst gibt.
Zum Anfang der Woche war ich wieder in Schöfweg, diesmal bei Frau Dr. Kleudgen. Ein etwas chaotischer Wochenstart aber ich habe schnell das Gefühl, dass ich hier wirklich viel mitnehmen kann. Ich lerne das eine oder andere über Todesbescheinigungen, ein Thema, das im Studium zwar angesprochen wird aber bei dem viele Mediziner immer wieder auf Schwierigkeiten treffen. “Bürokratie-Deutschland” huscht es mir durch den Kopf, aber natürlich soll und muss unter diesen Umständen alles seine Ordnung haben.
Ein weiterer Schwerpunkt scheinen diese Woche Hauterscheinungen zu haben - nicht gerade mein Lieblingsthema. Um so besser, dass ich gezwungenermaßen immer mal wieder damit konfrontiert werde. Die Haut kann sehr viele Zustände und Erkrankungen des Körpers abbilden und eine fundierte Kenntnis darüber ist auch in der Hausarztpraxis äußerst wertvoll und wichtig. Hier habe ich auf jeden Fall noch Nachholbedarf, fast hoffe ich auf noch mehr Dermatologie-Rätsel.
Mit den meisten Patienten komme ich wirklich gut zurecht. Vor allem hier im Bayerischen Wald sind die meisten sehr herzlich und begegnen einem manchmal fast schon zu familiär, wird man als Mediziner doch angehalten - völlig zu recht -, eine gewisse Distanz zu den Patienten zu wahren. Hin und wieder aber begegnet man Menschen, die man nicht so recht anzupacken weiß oder die von ihrem Wesen her einfach etwas schwieriger zu händeln sind. Ein Phänomen, das natürlich nicht auf die Hausarztpraxis beschränkt ist. Aber hier kann man solchen Situationen im Zweifel nicht einfach ausweichen. Das Praxisteam kennt in der Regel seine Pappenheimer und die wirklich schwierigen oder unangenehmen Fälle werden von den alten Hasen übernommen. Einerseits recht angenehm; andererseits müssen wir früher oder später selbst damit klar kommen und ein bisschen Übung schadet nicht, zumal wir hier viel Gelegenheit haben, uns Feedback und Tipps abzuholen. Auch bei diesem Thema hoffe ich auf noch mehr Trainingsmöglichkeiten.
Donnerstag und Freitag darf ich dann das erste mal die Praxis in Lalling mit Frau Dr. Takacs und Frau Dr. Hill kennenlernen. Da es diese zwei Tage etwas chaotisch ist, finde ich mich zunächst etwas schwierig zurecht. Aber schnell wird es besser.
Ich erfahre am Patientenbeispiel, welche Schwierigkeiten eine ausgeprägte Niereninsuffizienz in der angewandten Praxis machen kann. Die Niereninsuffizienz kommt doch recht häufig vor, zum Glück dauert es aber meist eine Weile, bis ein solch schweres Stadium erreicht wird wie es in diesem Fall vorliegt. Ein großer Lebenseinschnitt, das wird mir sehr bewusst, als ich der Betroffenen gegenüber sitze und sie mir von all den Problemen berichtet, mit denen sie gerade zu kämpfen hat und die sich untereinander und mit deren Lösungen gegenseitig im Weg stehen. Als ich noch ein Kind war, haben unsere Nachbarn zum Geburtstag immer Gesundheit gewünscht - denn “Gesundheit ist das Wichtigste!”. Als kleines Mädchen war mir die Wahrheit und Tragweite dieser Worte von gefühlt 100-jährigen Menschen nicht bewusst. Fälle wie dieser zeigen mir aber inzwischen immer wieder - sie hatten so Recht!
Woche 4: 18.07. – 24.07.2022
Die Hitze macht uns allen zu schaffen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass diese Woche recht ruhig ist. Mein Fokus wird immer mal wieder auf EKGs und deren Interpretation gelenkt. Aus irgendeinem Grund werde ich von einigen Mitstreitern hierbei für viel kompetenter gehalten als ich es bin. Das weckt meinen Ehrgeiz, das mir unterstellte Level zu erreichen. Gar nicht so einfach - wie ein Arzt im PJ-Tertial Innere Medizin zu mir gesagt hat: über Zacken kann man nie genug lernen. So versuche ich, so viele EKGs wie mir möglich in die Finger zu kriegen.
Am Mittwoch geht es spontan zu einem Notfall-Hausbesuch. Ein älterer Herr hat Bauchschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Seine Tochter macht sich Sorgen. Wie Frau Quaderer und ich dann feststellen, durchaus zu Recht. Wir möchten ihn gerne ins Krankenhaus schicken, um Schlimmeres auszuschließen. Das gefällt ihm verständlicherweise nicht. Es braucht einiges an Überzeugungsarbeit - nicht zuletzt mit tatkräftiger Unterstützung durch die Tochter des Patienten -, um ihn dazu zu bewegen, einzulenken. Wir als Ärzte können niemanden zwingen, eine bestimmte Behandlung zu beginnen oder ins Krankenhaus zu gehen, auch wenn wir es manchmal für unumgänglich halten. Und meistens wollen wir das auch nicht. Zumindest reden wir uns das immer wieder ein.
Passend dazu hören wir am Mittag gleich danach einen Vortrag zu Patienten mit Suchtproblemen in der Hausarztpraxis. Auch die sind sehr oft beratungsresistent und man wünscht sich so manches Mal doch, dass man seine Patienten zu der einen oder anderen Maßnahme zwingen kann. Gleichzeitig sollen und wollen wir unseren Patienten respekt- und verständnisvoll begegnen - eine Zwickmühle für den Arzt. Auf der Grundlage dieser Überlegung entsteht eine interessante Diskussion und wieder einmal wird mir vor Augen geführt, wie großartig die Möglichkeit ist, mit unterschiedlichen Medizinern in den Dialog zu treten, neue Denkanstöße zu erhalten und auf Augenhöhe über das Für und Wider eines Themas zu diskutieren. Keine Selbstverständlichkeit, leider.
Ein weiteres Wochenhighlight ist das Teaching zum 3. Staatsexamen am See. In entspannter Atmosphäre wird uns ein wenig die Angst vor der letzten großen Prüfung unseres Studiums genommen. Als eine Person, die lieber zuhört als redet, ist mir diese mündliche Prüfung ein echter Graus. Doch den anderen geht es ganz genauso. Vielleicht etwas gemein aber das allein beruhigt schon. Es werden 2 Probeläufe eines mündlichen Staatsexamens zum Teilbereich Allgemeinmedizin durchgeführt. Noch kann ich mich nicht dazu durchringen, selbst als “Prüfling” anzutreten und schaue nur zu. Doch auch das hilft mir schon enorm, ein besseres Gefühl für diese Prüfung zu bekommen und ein bisschen weniger Bammel zu haben.
Woche 5: 25.07. – 31.07.2022
Die erste Woche ist zu Ende, die ich komplett in Schöfweg verbringe. Wieder etwas ruhiger als die ersten Wochen. Aber das ist nichts Schlechtes, so hat man etwas mehr Zeit sich ausführlich den Patienten zu widmen. Gerade am Anfang fühlen sich viele Berufseinsteiger doch noch etwas unsicher und würden den Patienten lieber 2 Stunden als 2 Minuten Fragen stellen, um auch ja nichts zu übersehen. Zeit zu haben gibt einem die Möglichkeit, in Ruhe über die Struktur und das Ausmaß von Anamnese - das heißt Befragung - und klinischer Untersuchung nachzudenken und häufig stellt man fest, dass die gewünschten 2 Stunden dafür gar nicht nötig sind. Das nimmt einem ein wenig die Angst vor Fehlern.
Es kommt immer wieder mal vor, dass man es mit unzufriedenen Patienten zu tun bekommt. Natürlich gibt es für Unzufriedenheit immer einen Grund. Diesen herauszufinden, ist manchmal nicht so einfach. Manchmal stellt sich aber heraus, dass die Unzufriedenheit auf falschen Erwartungen der Patienten beruht. Manchmal werden nicht weiter begründbare Tatsachen auch einfach nicht akzeptiert. Wer könnte es den Patienten verdenken; sich einzugestehen, dass im Alter die Gelenke verschleißen und deshalb schmerzen ist genauso schlecht zu ertragen wie die Akzeptanz einer unheilbaren Erkrankung. Zum Glück sind es oftmals nicht so endgültige Befunde in der Hausarztpraxis, die wir Patienten mitteilen müssen. Aber auch ein einfacher Schnupfen oder eine Magen-Darm-Grippe können sehr störend sein, das kennen wir schließlich alle. In diesen Fällen hilft oft nur Abwarten und das sprichwörtliche Teetrinken. Wenn es mal länger dauert, kann das nicht jeder gut akzeptieren - da schließe ich mich selbst mit ein. Man hat nunmal Besseres zu tun als kränkelnd auf der Couch zu liegen.
Wie also damit umgehen, wie mit der Unzufriedenheit umgehen, die manche Patienten an den Tag legen, wenn wir keine Wunderpille aus dem Hut zaubern können? Eine schwierige Sache, vor allem wenn ein Krankheitsverlauf tatsächlich ein klein wenig von der Norm abweicht. Hat man vielleicht doch etwas übersehen? An ein wichtiges Detail nicht gedacht? Krankheit ist nicht schön und wir wollen Ärzte werden, um den Menschen zu helfen bestmöglich mit Krankheit umgehen zu können. Dafür tun wir unser Bestes. Wenn Patienten dennoch unzufrieden sind, ist das frustrierend, suggeriert es doch, dass wir vielleicht noch besser hätten arbeiten können. Die Unterscheidung von einem banalen Infekt, der einfach eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt und vorrangig nervt, oder Alterszipperlein von einer potenziell schwerwiegenden Erkrankung ist hin und wieder alles andere als einfach. Fehlendes Vertrauen ist dabei nicht hilfreich, stört es doch die Arzt-Patienten-Beziehung und führt im schlimmsten Fall zu Fehleinschätzungen in die eine oder andere Richtung. Vertrauen zu erhalten und Unzufriedenheit zu vermeiden ist manchmal schwierig, aber ungemein wichtig. Etwas, an dem wir alle nicht genug arbeiten können.
Der Ultraschall ist eine ganz wunderbare Untersuchungsmethode - schnell, leicht verfügbar, sehr vielseitig, günstig und theoretisch von jedem durchführbar. Eine strukturierte Vorgehensweise beim Ultraschall zu haben, ist schon die halbe Miete für eine gute Untersuchung. Um aber richtig gut zu werden, muss man einfach wahnsinnig viel üben. In der Praxis bekomme ich viel Gelegenheit zum Üben. Und auch, wenn ich das Gefühl habe, mit jedem Mal Üben besser zu werden, bin ich noch sehr weit entfernt davon, ein guter Schaller zu sein. Dennoch macht es sehr viel Spaß und den Fortschritt zu erleben ist sehr motivierend.
Eine nette Abwechslung diese Woche ist das Sommerfest der Praxen in Lalling. Man erfährt ein wenig mehr über die Menschen, die hinter den Ärzten und MFAs stecken. Im Arbeitsalltag bleibt dafür oft keine Zeit.
Woche 6: 01.08. – 07.08.2022
Schon recht zu Beginn der Woche treffen wir Studentinnen uns mit ein paar von den Ärzten bei einer kleinen Gartenparty. Die verschiedenen Charaktere auch mal in einem privateren Umfeld zu begegnen ist interessant. Die Kirchberger Truppe darf zudem den erweiterten Grafenauer Kreis erstmals kennenlernen. Der gemütliche Abend ist aber mit einiger Vorbereitung verbunden. Den Großteil haben sicherlich die Grafenauer Mädels übernommen, da der Abend bei ihnen stattgefunden hat, und das haben Sie mit Bravour gemeistert.
Das nächste Highlight ist der Antibiotika-Kurs von MUDr. Rudolf Baloun. Schon bei unserem ersten Journal Club war er uns allen aufgefallen und man hatte schnell den Eindruck, dass er unglaublich viel weiß. Das bestätigt sich dann auch in dem extra für uns veranstalteten Kurs. Eine tolle Wiederholung zu den Themen Infektionen und Antibiotikatherapie, ein wahnsinnig komplexes Thema, mit dem man sich nicht oft genug beschäftigen kann. Es ist so umfangreich, dass nicht alles in dieser Session Platz findet, aber der Ausschnitt war sehr gewinnbringend. Vielen Dank dafür!
Passend dazu sehe ich eine Patientin in Schöfweg wieder, die uns schon in der Woche zuvor ein wenig Kopfzerbrechen bereitet hat. Ein scheinbar banaler Harnwegsinfekt, den die Patientin mit dem besten Mittel - nämlich sehr viel trinken - sofort selbst behandelt hat; weil das offenbar nicht ausreichte und sie an einem Wochenende Schmerzen im Unterbauch entwickelte, stellte sie sich im Notdienst vor. Trotz unauffälligem Urin-Schnelltest - das heißt, ein Harnwegsinfekt ist doch nicht so wahrscheinlich - gab man ihr ein Antibiotikum, ein Standardmedikament bei Blasenentzündungen. Auch das brachte nichts, sodass sie in die Praxis kam. Hier war der Urin-Schnelltest ebenfalls unauffällig, außerdem klangen die Symptome, von denen die Patientin berichtete, etwas untypisch, sodass der Anfangsverdacht eines einfachen Harnwegsinfekts erstmal verworfen wurde. Zur Sicherheit wurde dennoch Urin für eine Kultur ins Labor geschickt. In dieser zeigten sich dann tatsächlich viele Bakterien, der Anfangsverdacht war wieder ganz vorn im Rennen dabei. Ein erneutes ungewöhnliches Detail erbrachte das sogenannte Antibiogramm, das uns sagt, welche Antibiotika bei bestimmten Erregern wirksam sind. Das verabreichte Antibiotikum hätte eigentlich wirken müssen; wir entschieden uns für einen neuen Versuch mit einem anderen. Was man aus dieser Geschichte lernt: es gibt nichts, was es nicht gibt und es läuft nicht immer alles wie im Lehrbuch. Gespannt erwarte ich nun in der kommenden Woche eine Nachricht, ob sich die Patientin nochmal meldet, weil die Therapie wieder nicht gewirkt hat oder nicht und es ihr gut geht.
Woche 7: 08.08. – 14.08.2022
Diese Woche steht ganz im Zeichen der Psyche.
Montag stellt sich ein neuer Patient vor. Er möchte gerne die Praxis wechseln. Schon bei den ersten Sätzen merke ich, dass hier wohl etwas im Argen liegt. Manchmal kann man das noch gar nicht so recht festmachen an bestimmten Dingen. Es ist mehr ein Gefühl. In diesem Fall lässt mich der Patient nicht lange raten - er erzählt von sich aus zumindest in Ansätzen von seiner schwierigen Vergangenheit. Zugleich betont er, dass er nun sein Leben in den Griff bekommen möchte - ohne Klinik. Das finde ich toll - und recht engagiert, um es mal vorsichtig auszudrücken. Ich habe schnell erkannt, dass das ein harter Brocken wird, mit einem kurzen Gespräch ist es hier definitiv nicht getan. Zumal uns von medizinischer Seite bisher nichts zu diesem Patienten bekannt ist. Das Wartezimmer ist voll und uns fehlen objektive Informationen. Für ein suffizientes Gespräch würde das Behandlungszimmer wahrscheinlich für mehrere Stunden blockiert sein. Trotzdem möchten wir dem Patienten und seinen Bedürfnissen natürlich gerecht werden. Am Ende eines einigermaßen knappen Gespräches, das aber doch schon eine halbe Stunde in Anspruch nimmt, steht der Plan, dass er sich nächste Woche nochmal für ein ausführlicheres Gespräch vorstellt und in der Zwischenzeit wichtige Informationen zu seiner Vorgeschichte eingeholt werden. Ein guter Plan, denke ich. Man merkt, dass er Hilfe braucht und möchte. Dennoch wirkt er auf mich in diesem Moment soweit stabil, dass man ihm die Woche Wartezeit gut zutrauen kann. Doch es kommt anders; am nächsten Tag ist er wieder da und möchte in eine Klinik. Seinem Empfinden nach kommt er mit seiner Situation nicht ausreichend zurecht; das steht im Gegensatz zu unserer ersten Einschätzung am Vortag. Da wir aber den Patienten noch gar nicht kennen und offenkundig eine Vielzahl an komplexen Problemen vorliegt, kommen wir seiner Bitte gerne nach. Zumal der Patient selbst eigentlich auf uns so wirkt, als könne er die gegenwärtige Situation ganz gut einschätzen. Er kennt sich naturgemäß ja auch ein wenig. In der Wartezeit, bis der Krankenwagen da ist, ist mir dann doch etwas mulmig. Besteht womöglich die Gefahr, dass das Ganze in der Praxis nun außer Kontrolle gerät? Ist der Patient etwa davor, etwas wirklich Ungutes zu tun - hier in der Praxis? Habe ich das Recht, beunruhigt wegen meiner eigenen Sicherheit zu sein? Gibt es dazu einen Grund? Ich möchte dem Patienten so gerne helfen, aber es ist völlig klar, dass wir in dieser Lage an unsere Grenzen gekommen und auf spezialisiertere Hilfe angewiesen sind. Hoffentlich werde ich noch die Gelegenheit haben, diesen Fall ein wenig länger zu verfolgen.
Das Thema zieht sich weiter durch - mal in Form eines ausgearteten Streits mit einem Nachbarn, der zu einem kleinen Nervenzusammenbruch geführt hat, mal in Form eines Schicksalschlages. Es fällt mir zunehmend etwas leichter, den Geschichten zwar mit Empathie aber dennoch mit emotionalem Abstand zu folgen.
Am Anfang meines Tertials kam es durchaus vor, dass ich mit den psychisch angeschlagenen Patienten mitgeweint habe. Das passiert nun nicht mehr. Nicht, weil ich kein Mitgefühl mehr für die Schicksale unserer Patienten aufbringen kann. Aber es gelingt mir nun deutlich besser, die nötige Distanz zu wahren.
Woche 8: 15.08. – 21.08. 2022
Eine kurze Woche in Kirchberg beginnt - nach einem tollen verlängerten Wochenende.
Da es Urlaubszeit ist und viele weggefahren sind, fallen die Besprechungen diese Woche etwas knapper als sonst aus. Das entzerrt die Woche zusätzlich zum freien Montag. Aber ich merke auch, dass sie mir als Denkanstoß ein bisschen fehlen.
Wieder einmal begegne ich einem schwierigen Patienten. Zunächst habe ich nach Startschwierigkeiten das Gefühl, der Situation ganz gut zu begegnen, ich komme einigermaßen gut ins Gespräch mit ihm und befrage ihn ausführlich zu seinen Beschwerden, nehme mir Zeit. Als ich den Arzt zum Gespräch dazu hole, habe ich aber das Gefühl, dass ich mich mit meiner Einschätzung getäuscht habe. Der Patient zeigt kein Interesse daran, das Gespräch noch einmal aufzunehmen und geht einfach - quasi mitten im Satz. Ich bleibe beinahe schockiert zurück - was haben wir bloß falsch gemacht? Obwohl mir versichert wird, dass es nicht an mir liegt und man bei manchen Patienten genauso gut mit einer Wand reden könnte, frage ich mich doch immer wieder, was ich anders hätte machen können. Habe ich etwas falsch verstanden? Oder nicht ernst genug genommen? Haben wir nun etwas Wichtiges übersehen, weil das Gespräch so abrupt geendet hat? Nun ja, letztlich kann man niemanden zu einem Gespräch zwingen - oder zu einer Therapie oder zu sonst etwas.
Außerdem sehen wir eine entzündete Operationswunde. Über mehrere Tage in der Woche kommt der Patient immer wieder und wir können wunderbar beobachten, wie die Therapie ihre Wirkung tut. Ein tolles Gefühl. Das ist einer der Gründe, warum wir tun, was wir tun. Es gibt ein Problem, es wird eine Lösung gesucht und die Lösung fruchtet.
Ich merke, dass ich bei den einfacheren Fällen inzwischen schon viel mehr Selbstsicherheit habe. In einer Hausarztpraxis kann man das gedankliche Abhaken von Patientenfällen sehr gut üben. Die meisten sind nicht akut gefährlich, was schon mal viel Druck nimmt. Und im Großteil der Fälle kann man sich darauf verlassen, dass die Patienten wieder kommen und man das Geschehen langfristig im Blick hat. Das gibt einem das Gefühl, nicht womöglich etwas Wichtiges zu verpassen. Zudem hat man viel mehr den ganzen Menschen im Blick als einem das in der Klinik möglich ist. Man bekommt einen besseren Eindruck von seinen Patienten und kann mit einem besseren Gefühl abschließen, wenn dieser die Praxis verlässt. Dann kann man sich voll auf den nächsten Patienten konzentrieren.
In unserem Donnerstagstreffen sprechen wir über das Handling von Marcumar. Ein alltägliches Thema in der Hausarztpraxis, dennoch eines, das einem als Student eher schwer fällt. Wir alle hatten keinen richtigen Plan, wie man so etwas am besten angeht. Nach dem Teaching ist das deutlich besser. Außerdem hören wir noch etwas zur Therapie eines akuten Asthmaanfalls. Nicht ganz so alltäglich - aber Asthmapatienten sind es schon. Das und die Tatsache, dass so ein Aasthmaanfall potentiell lebensbedrohlich ist, machen auch das zu einem wirklich wichtigen Thema.
Am Freitag bin ich aufgrund der aktuellen Urlaubssituation ausnahmsweise in Rinchnach und treffe zum ersten Mal Petra Arbinger in live. Zuvor haben wir uns immer nur online zu den Besprechungen gesehen. So freue ich mich auf den Nachmittag. Ich stelle mal wieder fest, dass ich mich mit der Eingewöhnung in eine neue Situation etwas schwer tue - Neue Praxis, neue Menschen, neue Abläufe. zwangsläufig hat sich das im Laufe des Studiums schon deutlich gebessert aber es ist offenbar immer noch viel Luft nach oben.
Woche 9: 22.08. – 28.08. 2022
Eine spannende Woche liegt hinter mir. In den meisten Fällen traue ich mir inzwischen zu, recht gut einschätzen zu können, wie gut oder schlecht es einem Patienten geht bzw. wie ernst eine Situation ist. Oftmals passen subjektives Empfinden des Patienten und objektive Wahrnehmung nicht zusammen. Zu Anfang ist jeder Fall wie ein kleines Rätsel oder Puzzle, in das die Angaben der Patienten, die Untersuchung und nicht zuletzt viel Bauchgefühl eingehen. Dieses Bauchgefühl trügt mich nach einem dreiviertel Jahr PJ nun nicht mehr ganz so häufig wie am Anfang.
Ein recht eindrücklicher Fall begegnet mir gleich am Montag. Es ist nicht sofort eindeutig klar, mit welcher Erkrankung wir es zu tun haben; klar ist aber sehr schnell, dass hier gefährliche Dinge im Krankenhaus abgeklärt werden müssen. Es handelt sich um einen recht jungen Menschen, mitten im Leben, kleine Kinder zu Hause. Zunächst wirkt er fit und fröhlich. Doch er erklärt mir, dass er sehr besorgt ist - zurecht, wie sich bald herausstellt. Seit kurzer Zeit plagen ihn seltsame Schwindelanfälle mit Schweißausbrüchen. Das sind recht unspezifische Symptome, die eine ganze Latte an Ursachen haben können. Gedanklich gehe ich schon einige durch. Viele der in Frage kommenden Diagnosen sind zwar störend aber nicht akut gefährlich oder doch wenigstens gut und schnell in den Griff zu bekommen. Ich fange mit ein paar allgemeinen Untersuchungen an: Herz, Lunge. Als er jedoch erwähnt, seinem Umfeld sei aufgefallen, dass er bei diesen Anfällen zu schielen anfinge, werde ich hellhörig. Das grenzt die Möglichkeiten stark ein und lässt Sorge in mir hochkommen. Der sogenannte Blickfolgeversuch ist auffällig - die Augen arbeiten nicht so zusammen, wie sie sollten. Mehr braucht es in diesem Moment gar nicht als Hausarzt, um zu wissen, dass wir hier unverzüglich auf spezialisierte Hilfe zurückgreifen müssen. Mir wird wieder einmal klar, dass es oft nur ein Schlüsselsymptom braucht, um auf die richtige Spur zu kommen. Und wir als Ärzte sind darauf angewiesen, dass Patienten uns vollumfänglich informieren, dabei aber nicht das Wesentliche aus dem Blick verlieren.
Dienstag sehe ich den Patienten mit der komplexen Vorgeschichte wieder. Er wirkt schon ruhiger, es scheint ihm etwas besser zu gehen. Aber noch lange nicht gut. Hier liegt noch ein langer Weg vor Arzt und Patient. Bei so schwierigen Fällen wie diesem droht man, den Mut zu verlieren als Arzt. Es wird immer wieder Rückschläge geben und vielleicht wird er nie in die Nähe eines normalen Lebens kommen. Genau das möchte man aber für diese Menschen - ein kleines Stück Normalität. Man muss hier wirklich aufpassen, weder in Verzweiflung noch in Gleichgültigkeit abzugleiten. Eine neutrale Haltung zu wahren, ist hier wirklich schwierig, aber genau das, was unsere Aufgabe ist und was den Patienten am meisten hilft.
Ab Mittwoch wird es bauchlastig. Bauchschmerzen sind ein weites, weites Feld. Erst sehe ich eine sehr junge Frau mit rechtsseitigen Unterbauchschmerzen. Die Schmerzen seien schon recht stark, sie liegt aber noch einigermaßen entspannt auf der Liege. Bei diesem Schlüsselbegriff denkt der brave Student sofort an eine Blinddarmentzündung. Im Ultraschall suchen wir zunächst auch genau danach. Darmschall ist schwierig und man hat immer ein wenig das Gefühl, im Trüben zu fischen. So auch in diesem Fall. Es ist nichts auffällig im Bereich des Blinddarms. Das erklärt sich aber, als wir ein Stück weiter etwas Seltsames entdecken, das hier nicht hingehört. Auch in diesem Fall kann man in der Praxis nicht viel weiter tun. Sie muss ins Krankenhaus. Wir alle erwarten gespannt auf den Arztbrief, der hoffentlich nächste Woche kommt und uns endgültige Antworten auf unsere Spekulationen liefert. Quasi genau anders herum läuft es bei der nächsten Patientin. Sie hat seit wenigen Stunden wirklich sehr starke Schmerzen im linken Bauch, nimmt eine Schonhaltung ein, das Laufen fällt ihr schwer. Die Liste an Differenzialdiagnosen bei linksseitigen Bauchschmerzen ist mittellang; auf jeden Fall kein absolut eindeutiges Symptom. Auf Nachfrage gibt sie an, ungewöhnlicherweise seit einigen Tagen keinen Stuhlgang gehabt zu haben. Wir raten ihr, sich zunächst mit Abführmitteln zu versorgen und tatsächlich, am nächsten Tag geht es ihr schon deutlich besser. Auch eine schnöde Verstopfung kann brutal sein - und unter Umständen sogar gefährlich.
Ich nehme mit: aus den Beschwerden und deren Schwere bzw. dem alleinigen Eindruck, der einem zunächst vermittelt wird, kann man nicht darauf schließen, wie schlimm es tatsächlich ist.
Woche 10: 29.08. – 04.09.2022
Der etwas besorgniserregende Fall von letzter Woche stellt sich wieder vor! Ich freue mich, zu erfahren, wie es weitergeht. Ein schöner Aspekt in der Allgemeinmedizin; man kann die Patienten über längere Zeit begleiten und bekommt viel mit.
In diesem Fall haben die Neurologen ein sehr seltenes Krankheitsbild diagnostiziert. Es geht dem Patienten schon deutlich besser als bei seinem ersten Besuch. Aber von einer Genesung kann noch lange nicht gesprochen werden. Da es sich um eine sehr spezielle Diagnose handelt, wird der Patient beim Facharzt angebunden. Es stehen weitere Untersuchungen an. Fast wehmütig bemerke ich, dass ich nicht mehr viel Zeit hier vor mir habe; so werde ich den Ausgang der Geschichte wohl leider nicht erfahren.
Zur Abwechslung im allgemeinmedizinischen Arbeitsalltag bekomme ich mal wieder die Gelegenheit, mich chirurgisch zu betätigen. Nach einem Treppensturz muss jemand genäht werden. Eigentlich eine Kleinigkeit. Allerdings merke ich, dass das Instrumentarium in einer Hausarztpraxis nicht so recht zu vergleichen ist mit dem in einer Klinik. Eine Herausforderung. Doch ich bekomme es hin, selbstverständlich mit professioneller Unterstützung. Das Nähen und Schneiden erfreut mein Herz. Das ist das Schöne an der Chirurgie - es gibt ein Problem, man schneidet, man näht, man behebt das Problem. Fertig. Gut, das ist natürlich arg vereinfacht. Aber im Prinzip stimmt es.
Woche 11: 05.09. – 11.09.2022
Die erste komplette Woche in Lalling geht zu Ende. Gleichzeitig ist es für mich die vorletzte Woche hier im Bayerwald.
Wir sehen einige Patienten aus anderen Praxen, da diese derzeit im Urlaub sind. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich manchmal die Symptome bei Patienten interpretiert werden und wie ein anderer Blickwinkel die initialen Arbeitsdiagnosen in Frage stellen können. Ebenso zeigt sich der eine oder andere Fall, bei dem einfach neue Informationen dazu gekommen sind. Jedenfalls müssen wir ein paar der Diagnosen und Behandlungen ändern.
Wurde in den anderen Praxen schlecht gearbeitet? Ein klares Nein. Manches ist eben nicht eindeutig und manchmal kann eine kleine neue Information alles über den Haufen werfen, was vorher plausibel war. Als Mediziner ist man nicht zuletzt - wenn nicht sogar in erster Linie - auf vollständige und ehrliche Informationen von Seiten der Patienten angewiesen. Ohne sich dabei in Belanglosigkeiten zu verzetteln. Gerade auch deshalb ist es so wichtig, die richtigen Fragen zu stellen.
Ein etwas rätselhafter Fall verfolgt uns die Woche über. Ein geschwollenes Bein, das allen zu denken gibt. Generell ein recht häufiges Symptom, meist kann man es nach ein paar Fragen und Untersuchungen recht schnell und sicher einem Krankheitsbild zuordnen. Nicht in diesem Fall. Der Patient präsentiert sich nicht direkt typisch für etwas Gefährliches - nämlich die tiefe Beinvenenthrombose -, aber eben gerade typisch genug, dass man die These nicht guten Gewissens verwerfen möchte. Obwohl sogar im Krankenhaus nach deren Bestätigung gesucht und diese Diagnose ausgeschlossen wurde. Jetzt heißt es erstmal weitere Untersuchungen abwarten und beobachten; vielleicht ergibt ein CT den alles entscheidenden Hinweis oder es erscheint doch noch das oben erwähnte neue Symptom, das einem die Schuppen von den Augen fallen lässt. Unbefriedigend, sowohl für den Patienten als auch für uns Mediziner.
Ebenfalls ein lehrreicher Fall war ein junger Mann, der sich nach einer Covid-Infektion mit weiter bestehenden Atembeschwerden und Müdigkeit vorstellt. Dieses Patienten-Klientel sehen wir recht häufig zur Zeit. Ebenfalls frustrierend, weil man nicht sehr viel tun kann, um die Situation zu verbessern. Etwas wirklich akut Gefährliches ist es in der Regel nicht - meistens hilft es nur abzuwarten. Das ewig gleiche Spiel. Das verleitet dazu, einen solchen Fall gedanklich schon beinahe abzuschließen, bevor man überhaupt mit dem Patienten gesprochen hat. Etwas, worauf ich hoffentlich besser achten werde in Zukunft, denn in diesem Fall zeigt das routinemäßig durchgeführte EKG eben doch eine Myokarditis - eine Herzmuskelentzündung.
Außerdem darf ich meine eigens gesetzten Fäden von letzter Woche entfernen. Alles gut verheilt. Eine runde Sache. Ein gutes Gefühl.
Caroline Swoboda
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PJ in der Gemeinschaftspraxis Bayerwald: „Fachlich bin ich beeindruckt, was hier geleistet wird“
Medizinstudentin Caroline Swoboda entschied sich für ein PJ-Tertial Allgemeinmedizin in der Gemeinschaftspraxis Bayerwald, weil sie die Famulatur dort schon in so guter Erinnerung hatte. Unterstützt wurde sie dabei von der Stiftung Bayerischer Hausärzteverband. Und wieder war sie fachlich „beeindruckt, was in der Gemeinschaftspraxis geleistet wird. Hier ihr Bericht:
Motivation
Die Antwort auf die Frage nach meiner Motivation für mein PJ-Tertial in der Gemeinschaftspraxis Bayerwald teilt sich in zwei Aspekte. Zum einen, warum ich mich für ein Allgemeinmedizin-Terital entschieden hab und zum anderen, warum ich das gerade auf dem Land machen wollte.
Für die Allgemeinmedizin habe ich mich entschieden, da ich in meiner Famulatur in dem Exzellent-Programm von Dr. Wolfgang Blank bereits positive Erfahrungen in einer Hausarztpraxis gemacht hatte. Ich schätze vor allem den langfristigen Kontakt mit den Patienten und die abwechslungsreichen Beratungsanlässe. Das Tertial speziell auf dem Land machen wollte ich, um hier die Arbeit in der Allgemeinmedizin zu erleben, bei der nicht direkt um die Ecke jeder andere Facharzt oder ein Krankenhaus zur Verfügung steht.
Tätigkeit und fachliche Eindrücke
In der Gemeinschaftspraxis wurde ich in jeder Zweigstelle als ärztliche Kollegin angesehen. Als PJ-Student darf man sich als „angehende(r) Arzt/Ärztin“ vorstellen und so wurde ich langsam an die Haltung eines Arztes herangeführt. Während der Sprechstunde habe ich mit einer der MFA oder dem ärztlichen Kollegen abgesprochen, welchen Patienten ich aufrufen darf. Dann hatte ich so viel Zeit, wie ich für Anamnese und körperliche Untersuchung benötigte. Daraufhin informierte ich den Patienten, dass ich nun einen Arzt dazu hole und stellte den Patienten mit seinen Symptomen vor. Je nach Beratungsanlass konnte ich einen Therapievorschlag äußern und das Prozedere wurde mit Patient und Arzt besprochen. Abschließend machte ich die Dokumentation zu dem Fall. Bei den Gesundheitsuntersuchungen durfte ich ebenso alleine beginnen und auch sonografieren. Danach wurde die Untersuchung wiederholt und ich konnte meinen Eindruck abgleichen.
Fachlich bin ich beeindruckt, was in der Gemeinschaftspraxis geleistet wird. Durch die regelmäßigen Fallbesprechungen, Journal Clubs und das leitliniengerechte Arbeiten habe ich das Gefühl, das evidenzbasierte Medizin hier wirklich groß geschrieben wird.
Betreuung vor Ort
Die Betreuung der Studierenden ist sehr gut organisiert. Die Koordination der Studierenden läuft über einen Arzt, der uns vor der Anreise über alles Wichtige informiert hat und auch während des PJ-Tertials begleitete. Außerdem gibt es in der Gemeinschaftspraxis viele junge Assistenzärzte, die einen gerne jederzeit unterstützen oder Fragen beantworten.
Fachlich wurden wir u. a. über die Fall- und Themenbesprechungen gut betreut, bei denen wir immer Fragen stellen durften und sollten.
Unterkunft
Die Unterkunft war wirklich hervorragend. Als PJ-ler hat man entweder eine eigene Wohnung oder eine Wohnung, in der zwei Schlafzimmer sind, von denen man eines alleine bewohnt und in dem anderen wechselnd ein/zwei Famulanten oder Blockpraktikanten wohnen. Beides sind große, saubere Wohnungen, in denen man sich wohl fühlen kann.
Land und Leute
Die Menschen im Bayerischen Wald wachsen einem wirklich schnell ans Herz und man ist immer auch als „Zugezogener“ willkommen. Ich habe recht bald ein paar Wörter übernommen und kann beim Abhören „jetzt bitte tief ein- und ausschnaufen“ sagen, das hört sich so oder so viel sympathischer an.
Die Region an sich finde ich auf jeden Fall lebenswert, ich habe es genossen, inmitten der Natur zu wohnen und an den Wochenenden den Bayerischen Wald zu erkunden. Nur, dass man für fast jeden Weg das Auto braucht, ist für mich weiterhin gewöhnungsbedürftig geblieben.
Fazit
Zusammenfassend würde ich sagen, dass man durch die verschiedene Aufgaben, die man in der Gemeinschaftspraxis rund um die Besprechungen, Seminare und Journal Clubs hat, auf jeden Fall gefordert ist. Wer ein entspanntes Terital haben möchte, bei dem man um 12 Uhr geht, der ist hier falsch. Ich wusst, dass ich hier gefördert und gefordert werde und würde mich wieder für ein Tertial im der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald entscheiden.
Förderprogramme Stiftung Bayerischer Hausärzteverband
Woche 1: 7.3. - 13.3.2022
Meine Fahrt in den Bayerischen Wald beginnt am Freitag Nachmittag in Eichstätt, wo ich mein Tertial in der Inneren Medizin gemacht habe. Nach zweieinhalb Stunden, bin ich in Kirchberg und bin schon gespannt, die Unterkunft für die nächste Zeit zu sehen. Ich bin in der großen Wohnung, in der in zwei Schlafzimmern bis zu drei Studenten Platz haben. Es ist wirklich gemütlich hier und jetzt, nach einer Woche, fühle ich mich schon wohler als in der ganzen Zeit in einem kleinen Zimmer in Eichstätt.
Ich bin jetzt das vierte Mal im Bayerischen Wald. Begonnen hat alles mit dem Exzellenten Winter 2018. Da bin ich direkt nach dem 5. Semester für meine Hausarztfamulatur hierher gekommen. Besonders war für mich, wie viele begeisterte Mediziner ich hier getroffen habe, sowohl die Studenten als auch die Ärzte. Also bin ich im nächsten Jahr für ein Exzellentes Wochenende gleich wieder da gewesen. Letztes Jahr habe ich dann das erste Mal als Tutor für eine Woche beim Famulatur-Programm mitgeholfen und entdeckt, wie viel Spaß es mir macht gemeinsam mit den Studenten Teachings zu machen.
Jetzt bin ich also wieder hier. :) Meine erste Woche bin ich in den Praxen in Kirchberg und in Auerbach. Es ist wirklich ein großer Vorteil sein PJ hier zu machen, weil man so viele verschiedene Allgemeinärzte, ihre Arbeitsweise und Einstellung kennen lernen darf. Anfangs dürfen wir uns erstmal alle Praxen ansehen und dann überlegen, in welchen zwei wir überwiegend sein wollen. Im ersten Monat hier findet parallel die Exzellente Famulatur statt. Das heißt, nach dem Vormittag in der Praxis sind nachmittags Teachings angesagt. Am Dienstag helfen wir als PJler beim Wissenskurs mit und lernen auch selbst dazu. Als Student habe ich immer Amboss als Informationsquelle verwendet, aber ich beginne zu verstehen, dass ich hier in der Allgemeinmedizin vielleicht eine neue Lieblings-Quelle brauche. Jetzt habe ich mir die Seite deximed.de für Hausärzte angesehen und mir einen kostenlosen Account für Studenten angelegt. Am Mittwoch ist dann der Sono-Kurs. Es macht Spaß, gemeinsam mit den Studenten eine Abdomen-Untersuchung zu üben und ich freue mich, wenn ich helfen kann und wir doch noch die linke Niere der Studentin finden, die sich gerade zum Schallen zur Verfügung stellt. Am Samstag findet der Untersuchungskurs in Regen statt. Ich übe mit den Studenten die neurologische Untersuchung und die anderen Tutoren haben die Themen Thorax, Abdomen und HNO. Erschöpft, aber voller Eindrücke von der abwechslungsreichen Woche gönnen wir uns erstmal ein leckeres Stück Kuchen in einem netten Café in Rinchnach. Am Sonntag geht es dann mit den anderen Studenten zum Langlaufen auf den Bretterschachten. Die Sonne strahlt vom Himmel und wir ziehen ein paar Schichten unserer viel zu warmen Kleidung aus und genießen die Zeit auf den Skiern.
Insgesamt eine tolle Woche!
Woche 2: 14.03. – 20.03.2022
Die zweite Woche im Bayerischen Wald startet in der Praxis in Kirchberg. Ein Student aus dem Famulaturprogramm und ich gehen zusammen zu den Patienten, machen Anamnese und eine körperliche Untersuchung. Dann stellen wir einem der Ärzte den Fall vor und berichten unsere Überlegungen zur Therapie. Die Vormittage in der Praxis verfliegen nur so und an den Nachmittagen sind wieder die Teachings des Famulaturprogramms angesagt.
Am Dienstag sind Hannah und ich beim EKG-Unterricht dabei. Erst gibt es einen Vortrag von Frau Dr. Krenn und dann stürzen sich alle auf die mitgebrachten Übungs-EKGs. Hannah und ich müssen Rede und Antwort stehen. Warum ist die Q-Zacke hier so komisch? Ist das jetzt ein Indifferenztyp oder doch ein Steiltyp? Was ist ein S1-Q3-Typ? Wir geben uns Mühe beim Beantworten und befragen im Notfall das „EKG für Isabel“-Buch und unseren Joker Frau Dr. Krenn. Am nächsten Tag ist nachmittags die Fallbesprechung. Die Studenten bringen Fälle aus ihren Praxen mit und wir sprechen mögliche Differentialdiagnosen und Red Flags anhand der sechs Kategorien Entzündung, Tumor, Trauma, Gefäße, Stoffwechsel (+ Medis + Autoimmunerkrankungen) und Psyche durch. Um nichts zu übersehen, ist das eine tolle Hilfestellung! Am Donnerstagnachmittag dürfen wir mit den Famulanten nach Zwiesel in die Klinik zum Nahtkurs. Der Chefarzt und mehrere Assistenzärzte bringen uns geduldig bei, wie man Einzelknopfnähte, aber auch Rückstich- und Intrakutannähte macht. Die Woche endet mit dem Samstags-Teaching in Regen. Heute stehen Chronische Krankheiten auf der Tagesordnung. Als erstes erzählen uns zwei MFAs aus der Gemeinschaftspraxis, wie sie KHK- und Diabetes-Patienten versorgen. Es ist ein wirklich tolles Konzept, denn die beiden bestellen sich ihre Patienten selber regelmäßig ein und kennen dadurch die Patienten und deren Sorgen wirklich gut. Manchmal meint man, dass sich die erfahrenen MFAs mit einem Appell an uns angehende Ärzte wenden: Hört den Patienten zu! Versucht sie zu verstehen! Und überlegt bei jeder Therapie, ob ihr das nur tut, um einer Leitlinie zu entsprechen oder ob eventuelle Nebenwirkungen und ein fehlender Nutzen eher dagegensprechen. Nach einer kurzen Pause folgen noch die Themen COPD/Asthma und Herzinsuffizienz. Danach rauchen unsere Köpfe!
In der lehrreichen Woche sind aber auch entspannte WG-Abende dabei. Hannah ist eine tolle Nachbarin und wir kochen viel zusammen. Diese Woche gibt es einmal selbst gemachte Pizza.
Und für mich Stadt-Kind gab es noch einen echt aufregenden Moment. Ich mache einen abendlichen Spaziergang auf dem Waldweg um den Kirchberg. Als ich an einem Hof mit drei Pferden vorbeikomme, bahnt sich auf einmal ein Pferd einen Weg durch den Elektrozaun, auf dem wohl kein Strom ist. Begeistert folgen ihm die anderen beiden gleich. Der Hofhund bellt schon die ganze Zeit wie verrückt und ich suche das Wohnhaus und finde dann tatsächlich eine Bewohnerin. Ich erkläre aufgeregt, dass die Pferde weggelaufen sind. Sie nickt und meint: „Kein Problem, das machen sie öfter. Ich pfeife sie gleich zurück.“ Puh, das ging ja nochmal gut aus…
Woche 3: 21. – 27.03.2022
Diese Woche beginnt etwas anders, da Hannah, meine Mit-PJlerin, und ich unseren Strahlenschutz-Grundkurs für die Klinik zu absolvieren hatten. Drei Tage lang nur vor dem Computer sitzen und Vorträgen über alpha-, beta- und gamma-Teilchen lauschen – als wir das endlich hinter uns haben, freuen wir uns umso mehr auf die zwei Tage in der Praxis.
Ich bin diese Woche in der Praxis in Schöfweg eingeteilt. Wie in allen Standorten der Gemeinschaftspraxis sind auch hier die MFAs schon mit dem Konzept für die Medizinstudenten vertraut. Man kann selber auf der Warteliste nachsehen, welche Patienten gerade da sind und dann kurz absprechen, wo man jetzt hingeht. Dann lese ich kurz in der Vorgeschichte des Patienten und gehe zum ihm. Die allermeisten Patienten freuen sich und erzählen gerne auch dem Studenten von ihren Beschwerden. Hier in den Gemeinschaftspraxen soll der PJ-Student schon als angehender Arzt mitarbeiten und darf sich auch so vorstellen. Ich find das toll, da ich so die Möglichkeit habe, langsam in die neuen Aufgaben reinzuwachsen. Wenn man dann beim Patienten ist, hat man Zeit für eine ausführliche Anamnese und führt die Untersuchungen durch, die man für zielführend hält. Nun kann man einen der Ärzte dazu holen. Es ist gar nicht so leicht, bei der Zusammenfassung für den Arzt alles strukturiert zu berichten und gleichzeitig dem Patienten zu zeigen, dass man verstanden hat, was seine Beschwerden sind. Wenn man einen Therapievorschlag hat, kann man jetzt gemeinsam besprechen, wie es weiter geht. Ich stelle jeden Tag fest, dass manche Dinge schon ganz gut klappen und sehe aber auch, wo meine Defizite sind. Heute hatte ich wieder einen Patienten mit Knieschmerzen und ich bin einfach noch nicht sicher in der orthopädischen Untersuchung. Da muss ich auf jeden Fall noch nachlesen und den Ärzten über die Schulter schauen. Außerdem gibt es hier im PJ die Möglichkeit bei anderen Fachärzten zu hospitieren. Ich denke, da schaden mir ein paar Tage beim Orthopäden nicht. ;)
Am Donnerstagnachmittag ist der Kinder-Untersuchungskurs des Exzellenten Winters. Zwei Allgemeinmedizinerinnen, die viele U-Untersuchungen machen und daher auch allgemein viele Kinder als Patienten haben, erzählen uns, auf was wir beim Umgang mit den kleinen Patienten achten sollen. Für uns ist das sehr interessant, weil es den Beruf als Allgemeinmediziner noch vielseitiger macht und wir gar nicht wussten, dass man auch die U-Untersuchungen machen darf. Dann kommen sogar ein paar Mütter mit ihren kleinen Kindern und wir versuchen uns den Kindern spielerisch zu nähern, um nebenbei ganz unauffällig Herz und Lunge abzuhören. Spätestens bei der Orthoskopie wird es dann schwieriger und auch der Holzspatel löst bei den Kleinen keine Begeisterung aus. Als kleines Dankeschön werden dann Mütter